Ehrliche Haut - Lo Jakob - E-Book

Ehrliche Haut E-Book

Lo Jakob

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Beschreibung

Felicitas Frenzel, alias Flix, ist eine ausgezeichnete Deluxe-Diebin. Sie weiß genau, wo sie bei ihren Einbrüchen die wertvollsten Schmuckstücke findet und hinterlässt dabei keine Spuren. Nur einmal macht sie den Fehler, einem einflussreichen Mafia-Boss Gold zu stehlen. Der beauftragt die Privatdetektivin Luisa Sander damit, den Diebstahl aufzuklären. Die schleust sich undercover als Thekenfrau in eine Kneipe ein, die dafür bekannt ist, dass dort zwielichtige Gestalten ein- und ausgehen. Und tatsächlich ist Flix dort oft anzutreffen. Die Diebin ist sofort von der kühlen Luisa fasziniert und schafft es mit ein paar Anlaufschwierigkeiten sogar, sie für sich zu gewinnen – ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel um Liebe und Freiheit beginnt ...

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Lo Jakob

EHRLICHE HAUT

1. Teil der Serie»Detektei Sander+Frenzel«

© 2018édition el!es

www.elles.de [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-95609-246-6

Die beste Diebin zwischen Nizza und San Francisco

Flix kletterte die Fassade so mühelos hoch wie Spiderman. Zumindest war das ihr inneres Bild, als sie den siebten Stock zum Penthouse erklomm. Diese Ecke des Gebäudes war gänzlich unbeleuchtet, und auch das Penthouse lag, wie schon von unten ausbaldowert, ausgestorben da.

Flix stemmte sich behände über das Geländer der winterlich verpackten Dachterrasse. Schon das, was sie von den nur zum Teil verhüllten Möbeln hier erkennen konnte, sah vielversprechend aus. Nach sehr viel Geld. Nach so viel Geld, dass man solch teure Terrassenmöbel sorglos im Freien stehen lassen konnte. Hier war sie richtig. Und der Zeitpunkt heute Abend hätte nicht günstiger sein können. Weihnachten war einfach eine hervorragende Zeit für Einbrüche. Während die ganzen Familienmenschen beim Essen saßen und Weihnachtslieder trällerten, hatte sie freie Bahn.

Als sie sah, dass die Terrassentür noch nicht einmal eine Alarmanlage hatte, musste Flix grinsen. Sie zog sich ihre dünnen, schwarzen Handschuhe an und holte das kleine Spezialstemmeisen aus ihrer schwarzen Softshelljacke. Ein kleiner Ruck genügte, und die Tür sprang auf. So fachgerecht, dass es noch nicht einmal einen nennenswerten Kratzer am Rahmen gab. Flix zerstörte nie, sie nahm nur. Wenn sie es vermeiden konnte, machte sie noch nicht einmal enorme Unordnung. Wie die Juwelendiebin in Über den Dächern von Nizza. Oder so ähnlich. Das war Flix. Ihr Spitzname kombinierte flink und fix und F wie Felicitas, ihr eigentlicher Name. Perfekt für eine Fassadenkletterin und Diebin.

Sie rückte ihre schwarze, enganliegende Mütze zurecht, so dass keines ihrer langen, dunklen Haare herausschaute und womöglich irgendwo hängenblieb. Dann betrat sie leichtfüßig die Luxuswohnung. Sie befreite ihre schwarzen Barfußschuhe auf dem Abtreter von Schneeresten – nur keine Spuren hinterlassen. Sie zog eine Mini-Taschenlampe heraus, die ein diffuses Streulicht erzeugte und von außen nur schwer zu erkennen war, und knipste sie an. Ziemlich spärlich und kalt eingerichtet, fand sie bei einem ersten Blick in die Runde. Allerdings war hier kein auch noch so gut versteckter Tresor zu entdecken.

