Im Bann des Jägers - Christine Feehan - E-Book

Im Bann des Jägers E-Book

Christine Feehan

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Beschreibung

Sie sind die Schattengänger, eine Gruppe herausragender Kämpfer, deren Fähigkeiten von dem brillanten Wissenschaftler Dr. Peter Whitney verstärkt wurden. Schattengänger Kane Cannon hat bei seinen gefahrvollen Missionen schon alles erlebt. So leicht verliert er nicht die Fassung, davon ist er überzeugt. Bis er in Mexiko unerwartet Rose Patterson gegenübersteht. Rose ist auf der Flucht – und sie erwartet ein Kind, von Kane. Die Leidenschaft, die die beiden einst magisch zueinander hinzog, entflammt erneut. Doch der Moment ist denkbar schlecht gewählt: Der Wahnsinnige, vor dem Rose sich versteckt, hat es nun auch auf Kane abgesehen.

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Christine Feehan

IM BANN DES

JÄGERS

Roman

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.Titel der amerikanischen Originalausgabe

RUTHLESS GAME

Aus dem Amerikanischen von Ursula Gnade

Deutsche Erstausgabe 04/2012

Redaktion: Uta Dahnke

Copyright © 2011 by Christine Feehan

Copyright © 2012 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Satz: Greiner & Reichel, GmbH

ISBN 978-3-641-07390-9V002

www.heyne-magische-bestseller.de

Für Mike und Margo Anthony

DAS BEKENNTNIS DER SCHATTENGÄNGER

Wir sind die Schattengänger, wir leben in den Schatten.

Das Meer, die Erde und die Luft sind unsere Heimat.

Nie lassen wir einen gefallenen Kameraden zurück.

Wir sind einander in Ehre und Loyalität verbunden.

Für unsere Feinde sind wir unsichtbar, und wir vernichten sie, wo wir sie finden.

Wir glauben an Gerechtigkeit und beschützen unser Land und jene, die sich selbst nicht schützen können.

Ungesehen, ungehört und unbekannt bleiben wir Schattengänger.

Ehre liegt in den Schatten, und Schatten sind wir.

Wir bewegen uns absolut lautlos, im Dschungel ebenso wie in der Wüste.

Unhörbar und unsichtbar bewegen wir uns mitten unter unseren Feinden.

Wir kämpfen ohne den geringsten Laut, noch bevor sie unsere Existenz überhaupt erahnen.

Wir sammeln Informationen und warten mit unendlicher Geduld auf den passenden Augenblick, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Wir sind gnädig und gnadenlos zugleich.

Wir sind unnachgiebig und unerbittlich in unserem Tun.

Wir sind die Schattengänger, und die Nacht gehört uns.

DIE EINZELNEN BESTANDTEILE DES SCHATTENGÄNGERSYMBOLS

STEHTFÜR

Schatten

STEHTFÜR

Schutz vor den Mächten des Bösen

STEHTFÜR

Psi, den griechischen Buchstaben, der in der Parapsychologie für außersinnliche Wahrnehmungen oder andere übersinnliche Fähigkeiten benutzt wird

STEHTFÜR

Eigenschaften eines Ritters –

Loyalität, Großzügigkeit, Mut und Ehre

STEHTFÜR

Ritter der Schatten schützen vor den Mächten des Bösen unter Einsatz von übersinnlichen Kräften, Mut und Ehre

Nox noctis est nostri

1.

Ein einsamer Kojote trabte durch die Wüste am Rande der Stadt. Kühn schlich er sich nah an die Abfälle heran, die dort, wo der Sand endete, verstreut waren. Die Nacht war kühl, doch der Sand war noch warm von der heißen Sonne des Tages. Mit der Nase am Boden tappte er voran und beschnupperte die Rückseite eines langen Gebäudes, bis er zu einer schmalen Gasse kam. Jemand hustete, und eine Flasche wurde an der Seitenwand des Gebäudes zerschmettert. Der Kojote machte schleunigst kehrt und rannte fort. Auf ihn war schon oft geschossen worden, wenn er genau diesen Gebäuden zu nahe gekommen war, doch zu fressen gab es dort im Allgemeinen reichlich. Dennoch wollte er kein Risiko eingehen, und schon gar nicht, wenn so spät am Abend so viele Männer umherliefen.

Widerstrebend ließ der Kojote das Festmahl hinter sich, zog sich zu einem Geröllhaufen zurück, kauerte sich hin und wartete darauf, dass sich die Lage ein wenig beruhigte, bevor er einen weiteren Versuch unternahm. In der fernen Wüste hörte er ein gedämpftes Geräusch, wie das Schlagen großer Flügel. Langsam wandte er den Kopf zum Himmel und drängte sich dichter an die Steine.

Der Hubschrauber flog auffallend tief und kam schnell näher, ohne Lichter und in gespenstischer Stille. Seile fielen aus den offenen Türen, und fünf Männer ließen sich schnell daran hinunter und begannen mit geschmeidigen, höchst koordinierten Bewegungen in unerhörtem Tempo durch die Wüste zu sprinten. Sekunden später war der Hubschrauber verschwunden, und der Kojote erhob sich schleunigst, um fortzurennen, als die Männer, die alle kaum mehr als Schatten waren, auf ihn zugerast kamen. Kein Laut war zu hören, noch nicht einmal der dumpfe Aufprall der Stiefel auf dem Sand. Der Wind trug ihre Gerüche, und als sie näher kamen, gewannen ihre Körper klarere Umrisse und wirkten dennoch wie ein einziges dunkles Wesen mit zehn glühenden Augen.

Der Kojote machte ein paar Schritte in die eine Richtung und dann – als sich die Gestalten voneinander lösten und, perfekt aufeinander abgestimmt und in einem Abstand von nicht mehr als je einem guten halben Meter voneinander, weiterrannten – einen Schritt in die andere, drehte sich mit eingezogenem Schwanz im Kreis und blieb dann verwirrt stehen. Die Männer rauschten vorüber wie der Wind, zögerten keinen Moment lang, und doch glitten diese seltsam blitzenden Augen über das Tier, das dort kauerte, und sahen es offensichtlich, obwohl es im tieferen Schatten des Gerölls verborgen war.

Javier, jetzt bist du dran. Sieh dich einfach nur um. Hast du gehört, was ich sage? Umsehen sollst du dich. Noch stirbt keiner. Mack McKinley, der Anführer von Schattengängerteam Drei, sandte seinen ersten Mann ins Gefahrengebiet. Die einzigartige Einheit von Schattengängern, die er anführte, brauchte keine Funkgeräte. Sie waren alle Telepathen.

Ich bin gekränkt, Boss. Gelächter erklang in Macks Kopf. Wie kommst du bloß auf den Gedanken, jemand könnte sterben?

Mack warf Javier zur Warnung einen strengen Blick zu. Javier konnte mühelos im Dunkeln sehen, auch wenn er sich entschloss, nicht hinzuschauen. Mit seinen dunklen Augen und seinem unschuldigen, knabenhaften Gesicht sah er aus wie ein großer Junge, und das war einer seiner größten Vorteile. Er wurde grundsätzlich von allen unterschätzt, das heißt von denen, die ihn überhaupt jemals zu sehen bekamen.

Der Häuserkampf war eine unvergleichliche Kunst. In einer »heißen« Gefahrenzone konnte jeder Bürger potentiell unschuldig sein – oder ein Feind. Für Situationen mit einem so hohen Stressfaktor waren ganz besondere Männer und Frauen mit Nerven wie Drahtseilen erforderlich, denn die brauchten sie, um unter diesen Bedingungen zu funktionieren. Macks Schattengängereinheit setzte sich aus solchen Individuen zusammen, alle bestens ausgebildet und im Besitz ganz besonderer übersinnlicher Gaben, die sie einmalig machten.

Wenige Meter von dem ersten Gebäude am Stadtrand ließen sich Mack und die anderen flach auf den Bauch fallen und verschwanden im Sand. Javier Enderman sprintete mit grenzenloser Selbstsicherheit direkt auf das erste Gebäude zu und in die Gasse. Als er sich den Gebäuden näherte, verschmolz seine zuvor klar umrissene Gestalt vollständig mit seiner Umgebung.

Ich glaube, unsere Informantin hatte einen guten Riecher. Wir haben es hier mit einer größeren Kampfeinheit zu tun, Mack, berichtete Javier. Scharfschützen auf dem Dach, in den Treppenhäusern und in den Gassen verborgen. Ich sehe etliche an den Fenstern des Gebäudes auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Hier geht etwas Größeres vor.

Siehst du eine Möglichkeit, dich unauffällig unter ihnen zu bewegen, ohne jemanden töten zu müssen? Niemand darf wissen, dass wir hier waren. Es geht darum, dass wir uns unbeobachtet reinschleichen, unbemerkt mit dem Paket entkommen und keiner jemals erfährt, was passiert ist.

Javier seufzte schwer. Also wirklick, Boss, wie kommst du dazu, meine Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen? Natürlich kann ich eine Möglichkeit finden, mich unbemerkt einzuschleichen. Du setzt kein Vertrauen in mich.

