Düstere Sehnsucht - Christine Feehan - E-Book

Düstere Sehnsucht E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Sie sind die Schattengänger, eine Gruppe herausragender Kämpfer, deren Fähigkeiten von dem Wissenschaftler Dr. Peter Whitney verstärkt wurden. Marigold Jenkins wurde mit einer starken telepathischen Gabe geboren und ihr Leben lang als Soldatin ausgebildet. Doch all ihr Training und ihre Disziplin helfen ihr nicht, als sie in die grauen Augen von Schattengänger Ken Norton blickt und ihm völlig verfällt. Kann Mari gemeinsam mit Ken ihre Leidensgenossinnen aus Dr. Whitneys Labor befreien?

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Seitenzahl: 730

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Titel der amerikanischen Originalausgabe DEADLY GAME Deutsche Übersetzung von Ursula Gnade
Deutsche Erstausgabe 07/2010Copyright © 2007 by Christine Feehan Copyright © 2010 der deutschsprachigen Ausgabeby Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München. Redaktion: Uta DahnkeSatz: Greiner & Reichel, Köln
ISBN 978-3-641-07157-8V003
www.heyne.de www.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

DAS BUCHDIE AUTORINDAS BEKENNTNIS DER SCHATTENGÄNGERDIE EINZELNEN BESTANDTEILE DES SCHATTENGÄNGERSYMBOLSKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20DANKSAGUNGCHRISTINE FEEHANDie AutorinCopyright

DAS BUCH

Von klein auf ist Mari Smith zur Soldatin ausgebildet und zu Disziplin und Selbstverleugnung angehalten worden. Doch als sie und ihre Kameradinnen nur noch Teil eines perfiden Militärprogramms sein sollen, bricht sie aus und versucht mit Unterstützung ihrer alten Schattengänger-Einheit US-Senator Freeman und seine Frau Violet um Hilfe zu bitten. Ihr Vorhaben wird allerdings vereitelt: Fremde Schattengänger haben die Berghütte des Senators längst im Visier. Von einem Schuss getroffen wird Mari gefangen genommen, und plötzlich sieht sie sich dem Schattengänger Ken Norton gegenüber, von dem sie sich augenblicklich auf nie gekannte Weise angezogen und besänftigt fühlt. Ob auch das Teil des Programms des größenwahnsinnigen Dr. Peter Whitney ist? Ganz auf sich gestellt, beschließt Mari zu kämpfen und der Wahrheit auf den Grund zu gehen ...

DER BUND DER SCHATTENGÄNGER

Erster Roman: Jägerin der Dunkelheit Zweiter Roman: Spiel der Dämmerung Dritter Roman: Tänzerin der Nacht Vierter Roman: Schattenschwestern Fünfter Roman: Düstere Sehnsucht Sechster Roman: Fesseln der Nacht

DIE AUTORIN

Christine Feehan ist in Kalifornien geboren, wo sie auch heute noch mit ihrem Mann und ihren elf Kindern lebt. Sie begann bereits als Kind zu schreiben und hat seit 1999 zahlreiche Romane veröffentlicht, für die sie mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet wurde. Mit über sieben Millionen Büchern weltweit zählt sie zu den erfolgreichsten Autorinnen der USA.

Weitere Romane von Christine Feehan bei Heyne: Dämmerung des Herzens, Zauber der Wellen, Gezeiten der Sehnsucht, Magie des Windes, Gesang des Meeres und Sturm der Gefühle (DRAKE-SCHWESTERN-Serie)

Val Philips gewidmet, einem geschätzten Freund, der Alligatortümpel mit Alligatoren darin nicht leiden kann (wer hätte das gedacht?) und auch keine grässlichen Alpha-Männer.

DAS BEKENNTNIS DER SCHATTENGÄNGER

Wir sind die Schattengänger, wir leben in den Schatten.

Das Meer, die Erde und die Luft sind unsere Heimat.

Nie lassen wir einen gefallenen Kameraden zurück.

Wir sind einander in Ehre und Loyalität verbunden.

Für unsere Feinde sind wir unsichtbar, und wir vernichten sie, wo wir sie finden.

Wir glauben an Gerechtigkeit und beschützen unser Land und jene, die sich selbst nicht schützen können.

Ungesehen, ungehört und unbekannt bleiben wir Schattengänger.

Ehre liegt in den Schatten, und Schatten sind wir.

Wir bewegen uns absolut lautlos, im Dschungel ebenso wie in der Wüste.

Unhörbar und unsichtbar bewegen wir uns mitten unter unseren Feinden.

Wir kämpfen ohne den geringsten Laut, noch bevor sie unsere Existenz überhaupt erahnen.

Wir sammeln Informationen und warten mit unendlicher Geduld auf den passenden Augenblick, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Wir sind gnädig und gnadenlos zugleich.

Wir sind unnachgiebig und unerbittlich in unserem Tun.

Wir sind die Schattengänger, und die Nacht gehört uns.

DIE EINZELNEN BESTANDTEILE DES SCHATTENGÄNGERSYMBOLS

STEHT FÜRSchattenSTEHT FÜRSchutz vor den Mächten des BösenSTEHT FÜRPsi, den griechischen Buchstaben, der in der Parapsychologie für außersinnliche Wahrnehmungen oder andere übersinnliche Fähigkeiten benutzt wirdSTEHT FÜREigenschaften eines Ritters – Loyalität, Großzügigkeit, Mut und EhreSTEHT FÜRRitter der Schatten schützen vor den Mächten des Bösen unter Einsatz von übersinnlichen Kräften, Mut und EhreNox noctís est nostrí

1

KEN NORTON BLICKTE zu den brodelnden schwarzen Wolken auf, die die Sterne verbargen und einen unheilverkündenden anthrazitfarbenen Schleier vor den Mond warfen. Er beobachtete die Schatten der Bäume in der Nähe des Gebäudes und überprüfte sie ständig auf irgendwelche Veränderungen, irgendein Anzeichen dafür, dass sich jemand außerhalb der Reichweite der Kameras durch die Dunkelheit schlich, doch sein Blick schweifte immer wieder zu der großen Jagdhütte und den beiden Kadavern ab, die an Fleischerhaken auf der Veranda baumelten. Der Geruch von Blut und Tod bestürmte sein Riechorgan, und er wollte würgen – eine blödsinnige Reaktion auf die beiden gehäuteten Rehe, die an Haken vor dem Haus hingen, wenn man bedachte, dass er Scharfschütze war und mehr als genug Menschen getötet hatte.

Seine Hautfarbe veränderte sich, um sich seiner Umgebung besser anzupassen, und seine eigens zu diesem Zweck entworfenen Kleidungsstücke spiegelten die Farben um ihn herum wider und erlaubten es ihm, von der optischen Wirkung her vollständig in dem Laub zu verschwinden, das ihn umgab, verborgen vor neugierigen Blicken. Zum tausendsten Mal wandte er die Augen von den schwankenden Kadavern ab, von denen noch das Blut tropfte.

»Und wer zum Teufel befiehlt einen Anschlag auf einen Senator der Vereinigten Staaten?«, fragte er, und seine stahlgrauen Augen schimmerten unruhig wie Quecksilber. »Und nicht nur auf irgendeinen Senator, sondern auf einen, der als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten angesehen wird. Das gefällt mir nicht. Es hat mir schon von dem Moment an nicht gefallen, als sie uns gesagt haben, wer das Zielobjekt ist.«

»Verdammt nochmal, Ken. Dieser Mann ist kein Unschuldiger«, erwiderte sein Zwillingsbruder Jack und schlängelte sich etwas weiter vor, um sich so in Stellung zu bringen, dass er die Hütte besser in der Schusslinie hatte. »Das weißt du besser als jeder andere. Ich verstehe nicht, warum zum Teufel wir den Mistkerl beschützen. Ich will ihn selbst töten. Dieser Halunke hat als Köder gedient, um dich in den Kongo zu locken. Er ist heil rausgekommen, und dich haben sie dort zurückbehalten, um dich in kleine Streifen zu schneiden und dir bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen.« Die Worte waren erbittert, doch Jacks Stimme war vollkommen ruhig. »Erzähl mir bloß nicht, du glaubst nicht, dass er die Finger im Spiel hatte. Es gibt zahllose Leute, die den Anschlag auf ihn angeordnet haben könnten. Der Senator hat dich in eine Falle gelockt, Ken. Er hat dich dem Anführer der Rebellen überlassen, und Ekabela hätte dich beinah getötet. Ich könnte ihn hundertmal umlegen, und es würde mir keine schlaflosen Nächte bereiten. Oder seelenruhig zusehen, wie ihn ein anderer umlegt.«

»Genau.« Ken rollte sich herum und achtete dabei sorgfältig darauf, dass sich die Büsche um ihn herum nicht bewegten. Er hoffte, die Dunkelheit hatte verborgen, dass er zusammengezuckt war, als sein Zwillingsbruder die Vergangenheit zur Sprache gebracht hatte. Er dachte nicht oft an die Folter – wie sein Fleisch in winzige Stücke geschnitten und sein Rücken gehäutet worden war, wie es sich angefühlt hatte, als das Messer durch seine Haut gedrungen war. Aber jedes Mal, wenn er die Augen schloss, hatte er Alpträume. Dann fiel ihm alles wieder ein. Jeder Messerstich. Jeder Schnitt. Die Qualen hatten nicht aufgehört. Wenn er aufwachte, bekam er kaum Luft und war schweißgebadet, und seine eigenen Schreie hallten tief in seinem Innern nach, wo niemand sie jemals hören konnte. Die Rehe, die an den Fleischerhaken hingen, riefen ihm alle Einzelheiten exakt und lebhaft ins Gedächtnis zurück. Er fragte sich unwillkürlich, ob all das Teil eines wesentlich größeren Plans war.

