2,99 €
Sie bewirbt sich bei einer Model-Agentur, und anscheinend muss sie hier nicht gleich was unterschreiben oder vorab Spesen bezahlen. Es gibt auch Probeaufnahmen, aber irgendwie ahnt sie, was dieser Typ plant. Wahrscheinlich sind solche Scherze hier üblich, und sie kann ja einmal mitspielen ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 42
Veröffentlichungsjahr: 2023
Susy Gersten
DURCHGENOMMEN VOR DER KAMERA
Sie bewirbt sich bei einer Model-Agentur, und anscheinend muss sie hier nicht gleich was unterschreiben oder vorab Spesen bezahlen. Es gibt auch Probeaufnahmen, aber irgendwie ahnt sie, was dieser Typ plant. Wahrscheinlich sind solche Scherze hier üblich, und sie kann ja einmal mitspielen …
Sandra sah noch einmal nach, aber die Adresse stimmte. War das wirklich dort oben? Sie hatte ihren Blick immer noch zu dieser Villa gerichtet. Hier unten neben dem Tor stand auch „Agentur“ und ein Name, wie sie jetzt bemerkte. Sie bemerkte auch ein leichtes Surren – und die Flügel des Tores öffneten sich nach innen.
Sie trat ein und folgte dem leicht ansteigenden Weg. Die Warteschlange sah sie schon vor sich, aber probieren wollte sie es. Vielleicht waren nicht so viele hier, weil sie immer noch allein war und niemand sonst bemerkte. Ihr Plan war klar. Wenn das wieder so etwas war, wo sie sofort einen Vertrag unterschreiben und womöglich Spesen bezahlen musste, war sie sofort weg. Da würde sie auch nicht lange herumreden.
So wie das hier aussah, machten die sicher auch die Probeaufnahmen hier. Sie sollte sich nichts erhoffen, aber okay. Das würde doch nicht wieder solche Unterwäsche-Werbung werden. Aber sicher gab es hier einige Stellen, die sich gut eigneten. Dort vorne war eine Terrasse mit Gartenmöbeln. Ein Mann saß dort und wurde auf sie aufmerksam. Er sah nicht übel aus, und sie spürte irgendwie dieses „Prickeln“, als er in ihre Richtung lächelte. Sie kam auf ihn zu und deutete etwas wie ein Händeschütteln an.
„Hallo, äh … Sandra, oder?“, fragte er.
„Ja, ich habe heute diesen Termin, und …“
„Du kannst mich ruhig Johnny nennen. Ja, also … wir machen dann heute ein Casting. Du kannst schon einmal dort drüben …“
„Ja, also wie gesagt, ich habe schon ein paar Erfahrungen, und …“
„Ganz ruhig, ganz ruhig! Das spielt erst einmal alles keine Rolle. Ich weiß, du hast Talent!“
Es wunderte sie nicht, dass es etwas lockerer zuging als bei diesen üblichen Bewerbungen in Büros. Was sie so gemacht hatte, fragten die immer, wo sie sich in fünf Jahren sah – und irgendwann hatte es ihr gereicht. Vielleicht ging es hier wieder nur um billige Werbung, wie bei dieser anderen Agentur. Die hatten ihr gleich einen Vertrag mit einem „Kostenbeitrag“ vorgelegt und sie dann eben noch einen dringenden Termin gehabt, statt das zu unterschreiben. Aber das hier hatte sich etwas anders angehört.
Neben ihr bemerkte sie so etwas wie eine große Luftmatratze, oder doch eine dicke, feste Matte. Von der leichten Anhöhe hier konnte sie einen Teil der Umgebung sehen. Die Ecke dort war von einer üppig wachsenden Hecke vor jeglichen Blicken geschützt. Wie so ein Casting ablief, hatte sie nur einmal gehört, aber das war dann vielleicht genau dort. Zumindest erkannte Sandra sonst nichts, das er gemeint haben könnte … und sein Blick wies sie immer noch dorthin. Dann setzte sie sich eben hin – und der leichte Luftzug vertrieb die aufkommende Hitze immer noch recht gut.
„Ja, also …“, holte dieser Johnny zu einer Erklärung aus, „… dort drüben wäre dann die aktuelle Kollektion.“
„Wovon bitte?“
„Unterwäsche.“
„Ach so, ja.“
„Komm schon, Schätzchen!“
Was hatte er gesagt, „Schätzchen“? Das ging jetzt aber ein wenig weit! Aber gut, so redeten die hier vielleicht. Er zeigte auf eine dünne Wand. Natürlich musste sie hier einmal mit etwas beginnen und zeigen, was sie konnte. Aber dann …
„Such dir einfach was aus, und zieh einmal den Oberteil und den Slip an“, setzte Johnny fort. „Dann …“
„Ja, also …“
Hinter der Trennwand, die mit Seilen aufgespannt war, sah Sandra eine kleine Auswahl an Unterwäsche. Ihr fiel sofort etwas ins Auge, das ihm wohl … an ihr gefallen könnte. Sie legte ihr T-Shirt und den BH ab und probierte einmal den hier. Der passte doch perfekt! Sie legte auch noch den Rest ab, zog das passende Höschen an, und trat hervor.
Johnny sagte nichts, als sie sich langsam bewegte, ein bisschen herumdrehte und lächelte. Irgendwie hatte sie sich ein richtiges Casting etwas anders vorgestellt, aber immerhin gefiel ihr sein Blick. Vielleicht würde der richtige Teil noch kommen. Er trat noch etwas näher und machte Andeutungen, wie sie sich drehen sollte. Dann auf einmal eine, dass er kurz weggehen würde. Sandra glaubte nicht, dass sie nervös wurde, aber sie atmete trotzdem tief ein und aus und beobachtete das Spiel des leichten Windes mit den Blättern.
Ungefähr zwei Minuten später kehrte er mit einer riesigen Kamera zurück, die wohl für den professionellen Einsatz gedacht war. Dieser Johnny war hier auch der Fotograf? Er deutete an, sie solle sich dort drüben hinstellen, die Hand etwas nach unten bewegen … und eine endlose Reihe von Fotos folgte. Einige betrachtete er offenbar auf dem Bildschirm der Kamera und schien recht zufrieden damit zu sein. Aber was … wenn in einer Viertelstunde bereits die Konkurrenz auftauchte, eine weitere Bewerberin? Was, wenn sie nichts Besonderes bieten konnte?
„Sehr gut, sehr gut“, kommentierte er, „aber ich muss dir ganz ehrlich etwas sagen.“