Macks Eingeweide verkrampften sich. Obwohl sein jugendliches Äußeres Unschuld ausstrahlte, war Javier ein vollendeter Meuchelmörder. Er konnte sehr geschickt mit Sprengstoff umgehen und war total vernarrt in Computer. Außerdem war er hochintelligent und folgte nur einer Person, und die war Mack. Javier fiel es normalerweise leicht, eine Gruppe von Teenagern zu finden und sich ihnen einfach anzuschließen, aber in diesem Teil der Stadt wurden Jugendliche höchstwahrscheinlich dafür bezahlt, dass sie jedes Auftauchen von Fremden meldeten. Mack hütete sich davor, Javier zur Vorsicht zu ermahnen, da er wusste, dass der Mann seine Sorge missbilligen würde, doch die beiden waren gemeinsam auf der Straße aufgewachsen. Javier war mehr als nur ein Teamgefährte – er gehörte zur Familie, und auf seine Familie passte Mack auf.

Diese Männer waren ihm in die Hölle gefolgt, und Mack fühlte sich für sie verantwortlich. Sie alle hatten geglaubt, die Steigerung übersinnlicher Anlagen sei ein spannendes Programm, das es ihnen erlauben würde, ihre Fähigkeiten vollständig auszuschöpfen, um Leben zu retten und ihrem Land zu dienen, und vielleicht wäre es auch so gekommen, wenn das Programm nicht unter der Leitung eines Wahnsinnigen durchgeführt worden wäre, der nicht nur ihre übersinnlichen Anlagen verstärkt, sondern auch ihre Gene durch die Beimengung tierischer DNA verändert hatte, weil er glaubte, das würde sie alle zu Supersoldaten machen.

Da war zum Beispiel Gideon Carpenter, ein Mann, der in jeder Krisensituation ihr Retter war. Er hatte Adleraugen und hielt seine Waffe mit so sicherer Hand, dass er einer Fliege im Flug die Flügel hätte abschießen können. Er konnte sie aus großer Entfernung beschützen und hatte, soweit Mack wusste, bisher noch nie sein Ziel verfehlt. Bevor er seinen Posten beziehen konnte, brauchten sie Informationen, und das Dach seiner Wahl musste geräumt werden.

Ethan Myers lag auf dem Bauch und hatte seinen Blick fest auf die Gebäude vor ihnen gerichtet; sein stromlinienförmiger Körper war wie geschaffen für das Klettern. Der Mann konnte wie eine Spinne an einem Gebäude hinaufhuschen, das Dach freiräumen und längst wieder verschwunden sein, bevor jemand bemerkte, dass er da gewesen war. Er wartete, gespannt wie eine Feder, jederzeit einsatzbereit und dabei vollkommen ruhig und zuverlässig.

Mack sah sich nach dem Mann um, der rechts neben ihm war. Kane Cannon war der fünfte Mann, der den Rettungstrupp vervollständigte. Kane war immer an seiner Seite gewesen, schon in den Straßen von Chicago, später im College und danach bei jeder Form von Training, das sie bei den Sondereinheiten durchliefen, sowie bei den Schattengängerexperimenten und der zusätzlichen Geländeausbildung in diesem Zusammenhang. Kane gab ihm immer Rückendeckung und wusste genau, was Mack sich dachte. Jetzt verlagerte er sein Gewicht kaum merklich und signalisierte Mack damit, dass er bereit war. Er war von unschätzbarem Wert, ein Mann, der buchstäblich durch Wände blicken konnte. Innerhalb von Sekunden konnte er die exakten Positionen des Feindes bestimmen.

Unsere Informantin sollte in der dritten Wohnung im Erdgeschoss des Eckhauses sein, teilte Mack seinem Team telepathisch mit. Du bist dran, Kane. Vergewissere dich, dass sie allein ist. Der Sergeant Major ist sicher, dass die Information von niemand anderem als einem Schattengänger beschafft worden sein kann. Wir wissen nicht, wer sie ist, und es könnte eine Falle sein.

Kane stieß sich mit seinen Händen vom Boden ab, kam geschmeidig hoch und rannte mit warmen, lockeren Muskeln gebeugt über die letzten Meter ungeschützter Wüste zum Eingang der Gasse, durch die Javier gelaufen war. Gerüche bestürmten ihn, Urin und Alkohol in Verbindung mit gekochtem Fleisch. Er schlüpfte in den dunklen Schatten der Gasse und wurde augenblicklich eins mit ihm. In Stille gehüllt und mit dem Messer in der Hand näherte er sich der Straße.

Es roch unverkennbar nach Tod. Schwaches Licht drang von der Straße aus dreißig Zentimeter weit in die Gasse. Er duckte sich und suchte mit seinen Blicken sorgfältig die dunkleren Schatten ab. Eine Leiche lag zusammengesackt direkt neben dem Gebäude, an der dunkelsten Stelle. Kane kauerte sich neben den Mann. Er hielt eine Schnellfeuerwaffe in der Hand, und sein Körper war noch warm. Sein Genick war gebrochen. Javier war auf einen Feind gestoßen und hatte ihn lautlos ausgeschaltet. Er hatte kein Funkgerät oder dergleichen, was hieß, dass er nicht Teil eines Wachtrupps war. Oder Javier hatte ihm das Gerät abgenommen.

Seufzend erhob sich Kane und trat an den äußersten Rand der Gasse, da er nur von dort aus das Gebäude auf der anderen Straßenseite sehen konnte. Durch Mauern in ein Gebäude zu blicken verlangte immer einen Tribut. Javier musste seinen Posten bezogen haben, um ihm Deckung zu geben. Kane wartete und zählte die Sekunden.

In jedem Hauseingang schienen Männer mit Waffen zu stehen, und sie patrouillierten auch auf den Dächern und dem langen Balkon im ersten Stockwerk. Sie waren in großer Zahl angerückt, und nur wenige Menschen wagten sich auf die Straße hinaus. An dem Ende der Straße, das der Wüste am nächsten war, entdeckte er einige Teens beim Messerwerfen. Sie versuchten, sich wie harte Kerle zu geben. Javier war deutlich unter ihnen zu erkennen. Er trat großspurig auf und gab sich lässig und selbstsicher, zeigte ihnen allen, wie es ging, und erteilte Ratschläge. Es schien unmöglich, dass er sich in eine Gruppe eingliedern konnte, die nach Fremden Ausschau hielt, doch Javier gelang das immer – und noch dazu vor aller Augen.

Es kann losgehen, Mann, sagte Javier mit ruhiger Stimme.

Kane zögerte nicht. Er hatte gelernt, sich in jeder gefährlichen Situation auf seine Teamgenossen zu verlassen. Er gestattete seinem Blick, die Gebäude zu durchdringen, nicht nur auf der Suche nach ihren Zielobjekten, sondern auch nach ihrer Informantin. In Wirklichkeit ging es bei dem Röntgenblick ausschließlich um Schall. Ultrabreitbandige Funkwellen drangen durch die Wände, um Bilder einzufangen, und erlaubten es Kane, durch die Mauern eines Gebäudes zu »blicken«. Kane konnte diese Wellen erzeugen, doch das kostete Energie – eine Menge Energie und Konzentration.

In der Wohnung im ersten Stock direkt gegenüber von ihnen entdeckte er zwei potenzielle Geiseln, beide weiblich. Sie schienen Rücken an Rücken an Stühle gefesselt zu sein, etwa drei Meter hinter der Außenmauer.

Das Paket ist im ersten Stock, dritte Wohnung von links. Zwei Frauen, genau wie unsere Informantin gesagt hat. Eine ist zusammengesackt, möglicherweise bewusstlos. Die kleinere ist auf der Hut.

Ein Wächter saß vor einem Fernsehgerät links von ihnen, und hinter der Tür saß ein zweiter draußen im Flur und spielte auf einem Game Boy.

Kane gab die Information an sämtliche Mitglieder des Teams weiter und skizzierte in Gedanken einen präzisen Lageplan für sie. Die Standorte der Wächter auf dem Dach kann ich nicht sehen, Ethan. Sie sind außerhalb meiner Sichtweite.

Macht nichts. Das war Ethan, kurz und bündig.

Kane suchte die kleine Wohnung im Erdgeschoss nach ihrer Informantin ab. Sie mussten sich absichern, dass sie keine Verräterin war und dass es sich nicht um eine ausgeklügelte Falle handelte, die dazu dienen sollte, Mitglieder des schwer fassbaren Schattengängerteams gefangen zu nehmen oder sie zu töten. Er holte mehrfach tief Atem, presste seine Augen fest zu und nahm bewusst die Schauer wahr, die seinen Körper durchliefen. Der Einsatz übersinnlicher Energien hatte immer seinen Preis, doch die Hervorbringung und Deutung von Schallwellen war ganz besonders schwierig.

Er sandte die Druckwellen direkt zu dem kleinen Apartment. Er hatte monatelang üben müssen, ehe er die unterschiedlichen Eindrücke interpretieren konnte, die durch die Entfernung entstanden, die die Schallwellen zurücklegen mussten. Der Schall breitete sich in sich wiederholenden Mustern aus, die es den Sensoren, die Dr. Whitney in seinen Körper eingebaut hatte, erlaubten, reflektierte Wellen zu entdecken.