Er streckte seine Hand aus, weil er sehen wollte, ob sie zitterte. Die Narben waren verhärtet, und sie spannten, doch seine Hand hielt vollkommen still. »Was glaubst du, warum ausgerechnet wir zu seinem Schutz abgestellt worden sind? Wir hegen einen Groll gegen diesen Mann. Wir wissen, dass er nicht der ist, für den ihn alle halten. Also frage ich dich, wer sich besser eignen würde als wir, um ihn umzulegen, ohne Fragen zu stellen? Wem könnte man die Schuld besser zuschieben als uns? Hier stimmt etwas nicht.«

»Was hier nicht stimmt, ist, dass wir diesen Mistkerl beschützen. Sollen sie ihn doch umbringen.«

Ken warf einen Blick auf seinen Zwillingsbruder. »Hörst du überhaupt, was du da sagst? Wir sind nicht die Einzigen, die wissen, dass Senator Freeman nicht so einwandfrei ist, wie man die Öffentlichkeit glauben gemacht hat. Wir sind alle eingehend befragt worden, als wir aus dem Kongo zurückgekehrt sind, beide Teams, und beide Teams sind zu derselben Schlussfolgerung gelangt — nämlich dass der Senator Dreck am Stecken hat –, und doch ist er nie vernommen, gerügt oder bloßgestellt worden. Und jetzt haben wir den Befehl, ihn nach einer Morddrohung zu schützen.«

Jack schwieg einen Moment lang. »Und du glaubst, uns will man es in die Schuhe schieben, falls sie ihn kriegen.«

»Ja, zum Teufel, genau das glaube ich. Kam der Befehl auf direktem Wege vom Admiral? Ist es wahr, dass der Admiral ihn Logan persönlich erteilt hat? Denn wenn sie etwas gegen diesen Kerl in der Hand haben, warum haben sie ihn dann nicht verhaftet? Und wir haben gerade den Job abgelehnt, General Ekabela aus dem Weg zu räumen, einen anderen alten Feind von uns – einen, der Verbindungen zu diesem Senator unterhielt. Ich finde, das sieht ganz so aus, als folgte es einem Schema.«

»Ekabela ist trotzdem beseitigt worden. Sie haben einfach einen anderen Schützen hingeschickt, und ich bin nicht in den Genuss gekommen, den Kerl abzuknallen.«

Ken sah seinen Bruder stirnrunzelnd an. »Du machst das zu einer persönlichen Angelegenheit.«

»Der Senator hat es zu einer persönlichen Angelegenheit gemacht, als er dich an Ekabela ausgeliefert hat, damit dieser Sadist dich foltern konnte. Ich denke gar nicht daran, dir etwas vorzumachen. Ich will, dass der Senator stirbt, Ken. Mir macht es nichts aus wegzuschauen, wenn ihm jemand die Kehle aufschlitzt. Wenn er am Leben bleibt und so weitermacht, wird er zwangsläufig Präsident werden, oder zumindest Vizepräsident, und was wird dann aus uns? Er weiß, dass wir wissen, dass er Dreck am Stecken hat. Er wird nichts Eiligeres zu tun haben, als uns einen Auftrag zukommen zu lassen, der gleichbedeutend mit Selbstmord ist.«

»Wie den, als sie uns in den Kongo zurückschicken wollten, um Ekabela zu töten?« Er musste aufhören, diese Kadaver anzusehen. Ihm würde schlecht werden. Sein Magen rebellierte jetzt schon. Er konnte das stetige Tropfen des Bluts fast hören, obwohl er Hunderte von Metern weit entfernt war. Es rann als schmales Rinnsal zwischen den Bodendielen hindurch und bildete eine dunkle, schimmernde Pfütze. Ken versuchte das Geräusch seiner eigenen Schreie in seinem Kopf zum Verstummen zu bringen, doch seine Haut prickelte, und jede seiner Narben pochte, als erinnerte sich jeder einzelne seiner Nerven noch an die fortgesetzten Schnitte des erbarmungslosen Messers.

»Ekabela hatte es verdient zu sterben«, sagte Jack. »Er hatte es reichlich verdient, und das weißt du selbst. Er hat ganze Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht, er war des Völkermords schuldig, er hatte den Rauschgifthandel unter sich und er hat die UNO bestohlen, wenn sie versuchte, Nahrung und Medikamente in die Gegend zu bringen.«

»Das stimmt alles, aber sieh dir an, wer in seine Fußstapfen getreten ist – General Armine, der noch mehr gefürchtet und gehasst wird als Ekabela. Und wie seltsam, dass dieser Machtwechsel so reibungslos ablief.«

»Was zum Teufel willst du damit sagen, Ken?«

Ken blickte zu den Wolken auf, die vor die Mondsichel gezogen waren, und beobachtete, wie sie sich langsam und träge im Kreis drehten, ein dunkler Schleier, der nicht wusste, wohin mit sich. Er erinnerte sich an das Muster der Wolken im Urwald, an das Wogen des Baldachins aus Laub und an den Geruch seines eigenen Schweißes und Blutes. »Ich will damit sagen, wir machen nie etwas zu unserer persönlichen Angelegenheit, aber jemand hat genau das für uns getan. Das gefällt mir nicht, und dieser Job gefällt mir noch weniger. Ich glaube, wir werden schon wieder reingelegt, in eine Falle gelockt. Ich glaube einfach nicht an Zufälle, und der, mit dem wir es hier zu tun haben, ist gewaltig.«

Jack fluchte tonlos und brachte sein Auge an das Zielfernrohr, um sorgfältig die Hütte in den Bergen zu überwachen, die etliche hundert Meter von ihnen entfernt war. »Er ist mit seiner Frau dort drinnen. Ich könnte ihn abknallen, wir könnten von hier verschwinden, und damit wäre der Fall erledigt. Niemand wüsste, was vorgefallen ist.«

»Nur unser gesamtes Team.«

Jack sah seinen Bruder mit einem verkniffenen, freudlosen Grinsen an. »Sie würden mir helfen, das weißt du selbst. Sie verabscheuen den Mann fast so sehr wie ich.«

»Jemand wollte Armine in dieser Machtposition haben. Jemand hier, in den Vereinigten Staaten. Ich habe mir viele Gedanken darüber gemacht, Jack. Jeder Auftrag, den man uns im Lauf des letzten Jahres erteilt hat, hat eine Lücke geschaffen, einen freien Platz, den eine andere zwielichtige Gestalt einnehmen konnte. Von kolumbianischen Rauschgiftbaronen bis hin zu General Ekabela im Kongo eliminieren wir Leute in gewissen Machtpositionen, und jemand manipuliert das Ganze. Ich glaube nun mal nicht, dass es der Präsident der Vereinigten Staaten ist.« Er warf seinem Bruder einen flüchtigen Blick zu. »Glaubst du das?«

Jack fluchte wieder. »Nein. Ich glaube, wir sitzen ganz schön in der Scheiße.«

»Ich kann Logan nicht fragen, ob der Admiral ihm den Befehl von Angesicht zu Angesicht erteilt hat, weil Jesse Calhoun ihn kontaktiert und gesagt hat, es sei dringend, und Logan sich sofort auf den Weg gemacht hat. Jesse leitet eine Untersuchung, die klären soll, welche Verbindung zwischen Ekabela und dem Senator besteht. Deshalb hat Kaden Montague seinen Platz im Team eingenommen. «

»Ich dachte, Jesse säße noch im Rollstuhl«, sagte Jack. »Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er nicht im Dienst ist und sich physiotherapeutisch behandeln lässt.«

»Tja, anscheinend arbeitet er wieder. Er hat stärkere übersinnliche Kräfte als manch anderer in unserem Team, und er hat Verstand. Der Admiral dachte gar nicht daran, ihn aufzugeben. Was sie ihm angetan haben, war eine teuflische Schweinerei. Die Genmanipulation, die Experimente mit übersinnlichen Begabungen und Jesses Beine — alles in allem hat er den Kürzeren gezogen.«

»Das gilt für uns alle. Als wir uns freiwillig gemeldet haben, um unsere übersinnlichen Anlagen testen zu lassen«, sagte Jack, »hatten wir keine Ahnung, dass wir uns selbst eine Waffe an den Kopf halten. Wir sind alle betrogen worden, Ken. Wir sitzen tief in der Scheiße, verdammt nochmal, wir alle – sämtliche Schattengänger. Worauf haben wir uns bloß eingelassen?«

Wenigstens hatten sie sich freiwillig zu den Experimenten bereiterklärt. Sie kamen alle von den Sondereinheiten, waren alle beim Militär ausgebildet. Die Frauen waren Kleinkinder gewesen, Waisenkinder, die Whitney im Ausland adoptiert hatte, Kinder, die er gekauft und bezahlt hatte, um an ihnen zu experimentieren, ohne einen Gedanken an ihr Leben zu vergeuden.