Sie machte sich auf die Suche nach dem Schlafzimmer. Die meisten Leute hatten den Tresor sowieso im Schlafzimmer und ihre sonstigen Wertsachen meist auch. Deshalb fing sie eigentlich immer dort an.

Sie schlich über einen dunklen Flur und inspizierte die verschiedenen Zimmer. Ganz am Ende fand sie es. Beim Betreten nahm sie gleich die affenscheußliche Kunst wahr. Mein Gott, hatte der Typ, der hier wohnte, einen schlechten Geschmack. Der Rest der Wohnung war ja auch geschmacklos und kalt, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus. Sie stellte sich einen geschniegelten Yuppie mit viel zu viel Kohle und viel zu wenig Verstand vor.

Über dem goldschnörkeligen barocken Albtraum von einem Bett hing ein überdimensioniertes Foto einer nackten, gefesselten Frau. Kompletter Stilbruch und außerdem ein Druck von Helmut Newton. Sie hatte diesen frauenfeindlichen Fotografen schon immer verabscheut. Wenn es ein Original gewesen wäre, hätte sie es natürlich mitgenommen und zu einer ganzen Stange Geld gemacht. Aus dem Rahmen geholt und gerollt wäre es leicht die Fassade runterzutransportieren. So weit ging ihre Abscheu dann doch nicht. Außerdem hatte sie schon Verabscheuungswürdigeres zu Geld gemacht. Einen Schrumpfkopf zum Beispiel. Widerlich.

Gut, dass diese Art von Kunst und Artefakten nicht ihr Spezialgebiet war. Schmuck war schon mehr ihr Fall. Das und Geld.

Auf einem Sideboard stand ein Schmuckkästchen, das sie aber nur mitnehmen würde, falls nicht noch Besseres zutage kam. Schmuck, der so offen herumstand, war meist nicht viel wert. Sie würde jetzt erst einmal nach den richtigen Wertsachen suchen.

Flix wusste genau, was sich lohnte, gestohlen zu werden. Als Diebin deluxe musste sie Kenntnisse aus den verschiedensten Bereichen in sich vereinen. Sie war geschickte Handwerkerin, gewiefte Kunst- und Schmuckexpertin, zirkusreife Akrobatin und einiges mehr in einem. Sie war gut, sie war sogar sehr gut. Und sie war so gar nicht bescheiden. Warum auch? Sie war die Beste.

Flix war gerade dabei, den Kleiderschrank nach etwaigen Geldverstecken zu durchsuchen – die gab es immer –, als ein unerwartetes Geräusch sie aufhorchen ließ. Ein Schlüssel im Türschloss der noblen Penthouse-Wohnung – eindeutig.

Ihre Reaktionszeit war nicht länger als eine Sekunde. Sie versteckte sich im Kleiderschrank. Wieder einmal kam ihr ihre bewegliche und schmal gebaute Physis zugute. Viel Platz war nicht zwischen den Abendkleidern. Abendkleider? Wohnte hier vielleicht doch eine Frau? Eine reiche Frau ohne Geschmack? Die jetzt gerade überraschend heimkam, verflucht und zugenäht!

Die Doppeltür des Schrankes ließ sich auf die Schnelle nicht ganz schließen und blieb einen Spalt offen. Flix hoffte, dass ihr Versteck trotzdem ausreichend war. Ihr Herz raste. Sie war noch nie ertappt worden. Nicht so wie jetzt, ohne Möglichkeit zur Flucht. Normalerweise tat sie alles, um nicht auf Menschen zu stoßen, und das gelang ihr auch. Immer.