Kane konnte eine Frau sehen, die allein in der Wohnung war. Sie war klein, trug Jeans und ein weites Oberteil und bewegte sich mit bewusst gedrosselter Geschwindigkeit, während sie Dinge in einen kleinen Rucksack stopfte. Sie macht sich bereit für die Flucht. Etwas an den Bewegungen der Frau war ihm vertraut. Sein Herz begann heftig zu pochen. Sein Puls donnerte in seinen Ohren. Sie machte nicht den Eindruck, als sei sie schwanger. Ehe sie entkommen war, hatte sie den Verdacht gehabt, sie bekäme ein Kind von ihm. Es war zwingend notwendig gewesen, sie herauszuholen, bevor Whitney erkannte, dass er sein Ziel erreicht hatte.

Er hörte das kollektive Keuchen der anderen Schattengänger seines Teams, als sie fühlten, wie hart ihn der Schock des Wiedererkennens traf. Alle verharrten vollkommen still. Er spürte seine Erregung. Er schmeckte … sie. Sowie sie Wind davon bekam, dass er hier war, würde sie verschwinden wie ein Schatten. Aber das Baby …

Mack durchbrach die angespannte Stille. Kane? Sprich mit mir.

Es ist Rose. Meine Rose. Sie ist die Informantin, Mack, und sie macht sich fluchtbereit. Wenn sie mir noch einmal entkommt, werde ich sie nie wieder finden.

Kane ließ die Gestalt, die sich durch die kleine Wohnung bewegte, nicht aus den Augen. Ihre Bewegungen waren langsam und beherrscht, sehr effizient, ohne jede Energievergeudung. Sie weiß, dass wir hier sind, Mack. Ich darf sie nicht entkommen lassen.

Wir sind hier, um die Geiseln zu befreien, rief ihm Mack ins Gedächtnis zurück. Atme tief durch, Kane. Wir werden sie nicht aus den Augen verlieren. Gideon geht rein. Sie wird ihn nicht als einen Schattengänger erkennen. Sie wird wissen, dass wir hier draußen sind, aber ihn wird sie nicht verdächtigen.

Schattengänger erkannten einander. Ihre Energien unterschieden sich von denen anderer Menschen, doch Gideon war eine Ausnahme. Er wird reingehen, uns die Information besorgen und eine kleine Wanze anbringen.

Ich mache das schon, Kane. Sie wird uns nicht entkommen, beteuerte ihm Gideon.

Ich sage es euch, sie weiß es bereits. Kane konnte den Blick nicht von der kleinen Wohnung abwenden. Seine Welt hatte sich plötzlich auf die Frau verengt, die sich ihm monatelang entzogen hatte. Er hatte überall nach ihr gesucht und jeden Gefallen eingefordert, den man ihm schuldig war, doch sie war nirgends auffindbar gewesen, und jetzt … Er war im Einsatz, und sein Team verließ sich darauf, dass er sie alle mit voller Konzentration unterstützte.

Er fluchte tonlos, als sie ein Schulterhalfter anlegte, ein Messer an ihren Oberschenkel schnallte und ein zweites in ihren Stiefel steckte. Sie traf Vorbereitungen für einen Kampf. Sie steckte sich etwas ins Haar und brachte weitere Waffen an ihrem Gürtel an. Besonders beeindruckte ihn die Sparsamkeit ihrer Bewegungen. Er hatte sie als ein zerbrechliches Geschöpf in Erinnerung, das er beschützen musste. Rose war zierlich gebaut, wie eine kleine Elfe. Es war seltsam zu sehen, wie geschickt und mit welcher Vertrautheit sie mit Waffen umging. Er musste sich davor hüten, sie zu unterschätzen. Sie war ein Schattengänger – wie er. Das bedeutete, dass ihre übersinnlichen Fähigkeiten verstärkt worden waren. Von früh an hatte sie eine militärische Ausbildung durchlaufen. Sie war wahrscheinlich genauso gefährlich wie er, wenn nicht sogar – gestand er sich ein – noch gefährlicher.

Das muss ich übernehmen, Mack. Sie kennt mich. Ich habe ihr dabei geholfen, aus Whitneys Zuchtstation auszubrechen. Allein schon der Gedanke an den abscheulichen Ort versetzte ihn in Wut. Wenn er daran dachte, was er Rose gezwungenermaßen angetan hatte, wurde ihm übel. Ich bin für sie verantwortlich, Mack. Ich muss es tun.

Mack fluchte tonlos, doch da sie alle telepathisch miteinander in Verbindung standen, hörte es jeder. Wir sind im Einsatz. Verdammt nochmal, Kane, bau jetzt keinen Mist.

Ethan setzte sich in Bewegung wie ein Rennpferd, das an der Startlinie gewartet hatte. Er glitt geschmeidig über den ungeschützten Sand und raste durch die Stille der Gasse. Gib mir eine Minute, um einen Posten zu beziehen, von dem aus ich dir Deckung geben kann.

Kane trat zurück, um Ethan Platz zu machen. Ethan grinste breit und begab sich auf die Straße hinaus, ein verschwommener Schatten, der sich den Lichtern entzog. Einer der Wächter drehte seinen Kopf zu Ethan um, und Kane hob sein Messer, um es nötigenfalls zu werfen, doch der Wächter wandte sich wieder ab, da seine Blicke dem Schatten offenbar nicht folgen konnten, der nun an der Seitenwand des Gebäudes auf der anderen Seite der Gasse hinaufkletterte. Ohne Nachtsichtgerät war es nahezu unmöglich, Ethan zu sehen, da er sich nicht von dem Gebäude abhob und sich wie eine Spinne an die Mauer klammerte und ohne Kletterausrüstung in diesem undenkbaren Winkel an der Wand hinaufstieg.

Kane hielt den Atem an und suchte die Gegend sorgfältig nach jemandem ab, der Ethan entdecken könnte. Er wusste, dass Javier dasselbe tat. Das Warten auf die Bestätigung, dass er es geschafft hatte, schien sich endlos hinzuziehen. Kane konnte hören, wie sein eigenes Herz in seinen Ohren schlug. Irgendwo bellte ein Hund. Jemand hustete, und ein anderer Mann fluchte. Gelächter brach aus. Und in all dieser Zeit erlegte er sich ungeheure Disziplin auf, um seinen Blick nicht auf die Wohnung zu richten, in der die Frau, die er monatelang gesucht hatte, Vorbereitungen für ihre Flucht traf.

Ein Mann auf dem Dach. Er hat eine Flasche Tequila und eine Schnellfeuerwaffe. Eine tolle Kombination. Ethans Abscheu war deutlich zu spüren.

Mehr Zeit verging. Rose würde inzwischen mit dem Packen fertig sein. Sie würde mit leichtem Gepäck reisen. Nur das Notwendigste. Kane hatte einen bitteren Geschmack im Mund, doch ließ er seinen Blick weiterhin konzentriert über die Häuser und die Straße schweifen. Der erste Punkt auf seiner Tagesordnung war, für Ethans Sicherheit zu sorgen.

Alles klar. Ethans Stimme klang ruhig. Schickt den Adler los.

Gideon sprintete durch den Sand zum Rande des Gebäudes und dann in die Gasse hinein. Er klopfte Kane auf die Schulter und blieb stehen, um sich ein klareres Bild von der dunklen Straße vor ihnen zu machen. Hier und dort regten sich Gestalten in den Türen, und zwei Männer blieben kurz stehen, um auf ihrem Rundgang mit gesenkter Stimme miteinander zu reden. Zwei Frauen saßen auf einer Veranda und betrachteten schweigend das Geschehen, und am Ende der Straße lachten fünf Teenager miteinander, alles Jungen, und stachelten sich gegenseitig an, während sie das Messerwerfen übten.

Gideon rannte mit einer Geschwindigkeit los, die ihm nur seine genetische Weiterentwicklung erlaubte, und überquerte die menschenleere Straße so schnell, dass er nur verschwommen zu sehen war. Da er nicht Ethans Gabe besaß, mühelos mit nichts weiter als den Händen und den Zehen an steilen Hauswänden hinaufzuklettern, hatte Ethan Stufen aus Wurfsternen für ihn zurückgelassen. Gideon kletterte im Dunkeln schnell hinauf und hatte sein Scharfschützengewehr dabei flach auf dem Rücken.

Alle anderen konnten erleichtert aufatmen, als Gideon seinen Posten bezogen hatte. Der Mann verfehlte nie sein Ziel. Sie nannten ihn schließlich nicht grundlos den Adler. Gideon würde die Straße und die Fenster im Visier haben, während Ethan und Mack das Gebäude betreten und die Gefangenen herausholen würden. Kane würde ihnen drinnen Deckung geben, und Javier würde draußen auf der Straße sein. Sie alle waren schnell und sehr gefährlich, wenn es sein musste, doch in einer Situation wie dieser war es sehr schwierig, zwischen harmlosen Anwohnern und denen zu unterscheiden, die mit dem Feind zusammenarbeiteten, es sei denn, sie trugen ganz offenkundig Waffen.

Es kann losgehen, sagte Ethan. Wir geben dir Deckung.

Kane wurde innerlich vollkommen ruhig. Er wandte seine Aufmerksamkeit erneut Roses Apartment zu, suchte es gründlich ab und sandte Schallwellen durch das Gebäude, um hineinzuschauen. Sie stand an der Wohnungstür und hielt eine Waffe in der Hand.

Er holte tief Atem, um sein Gleichgewicht wiederzufinden, während sein Körper auf die Sensoren reagierte, die die Bilder bearbeiteten, bevor er sich aus der Gasse zurückzog und um das Gebäude herumlief, damit er auf der richtigen Straßenseite auf ihr Gebäude zukam. Mack schloss sich ihm an und hielt mühelos bei dem forschen Tempo mit.