Ken schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, aber wir müssen es herausfinden. Colonel Higgens hat versucht, Ryland Millers Team zu erledigen. Er hat mehrere der Männer ermordet, bevor die verbliebenen ausbrechen konnten und ihn überführt haben. Vielleicht haben sie der Schlange damit nicht den Kopf abgeschlagen.« »Wir wissen, dass Dr. Whitney der führende Kopf ist. Er ist das Gehirn, das dahintersteckt. Er hat sich die Experimente einfallen lassen, er hatte die Kontakte, das Geld und die Unbedenklichkeitsbescheinigungen, um grünes Licht zu bekommen, und er hat seine eigene Ermordung inszeniert. Wir müssen Whitney finden, um die Schlange zu töten.«

»Vielleicht.« Kens Stimme klang zweifelnd. »Am Anfang haben wir alle geglaubt, Whitney sei ermordet worden. Dann haben wir geglaubt, er hätte seinen eigenen Tod vorgetäuscht, um ungeschoren mit den illegalen Experimenten davonzukommen, die er neben seinen militärischen Experimenten durchgeführt hat. Jetzt ... « Er ließ seinen Satz abreißen und blickte wieder einmal zu den Wolken auf. Das stetige Tropfen des Bluts schien in der Nacht übermäßig laut. Nie zuvor hatte seine Vergangenheit ihn so sehr in Anspruch genommen, dass eine Mission dadurch gefährdet wurde, aber er begann erstmals an seiner Konzentrationsfähigkeit zu zweifeln.

»Du glaubst, jemand war hinter Whitney her, um ihn tatsächlich zu töten, und er musste seinen eigenen Tod vortäuschen, aber nicht etwa, um sich vor einer Bloßstellung zu schützen und vor uns zu verbergen, sondern um sich diejenigen vom Hals zu schaffen, die ihn wirklich umbringen wollten?« Jack rieb sich die Schläfen. »Wie zum Teufel sind wir jemals in dieses ganze Durcheinander hineingeraten?«

»In dem Moment war uns das ganz egal«, sagte Ken. »Jetzt hast du eine Frau, und Zwillinge sind unterwegs, und du hast etwas, wofür es sich zu leben lohnt. Ich schlage vor, wir ziehen uns zurück, arbeiten mit unserem Team neue Strategien aus und stellen ein paar knifflige Fragen. Wir können Logan bitten, Ryland Millers Team zu kontaktieren, und gemeinsam sollten wir genug Grips haben, um dahinterzukommen, was hier vorgeht.«

Jack runzelte die Stirn, rollte sich wieder herum und benutzte seine Ellbogen und seine Zehen, um sich zentimeterweise durch das dichte Laub vorzuarbeiten. »Wir können den Mistkerl nicht einfach ohne Deckung zurücklassen, so dass jeder ihn abknallen kann, oder? Wenn es andere gibt, die seinen Tod wollen, dann sollten wir besser herausfinden, warum – und wie sich das auf uns auswirkt.«

Ken schlängelte sich nun seinerseits bäuchlings auf einem Kaninchenpfad voran und hielt dabei seine Waffe vor sich. Er hatte schon seit einer Weile ein schlechtes Gefühl. »Warte, Jack«, flüsterte er mit dem Auge am Zielfernrohr. Hier stimmt etwas nicht. Er nahm telepathisch Kontakt zu seinem Zwillingsbruder auf. Das war eine nützliche Fähigkeit, wenn sie unbemerkt bleiben wollten. So weit Ken zurückdenken konnte, hatten sie sich schon immer auf diese Weise miteinander verständigt und die mündliche Kommunikation nie wirklich gebraucht, da die Telepathie so praktisch war. Folglich bestand eine starke Verbindung zwischen den beiden, die ihnen im Lauf der Jahre sehr zustattengekommen war. Die Experimente zur Steigerung übersinnlicher Kräfte, in die sie nach ihrer Ausbildung bei den SEALs eingewilligt hatten, hatten dieses ohnehin schon ausgeprägte Talent noch mehr verstärkt.

Ich fühle es auch. Kaden hat die Warnung ausgesandt. Sie kommen mit geballter Kraft. Wir werden den Mistkerl beschützen müssen. Wer auch immer seinen Tod will — er ist bereits hier.

Ken hielt seinen Blick durch das Fenster auf den Senator gerichtet. Die bildhübsche junge Vorzeigegattin hat auch gemerkt, dass sie Gesellschaft haben. Sieh sie dir an.

Jack schaute durch das Zielfernrohr. Durch das Fenster der Hütte sah er eine Blondine, die sich herunterbeugte, um ihrem Mann einen Kuss auf die Wange zu drücken. Sie sagte etwas und lächelte so strahlend, dass viel von ihren Zähnen zu sehen war. Der Senator antwortete ihr und berührte mit einem Finger ihr Kinn. Sie wandte sich ab und drehte sich zum Fenster um. Jetzt konnten sie ihr Gesicht ganz sehen.

Oh ja, sie weiß Bescheid. Und sie hat es ihm mit keinem Wort gesagt, erwiderte Jack.

In dieser Nacht mochten viele gute Männer ums Leben kommen. Ken konnte kaum den Drang unterdrücken, sich ins Haus zu schleichen und ihnen den ganzen Ärger zu ersparen, indem er dem Mistkerl die Kehle aufschlitzte. Der Senator hatte sein Land verraten – für Geld oder Macht oder eine Kombination von beidem. Ken war es eigentlich ganz egal, welche Motive er hatte; Verrat hatte er so oder so begangen. Und außerdem war er der Köder gewesen, der Ken im Rahmen einer Rettungsmission in den Kongo geführt hatte – einer Mission, die Ken geradewegs in die Hölle befördert hatte. Und gleich nach ihm seinen Bruder. Und jetzt hatten sie ironischerweise den Auftrag erhalten, den Verräter zu schützen.

»Wie zum Teufel heißt seine Frau?«, fragte Jack. »Du glaubst doch nicht etwa, dass sie eine von uns ist? Ein Schattengänger? «

Beide musterten die große Blondine aufmerksam. Sie hatte sich von dem Senator entfernt und war ins Nebenzimmer gegangen, wo sie etliche Waffen an sich nahm. Sie ging damit um, als wüsste sie genau, was sie tat.

Ken holte tief Atem und stieß ihn wieder aus. Die Frau des Senators? Ein Schattengänger? Wie hieß sie? Violet Smythe. In dem Bericht hatte kaum etwas über ihr Leben vor der Eheschließung mit dem Senator gestanden. Violet. Der Name einer Blume. Als sie über Whitneys parapsychologische Experimente mit Kindern informiert worden waren, hatten sie erfahren, dass es sich bei den Waisenkindern, an denen er seine Experimente durchgeführt hatte, ausschließlich um Mädchen gehandelt und dass er ihnen die Namen von Blumen gegeben hatte. »Violet«, sagte Ken laut.

Wie passte sie in das Gesamtbild? Wie konnte ein Schattengänger seine Mitstreiter verraten? Sie wusste, was sie alle durchgemacht hatten. Er lugte noch einmal durch sein Zielfernrohr und nahm das linke Auge des Senators ins Visier. Er brauchte nichts weiter zu tun, als abzudrücken, und es würde vorbei sein. Niemand sonst würde ums Leben kommen. Ein einziger Schuss, und der Mann, der ihn an einen Irren ausgeliefert hatte, würde tot sein.

Ich weiß, was du denkst, meinte Jack. Wenn jemand das Recht hat, diesen Schurken zu töten, dann bist das weiß Gott du. Wenn du willst, dass ich es dir abnehme, Ken, dann brauchst du es nur zu sagen, und ich lege ihn auf der Stelle um.

Jack würde es im Nu erledigen. Ken berührte sein vernarbtes Kinn. Seine Haut war von Kopf bis Fuß so gut wie gefühllos, und von einem einstmals ansprechenden Gesicht und Körper war so gut wie nichts geblieben. Diesen Körper durchzuckte jetzt ein Schauer, und einen Moment lang kochte die Wut über, heiß und rein und nicht von dem Gletschereis bedeckt, das er gewöhnlich mit sich herumtrug. Er zögerte, da er wusste, dass er nur zu nicken brauchte, und schon würde Jack den Schuss abgeben. Oder, noch besser, er könnte es selbst tun und aus dem Wissen, dass er einen Verräter aus dem Weg geräumt hatte, Genugtuung schöpfen. Er atmete tief ein und ließ beim Ausatmen jede Emotion aus sich entweichen. Hier lauerte der Wahnsinn, und er weigerte sich, das Erbe anzutreten, das ihm von Geburt an mitgegeben worden war.

Er konnte Jacks Erleichterung fühlen und erkannte jetzt erst, wie scharf sein Bruder ihn in der letzten Zeit im Auge behalten hatte. Alles okay, mir fehlt nichts. Natürlich wusste Jack von seinen Schweißausbrüchen und den Schreien, die er hörte. Jack und Ken konnten nach Belieben in den Gedanken des jeweils anderen umherspazieren. Jack wusste Bescheid. Und an ihm nagte das Wissen, dass er es nicht geschafft hatte, an Kens Seite zu gelangen, bevor Ekabela ihn gefoltert hatte. Es änderte nichts, dass Jack ihn schließlich doch noch rausgeholt hatte und selbst gefangen genommen worden war. Jack glaubte trotzdem, er hätte es verhindern müssen. Mir fehlt nichts, alles okay, wiederholte Ken.