Dass ihr das ausgerechnet heute an Heiligabend nicht gelungen war, ärgerte sie maßlos. Zumal sie vermutlich die ganze Nacht hier würde ausharren müssen. Tolles Weihnachtsfest. Sie hatte sich das Ganze anders vorgestellt. Zuerst ein bisschen was abstauben, dann ein richtig gutes Essen und sexy Gesellschaft. Flix hatte nie Probleme, eine Frau aufzugabeln. Auch da hatte sie keinen Grund, bescheiden zu sein. Sie sah gut aus. Wie eine junge Audrey Hepburn, hatte mal irgendeine Flamme gesagt. Vielleicht war es ja nicht schlecht, harmlos auszusehen. Aber sie sah sich mehr wie eine Piratin – wild und ungebändigt. Vielleicht war sie ja auch eine Mischung aus beidem.

Ein Licht ging an, und zwei Frauen kamen ins Schlafzimmer. Die eine stellte ihre Umhängetasche direkt am Schrank ab, und Flix blieb fast das Herz stehen. Durch den Spalt beobachtete sie das Geschehen wie ein Luchs. Die eine war blond, mit kurzen Haaren, und die mit der Tasche hatte halblange, hellbraune Haare. Die wohnten doch nicht hier. Niemals. Das passte überhaupt nicht. Die sahen beide nicht nach überbordendem Reichtum aus und auch nicht geschmacklos. Im Gegenteil. Die Frauen waren ausgesprochen attraktiv und genau nach Flix’ Geschmack. Auch die modischen Klamotten entsprachen nicht Frauen, die hässliche Betten und grässliche Kunst hatten. Hätte sie die beiden auf einer ihrer nächtlichen Clubtouren gesehen, hätte sie versucht, eine davon aufzugabeln. Oder beide. Warum denn nicht? Das hatte sie noch nie gemacht, stellte sich aber vor, dass das ein ganz spezielles Erlebnis wäre.

Jetzt beobachtete Flix, wie die beiden Frauen ihre Jacken, Schals und Mützen beliebig beiseite warfen. Sie redeten schon, seit sie hereingekommen waren, aber erst nach Abebben des ersten Schocks konnte Flix zuhören, was sie denn sagten. Vorher hatte das Blut in ihren Ohren vor Aufregung so sehr gerauscht, dass sie nichts richtig wahrgenommen hatte. Jetzt drangen die ersten Sätze zu ihren Gehirnzellen durch.

»Ich verstehe immer noch nicht so ganz, weshalb das die beste Rache an deiner Ex sein soll. Du weißt, ich finde Racheaktionen spitze, aber warum hier und so?«, fragte die Hellbraune, während sie auf dem Fußende hockend sich ihrer schweren Winterstiefel entledigte.

»Weil sie es hassen wird, dass wir in ihrem Bett gefickt haben. Sie wird sich ein neues Bett kaufen«, antwortete die Blonde hämisch. Sie hüpfte auf einem Bein herum und versuchte ebenfalls, den ersten ihrer mit Schneematsch versauten Stiefel abzustreifen. Flix konnte sogar die Flecken auf dem Plüschteppich erkennen, die sie hinterließ. So gut war ihre Sicht auf das Geschehen.

Oh-oh, schoss es ihr dann durch den Kopf. Erst jetzt registrierte sie, was die Blonde sagte. Verstand sie das hier wirklich richtig? Die würden doch jetzt nicht . . .? Doch, sie würden.

•••

Luisa betrat das Büro ihres Vaters wie üblich mit einem Kloß im Hals. Das war nichts Neues. Neu war, dass sie sich vorgenommen hatte, ihm dieses Mal noch fester, noch entschlossener entgegenzutreten.

Die Pressspanmöbel sahen so alt aus wie sie waren, und sie wusste, dass ihr Vater das Image des schäbigen Detektivbüros sogar pflegte. Er behauptete immer, seine Kunden würden das ganz genau so erwarten, und wenn die Detektei Sander zu geschniegelt aussähe, würden sie Aufträge verlieren.