Wir werden dich bei diesem Einsatz brauchen, Kane.

Kane warf Mack rasch einen verärgerten Blick zu. Ich habe dich noch nie im Stich gelassen. Gib mir ein paar Minuten, damit sie sich bereitmachen kann, um gemeinsam mit uns aufzubrechen.

Mack nickte und kauerte sich in den Schatten des Gebäudes. Gideon? Hast du deinen Posten bezogen? Kane geht rein. Sie ist bewaffnet.

Wage es nicht, auf sie zu schießen! Mack, du Mistkerl. Ich kann euch nur raten, dass keiner auf sie schießt.

In Kanes Tonfall schwang eine Warnung mit. Er war ein gefährlicher, aufbrausender Mann, der zu raschen Vergeltungsmaßnahmen fähig war. Sie waren mit ihm aufgewachsen. Sie kannten ihn. Sein Tonfall sagte ihnen mehr als genug. Er erwartete, dass sie sich raushielten und es ihm überließen, mit Rose fertigzuwerden – selbst wenn sie versuchen sollte, ihn zu töten, was seiner Meinung nach durchaus möglich war.

Kane holte tief Atem und bewegte sich auf das Fenster zu, das auf einen kleinen Hof neben dem Haus ging. Er konnte verstehen, warum Rose diese Wohnung gewählt hatte. Sie hatte alternative Fluchtwege. Er machte nicht den Fehler, bis zum Fenster zu gehen. Rose war ein bestens ausgebildeter Schattengänger. Sie hatte gelernt, was nötig war, um zu überleben. Sie erwartete, dass er an die Haustür kommen würde, ein Abgesandter der Einheit, die sie hinzugerufen hatte, um wichtige Gefangene zu retten, die das Drogenkartell als Geiseln gegen El Presidente benutzte.

Es dauerte ein paar Minuten, bis er die kleinen Glasscherben entdeckte, die auf der Erde und dem Laub verstreut waren. Er säuberte den Bereich gründlich, da er wusste, dass die Geräusche von zerbrechendem Glas sie augenblicklich warnen würden. Wie die meisten Schattengänger besaß sie nicht nur ein genetisch gesteigertes Sehvermögen, sondern auch ein extrem feines Gehör. Ihr Fenster würde nicht zugenagelt sein, weil sie einen schnellen Fluchtweg brauchte, aber sie hatte es bestimmt gegen Besucher gesichert. Es öffnete sich zur Seite, und nicht nach oben, und hatte einen Drehgriff an der Innenseite.

Kluges Mädchen, sagte er sich nachdenklich. Er zog einen Miniatur-Laserschneider aus seiner Werkzeugtasche und schnitt, nachdem er den Saugnapf angebracht hatte, behutsam das Glas. Der Saugnapf arbeitete lautlos und zog ohne jedes Geräusch die entstandene kleine runde Scheibe aus dem verbleibenden Fenster. Kane griff hinein und ölte den Griff langsam, um weiterhin Lautlosigkeit zu gewährleisten. Erst dann drehte er den Griff weit genug, um das Fenster aufzuschieben. Winzige Glassplitter waren am Rand der Fensterbank festgeklebt, wie er sah, als sich die Scheibe langsam öffnete.

Kane lächelte in sich hinein. Ja, seine Frau wusste, wie man auf sich aufpasste. Er griff durch die Öffnung, mied dabei die Glassplitter und schob das Fenster weit genug auf, um einsteigen zu können. Wieder wartete er, bis er den kleinen Auslöser für grelle Lichtimpulse gefunden hatte, ehe er seinen kräftigen Körper durch die Öffnung schwang. Leicht war das nicht zu bewerkstelligen, da die Glasscherben hervorstanden.

Als er leise auf den Boden trat, projizierte er das Geräusch langsamer, zielstrebiger Schritte, die über den Bürgersteig auf ihre Haustür zukamen. Das Auftreten seiner eigenen Füße dämpfte er, als er sich durch das spärlich möblierte Zimmer zur offenen Tür bewegte. Ein kleiner Rucksack stand auf einem Stuhl links neben ihr, wo sie ihn schnappen und fortlaufen konnte, falls die falsche Person zur Tür hereinkam. Rose hatte ihm den Rücken zugewandt. Sie war kleiner, als er sie in Erinnerung hatte. Von hinten sah sie nicht schwanger aus. Sein Herz tat einen dumpfen Schlag bei dem Gedanken, sie könnte das Baby verloren haben.

Sie trug Jeans und ein langes Top im Tunikaschnitt. Ihr glänzendes mitternachtsschwarzes Haar hatte einen frechen Pagenschnitt. Die Erinnerung daran, wie seidenweich sich ihr Haar anfühlte, wenn er es mit einer Faust packte, brach mit einer Wucht über ihn herein, die ihm den Atem raubte. Einen Moment lang erschütterte ihn ihr Anblick.

Er atmete tief ein, denn er lechzte nach ihrem Duft in seiner Lunge. Er konnte tatsächlich fühlen, wie ihre zarte Haut über seine glitt, und er schmeckte sie in seinem Mund. Rose. Niemals würde er vergessen, wie sie zu ihm aufgeblickt hatte, mit ihren riesigen Augen, die von einem so dunklen Braun waren, dass sie nicht die geringste Spur von Gold enthielten. Lange Wimpern, schwarz wie die Nacht, umrahmten diese schokoladenbraunen Augen, die ihn, ohne zurückzuschrecken, fest angesehen und ihn von jeglicher Schuld freigesprochen hatten – aber, verdammt nochmal, sie hatte keine andere Wahl gehabt. Ihr war gar nichts anderes übriggeblieben.

Kane holte wieder tief Atem, als er die Erinnerung unbarmherzig von sich schob. Er war ein kräftiger Mann, neben dem sie sich zwergenhaft ausnahm. Er bestand nur aus geschmeidigen Muskeln, hatte ein angemessenes Gewicht für seine Körpergröße und kein Gramm Fett am Leib. Er ragte über ihr auf, nicht mehr als ein Schatten, und seine Arme kamen von hinten um sie herum, um ihr die Waffe aus der Hand zu nehmen und sie auf das aufgeklappte Sofa zu werfen. Sie versuchte, sich umzudrehen, und zielte auf seinen Spann, doch seine stahlharten Arme hielten sie gefangen. Seine Hände legten sich auf ihren Bauch, und er stellte schockiert fest, dass sie so rund wie ein Fußball war. Mit einem dumpfen Schlag sank sein Herz, um gleich darauf in einem zufriedenen Rhythmus zu pochen.

»Immer mit der Ruhe, Rose«, sagte er sanft und versuchte ihr Ruhe einzuhauchen. Ihr Atem ging abgehackt. »Jemand hat dich im Visier. Zieh keine andere Waffe. Halte einfach nur still.«

Unter seiner Handfläche fühlte er den kleinen runden Bauch und einen eigentümlichen Stoß, als hätte das Baby nach ihm getreten, weil es versuchen wollte, seine Mutter zu beschützen. Die immense Erleichterung und die Genugtuung, mit der es ihn erfüllte, dass sie sein Kind austrug, schockierten ihn ein wenig. »Niemand wird dir etwas antun.« Nie wieder würden sie ihr etwas antun, denn dafür würde er in Zukunft sorgen. Sie war schwanger von ihm, und dieses Kind würde sie immer miteinander verbinden, ganz gleich, was sonst geschah.

Rose erstarrte. Sie drehte ihren Kopf nicht um, doch sie blieb angespannt, und ihre Hände packten seine Handgelenke, als wollten sie seine Finger gewaltsam von der Rundung ihres Bauches ziehen. »Kane?«

Er fühlte die Anspannung in ihrem Innern, doch es war keine Erstarrung, ganz im Gegenteil – sie war wie eine Schlange, die sich zusammengerollt hat und im nächsten Moment angreift. »Ich bin da, Süße. Keiner will dir etwas tun. Halte einfach nur still, und wir werden das alles klären. Es braucht keine Verletzten zu geben.«

»Ich gehe nicht zurück. Er bekommt mein Baby nicht.« Sie brachte diese Äußerung mit ruhiger Stimme vor, doch er bezweifelte nicht, dass sie Ernst machen würde. Rose mochte zwar aussehen wie eine kleine asiatische Elfe, doch sie hatte ein stählernes Rückgrat. Jedes Mal, wenn Whitney einen Mann zu ihr geschickt hatte, um sie zu schwängern, hatte sie sein Vorhaben vereitelt. Sie hatte gekämpft, bis sie fürchteten, sie könnten sie umbringen, und sie war eine tückische Kämpferin. Mehr als ein Mann war nach einer Runde im Ring mit ihr auf der Krankenstation eingeliefert worden.

»Unser Baby«, verbesserte er sie, und es klang so richtig, dass sich einige der Knoten in seinem Bauch lösten. »Willst du mir vielleicht sagen, warum du auf den ersten Blick nicht schwanger gewirkt hast? Wie hast du das angestellt?«

»Es ist ja nicht so, als besäße nicht auch ich gewisse Fähigkeiten. Ich kann mich tarnen, wenn es nötig ist. Ich habe euch alle gefühlt, sowie ihr in meine Nähe gekommen seid. Whitney bekommt mein Baby nicht. Er weiß noch nicht mit Sicherheit, dass ich bei meiner Flucht schwanger war, und ich sorge dafür, dass es dabei bleibt.« Ihre dunklen Augen warfen ihm einen warnenden Blick zu.