Ich weiß.

Aber es war nicht okay. Er war nicht okay. Er war es bei seiner Geburt nicht gewesen, nicht als Kind und auch nicht in den ersten Jahren seiner militärischen Laufbahn. Seit seiner Gefangennahme und der Folter im Kongo hatte es sich verschlechtert, und seine Dämonen setzten ihm gewaltig zu, Tag und Nacht. Und jetzt, da der Senator Schutz brauchte – wahrscheinlich vor genau dem Mann, der ihn jahrelang bezahlt hatte –, wusste Ken, dass sich der gefährliche Schatten in seinem Innern zu einer allzu realen Bedrohung seiner geistigen Gesundheit ausgewachsen hatte.

Wir haben Gesellschaft, teilte Kaden ihnen telepathisch mit. Seht euch vor. Ich schaffe den Senator in ein sicheres Versteck.

Kaden. Behalte die Ehefrau im Auge, erwiderte Ken warnend. Wir glauben, sie könnte eine von uns sein. Sie ist bis an die Zähne bewaffnet, und sie hat die Gegenwart der Eindringlinge im selben Moment wahrgenommen wie wir.

Kaden zeigte sich nie erstaunt. Keiner von ihnen war sich jemals wirklich sicher, ob er überhaupt Gefühle hatte. Er schien wie eine Maschine zu sein, sachlich und nüchtern, die einfach nur ihre Aufgabe erledigte. Und er machte seine Sache gut. Ich habe verstanden.

Ken bezog seinen Posten. Kadens Leben würde von ihm abhängen. Jack würde dafür sorgen, dass der Senator am Leben blieb. Wenn Violet sich gegen Kaden stellte, war sie tot. Ken konzentrierte sich auf sein oberstes Ziel. Kaden bewegte sich durch die Schatten. Es war nahezu unmöglich, ihn zu sehen. Manchmal erahnte Ken einen verschwommenen Umriss, eine Bewegung, und auch das nur, weil er wusste, wo Kaden sein würde. Sie waren seinen exakten Weg mehrfach gemeinsam durchgegangen. Ken hielt ihm den Weg frei und suchte die nähere Umgebung mit seinen gesteigerten Sinnen ab.

Ein Killertrupp bezog um sie herum Aufstellung und würde versuchen, möglichst viele Gegner auszuschalten. Neil Campbell und Trace Aikens waren nirgends zu entdecken, aber sie waren dort draußen. Martin Howard hatte sich zurückfallen lassen, um Kaden dabei zu helfen, den Senator in Sicherheit zu bringen.

Kaden erreichte die Veranda und schlich an den baumelnden Kadavern vorbei, um die Hütte zu betreten. Er sprach kurz mit Violet, und beide eilten in das Zimmer, in dem der Senator saß, und stießen ihn in Richtung Küche, von wo aus das sichere Versteck zu erreichen war. Es lag wie ein Kriechkeller unter dem Erdgeschoss.

Die makaber hin und her schwingenden Kadaver zogen Kens Aufmerksamkeit wieder auf sich. Blut tropfte herab. Die nächtliche Brise trug den Geruch zu ihm. Er schluckte, wischte sich die Schweißperlen von der Stirn und brachte sein Auge wieder an das Zielfernrohr. Etwas an den Rehen passte ihm nicht und wollte ihm einfach keine Ruhe lassen. Ein Schatten schien sich aus dem hinteren Reh zu lösen und zeichnete sich oben in der Nähe des Fleischerhakens ab.

Ken betätigte den Abzug, und der Schatten fiel mit einem schweren Schlag zu Boden, einen Arm wie flehend ausgestreckt. Schon während Ken den Schuss abgab, ging auch Jacks Gewehr los, und eine zweite Leiche stürzte gleichzeitig zu Boden, diese vom hinteren Ende des Dachs.

Ein dritter Schuss hallte durch die Nacht, als Jack wieder in die Büsche flitzte, um Deckung zu suchen. Die Kugel schlug da ein, wo gerade noch sein Kopf gewesen war. Ken legte bereits an, denn er hatte das Mündungsfeuer kurz aufblitzen sehen. Er ließ sich jedoch Zeit und spannte seinen Finger am Abzug in dem Moment, als sein Opfer seine Haltung veränderte. Die Kugel traf und schleuderte den Scharfschützen nach hinten; sein Gewehr hielt er noch mit beiden Händen. Ken ließ einen zweiten Schuss folgen, doch sein Zielobjekt fiel bereits durch die Äste eines Baums. Ken wusste, dass keine der beiden Kugeln sein Ziel getötet hatte, ein seltenes Vorkommnis. Mit dem Auge am Zielfernrohr verfolgte er den Weg des Scharfschützen, während dieser zwischen den Bäumen den Hang hinunterrollte und durch die Sträucher krachte.

Ken konnte so deutlich akute Sorge wahrnehmen, als seien sämtliche Mitglieder des Schattengängerteams und das Killerkommando auf irgendeine Weise mit dem Scharfschützen verbunden.

Stell das Feuer ein, Ken! Kaden gab den Befehl aus. Sie ziehen sich zurück, um diesen Mann zu schützen. Sieh zu, dass du ihn vor ihnen erreichst. Wer auch immer er ist — er ist ihnen wichtiger als ihr Angriffsziel. Mach dich sofort an den Scharfschützen ran. Wir halten sein Team hier auf, um dir Zeit zu geben.

Ich decke ihm den Rücken, meldete Jack unnötigerweise. Jedes Mitglied der Schattengängertruppe wusste, dass Jack Ken auf Schritt und Tritt folgte. Und umgekehrt.

Einen Moment lang herrschte Stille, und dann knisterte Elektrizität in der Luft, zerriss sie krachend und funkensprühend, so real, dass die Ränder der Wolken als Reaktion darauf ebenfalls aufleuchteten. Die Spannung nahm zu. Die akute Angst war nicht zu übersehen, denn sie spiegelte sich in der Umgebung wider. Die nächtliche Brise trug ihren Schimmer mit sich, eine plötzliche Furcht, die andere Angehörige der Einheit des Scharfschützen nicht unterdrücken konnten.

Ken schulterte sein Gewehr und lief eilig los. Er wusste, wo der Verletzte lag, und nach dem freien Fall des Scharfschützen zu urteilen, war er bei seinem Sturz bewusstlos gewesen. Das hieß nicht zwangsläufig, dass er bewusstlos bleiben würde. Ebenso wie die anderen war er ein Supersoldat, nicht nur mit gesteigerten übersinnlichen Kräften, sondern auch genetisch weiterentwickelt. Und das bedeutete, dass sie ihn so schnell wie möglich außer Gefecht setzen mussten.

Ken plante im Laufen jeden seiner weiteren Schritte und verließ sich darauf, dass Jack den Feind von ihm fernhalten würde. Zwei Schüsse ertönten beinah gleichzeitig. Eine Kugel pfiff rechts an Ken vorbei und schabte die Rinde von einem Baum in der Nähe der Stelle, an der er soeben die Richtung geändert hatte. Der Schütze hatte vorhergesehen, dass er über einen umgestürzten Baumstamm auf einen zweiten springen würde, um den Hang zu erreichen. Jack hatte mit seiner Kugel zweifellos mehr Erfolg gehabt, denn trotz des Juckens zwischen seinen Schulterblättern schoss niemand mehr auf Ken.

Wir haben sie in der Zange. Kadens Stimme war ultraruhig. Ich hindere sie daran, sich miteinander zu verständigen, aber ich kann sie nicht ewig festhalten. Schnappt euch den Scharfschützen, verschwindet von hier, und lasst ihn um Gottes willen am Leben, damit wir Informationen aus ihm herausholen können. Der Rest von uns wird den Senator und seine Frau von hier fortbringen. Ich habe einen zweiten Hubschrauber angefordert. Wir werden die zweite Fluchtroute nehmen. Ihr trefft euch mit Nico und lasst euch zu seinem unserer Verstecke bringen.

Verstanden, sandte Jack zurück. Sie würden auf sich selbst gestellt sein, sowie sie einen Ort bestimmt hatten, an dem sie den Gefangenen festhalten würden. Zumindest, bis Kaden und der Rest des Teams dafür gesorgt hatten, dass der Senator in Sicherheit war.

Sie gehen Risiken ein, Ken. Sie wollen nicht, dass du diesen Mann in die Finger kriegst. Ich bin direkt hinter dir, schieß also nicht auf mich. Jack lud im Laufen nach und hielt sich im dichteren Laub, während er die Umgebung nach Zeichen der gegnerischen Truppe absuchte und Ken Schutz gab, als dieser im Zickzack durch die dichten Bäume und das Unterholz lief, um den Feind zu erreichen, der zu Boden gegangen war.