Da war sie vollkommen anderer Meinung. Wie in so vielem. Aber ihr Vater gab nichts auf ihre Ansichten. Zum Beispiel, dass sie andere, seriösere Aufträge bekämen, wenn es hier anders, gepflegter aussähe. Wenn sie die dubiosen Kunden, die ihr Vater pflegte, loswerden würden. Aber Egon Sander wollte sie hier eigentlich gar nicht. Das war das Problem zwischen ihnen. Luisa hatte sich fest vorgenommen, ihm zu beweisen, dass sie es draufhatte. Mehr als all seine männlichen Mitarbeiter. Frau hin oder her.

»Hier sind die Ergebnisse meiner Observation. Aber ich weiß nicht, ob wir das so weitergeben sollten.« Sie legte ihm den Plastikordner auf den Tisch. Darin hatte sie alles zu ihrem aktuellen Fall zusammengefasst. Akribisch, peinlich genau, ohne Auslassungen, mit Beweisfotos, die keine Zweifel offen ließen. Luisa ließ nie irgendwelche Leerstellen und Fragezeichen. Bei ihr wurden sämtliche logischen Beweisketten aufgedröselt. Darauf legte sie Wert, das konnte sie perfekt.

Ihr Vater wusste das auch, aber selbst mit vorgehaltener Pistole vor der Brust hätte er das nicht zugegeben. Sie merkte es lediglich daran, dass er ihr zunehmend kniffligere Fälle gab. So wie diesen hier. Sie hatte beweisen sollen, dass der Schwiegersohn eines alten Stammkunden fremdging. Das hörte sich zuerst einmal harmlos an, aber der Stammkunde war nicht irgendwer. Es war Igor Dschafarow, und sein Schwiegersohn Oleg hätte sein Nachfolger in seiner ›Firma‹ werden sollen.

Da die Firma, soweit Luisa das herausgefunden hatte, sowohl legale als auch hochgradig illegale Bereiche hatte, ging sie mit ziemlicher Sicherheit davon aus, dass die Affäre unschöne Folgen haben würde. Zumal die Geliebte nicht irgendjemand war, sondern die Tochter eines Konkurrenten, und der Schwiegersohn hatte vor überzulaufen. Das alles hatte sie dokumentiert.

Luisa ging davon aus, dass Igor Dschafarow seinen Schwiegersohn beseitigen lassen würde. Selbst wenn Oleg den Schwanz einzog, zu seinem Schwiegervater zurückkroch und um Vergebung winselte, wäre es wohl zu gefährlich, ihn laufen zu lassen. Dschafarow konnte ihm nicht mehr vertrauen. Luisas Einschätzung war realistisch, nur deshalb hatte sie die Warnung ihrem Vater gegenüber überhaupt ausgesprochen. Sie wollte nicht, dass die Folgen ihrer Recherchen ihr Gewissen belasteten.

Aber dieser sah noch nicht einmal auf, als sie ihn ansprach, sondern ignorierte sie erst einmal geflissentlich. Wie sie diese Machtspielchen hasste, die er für nötig befand. Sie war seine Tochter, Herrgott noch mal. Wäre sie ein Sohn, sähe es vermutlich ganz anders aus. Aber sie war nun mal die Enttäuschung seines Lebens. Obwohl ihr erklärtes Ziel natürlich war, ihm die Augen zu öffnen. Sie wollte, dass er es ihr gegenüber zugab. Dass sie so gut war wie ein Sohn. Sogar besser, als es jeder Traumsohn hätte sein können. Luisa wollte tief in sich drin nichts so sehr wie endlich die Anerkennung ihres Vaters. Dass er sie endlich so wahrnahm, wie sie war. Sie würde darauf wohl noch eine Weile warten müssen. Aber das trieb sie nur noch umso mehr an.

Egon Sander schrieb irgendetwas in seinem Kalender zu Ende, dann erst hob er den Kopf und bemaß sie mit einem Blick, der für das weitere Gespräch nichts Gutes erahnen ließ. Und auch die Anerkennung für ihre Arbeit in noch weitere Ferne rückte.