»Whitney hat mich nicht geschickt. Ich nehme keine Befehle von ihm entgegen. Wir haben seine Experimente gemeldet, und er ist untergetaucht. Seit deinem Verschwinden habe ich dich gesucht.«

Sie war lockerer geworden, doch seine Worte bewirkten, dass sie sich wieder anspannte.

»Um dir zu helfen, Rose«, erklärte er hastig. »Ich war derjenige, der dir bei deiner Flucht geholfen hat, erinnerst du dich nicht mehr daran? Ich habe nicht vor, dich dem Feind zu übergeben.«

Kane machte nicht den Fehler, sie loszulassen. Er wusste, dass Gideon ein Präzisionsgewehr mit großer Reichweite auf sie gerichtet hatte, und ihm war nur zu klar, dass Gideon in erster Linie daran gelegen war, ihn zu beschützen. Ihm gefiel nicht, dass Rose am Fenster stand, doch wenn er sie von dort fortlockte, konnte das dazu führen, dass Mack Javier schickte. Es war für sie alle eine Gratwanderung, und eine falsche Bewegung konnte eine Katastrophe nach sich ziehen.

»Dann lass uns sehen, dass wir es möglichst schnell hinter uns bringen«, sagte Rose. Sie sah aus dem Fenster und hielt ihren Blick nach oben gerichtet, als wollte sie die Scharfschützen provozieren, sie zu töten. »Ich nehme an, du gehört zu dem Team, das geschickt wurde, um die Geiseln rauszuholen. Wenn Schattengänger geschickt werden, um sie rauszuholen, dann müssen sie ziemlich wichtig sein.«

»Wenn ich dich auf den Stuhl setze, wirst du dann sitzen bleiben? Und keine Dummheiten machen?«

Sie drehte erstmals den Kopf um und sah ihn über ihre Schulter an. Sein Herz machte einen Satz, als er ihren Blick sah. Fest und unbeirrt. Ruhig unter Beschuss. Das war Rose. Aber die Erschöpfung, von der ihr Gesicht gezeichnet war, schockierte ihn. Ebenso sehr schockierte ihn, wie stark nicht nur sein Körper, sondern alles in ihm auf sie reagierte. Seine Beschützerinstinkte, seine animalische Seite, das Alphatier – alles Männliche in ihm.

Er zwang sich, mit beherrschter Stimme zu sprechen. »Du wirkst, als seist du krank gewesen.«

Sie nickte. »Ich konnte nicht viel Nahrung bei mir behalten«, gestand sie und sah ihm dabei forschend ins Gesicht, um zu entscheiden, ob sie ihm trauen konnte oder nicht. »Das hat mich ziemlich geschwächt. Und da ich nicht von Whitneys Radar erfasst werden will, muss ich ständig in Bewegung sein.« Sie sah ihn mit einem freudlosen Lächeln an, nicht mehr als ein Aufblitzen ihrer weißen Zähne, doch es genügte ihm als Warnung. »Ich werde das Baby in Sicherheit bringen, und wer sich mir in den Weg stellt, wird nicht lange am Leben bleiben.«

Kane wusste, dass es sich bei ihrer ruhigen Behauptung nicht nur um eine leere Drohung handelte. Rose würde kämpfen, wenn es nötig war. Sie mochte zierlich sein, doch das wurde durch ihre übersinnlichen Fähigkeiten und das glänzende Überlebenstraining, das sie durchlaufen hatte, wettgemacht. In der kurzen Zeit, die sie gezwungenermaßen miteinander verbracht hatten, hatte er sie näher kennengelernt. Dr. Whitney, der Leiter des experimentellen Programms zur Steigerung übersinnlicher Anlagen, war zum skrupellosen Einzelgänger geworden, der entschlossen war, auf eigene Faust Supersoldaten zu züchten. Rose war zwangsweise in sein Zuchtprogramm integriert worden, doch die kurze Zeit im Zuchtprogramm hatte keine der teilnehmenden Frauen am täglichen Training gehindert. Die Männer neigten dazu, zu vergessen, dass die Frauen schon als kleine Kinder zum Training gezwungen worden waren, wohingegen sie sich erst in späteren Jahren dem Militär angeschlossen hatten. Die Frauen waren ihnen gegenüber tatsächlich im Vorteil, obwohl sie von ihrer Statur her kleiner waren.

»Ich habe gesagt, ich würde dich unbeschadet hier rausholen, Rose, und das war mein Ernst.« Er bemühte sich, seine Worte weder aggressiv noch herrisch klingen zu lassen, obwohl ihm nach beidem zumute war. Er neigte von Natur aus dazu, die Dinge in die Hand zu nehmen, und jetzt musste er diesen Drang unterdrücken. Er würde Rose nicht noch einmal entkommen lassen, und schon gar nicht, wenn sie und ihr gemeinsames Kind Tag für Tag in jedem einzelnen Moment von Gefahr umgeben waren. Sie brauchte Schutz, ganz gleich, wie groß ihr Unabhängigkeitsstreben war. Er konnte ihre Aversion gegen ihn verstehen, aber ihre Sicherheit hatte Vorrang vor allem anderen.

Rose ging in keiner Weise auf seine Bemerkung ein, und er wusste nicht im Entferntesten, was sie dachte. Sie wirkte zerbrechlich, aber sie hatte einen stählernen Kern und einen eisernen Willen. Nicht einmal Whitney war es gelungen, von ihr zu bekommen, was er wollte. Ungeachtet der Tatsache, dass seine Strafen schrecklich waren, hatte sie ihren Partner selbst gewählt und sich geweigert, einen der anderen zu akzeptieren, die Whitney zu ihr geschickt hatte.

Kane drängte diese Erinnerungen gewaltsam zurück. Es fiel ihm schwer, gelassen und diszipliniert zu sein, wenn Wut in ihm tobte. Sehr sanft schob er Rose zu dem Stuhl, der weiter weg vom Fenster war.

Ich habe sie nicht mehr in der Schusslinie, warnte ihn Gideon. Und ihr ist das mit Sicherheit klar, Kane.

Verdammt nochmal, bau jetzt bloß keine Scheiße, Kane, fauchte Mack. Ich schicke Javier zu euch beiden rein.

Scher dich zum Teufel, Mack, fauchte Kane zurück. Sie ist schwanger, und es ist mein Kind. Ihr werdet euch hüten, auf sie zu schießen.

»Sie sind wirklich wütend auf dich, stimmt’s?« Rose lächelte sarkastisch. »Und sie haben Recht. Du schwebst tatsächlich in Gefahr.«

»Wenn du etwas vorhast, Rose, dann tu es jetzt, bevor sie einen anderen reinschicken.«

Sie sah ihm forschend ins Gesicht, und er konnte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sie gleichfalls eingehend zu mustern. Ihre langen, geschwungenen Wimpern zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Von dort aus sank sein Blick auf ihre hohen Wangenknochen, die kleine, gerade Nase und den üppigen Mund. Die Frauen waren aus Waisenhäusern geholt worden, und Rose war offenbar aus China gekommen, doch wie es Whitney gelungen war, sie an sich zu bringen, war Kane schleierhaft.

Sie berührte mit ihrer Zunge ihre volle Unterlippe, und sein Körper straffte sich. »Ich werde keine Dummheiten machen. Du bist darauf eingestellt, dass ich dich auszutricksen versuche.«

Das sagte ihm nicht, ob sie immer noch vorhatte zu fliehen, und er würde Mack und den anderen helfen müssen, die Geiseln rauszuholen. Kane seufzte und wechselte das Thema. »Erzähl mir etwas über die Geiseln.«

»Vor etwa einer Woche tauchten hier plötzlich zahlreiche Kartellmitglieder auf. Sie sind nicht gerade schwer zu erkennen, denn sie sind schwer bewaffnet und jagen den anständigen Menschen hier in der Gegend teuflische Angst ein. Es kam zu zwei Morden, abgeschlagenen Köpfen, die allen anderen als Warnung dienen sollten, und die Leichen haben sie zwei Straßen weiter in den Brunnen geworfen. Auf der Straße hieß es, hier stünde eine größere Aktion bevor. Anfangs dachte ich, es ginge um die Abwicklung eines großen Drogendeals, doch dann habe ich die Gefangenen entdeckt. Sie wurden in der Nacht hierhergebracht, in dunklen Geländefahrzeugen mit getönten Scheiben. Ich dachte mir, es seien vielleicht Angehörige einer gegnerischen Bande, doch sowie ich sie sah, eine Frau von etwa fünfunddreißig Jahren und ein kleines Mädchen von etwa zehn, wusste ich, dass das nichts mit einem Drogenkrieg zu tun hatte.«