Ken lief langsamer, sowie er seinem Ziel näherkam. Falls der Mann noch am Leben war, was Ken annahm, konnte er bewaffnet sein und Ärger machen. Ken hatte ein Dröhnen im Kopf und fühlte den Druck, der mit der telepathischen Verständigung einherging. Jemand, der nicht ihrem eigenen Team angehörte, versuchte sich telepathisch zu verständigen, aber Kaden hatte eine starke Abschirmung errichtet und verhinderte erfolgreich jede übersinnliche Kontaktaufnahme. Nur die wenigsten Soldaten mit gesteigerten Anlagen besaßen Kadens Fähigkeiten, und wahrscheinlich war es ein Schock für das Killerkommando. Aber somit war auch klar, dass das andere Team nicht nur genmanipuliert war, sondern auch übersinnliche Anlagen besaß, die gesteigert worden waren – und das hieß, sie waren Schattengänger.

Also musste Whitney derjenige sein, der den Senator aus dem Weg räumen wollte. Bedeutete das, dass sie sich miteinander überworfen hatten? Ken bewegte sich jetzt noch vorsichtiger voran und achtete darauf, dass er sich im Einklang mit dem Wind bewegte und es nach Möglichkeit vermied, auf Zweige zu treten. Der Scharfschütze würde wissen, dass er kam, aber er würde davor zurückscheuen, auf ihn zu schießen, da er befürchten musste, einen seiner eigenen Männer zu treffen. Aber er rief um Hilfe, denn Ken hörte ein unablässiges panisches Surren in seinem Kopf. Es waren keine Worte – dafür sorgte Kaden -, aber jeder, der für übersinnliche Interaktion aufgeschlossen war, würde wissen, dass der Scharfschütze am Leben war und um Hilfe rief. Ken musste sich augenblicklich gegen jeden übersinnlichen Kontakt sperren, bevor ihn die gemeinschaftlichen Bemühungen des anderen Teams überwältigten.

Er stieß ein paar Zweige zur Seite und sah den Scharfschützen direkt unter sich liegen, mit abgewandtem Gesicht. Die erste Kugel hatte ihn in die Brust getroffen, und er trug mindestens eine, eventuell sogar zwei kugelsichere Westen, die seine Brust unter der spiegelnden Kleidung gewölbt wirken ließen. Die Weste hatte ihm das Leben gerettet, aber die zweite Kugel hatte sein Bein durchschossen. Blut war in riesigen schwarzen Klecksen auf das Laub und das Gras gespritzt. Manchmal glaubte Ken, er würde Blut nie wieder als rot ansehen. Im Dschungel war ihm das Blut schwarz erschienen, während er von Kopf bis Fuß in einer Lache seines eigenen Bluts gelegen hatte. Er schlang sich sein Gewehr um den Hals und zog mit größter Vorsicht seine Pistole, da er jetzt sehr nah an den Scharfschützen herangekommen war.

Die Waffe des Mannes hätte sich in den Sträuchern verfangen sollen, doch der Scharfschütze hatte sie bis zuletzt festgehalten, und das sagte Ken, dass der Mann nicht bewusstlos war. Er rührte sich nicht, und er hielt die Waffe nicht schussbereit, obwohl sie in seiner Hand war und er den Finger am Abzug hatte.

Ken näherte sich dem Scharfschützen aus einem Winkel, der außerhalb seines Gesichtsfeldes lag, und sorgte dafür, dass der Verwundete sich verrenken musste, wenn er sich zu ihm umdrehen wollte. Und angesichts des Zustandes, in dem sein Bein war, würde das nicht passieren. Der Mann hielt vollkommen still, zusammengerollt wie eine Klapperschlange, und wartete auf Freund oder Feind, um blitzschnell in Aktion zu treten.

Ken entriss ihm mit einer flinken Bewegung das Gewehr und schleuderte es ein gutes Stück weit fort, bevor der Scharfschütze erkannte, dass Ken über ihm war. Der Scharfschütze kämpfte nicht um das Gewehr; stattdessen bewegte sich seine freie Hand blitzschnell, zog mit einer geschickten Bewegung eine Pistole aus dem blutigen Stiefel und richtete sie ebenso rasch mit dem Finger am Abzug auf seinen eigenen Kopf.

Ken wäre fast das Herz stehen geblieben. Er reagierte automatisch, bevor er denken konnte, trat fest zu und rammte seine Stiefelspitze in die Hand. Die Pistole flog durch die Luft, und er hörte das befriedigende Knacken, mit dem die Knochen brachen.

Der Schütze gab immer noch keinen Laut von sich, doch seine andere Hand griff nach einem verborgenen Messer. Ebenso geschmeidig. Ebenso flink. Der Scharfschütze würde sich töten, um einer Gefangennahme zu entgehen. Was für Fanatiker waren das, mit denen sie es hier zu tun hatten? Der Scharfschütze zog das Messer, doch diesmal schrie er, als Ken ihm auf die Hand stampfte und das Messer am Boden festhielt. Der Schrei war hoch und schrill und sandte Ken Schauer über den Rücken.

Er kauerte sich neben den Verwundeten und starrte in große Augen unter dichten Wimpern. Augen, die er erkannte. Augen, in denen er Gelächter und Zuneigung gesehen hatte, als sie ihn angeschaut hatten. Seine Bauchmuskulatur verkrampfte sich, und er fluchte tonlos, als er seinem Gegenüber die Mütze vom Kopf riss. Er hatte es nicht mit einem Mann zu tun, verdammt nochmal, und er wusste ganz genau, wer sie war.

Dieser Sekundenbruchteil des Wiedererkennens genügte ihr. Sie holte zum Todesstoß aus, zielte mit ihrem Ellbogen auf seine Kehle, versuchte ihn ihm durch die Luftröhre zu rammen und sie zu zerschmettern. Sie war eindeutig genetisch weiterentwickelt. Trotz ihrer Verletzungen brachte sie die Geschwindigkeit und die Kraft auf, doch Ken wich dem Hieb aus und zog sein Sanitätszeug heraus, hielt sie mit seinem Körpergewicht am Boden fest und bereitete die Nadel vor. Mit den Zähnen zog er die Verschlusskappe ab und rammte die Nadel in ihr Fleisch, injizierte die Flüssigkeit rasch und betete, sie möge nicht allergisch sein und er könne sie kurz untersuchen und schleunigst verschwinden.

Jack tauchte hinter ihm auf und bezog mit dem Rücken zu ihnen Posten, schwenkte sein Gewehr und gab mehrere Schüsse zur Abschreckung ab, um jeden aus der Truppe des Scharfschützen, der seinem Team möglicherweise durch die Maschen gegangen sein könnte, auf Abstand zu halten.

»Beeile dich«, knurrte Jack. »Schlag ihn bewusstlos, statt so behutsam mit ihm umzugehen.«

»Es ist Mari, Jack«, flüsterte Ken, denn er musste es unbedingt laut sagen.

»Was?« Jack drehte sich mit einem Ruck um und starrte den Scharfschützen in dem Moment an, als sich die Lider flatternd schlossen. »Bist du sicher?«

Ken zog den Gürtel der Frau aus den Schlaufen und schnallte ihn eng um ihr Bein. »Entweder das, oder deine Ehefrau spielt den Scharfschützen für das gegnerische Team. Es muss Mari sein. Sie sieht genauso aus wie Briony.«

Jack bewegte sich rückwärts, bis er das Gesicht der Frau deutlich sehen konnte. Auch die Schmutzspuren, die Kratzer und das Blut konnten die Ähnlichkeit nicht verbergen, und sein Herz blieb beinah stehen, als er sie so bleich dort liegen sah, das Platin und das Gold ihres Haares fächerförmig um ihren Kopf herum ausgebreitet. »Wird sie durchkommen?«

»Ich tue mein Bestes. Sie hat ziemlich viel Blut verloren. Wir müssen sie von hier wegschaffen, Jack. Kaden und die anderen werden das Team nicht lange aufhalten können. Wer ist unser Sanitäter?«

»Nico kommt dem noch am nächsten. Er ist im Hubschrauber, sie sind in etwa einer Stunde da.«

»Sag ihm, er soll uns am vereinbarten Treffpunkt abholen. Wir verschwinden schleunigst von hier und hoffen, dass sie uns auf dem Weg nicht verblutet.« Ken griff über den Körper der Frau, um ihren Arm zu packen. Dabei atmete er tief ein. Bisher hatte er den Atem angehalten, ohne es zu merken, denn er hatte sich davor gefürchtet, ihren Geruch einzuatmen. Whitney hatte zahllose Experimente angestellt, von Genmanipulation bis hin zum Einsatz von Pheromonen. Ken wollte damit nichts zu tun haben. Er hatte auch so schon genug Probleme.

Mari war klein und gut gebaut unter den kugelsicheren Westen, der Tarnkleidung und den regulären Armeestiefeln. Sowie Ken ihren Duft in seine Lunge sog, wusste er, dass er in Schwierigkeiten steckte. Es spielte keine Rolle, dass sie vom Feind umzingelt waren und dass sie nach Schweiß und Blut roch; ihr natürlicher Geruch wirkte wie ein starkes Rauschmittel auf ihn, ein Aphrodisiakum, und er stellte fest, dass sein Körper trotz der gefährlichen Situation reagierte. Er biss die Zähne zusammen und hob sie auf seine Schultern, bevor er sich rasch durch das dichte Unterholz bewegte, um den Treffpunkt mit dem Hubschrauber zu erreichen.