»Es gibt kein wir, das entscheide immer noch ich. Zerbrich dir darüber nicht deinen hübschen Kopf.«

Das einzige Anzeichen dafür, dass auch er von der Situation zwischen ihnen genervt war, konnte Luisa darin erkennen, dass er sich mit der Hand über seinen kahlrasierten Schädel fuhr. Sie konnte sich erinnern, dass seine Haare früher so blond gewesen waren wie die ihren. Sie hatte noch Fotos, auf denen sie zu dritt drauf waren. Ihre verstorbene Mutter, sie selbst als Kind und ihr damals noch ganz fröhlich und freundlich aussehender Vater.

Der Mann hinter dem Schreibtisch war das diametrale Gegenteil zu seinem jungen Abbild. Verhärmt, hart wie Kruppstahl, nach außen vollkommen emotionslos. Luisa hoffte immer mal wieder, den alten Egon Sander hervorkommen zu sehen. Doch wenn sie jetzt den sarkastischen Zug um den Mund ihres Vaters betrachtete, hielt sie das für fast aussichtslos.

»Wenn du das so weitergibst, weißt du doch ganz genau, was dann passieren wird.« Sie hatte es sich vorgenommen, und sie würde sich heute nicht schon vom kleinsten Gegenwind davon abbringen lassen. Deshalb wagte sie Widerworte, was sie sich bisher so gut wie noch nie getraut hatte. So tough wie sie im restlichen Leben war, solch eine Memme war sie ihrem Vater gegenüber.

Ein eiskalter Blick aus stahlgrauen Augen traf sie. Sie hatte die gleichen Augen geerbt, aber so zu schauen, hatte sie nicht drauf. Es konnte also nicht an der Farbe liegen.

»Das geht mich nichts an. Ich werde dafür bezahlt, Informationen zu beschaffen. Fertig. Deshalb sind Frauen für diesen Beruf nicht geeignet, das hab ich dir tausendmal gesagt. Ihr mit euren ganzen Gefühlen und Befindlichkeiten. Das hat hier keinen Platz, und wenn du das nicht akzeptieren kannst, kann ich dich nicht in meiner Firma brauchen.«

Da war wieder das alte Argument. Wenn er vor vier Jahren nicht so dringend jemanden absolut Vertrauenswürdigen gebraucht hätte, hätte sie nie einen Fuß in die Tür der Detektei gekriegt.

»Das stimmt nicht. Ich bin die beste deiner Mitarbeiter. Besser als deine Männer.« Und wieder hatte er sie erfolgreich in die Ecke gedrängt. Jetzt war sie wieder nur damit beschäftigt, sich zu verteidigen, ihre Anwesenheit in der Detektei zu rechtfertigen. Wieder konnte sie ihm nicht entgegentreten und ihre Ansichten durchsetzen. Oleg würde auf mehr oder weniger grausame Art zu Tode kommen, und sie konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun. Weil sie die Tochter ihres Vaters war. Nur deshalb.

Der abfällige Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht hatte sich bei ihrer letzten Aussage noch verstärkt. Sie wollte es nicht, aber die Ablehnung ihres Vaters traf jedes Mal mitten ins Schwarze.

»So, wie du herumläufst und dich verhältst, könnte man meinen, du willst auch einer sein.« Er deutete auf ihre kurzen, blonden Haare, ihre Klamotten und vor allem auf ihre Arme, die zu seinem Missfallen ab dem Handgelenk aufwärts flächendeckend mit Tätowierungen überzogen waren. Und natürlich trug Luisa wie immer etwas Kurzärmeliges, damit man das auch schön sehen konnte.

Was er nicht wusste war, dass sich die Tattoolandschaft inzwischen über ihren Rücken weiterzog. Wunderschöne Kunstwerke, deren Muster und Anordnung sie zusammen mit ihrer Tätowiererin entworfen hatte.

Ihr Vater hatte sich noch nie die Mühe gemacht, sie sich genauer anzusehen.