»Doch. Es geht tatsächlich um einen Drogenkrieg«, korrigierte Kane. »El Presidente führt Krieg gegen die Kartelle, um sein Land zurückzuerobern. Die Kartelle haben zur Vergeltung Anschläge auf Angehörige hochrangiger Regierungsmitglieder verübt. El Presidente hat unseren Präsidenten um Hilfe gebeten. Die Schwester seiner Frau und seine Nichte wurden auf dem Weg zur Kirche entführt. Sämtliche Leibwächter wurden getötet, der Chauffeur ebenfalls. Ihm wurde mitgeteilt, er solle sich geschlagen geben oder er würde den Kopf seiner Schwägerin über die Straße rollen sehen. Als Nächstes käme dann der Kopf seiner Nichte. Er hat ihnen geglaubt.«

»Und er hatte Angst, seinem eigenen Militär oder der Polizei zu trauen«, spekulierte Rose. »Recht hat er. Diese Leute sind bis an die Zähne bewaffnet, mit den modernsten Waffen, Kane. Hier stimmt etwas nicht. Sie stehen kurz vor einer Kriegserklärung.«

»Die Korruption greift hier wild um sich«, stimmte Kane ihr zu. »Jemand würde dem Kartell einen Tipp geben. El Presidente ist ein hochintelligenter Mann. Er weiß, dass sowohl seine Verwaltung als auch sein Militär sowie die Polizeidienststellen von bezahlten Informanten des Kartells infiltriert sind. Er hat unseren Präsidenten um einen persönlichen Gefallen gebeten, und wir haben den Auftrag übernommen. Keiner von uns hat geahnt, dass du die Informantin sein könntest.«

»Ich habe lange und gründlich darüber nachgedacht, bevor ich es gemeldet habe«, gab Rose zu. Sie senkte den Kopf und war nicht bereit, ihm in die Augen zu sehen. »Es war egoistisch von mir, so lange zu warten, aber ich wusste, dass die Möglichkeit bestand, sie würden ein Schattengängerteam schicken, wenn es sich bei den Geiseln um die Personen handelte, für die ich sie hielt. Es war ein kalkuliertes Risiko, aber ich konnte die Tatsache nicht einfach ignorieren, dass diese Monster sie töten würden. Da sie von einer so großen Zahl von Feinden bewacht werden, erschien es mir zu riskant, selbst einen Rettungsversuch zu unternehmen.«

Sein Herz schlug fest gegen seinen Brustkorb. Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, so viel war klar. Seine Rose, die sein Kind austrug, hätte für Fremde ihr Leben riskiert.

»Wir werden sie rausholen, Rose, aber du bleibst hier. Ich will nicht, dass du wieder fortläufst. Du musst dich schonen, und jemand muss sich um dich kümmern, dich versorgen. Das kann ich, und obendrein kann ich dir Sicherheit bieten. Ich will nichts weniger, als dass Whitney dich oder das Baby in die Finger kriegt. Ich weiß nicht, warum du mir genug Vertrauen entgegengebracht hast, um mich als Vater für dein Kind auszuwählen, aber du hast es getan. Jetzt bitte ich dich darum, dieses Vertrauen noch einmal in mich zu setzen. Ich schwöre dir bei meinem Leben, dass ich euch beide beschützen werde.«

Sie hob den Kopf, sah ihm mitten in die Augen und versuchte seinen Gesichtsausdruck zu ergründen. Einen Moment lang hatte er das unbehagliche Gefühl, sie blickte geradewegs in seine Seele, was bei Schattengängern durchaus möglich war. Dort waren Dinge begraben, die besser in der Versenkung blieben. Und Rose sollte sie schon gar nicht sehen. Trotzdem weigerte er sich, seinen Blick abzuwenden, doch er achtete darauf, sich nichts ansehen zu lassen. Ein schwaches Lächeln hob ihre Mundwinkel. Es verschlug ihm den Atem. Er hatte von ihr geträumt, Nacht für Nacht. Tagsüber dachte er ständig an sie, in jeder einzelnen Minute.

Vom Verstand her wusste er, dass Whitney eine Möglichkeit gefunden hatte, durch den Einsatz von Pheromonen Paare zusammenzubringen, und er hatte mit Sicherheit erreicht, dass Kane sich körperlich nach Rose verzehrte. Er brauchte bloß in ihre Nähe zu kommen, und schon reagierte sein Körper mit einer teuflischen Dauererektion. Aber der Arzt hatte ihn und Rose nicht als Paar angelegt. Sie war gezwungen gewesen, die Wahl zwischen drei verschiedenen Kandidaten zu treffen, und sie hatte ihn gewählt, aber sie verspürte nicht den immensen körperlichen Drang, mit ihm zusammen zu sein, den er verspürte, wenn es um sie ging, und das stellte ein enormes Problem für ihn dar. Er hatte zu viel Respekt vor ihr, und sein Ehrgefühl war zu ausgeprägt, um sich ihr aufzudrängen, aber die Vorstellung, sie nie wieder zu sehen und sein Leben ohne sie zu verbringen, trieb ihn in den Wahnsinn. Er wusste auch, dass er niemals fähig sein würde, einen anderen Mann in ihrem Leben zu dulden. Und das setzte ihm, offen gesagt, ziemlich zu.

»Einverstanden.«

Diese leise vorgebrachte Einwilligung erstaunte ihn. Er sah ihr forschend ins Gesicht, weil er ergründen wollte, ob sie ihm die Wahrheit sagte oder nicht.

»Dann wirst du hier warten, bis ich komme, um dich zu holen.«

Sie zuckte die Achseln. »Ich werde nicht fortlaufen.«

Ihm entging gerade etwas, doch er kam nicht dahinter, was es war. Seine Gedanken schweiften bereits ab, und sein Radar ging los; instinktiv schob er sich vor Rose, als er mit dem Messer in der Hand zur Schlafzimmertür herumwirbelte. Rose versuchte ihre Waffe aus dem verborgenen Halfter zu ziehen, aber der Mann, der ihnen gegenüberstand, schüttelte mit einem breiten Grinsen den Kopf.

»Das ist sehr, sehr ungezogen, Miss Rose. Ich kann nicht zulassen, dass Sie ihn erschießen, obwohl Mack ihn für einen fürchterlichen Quälgeist hält. Schließlich ist er quasi mein Bruder.«

»Genaugenommen«, korrigierte sie ihn, »wollte ich Sie erschießen.«

Javiers Grinsen wurde noch breiter, doch seine Augen waren eiskalt, und sein stechender Blick durchbohrte sie. »Na, dann ist ja alles in Ordnung. Ist das mein Neffe, den Sie da mit sich rumtragen?« Er deutete auf die fußballförmige Kugel unter ihrer lose sitzenden Tunika.

Rose zog die Augenbrauen hoch. Sie zuckte nicht zusammen und wandte ihren Blick auch nicht von seinem Gesicht ab. Ihre Stimme war gesenkt und spöttisch, als hätte sie nicht erkannt, dass sie der größten Bedrohung ihres Lebens gegenüberstand. Kane wusste es besser. Er fühlte den kleinen Schauer, der ihr über den Rücken lief.

»Vielleicht ist es ja eine Nichte.«

Javier schnaubte. »Machen Sie sich bloß keine falschen Hoffnungen. Er ist viel zu fies, um ein Mädchen zu zeugen. Mack ist schon ganz besorgt um uns. Alles klar, Kane?«

Javiers Körper war Rose seitlich zugewandt, halb im Licht und halb im Schatten und somit ein schwieriges Ziel, und das winzige Messer hielt er nach wie vor in seiner Handfläche verborgen. Er lächelte Rose an und scherzte mit ihr, aber er war auf jede Form von Schwierigkeiten eingestellt und ließ seine Beute keinen Moment lang aus diesen eiskalten Augen. Kane verlagerte sein Gewicht und bewegte sich kaum merklich, um sich Javiers Angriff in den Weg zu stellen. Javier rückte ebenfalls ein wenig zur Seite und schüttelte den Kopf.

Lass den Blödsinn. Mack würde mir bei lebendigem Leib die Haut abziehen, wenn dir etwas zustößt.

Rose seufzte. »Ihm wird nichts zustoßen. Ich bin übrigens Rose Patterson.«

»Javier Enderman, Ma’am. Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Können Sie Gedanken lesen?«

»Nein«, sagte Rose. »Ich bin klug. Ich weiß, was ihr beide denkt.«

»Dann wissen Sie ja auch, dass ich ihn heil und ganz hier rausholen muss, Ma’am. Und dass keiner von uns will, dass Sie ihm etwas tun.«

Kane machte seiner Empörung Luft. »Du stellst es so hin, als sei ich ein Zweijähriger, der euch alle als Babysitter braucht. Sag Mack, wir sind auf dem Weg. Bringen wir es hinter uns.«

»Sie sind bis an die Zähne bewaffnet«, sagte Rose. »Und um die Fenster herum und in den Hausgängen, die zu der Wohnung führen, haben sie Stolperdrähte mit Sprengladungen gespannt. Durchs Erdgeschoss werdet ihr nicht reinkommen.«

Ein ersticktes Knurren stieg in Kanes Kehle auf, und er kauerte sich vor Rose hin und nahm ihr Kinn in seine Hand. »Du hast ihnen mit meinem Baby in deinem Bauch nachspioniert und die Örtlichkeiten ausgekundschaftet?« Er stieß die Worte einzeln durch zusammengebissene Zähne hervor.