Jack holte ihr Gewehr, schlang es sich um den Hals, lief im Gleichschritt hinter seinem Bruder her und zwang sich, seine Aufmerksamkeit darauf zu richten, dass die beiden am Leben blieben, statt sich Sorgen darüber zu machen, was der Schwester seiner Frau zustoßen könnte.

Kaden und das übrige Team würden den Senator und seine Ehefrau in Sicherheit bringen und dafür die Fahrzeuge brauchen. Kaden hatte bereits arrangiert, dass ein zweiter Hubschrauber zu einem Treffpunkt in der entgegengesetzten Richtung kommen würde. Ken und Jack waren ziemlich sicher, dass das Killerkommando sie und ihre Gefangene verfolgen oder sich wenigstens aufspalten würde. Kaden musste auf jeden Fall die Frau des Senators vernehmen. Sie mussten sie sich zumindest genauer ansehen.

Ken rannte und fühlte bei jedem seiner Schritte die Last des Wissens, dass er derjenige war, der auf die Frau geschossen hatte. Wenn sie starb, würde er Briony, Jacks Frau, nie mehr ins Gesicht sehen können. Er liebte Briony. Sie akzeptierte ihn mitsamt seinem hässlichen Gesicht und seinem ebenso verunstalteten Körper, schreckte nie vor ihm zurück und wandte auch nicht die Augen ab. Aber noch entscheidender war, dass sie Jacks Leben verändert hatte. Sie hatte Freude, Glück und Hoffnung in ihrer beider Leben gebracht, als ihre Welt trostlos und unversöhnlich gewesen war.

Briony und ihre Zwillingsschwester waren zwei der Waisenkinder gewesen, an denen Whitney experimentiert hatte. Er hatte die Zwillinge auseinandergerissen, Marigold bei sich behalten und Briony zur Adoption freigegeben. Briony wollte Mari unter allen Umständen finden, und Ken hatte keine Ahnung, was aus der Familie werden würde, wenn er sie getötet hatte. Er sandte im Laufen ein stummes Stoßgebet zum Himmel und versuchte den Blutgeruch zu ignorieren und auch nicht wahrzunehmen, wie Maris Blut sein Hemd durchnässte.

Schon seit Wochen hatten sie Marigold gesucht und waren allen Hinweisen nachgegangen, die sie hätten zu ihr führen können. Sie waren von der Annahme ausgegangen, dass Whitney sie nach wie vor auf einem seiner zahlreichen Firmengelände einsperrte. Die Standorte waren geheim und schwer zu finden, da er die besten Unbedenklichkeitsbescheinigungen aufweisen konnte und jemanden auf einem sehr hohen Posten hatte, der ihm dabei half, seine Spuren zu verwischen. Aber sie hatten den Namen und das amtliche Kennzeichen des privaten Firmenjets, der mit dem Senator an Bord im Kongo abgeschossen worden war. Und auch das Team von Männern, die Briony kreuz und quer durchs ganze Land gejagt hatten, war in einem Privatflugzeug befördert worden.

Die Jets gehörten zwei verschiedenen Firmen. Die Firma in Nevada hatte eine Sekretärin, die schlicht und einfach behauptete, der Besitzer, ein gewisser Earl Thomas Bartlett, sei nicht erreichbar. Er unterschrieb sämtliche Dokumente und besaß ein Haus, und doch existierten keine amtlichen Dokumente zu seiner Person, noch nicht einmal ein Führerschein. Seltsamerweise war die Firma in Wyoming ein Spiegelbild der Firma in Nevada. Beide Beraterfirmen wurden durch denselben Anwalt vertreten, der für beide auch die Jets gekauft hatte.

Der Firma in Wyoming gehörte ein großer Teil der unzugänglichen Wildnis in den Cascades, erreichbar nur mit kleinen Flugzeugen, die auf dem sehr kostspieligen Flugplatz landeten, oder über einen gefährlichen, reißenden Fluss. Der Senator besaß rein zufällig eine Jagdhütte auf dem angrenzenden Land und hatte Landeprivilegien, die ihm die Beraterfirma in Wyoming eingeräumt hatte. Wieder war derselbe Anwalt beauftragt worden, diese Rechte zu erwerben.

Jack und Ken waren auf dem Weg gewesen, diese Region auszukundschaften, als sie den Befehl erhalten hatten, den Senator zu schützen. Ihr Team war mit einem Hubschrauber in diese abgelegene Gegend geflogen und hatte die Überwachung organisiert und einen Plan ausgearbeitet, wie sie den Senator dort rausholen konnten. Der Senator hatte darauf beharrt, er und seine Ehefrau sollten ihren Jagdausflug trotz der Gefahr nicht abbrechen, und sie hatte ihm beigepflichtet. Der Empfehlung des Teams, sich in eine sicherere Gegend zu begeben, waren sie nicht gefolgt.

Ken versuchte, nicht an die Frau zu denken, die er sich über die Schultern gelegt hatte, und nicht wahrzunehmen, wie sich ihr Körper auf seinem anfühlte. Er wollte ihre Haut nicht berühren, ihr nicht den Puls fühlen und auch nicht zur Kenntnis nehmen, wie ihr seidiges Haar über seine Wange glitt, wenn ihr Kopf sich bei jedem seiner Schritte bewegte. Sie schien ihn einzuhüllen, und ihr Duft drang durch seine Poren und durch seine Lunge tief in sein Gewebe und in seine Knochen und setzte sich dort fest; er wusste, dass es ihm niemals gelingen würde, ihre Wurzeln dort wieder auszureißen.

Er wollte für den Rest seines Lebens gefühllos bleiben. Er wollte keine weitere Feuerprobe über sich ergehen lassen. Er war nicht sicher, ob er stark genug war, die Wut zu überwinden, die in seinem Innern lebte und atmete wie ein eigenständiges Geschöpf. Er konnte es sich nicht leisten, Gefühle zu haben. Er konnte es sich nicht leisten, etwas zu wollen oder zu brauchen. Er lebte für den Job. Er lebte, um für Jacks Sicherheit zu sorgen, und jetzt war auch noch Briony dazugekommen. Und die Zwillinge, die sie austrug. Für ihn hatte das Leben schon in jungen Jahren aufgehört, und das war für alle wesentlich ungefährlicher.

Diese unbekannte Frau, die bereits der Feind war, konnte nicht nur ihn zerstören, sondern auch seine Familie. Es war zwar nicht ihre Schuld, dass es so war, aber er wagte es nicht, sich durch Mitgefühl von seinem Kurs abbringen zu lassen. Er würde nicht ein noch größeres Ungeheuer werden, als er es ohnehin schon war. Seine Seele war Stück für Stück geschädigt worden, bis die finsteren Schatten in seinem Innern, wo niemand sie sehen konnte, sich auf seiner äußeren Haut widerspiegelten.

Sie haben die Hunde von den Leinen gelassen, warnte Kaden. Nicht einer ist geblieben, um dem Senator zu folgen. Sie sind hinter euch her. Ich wage es nicht, den Senator hierzulassen, nur für den Fall, dass es doch eine List sein sollte. Passt gut auf euch auf. Ich bin nicht sicher, wer euer Scharfschütze ist oder warum er so wichtig ist, aber seht zu, dass ihr schleunigst von hier verschwindet. Ihr befindet euch auf feindlichem Gebiet. Und er wird in der Lage sein, sich mit ihnen zu verständigen, wenn ihr ihn nicht außer Reichweite bringt.

Verstanden, erwiderte Jack. Er ließ sich noch weiter zurückfallen, um die beiden zu beschützen, während sie in Richtung Sicherheit rannten. Und unser Er ist eine Sie.

Ken machte sich nicht die Mühe, einen Kommentar abzugeben. Es spritzte gewaltig, als er durch drei schmale Bäche lief. Dann rannte er eine steile Uferböschung hinauf und war dankbar für den Umstand, dass er genetisch weiterentwickelt war. Er konnte über lange Strecken rennen, ohne um Luft zu ringen, und die Frau zu tragen stellte kein Problem dar – so klein, wie sie war. Aber die Soldaten, die hinter ihnen herkamen, waren ebenfalls genetisch weiterentwickelt, und sie trugen Waffen. Er versuchte sich im dichteren Laub zu halten, wenn es irgend möglich war, tief im Schutz der Bäume zu bleiben und sorgsam darauf zu achten, dass er sich keine Blöße gab, während er zum vereinbarten Treffpunkt rannte.

Die Geräusche eines Hubschraubers drangen zu ihm vor. Er flog tief und kam schnell näher. Kaden hatte das andere Team aufgehalten, um ihnen den Vorsprung zu geben, den sie brauchten.

Sie könnten aus reiner Frustration auf der Stelle umkehren und hinter euch herjagen. Ken ließ Kaden die Warnung zukommen.

Nico ist über das Gebiet geflogen, das der Firma gehört, von der ihr gesprochen habt. Es ist ein militärisches Ausbildungslager, teilte Kaden ihm mit. Passt auf euch auf, sie könnten euch in der Luft aufspüren.

Ken fluchte leise und postierte sich direkt am Rande der Lichtung, wo das Laub ihm Deckung gab. Jack tauchte hinter ihm auf, aber er sah in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren.