Durch den Dschungel auf ihrer Haut schlichen und flatterten die geheimnisvollsten Tiere. Auf ihrem rechten Unterarm zum Beispiel saß ein prächtiger orange-schwarz gezeichneter Monarchfalter in Originalgröße, leicht versteckt hinter grünem Blattwerk.

In diesem Stil waren ihre ganzen Tattoos. Sie hatte keine Schädel, Namen von Ex-Freundinnen oder dergleichen. Luisa hatte Flora und Fauna. Weil es für sie eine Bedeutung hatte, aber das interessierte ihren Vater ja nicht. Für ihn war ihre ganze Erscheinung nur einfach ein weiterer Punkt schweren Missfallens. Sie war keine Frau, wie in seiner Welt Frauen zu sein hatten. Wenn es nach ihm ginge, hätte sie lange Haare, trüge Röckchen und Stöckelschuhe, wäre geschminkt, hätte einen patenten Ehemann und das eine oder andere Enkelkind vorzuweisen. Natürlich würde sie diese Kleinfamilie umsorgen und würde nur einen Fuß in die Detektei setzen, um Vater und Ehemann das Mittagessen vorbeizubringen. Solche Frauen waren natürlich nicht lesbisch, hatten nur ein winziges, für den Ehemann bestimmtes Tattoo an einer verborgenen, aber umso aufreizenderen Stelle und keinerlei Ambitionen, in die Fußstapfen des Vaters zu treten und Privatdetektivin zu sein.

Sie war also das absolute Gegenteil von allem, was Egon Sander guthieß, und trotzdem stand sie immer noch hier. Hatte sich peu à peu in der Detektei verwurzelt, sogar fast schon unersetzlich gemacht.

Deshalb sagte sie jetzt einfach gar nichts und sah ihren Vater nur an.

Anfangs hatte sie versucht, ihm zu erklären, dass es heutzutage nicht mehr nur eine Sorte Frau gab, sondern sie einfach nur eine Facette war. Sie deshalb aber noch lange nicht transsexuell war oder sonst wie ein Mann sein wollte. Das hatte sie schon lange aufgegeben. Darüber konnte man nicht mit ihm sprechen.

Sie wartete also ab, was noch kommen würde. Denn es würde noch etwas kommen, das sah sie ihm an. Trotz seines zur ablehnenden Maske erstarrten Gesichts.

Einige Sekunden des Anstarrens endeten schließlich damit, dass ihr Vater einen Hefter aus seinem Rollcontainer zog und ihr auf die Schreibtischkante hinpfefferte.

»Neuer Auftrag. Da passt du wie Arsch auf Eimer.«

Luisa nahm den Hefter auf und sah beim ersten kurzen Blick auf das Deckblatt, dass wieder Igor Dschafarow der Auftraggeber war. Sie wollte genervt seufzen oder sonst ein Anzeichen des Missfallens von sich geben, konnte sich aber in der letzten Sekunde zusammenreißen. Sie durfte ihrem Vater keine Bresche geben, um reinzuhauen. Kein bisschen als Schwäche zu deutender Unmut durfte von ihr kommen. Aber innerlich herrschte Tumult.

»Geht klar«, sagte sie deshalb nur so ruhig wie möglich, fast schon gelangweilt. Es war Heiligabend, verdammt noch mal. Andere Familien saßen da beim Braten zusammen unter dem Weihnachtsbaum. Aber sie bekam hier von ihrem Vater einfach nur den nächsten dubiosen Auftrag hingeworfen.

»Na, dann mach dich dran. Dschafarow ist von der ungeduldigen Sorte. Du hast noch heute Abend einen Termin.« Egon Sander wandte sich seinem Computer zu und hatte sie bereits gedanklich beiseitegeschoben.