»Ja«, sagte sie mit sehr ruhiger Stimme, und ihre dunklen Augen waren nüchtern und sachlich. »Bevor ich den Entschluss gefasst habe, Verstärkung anzufordern. Ich sagte dir doch, dass ich entschieden habe, ich könnte sie nicht allein retten. Dachtest du etwa, zu dieser Einschätzung der Lage sei ich von hier aus gelangt?«

»Verflucht nochmal, Frau. Wenn du so etwas noch einmal tust, bekommst du Schwierigkeiten mit mir.«

Sie sah ihn lange Zeit an. Ihr habt dieselben Augen. Natürlich nicht dieselbe Farbe, aber ihr könnt beide richtig unheimlich wirken.

Es war das erste Mal, dass sie zu dem weitaus intimeren Mittel der telepathischen Verständigung griff. Er wusste, dass Javier ihr Angst einjagte, und er hätte sie gern in seine Arme gezogen und sie eng an sich gedrückt, um sie zu beruhigen. Es dauerte einen Moment, bis er begriff, dass auch er ihr Angst einjagte. Sie zeigte es nicht, aber er wusste es.

»Rose, keiner von uns beiden will dich zu Whitney zurückschicken oder dir in irgendeiner Weise schaden. Du stehst kurz vor der Entbindung, und du wirst Hilfe brauchen. Bleib hier und warte auf uns.«

»Ich sagte doch schon, ich würde nicht fortlaufen.«

Wieder sah sie ihm fest in die Augen. Nichts wies darauf hin, dass sie ihm auswich, und doch … Kane seufzte und stand auf. »Auf mich wartet Arbeit. Ich komme zurück und hole dich.«

Rose nickte. Sie blieb auf dem Stuhl sitzen, als Kane wieder auf das Schlafzimmer zuging. Javier ließ sie keinen Moment lang aus den Augen, auch dann nicht, als er sich zum Schlafzimmer zurückzog, wobei er darauf achtete, dass sein Körper zwischen ihr und Kane war.

Hör auf mit deinen Einschüchterungsversuchen, und lass uns gehen, zischte Kane.

Du gehst voran. Und, nebenbei bemerkt, ich lächele, gab Javier zurück.

Wie eine Schlange, erwiderte Kane und verließ das Apartment auf demselben Weg, auf dem er es betreten hatte. Javier folgte ihm in die Nacht hinaus.

2.

Sowie Kane und Javier gegangen waren, schlug sich Rose beide Hände vors Gesicht und gestattete es sich einen Moment lang, unbeherrscht zu zittern. Sie musste mehrfach tief Atem holen, um zu verhindern, dass sie vollständig zusammenbrach und alberne, dumme Tränen vergoss. Im Vergleich zu den anderen Frauen, mit denen sie aufgewachsen war, war sie immer sehr furchtsam gewesen. Die anderen hatten keine Probleme oder Bedenken bei ihrem Training gehabt, doch sie war immer zaghaft gewesen und hatte sich gezwungen, ihre Furcht nicht zu zeigen, obwohl ihr manchmal gegraut hatte – so wie jetzt.

Kane Cannon. Sie erinnerte sich in lebhaften Einzelheiten an jeden Moment, den sie gemeinsam verbracht hatten. Daran, wie er roch. An seine unglaubliche Kraft. Wie sich seine Haut auf ihrer anfühlte. Sie hatte ihn als Vater ihres Kindes ausgesucht, weil sie wusste, dass die Situation ausweglos war. Whitney hatte die Geduld mit ihr verloren und hätte, wenn sie gerade fruchtbar war, den Mann seiner Wahl zu ihr geschickt. Kane Cannon war skrupellos und gefährlich und von einem Moment auf den anderen zu Gewalttätigkeit fähig. Er war gnadenlos und erbarmungslos, wenn es notwendig war, doch eine ihrer übersinnlichen Gaben bestand darin, zu erkennen, wann jemand sie belog. Kane war der erste Mann gewesen, der nicht gelogen hatte.

Er fand Whitney und seine Experimente widerlich, und als er in das Zuchtprogramm hineingezogen worden war und begriffen hatte, dass es sich bei den Frauen um regelrechte Gefangene handelte – dass sie sich nicht freiwillig gemeldet hatten, sondern zur Teilnahme an dem Programm gezwungen worden waren –, hatte sich alles in ihm dagegen aufgelehnt, so viel wusste sie. Von dem Moment an, als sie das erste Mal mit ihm gesprochen hatte, war ihr klar gewesen, dass er seine Karriere und sogar sein Leben aufs Spiel setzen würde, um den Behörden Whitneys verwerfliche Experimente zu enthüllen. Ihr war die Zeit ausgegangen, und da sie wusste, dass Whitney wild entschlossen war, um jeden Preis seinen zukünftigen Supersoldaten in Form ihres Babys von ihr zu bekommen, hatte sie Kane gewählt.

Sie hatte solche Angst gehabt und war schrecklich traurig gewesen, denn sie hatte sich gewünscht, das erste Mal würde sie es mit jemandem tun, den sie liebte. Ihr hatte vor Kane gegraut, als er das Zimmer betreten hatte. Sie hatte gewusst, dass Whitney zusah und lauschte. Und dass sie sie, wenn sie nicht freiwillig mitmachte, festbinden würden, und sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie den Mut hatte, es durchzustehen. Als Erstes hatte Kane die Kamera und das Aufnahmegerät zertrümmert, und dann hatte er Whitneys Abhörvorrichtung unbrauchbar gemacht und sich auf ihre Bettkante gesetzt.

Er hatte so groß auf sie gewirkt. Mit seinen breiten Schultern und mit seinen großen Händen hatte er über ihr aufgeragt. Alles an ihm war furchterregend, vor allem seine stechenden grünen Augen. Sie erschauerte so unkontrollierbar, als sei sie noch eingesperrt und wartete darauf, dass das Unvermeidliche passieren würde. Ihr Herz hatte donnernd in ihren Ohren geschlagen und in ihrer Brust gehämmert, doch sie war entschlossen gewesen, wenigstens den bestmöglichen Mann als Vater ihres Kindes zu haben. Kane war ein guter Mann, obwohl er enorm gefährlich sein konnte, wenn es notwendig war. Sie hatte ihn wochenlang beobachtet, bevor sie ihren Entschluss gefasst hatte. Sie wusste, dass sie ihn ohnehin gewählt hätte, wenn die äußeren Umstände anders gewesen wären, doch in dem Moment hatte ihr vor ihm gegraut.

Und dann hatte er sie berührt. Mit erlesener Behutsamkeit. Er hatte nichts Grobes an sich gehabt, als er ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen hatte. »Das ist totaler Blödsinn, Rose. Ich werde eine Möglichkeit finden, dich hier rauszuholen. Wir brauchen das nicht zu tun.«

Diese Worte hatten augenblicklich ihre ganze Welt verändert. Sie kamen so unerwartet, nachdem Whitney nur solche Rohlinge zu ihr geschickt hatte. Sie hatte immer noch blaue Flecken von dem Letzten gehabt, der sich an ihr versucht hatte. Das Schlimmste – und das, was Kane nicht wusste – war, dass sie ihn gewählt hatte. Sie hatte ihn vom Trainingsgelände aus beobachtet, und sie hatte die Unterschiede an ihm wahrgenommen. Zu dem Zeitpunkt hatte er noch nichts von ihr oder von der Existenz des Zuchtprogramms gewusst. Sie hatte ihn mit hineingezogen, indem ihre Wahl auf ihn gefallen war. Diese Schande würde sie für den Rest ihres Lebens mit sich herumtragen. Sie hatte ihn in die Schrecken ihrer Welt hineingezogen, und damit hatte er ebenso wenig mehr eine Wahl gehabt wie sie.

Sie schlug sich die Hände vors Gesicht und wiegte sich. Sie wusste, dass er sich dafür verabscheute, sie geschwängert zu haben, und auch dafür, dass er es nicht geschafft hatte, Whitney Einhalt zu gebieten, ehe er sie berührt hatte, aber er hatte keine Ahnung, dass Whitney nie auf den Gedanken gekommen wäre, ihn auf sie zu fixieren, wenn sie ihn nicht gewählt hätte. Kane fühlte sich schuldig, aber in Wahrheit war sie die Schuldige.

Das Baby trat sie heftig, und sie rieb sich automatisch beschwichtigend über ihren dicken Bauch. Nach allem, was sie getan hatte, konnte sie Kane kaum gegenübertreten, ihm kaum in die Augen sehen. Sie hatte von den Pheromonen gewusst, und sie hatte auch gewusst, dass Kane, sobald Whitney ihn zu ihrem Partner machte, gar nichts anderes mehr übrigbleiben würde, als Tag für Tag nach ihrem Körper zu lechzen. Sie hatte die Wirkung der Pheromone auf die anderen Männer gesehen. Sie waren bereit gewesen zu töten, um sie zu bekommen. Sie waren bereit gewesen, sie gewaltsam zu nehmen, denn sie hatten sie um jeden Preis gewollt. Und das hatte sie Kane angetan, einem Mann mit Prinzipien und Ehrgefühl.

Sie kämpfte gegen diese Erinnerungen an und zwang sich aufzustehen. Es hatte sie große Mühe gekostet, gelassen und beherrscht zu wirken, doch jetzt brauchte sie keine Energien mehr darauf zu verwenden, den Schein zu wahren.