»Du musst sehen, dass du hier rauskommst, Jack«, sagte Ken. »Ich lasse mich von Nico in der Nähe eines unserer Verstecke absetzen, und du machst dich auf den Heimweg zu Briony. Diese Geschichte geht wahrscheinlich nicht gut aus.«

»Ich laufe nicht weg und lasse dich in einem Wespennest sitzen.«

»Und was ist, wenn wir sie töten müssen? Was dann? Geh einfach nach Hause, und du hast nichts mehr damit zu tun. Du brauchst ihr nie zu erzählen, dass wir ihre Schwester gefunden haben.«

»Briony belügen? Mit ihr eine Lüge leben? Genau das hat ihr in all diesen Jahren jeder andere angetan. Der Teufel soll mich holen, wenn ich das tue. Ich habe ihr versprochen, ihr immer die Wahrheit zu sagen, und ganz gleich, wie verfahren das alles ist und wie übel es ausarten könnte – sie bekommt von mir alles so zu hören, wie es passiert ist.«

»Du brauchst dich nicht hineinziehen zu lassen.«

»Zu diesem vorgerückten Zeitpunkt ändern wir unsere Pläne nicht. Briony würde das nicht wollen, und ich will es auch nicht. Was auch immer du dir denkst, Ken, vergiss es gleich wieder. Wenn eine Chance besteht, Brionys Schwester heil hier rauszuholen, dann werden wir es tun. Wenn nichts daraus wird, bleibt uns keine andere Wahl, und wir werden es akzeptieren.«

»Briony wird es nicht akzeptieren.«

»Sie ist stärker, als du glaubst. Sie will ebenso wenig wie ich, dass Whitney unsere Kinder in die Finger kriegt. Ich gehe nicht, also hör auf damit.«

Ken hielt seinen Blick auf den Hubschrauber gerichtet, als dieser auf die Lichtung herunterkam. Nico stand in der Tür, mit ruhigen Händen und dem Auge am Zielfernrohr, um ihnen Deckung zu geben, während sie auf den Hubschrauber zurannten.

2

MARIGOLD SMITH SCHIEN in einem Meer von Schmerzen zu treiben. Es war nicht ganz und gar ungewöhnlich für sie, mit diesem Gefühl zu erwachen, doch diesmal pochte ihr Herz vor Angst – immenser, grenzenloser Angst. Sie hatte ihren Auftrag verpfuscht. Es war ihr nicht gelungen, mit dem Senator zu sprechen und ihm das Anliegen der Frauen vorzutragen. Sie hatte ihn nicht beschützt, und als sie gefangen genommen wurde, hatte sie es nicht geschafft, ihrem eigenen Leben ein Ende zu bereiten. Sie hatte keine Ahnung, ob der Senator in Sicherheit war oder ob sie ihn ermordet hatten. Es würde für niemanden allzu einfach sein, an Violet vorbei an ihn heranzukommen, aber andererseits hatte Marigold auch nicht in Betracht gezogen, dass sie selbst erfolglos sein könnte. Für einen Moment ließ sie zu, dass dieser Misserfolg ihr Selbstvertrauen erschütterte. Sie wollte die Augen geschlossen halten und sich einfach nur in ihrem Elend suhlen. Sie war vom Feind gefangen genommen worden, und es war zu spät, um ihrem Leben ein Ende zu setzen und die anderen zu retten. Somit blieb ihr nur noch eine Möglichkeit – sie musste entkommen.

Ihr Bein, ihr Rücken, ihre Brust und sogar ihre Hand pochten und brannten. Noch schlimmer war, dass sie keinen Anker hatte, der sie davor bewahrte, dass die Reizüberflutung ihr Gehirn briet. Sie war dem Ansturm schutzlos ausgesetzt, und das war beängstigender als sämtliche körperlichen Wunden auf Erden. Sie nahm eine Bewegung in ihrer Nähe wahr, ohne wirklich etwas zu hören, und sie ließ die Augen geschlossen und atmete gleichmäßig. Sie vernahm keine Schritte, hatte jedoch den Eindruck, dass sich jemand über sie beugte, der groß und sehr imposant war.

Sie wollte den Atem anhalten, denn ihr Selbsterhaltungstrieb regte sich akut, doch dann hätte er gewusst, dass sie wach war. Daher holte sie Luft und sog seinen Geruch in ihre Lunge ein. Er roch nach Tod und Blut und so würzig wie die freie Natur. Er roch gefährlich und nach allem, was sie nicht wollte – nach allem, wovor sie sich fürchtete. Aber ihr Herzschlag beschleunigte sich, ihr Schoß zog sich zusammen, und ihr Magen flatterte beängstigend. Trotz aller Entschlossenheit riss sie die Augen auf. Ungeachtet der Gefahr. Und das, obwohl sie lange Jahre des Trainings hinter sich gebracht hatte. Und trotz all ihrer Disziplin. Ihr Blick traf auf seinen.

Seine Augen waren die erschreckendsten, die sie jemals gesehen hatte. Kalter Stahl. Ein Gletscher von solchen Minustemperaturen, dass sie glaubte, die eisige Kälte könnte überall dort, wo sein Blick sie berührte, ihre Haut verbrennen. Keine Spur von Erbarmen. Kein Mitgefühl. Die Augen eines Killers. Hart und wachsam und vollkommen gefühllos. Sie wirkten grau, waren aber hell genug, um silbern zu sein. Seine Wimpern waren so pechschwarz wie sein Haar. Sein Gesicht hätte schön sein sollen – von Schnitt und Konturen her –, aber mehrere glänzende, starre Narben zogen sich im Zickzack über seine Haut, begannen dicht unter seinen Augen und führten bis zu seinem Kinn und über beide Wangen. Eine Narbe spaltete seine Lippen geradezu in zwei Hälften. Die Narben zogen sich über seinen Hals und verschwanden in seinem Hemd. Sie schufen eine unerbittliche Maske, einen Frankenstein-Effekt. Die Schnitte waren präzise und eiskalt gesetzt, und jemand hatte offenbar große Sorgfalt darauf verwandt, sie ihm zuzufügen.

»Hast du dich an mir sattgesehen, oder brauchst du noch ein Weilchen länger?«

Beim Klang seiner Stimme hätten sich ihre Zehen fast eingerollt. Ihre Reaktion auf ihn war beunruhigend und ganz und gar untypisch für sie als Soldatin – sie reagierte ausschließlich als Frau, und sie hatte noch nicht einmal gewusst, dass diese Möglichkeit bestand. Sie konnte ihren Blick nicht von seinen Augen losreißen, und bevor sie es verhindern konnte, fuhren ihre Fingerkuppen eine wulstige Narbe nach, die sich über seine Wange zog. Sie wappnete sich gegen die psychischen Folgen – den Ansturm seiner Gefühle und Emotionen, die Glasscherben, die sich in ihren Schädel bohren würden, denn davon wurde nicht nur jede Berührung begleitet, sondern sogar die Nähe anderer, sobald sie ihr zu nahe kamen –, doch sie konnte nur die Glut seiner Haut und die harten Wülste fühlen, die sich über dem Schnitt gebildet hatten.

Er packte ihr Handgelenk, und das Geräusch, mit dem Haut auf Haut traf, erschien ihr laut. Sein Griff war wie ein Schraubstock, aber trotz allem überraschend sanft. »Was tust du da?«

Sie schluckte den Kloß in ihrer Kehle, der sie zu ersticken drohte. Was sie da tat? Das war allerdings die Frage. Dieser Mann war ihr Feind. Noch entscheidender war, dass er ein Mann war, und sie verabscheute Männer und alles, wofür sie standen. Soldaten konnte sie respektieren und bewundern, aber sie konnte nicht das Geringste mit ihnen anfangen, wenn sie außer Dienst waren. Männer waren Rohlinge ohne jede Loyalität, trotz der Kameradschaft, die unter Soldatinnen und Soldaten herrschte. Sie dachte im Traum nicht daran, Mitgefühl für einen Feind aufzubringen, und schon gar nicht für einen, der offensichtlich kein Mitgefühl für andere aufbrachte. Wahrscheinlich war er der Vernehmungsleiter, ein Sadist, der darauf versessen war, anderen die Schmerzen zuzufügen, die er selbst erlitten hatte.

Sie hätte ihren Arm zurückziehen sollen, aber sie sah sich nicht in der Lage, etwas anderes zu tun, als ihn zu beschwichtigen. Sein Aussehen war genau das: eine dünne Maske, die sich über die eigentümliche maskuline Schönheit seines Gesichts gelegt hatte. Er wirkte so allein. So abgeschnitten und fern. »Tut es noch weh?« Ihr Daumen strich liebkosend über seinen Arm, wo sich die Narbenwülste fortsetzten. Ihre Stimme war unnatürlich heiser, und sie hatte keine Ahnung, was sie tat – sie wusste nur, dass der Schmerz in ihrem Körper nachließ, wenn sie ihn berührte, und dass alles Weibliche in ihr auf diesen einen Mann ansprach.

Er blinzelte. Darauf beschränkte sich seine Reaktion. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Kein Lächeln. Nichts außer diesem kleinen Senken seiner Wimpern. Sie glaubte, er könnte geschluckt haben, aber er hatte den Kopf leicht abgewandt, und seine sonderbar hellen Augen glitten über ihr Gesicht, schauten in sie hinein und sahen, wie verletzlich sie sich fühlte, mehr Frau als Soldat, teils beschämt, teils gebannt.