»Schöne Weihnachten«, murmelte sie trotzdem. Luisa wusste, dass es keinen Zweck hatte, auf ein persönliches Wort zu hoffen. Geschenke hatte sie zu Weihnachten schon seit ihrer Jugend nicht mehr gekriegt. Ihr diesjähriges Geschenk war wohl, dass sie weiterhin in der Detektei bleiben durfte und den nächsten Auftrag in der Hand hielt.

Sie verließ das Büro ihres Vaters und fühlte sich entsetzlich leer.

•••

Die mit den halblangen Haaren streifte jetzt, nachdem sie in ihren Strümpfen dastand, ihren Pulli ab und fing an, die Knöpfe an ihrer Bluse zu öffnen.

»Aber vielleicht fällt es ihr gar nicht auf?«, versuchte sie einzuwenden, was Flix nur bejubeln konnte. Genau. Die fiese Ex würde doch gar nicht merken, dass die beiden Sex gehabt hatten. Deshalb konnten die beiden Schönheiten jetzt auch mit dem Scheiß aufhören und abzischen, damit sie endlich ihrer ›ehrlichen‹ weihnachtlichen Arbeit nachgehen konnte. Herrgott noch mal. Es war Heiligabend.

»Oh, das wird ihr auffallen, glaub mir.« Die Blonde hatte ihren Wollpulli im Norwegermuster mitsamt Thermounterhemd bereits abgelegt und fummelte an ihrem BH herum. »Wir schmieren einfach unsere Säfte überall hin.«

Derb. Wirklich derb. Flix konnte nur hoffen, dass der Sex genau in dem Stil schnell und heftig vorbei sein würde. Vor allem auch, bevor die eigentliche Besitzerin der Wohnung womöglich heimkehrte und sich über die drei Frauen in ihrem Schlafzimmer wunderte. Zwei im Bett und eine im Schrank. Ob sie wohl als simple Voyeurin durchgehen würde? Wohl eher nicht bei ihrem diebisch praktischen Outfit samt Ausstattung in dem kleinen, engangeschnallten Rucksack. Der ihr gerade sehr unangenehm in den Rücken drückte. Aber sie traute sich nicht, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.

Währenddessen machten die beiden Frauen mit ihrem ungewöhnlich geschwätzigen Vorspiel weiter.

»Du weißt, ich bin für dich überall willig. So heiß machst du mich. Auch wenn ich deine Racheaktion nicht so ganz verstehe. Du hast doch jetzt mich.« Die mit den längeren, hellbraunen Haaren stand mit nacktem Unterkörper vor dem Bett, noch immer die Strümpfe an, und sah von Flix’ ungünstigem Blickwinkel aus den Tiefen des Schrankes sogar ein wenig verloren aus, als sie das sagte.

Aber nettes Untenrum. Das konnte sie erstaunlich gut sehen und wusste auch keinen Grund, warum sie ihre versteckte Lage nicht ausnutzen und nach Herzenslust schauen sollte. Glotzen! Wenn sie hier schon ausharren musste, konnte sie wenigstens einen Augenschmaus genießen.

Die Hellbraune hatte ein überaus ansprechendes, kurzgeschorenes Dreieck zu bieten. Und die dazu passenden schlanken Beine. Ihre Socken sollte sie noch ausziehen, dann wäre das Ganze noch ästhetischer.

»Oh, Schatz«, flötete jetzt die Blonde zurück und streifte ihre Hose ab. Aha, sexy Unterwäsche. Doch nicht so butchig wie auf den ersten Eindruck gedacht. »Ich liebe dich. Aber diese Schlampe hat mich so dermaßen betrogen. Sogar mit unserem Autohändler. Das hat sie einfach verdient.«

Ja, ja, Beziehungsdramen. So konnte es einem ergehen, wenn man sich zu sehr auf die Frauen einließ. Sie brachen einem nur das Herz. Oder dann manchmal auch umgekehrt. Flix konnte ein Lied davon singen.