»Du und ich, Baby«, flüsterte sie. »Ich werde für deine Sicherheit sorgen.«

Sie fühlte sich sehr allein und schutzbedürftig, denn der Zeitpunkt der Geburt rückte näher, und sie war noch an keinem sicheren Ort. Sie hatte sich mit einigen Frauen angefreundet und war bei einer sicher gewesen, dass sie ihr bei der Geburt helfen könnte, doch inzwischen hatte das Kartell ihre Pläne zunichtegemacht. Sie musste schleunigst das Weite suchen, und jetzt hatte Kane alles noch komplizierter gemacht, doch sie war ihm etwas schuldig. Auch wenn er glaubte, es verhielte sich umgekehrt.

Ihr war der Gedanke unerträglich gewesen, von einem von Whitneys psychopathischen Soldaten berührt zu werden. Jeder von ihnen ließ sie erschauern bis ins Mark. Sie hatte Kane beobachtet, dem Klang seiner Stimme gelauscht und gesehen, wie er andere behandelte. Und sie hatte diese verhängnisvolle Entscheidung getroffen.

Das Baby trat sie wieder, diesmal etwas kräftiger, und riss sie aus ihren Gedanken. Sie stellte fest, dass ein schwaches Lächeln über ihr Gesicht huschte, als sie erneut ihren Bauch rieb.

»Du magst es nicht, wenn ich mich aufrege, stimmt’s?«, fragte sie leise. »Ich rege mich wegen deines Daddys auf. Ich habe etwas sehr Böses getan, und ich kann es nicht wiedergutmachen.« Sie trat stumm ans Fenster und blickte hinaus.

Alles Licht bei ihr war schon seit Stunden ausgeschaltet, und sie wusste, dass sie es schon seit Wochen so hielt. Daher würde sich niemand etwas dabei denken. Sie blieb für sich, verließ das Haus nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr und schaltete niemals Licht an. Die Nachbarn glaubten wahrscheinlich, sie versuchte das Geld für den Strom zu sparen, doch dank der Veränderungen, die Whitney an ihr vorgenommen hatte, konnte sie im Dunkeln ausgezeichnet sehen. Eine Zeit lang starrte sie auf die Straße hinaus. Kane und die anderen würden ihren Plan zur Rettung der Geiseln in die Tat umsetzen. Sie musste aufhören, sich mit ihrem Schuldbewusstsein und ihrem Selbstmitleid herumzuquälen; damit war niemandem gedient, und es gab zwei Menschen, die dringend Hilfe brauchten. Sie hatte die extreme Gewalttätigkeit gesehen, zu der das Kartell fähig war. Dessen Leute würden die Geiseln töten, ganz gleich, was El Presidente tat. Die Schattengänger waren ihre einzige Hoffnung.

Sie trug bereits dunkle Kleidung, und da sie die Fähigkeit besaß, ihr Äußeres zu tarnen, wusste sie, dass sie dem Schattengängerteam helfen konnte, falls es nötig werden sollte. Ihre telepathischen Anlagen waren nicht übermäßig ausgeprägt, aber Kane besaß eine besonders starke telepathische Veranlagung, und sie zapfte den Strom der Energien an, da sie aus den Zeiten, als sie gemeinsam gegen Whitney gearbeitet hatten, wusste, wie das ging.

Sie schloss die Augen und gestattete es ihrem Geist, sich zu erweitern, nach den Energieströmen zu greifen und sich in den Fluss von Energien einzuschalten, den Kane gemeinsam mit seinem Team erzeugte.

Ich arbeite mich zu meinem Standort vor, Mack, meldete Kane.

Lasst es uns hinter uns bringen. Mack war vollkommen sachlich, und seine vertraute Stimme beschwichtigte den Aufruhr in Kanes Eingeweiden. Es war ganz ausgeschlossen, eine Mission erfolgreich auszuführen, wenn er nicht voll und ganz bei der Sache war. Er musste Rose aus seinen Gedanken verbannen und sich darauf konzentrieren, die Geiseln so lautlos wie möglich rauszuholen. Sie rechneten damit, dass sie getötete Feinde zurücklassen würden, aber sie wollten es trotzdem in aller Stille tun. Bei dieser Mission würden sie niemanden gefangen nehmen, und kein Laut durfte hinausdringen. Los.

Mack war nur ein verschwommener Umriss, nicht mehr als ein Schatten, als er an der Seite des Gebäudes hochstieg und auf dem Weg zum Dach die winzigen Wurfsterne einsammelte. Posten bezogen, meldete er.

Kane und Javier schafften es auf den Bürgersteig direkt vor dem zweistöckigen Wohnhaus. Ihre Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass für Mack und Ethan der Weg durch das Gebäude zur Wüste frei war. Gideon würde ihnen vom Dach aus Deckung geben und sich dann über die Dächer bis an den Rand der Wüste vorarbeiten.

Kane wartete und zählte seine Herzschläge, während laute Stimmen durch den Eingangsbereich zu den Wohnungen dröhnten und dann langsam – zu langsam – verklangen. Er stieß Druckwellen durch die Wände. Im Eingangsbereich war niemand, aber zwei Stufen darüber stand ein Mann, der dort an der Wand lehnte.

Rechts von dir, verständigte er Javier.

Javier war kleiner als die anderen, eine magere, sehnige Mordmaschine, und sein Schatten würde weniger auffällig sein. Der Wachposten würde den Luftzug fühlen und aufblicken, aber es würde bereits zu spät sein. Kane, mit dem Messer in einer Hand, öffnete die Tür mit der anderen. Javier sprang mit einem Salto hinein und kam dicht vor der Treppe zum Stehen; sein Messer sauste bereits durch die Luft, um sich mit der Klinge in die Kehle des Wachpostens zu graben.

Kane schlüpfte direkt hinter Javier in die Eingangshalle und gestattete dem Wachposten einen kurzen Blick auf sich, gerade lange genug, um ihn von der echten Gefahr abzulenken. Als Javiers Messer traf, tauchte aus einem Raum direkt zu ihrer Linken ein zweiter Wachposten auf. Kane stürzte sich sofort auf ihn und hielt ihm mit einer Hand den Mund zu, während ihm die andere mit der Klinge den Todesstoß versetzte. Kane stieß die Leiche in den Raum zurück, und Javier ließ die zweite folgen. Keiner von beiden machte sich die Mühe, sich mit den Blutspritzern abzugeben. Auf den Böden und an den Wänden war älteres Blut zu sehen, zum Teil noch recht frisch, als sei dieses Wohnhaus an Gewalttaten gewöhnt.

Wir sind drin, es kann losgehen, sagte Kane, als er und Javier die Treppe hinaufstiegen, wobei sie bei jeder einzelnen Stufe erst prüften, ob keine Geräusche entstanden, bevor sie ihre Füße fest aufsetzten.

Mack gab Ethan ein Zeichen, und Ethan glitt an der Wand des Gebäudes zum Fenster hinunter und ließ die Wurfsterne für Mack zurück. Es gab keine Seile, und niemand käme je auf den Gedanken, sie könnten an den Außenmauern des zweistöckigen Gebäudes hinauf- oder hinunterklettern.

Auf dem Balkon steht ein Wächter, Mack, warnte ihn Ethan plötzlich. Ich kann den Rauch seiner Zigarette riechen.

Rose trat aus ihrer Wohnung, damit sie sehen konnte, was passierte. Sie konnte den Wächter auf dem Balkon deutlich erkennen; er rauchte eine Zigarette und starrte auf die Straße hinunter. Trotz ihrer guten Nachtsicht brauchte sie lange, um auch den Mann zu entdecken, der sich wie eine Spinne an die Hauswand klammerte. Ihr Herz machte einen Satz.

Er ist exakt auf einer Höhe mit dir. Er braucht nur aufzublicken, wenn er sich umdreht.

Einen Moment lang herrschte Stille, als sämtliche Mitglieder des Teams begriffen, dass sich Rose durch Kane in ihre Verständigung miteinander eingeklinkt hatte.

Sprich mit uns. Mack traf die Entscheidung, da er auf Kanes Urteil vertraute, dass sie auf ihrer Seite war.

Ethan bewegte sich unendlich langsam und drehte sich Zentimeter für Zentimeter, bis er mit dem Kopf nach unten an der Hauswand hing. Dann klammerte er sich mit den Zehen und mit einer Hand an die Mauer, während er ebenso nervenaufreibend langsam das Messer, das er zwischen den Zähnen hielt, in seine freie Hand nahm. Dort draußen im Dunkeln wirkte er wie eine gigantische Spinne, die über ihrer arglosen Beute verharrte.

Mack hatte bereits begonnen, über die Sterne hinunterzusteigen, die Ethan in die Mauer des Gebäudes gezwängt hatte, und sie danach wieder herauszuziehen. Jetzt verharrte er über Ethan, ein vollkommen regungsloser dunkler Schatten, der einfach nur wartete.

Rose ließ den Wächter nicht aus den Augen. Er benutzte seine Fingerspitzen, um die Glut am Ende der Zigarette abzuzwicken und sie über den schmalen Balkon auf die Straße zu schnippen. Er dreht sich um.

Jetzt habe ich ihn, bestätigte Ethan, und seine Stimme klang vollkommen ruhig.

Rose hielt eine Hand schützend über ihr Baby und hatte die andere um den Griff ihres Messers gelegt, während sie zusah. Sie wollten Stille. Eine Schusswaffe konnte sie nicht benutzen, aber …