Er hatte ihr seinen Arm nicht entzogen, wie sie jetzt merkte. Es war, als berührte man einen Tiger, eine kühne, berauschende Erfahrung. Mit dieser kleinen zärtlichen Berührung mit ihrem Daumenballen, der weiterhin zart über diese entsetzlichen, unbarmherzigen Narben glitt, zog sie ihn auf ihre Seite, machte ihn gefügiger und hielt ihn davon ab, rasch herumzuwirbeln und sie vielleicht mit einem Hieb zu töten oder aber blitzschnell ins Unterholz zu flitzen und für alle Zeiten zu verschwinden, bevor sie seine Geheimnisse erkunden und den Mann hinter der Maske kennenlernen konnte. Er zitterte kaum wahrnehmbar, doch sie fühlte es, fast so, als sei er ein prachtvolles ungezähmtes Raubtier, das unter der ersten Berührung erschauert.

Er drehte den Kopf, schlang seine Finger um ihre und brachte ihre Bemühungen damit nachhaltig zum Stillstand. Wieder verblüffte sie die Behutsamkeit seiner Berührung. Sie hatte nie im Leben Zärtlichkeit erfahren. So wie ihn hatte sie noch nie einen anderen Menschen berührt. Sie blickte auf ihrer beider Hände hinunter, die miteinander verschlungen waren, und sah die Narben, die an seinem Arm hinaufführten und in seinem Ärmel verschwanden. Der Augenblick erschien ihr irgendwie unwirklich und entrückt. Ihr Leben hatte aus Training und Übungen bestanden, dem Erwerb fachlicher Kenntnisse und kaum etwas anderem als Pflichten. Sein Leben erschien ihr exotisch und mysteriös. Hinter diesen kalten Augen stand ein enormer Erfahrungsreichtum. Unter dem Gletscher brannte etwas, heiß und gefährlich, und es lockte sie an.

Sein Daumen glitt über die empfindliche Haut an der Innenseite ihres Handgelenks. Ein einziges Mal. Federleicht. Sie fühlte Zuckungen in ihrem Schoß. Seine Berührungen waren elektrisierend. Die seidige Glätte ihrer Haut stand im Kontrast zu den brutalen Narben auf seiner Haut. Sie war nicht makellos, aber diese kleine Berührung gab ihr das Gefühl, makellos und wunderschön zu sein, und so hatte sie sich noch nie gefühlt. Sie war nicht vollkommen, aber er gab ihr das Gefühl, es zu sein, und auch dieses Gefühl hatte sie noch nie gehabt.

Als die Kuppe seines Daumens über ihre Haut glitt, züngelten kleine Flammen auf und breiteten sich aus, bis sie fühlte, wie die Glut zu ihren Brüsten aufstieg und tiefer nach unten vordrang, zwischen ihre Beine. Eine einzige Berührung. Mehr war nicht erforderlich, damit sie ihn nur noch als Mann und sich selbst nur noch als Frau wahrnahm. Sie zog ihre Hand zurück, obwohl es sie schwer traf, den Kontakt abreißen zu lassen, aber andererseits fürchtete sie, zu viel über sich zu verraten.

Ihr Blick löste sich nicht von seinen Augen, als würde sie gnadenlos von ihm festgehalten, im hellen Scheinwerferlicht. Sie bemühte sich, nicht zusammenzuzucken, bemühte sich, nicht ihre plötzlich trockenen Lippen anzufeuchten. Sie war schon hundertmal verhört worden – nein, sogar noch öfter –, und sie war nie so nervös gewesen.

»Warum wolltet ihr den Senator töten?« Seine Stimme war freundlich, nicht anklagend, der Tonfall beinah sanft.

Die Frage schockierte sie. Sie starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen und einem kleinen Stirnrunzeln an und versuchte zu durchschauen, weshalb er ihr eine solche Frage stellen sollte. »Ihr wart dort, um den Senator zu töten. Wir haben ihn beschützt.«

»Wenn ihr da wart, um ihn zu beschützen, warum hat ihn dann dein gesamtes Team dort zurückgelassen, als wir dich an uns gebracht haben?«

Sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste nicht, wie er genetisch weiterentwickelt sein konnte, ohne ihrer Einheit anzugehören, einer Sondereinheit des Militärs, die dazu gedacht war, geheime Aufträge auszuführen, aber sie hatte ihn definitiv noch nie gesehen. Und er war eindeutig genetisch weiterentwickelt. Sie konnte die Kraft in ihm auch ohne Körperkontakt fühlen.

»Das kann ich nicht beantworten«, sagte sie wahrheitsgemäß.

»Ihr wart nicht dort, um den Senator zu ermorden?«

»Nein, natürlich nicht. Unser Team sollte ihn beschützen. «

»Ein Team, das zum Schutz einer Person abgestellt wird, zieht nicht ab und lässt den Schutzbefohlenen zurück, wenn ein Angehöriger des Teams zu Boden geht oder gefangen genommen wird. Genau das aber hat deine Einheit getan.«

»Ich kann nicht für meine Einheit sprechen.«

»Warum dachtest du, wir seien dort, um den Senator zu töten?«

Ohne seine Berührung brach der Schmerz wieder über sie herein. Ihr Bein tat so weh, dass ihr Tränen in den Augen brannten.

Sie riskierte einen Blick darauf. Das Bein war geschwollen, aber es war behandelt worden. Ihre Kleidungsstücke waren von ihrem Körper heruntergeschnitten worden, was hieß, dass sie keine verborgenen Waffen mehr hatte. Sie trug nur ein langes T-Shirt. »Werde ich das Bein verlieren? «

»Nein. Nico hat die Wunde versorgt, bevor der Arzt kam. Es wird alles gut verheilen. Deine Hand ist auch gebrochen. Du hast mir kaum eine andere Wahl gelassen. Weshalb hast du versucht, dich umzubringen, wenn du dort warst, um den Senator zu schützen?«

»Das kann ich nicht beantworten.«

Keine Spur von Ungeduld zeigte sich auf seinem Gesicht, und er musterte sie mit seinen kalten Gletscheraugen eingehend. Sie wusste, wie sehr sie sich vor ihm fürchten sollte, aber sie tat es nicht.

»Lass mich dir dabei helfen, dich aufzusetzen. Wir haben dich mit Flüssigkeit versorgt, aber du solltest versuchen, selbst etwas zu trinken. Du hast viel Blut verloren. « Bevor sie protestieren konnte, schob er seinen Arm unter ihren Rücken, half ihr dabei, sich hinzusetzen, und packte ihr dann Kissen in den Rücken.

Sie atmete seinen Geruch ein und fühlte sofort die prickelnde Elektrizität zwischen ihnen. Sie hätte geschworen, dass kleine Funken über ihre Haut tanzten. Seine Sanftmut entwaffnete sie. Er war ein skrupelloser Killer. Sie war ihr Leben lang Soldat gewesen, und sie erkannte ein mörderisches Raubtier, wenn sie es sah, aber wenn er sie berührte, nahm sie kein Anzeichen von Aggression wahr und auch nicht das Bedürfnis, andere brutal zu behandeln oder sie zu dominieren. Er half ihr schlicht und einfach, und dabei hätte er tatenlos dastehen und zusehen können, wie sie sich abmühte.

»Ken?« Die Stimme kam aus dem anderen Raum, und der Mann, der sie gefangen genommen hatte, drehte sich halb zur Tür um. »Briony sagt, wir sollen ihre Schwester mit nach Hause bringen, und sie lässt grüßen.«

Sie sah an dem Mann vorbei, der leicht gebückt neben ihrem Krankenlager stand, und ihr Herz wäre fast stehen geblieben. Das Gesicht des Mannes, der in der Tür stand, war alles, was Kens Gesicht hätte sein sollen. Markant. Attraktiv. Im klassischen Sinne schön. Es war das Gesicht, das sie sich für einen Racheengel vorgestellt hätte – diese klaren Konturen, diesen Schnitt und diese maskuline Perfektion. Der Fremde hatte dieselben Augen, denselben Mund. Sie hatte es vermieden, Kens Mund allzu eingehend zu betrachten, weil sie sich sonst vielleicht darauf fixiert hätte. Die Narbe, die den Schwung seiner weichen, vollen Lippen durchbrach, lief in einer geraden Linie von der Oberlippe zur Unterlippe und am Kinn hinunter und stellte dieselbe präzise Symmetrie her, wie es ihr schon bei den anderen Narben aufgefallen war.

Der Mann in der Tür blieb stehen. »Mir war nicht klar, dass sie wach ist.«

Ken wandte sich wieder zu ihr um und hatte seinen Arm immer noch um ihren Rücken geschlungen, als er ihr ein Glas Wasser hinhielt. »Schaffst du es mit einer Hand?«

Sie konnte mit einer Hand schießen oder ein Messer werfen. Und Wasser trinken konnte sie erst recht, aber es war berauschend, Ken in ihrer Nähe zu haben. Sie hatte noch nie in ihrem Leben etwas als berauschend empfunden. Daher gestattete sie ihm, ihr das Glas an die Lippen zu halten. Seine Hände waren ruhig und sicher. Sie zitterte. Was auch immer ihr unter die Haut ging – auf ihn verfehlte es seine Wirkung mit Sicherheit.