Dann verschwand das Höschen aus ihrem Blickfeld, weil die Blonde es ausgezogen und einer hässlichen, pseudogriechischen Venusstatue über den Kopf geworfen hatte. Dafür war die Blonde wirklich ansehnlich. Schön durchtrainiert und solariumsbraun, ohne den Hauch eines Bikinistreifens. Und sie war keine echte Blondine, wie das kleine Büschel dunkler Haare zeigte, als sie sich umdrehte.

Die Hellbraune hatte inzwischen endlich die Socken ausgezogen und legte jetzt auch noch ihre Oberbekleidung ab. Ein wirklich schönes Paar Brüste kam zum Vorschein. Die Blonde hatte ja nicht sehr viel zu bieten in diesem Bereich, aber die Hellbraune . . . oh là là! Flix merkte, wie das hier so langsam anfing, ihr Spaß zu machen. Ihr Zwangsaufenthalt im Schrank entwickelte sich ganz unerwartet zu einem voyeuristischen Abenteuer. Sie vergaß ganz daran zu denken, was passieren würde, wenn sie entdeckt würde.

Die nackte Blonde trat an den Schrank, und sie konnte die Fremde zum ersten Mal in ihrer ganzen Pracht sehen. Wirklich ein schönes Exemplar einer athletischen Lesbe. Mit einem sehr schönen Sixpack. Nicht zu stark bemuskelt, dass es aussah wie bei einem Kerl. Dezent bewegten sich die Muskeln unter der braunen Haut, als sie sich zu der mitgebrachten Tasche beugte. Kurz musste Flix jetzt doch den Atem anhalten. Weil die Blonde solch eine Augenweide war, aber auch, weil sie plötzlich sehr nah an ihrem Versteck war und vielleicht jede kleinste Bewegung von ihr gehört hätte.

Dann zog die Fremde einen Strap-on aus besagter Tasche. Einen rotweißen Dildo und den dazu passenden Harness. Ebenfalls rotweiß. Moment mal. Flix kniff die Augen zusammen, um in dem schummrigen Licht besser sehen zu können. Der Dildo war ein Weihnachtsmann, und auf dem Harness fuhr ein Rentierschlitten nach dem anderen immer rund um. Gott! Das war ja nicht zum Aushalten, was manche Leute an Weihnachten für Exzesse veranstalteten. Ein Weihnachtsmann-Dildo wäre nie auch nur in die Nähe ihrer intimsten Regionen gekommen.

Das schienen die beiden Frauen im Schlafzimmer aber ganz anders zu sehen.

»Oh, ich bin schon ganz nass, wenn ich Santa sehe. Das ist wirklich bisher deine beste Arbeit. Beeil dich.«

Die Blonde schnallte die Abscheulichkeit an und verteilte genießerisch großzügig Gleitgel darauf. »Das wird mein großer Durchbruch, Schatz. Wenn erst die großen Sexshops und Online-Händler ihn ins Repertoire aufnehmen, bin ich spätestens nächstes Weihnachten eine gemachte Frau.«

Das würde niemals passieren. Wer würde sich denn von Santa Claus ficken lassen wollen?

Aber die Hellbraune positionierte sich mittlerweile schon auf dem Bett. Auf Knien und Ellenbogen bot sie sich der Blonden an. Flix musste schlucken. Sie hatte beste Sicht. Der Spalt ließ genau den Blick aufs Bett frei, und sie hatte eine perfekte Seitenansicht der ungeduldig Wartenden. Ihre vollen Brüste hingen appetitlich herab, und ihr knackiger Po stand wollüstig hoch. Sie wackelte aufreizend für die Blonde damit. Wie um sie zu locken.

Jetzt würde es zur Sache gehen. Ein ganz kleines bisschen Erregung konnte Flix bei dem Anblick nicht leugnen. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre plötzlich staubtrockenen Lippen.

Lasziv grinsend näherte sich die Blonde dem Bett, und ihr alberner Weihnachtsmann-Dildo wippte dabei auf und ab. Wäre eine ihrer Liebhaberinnen so auf sie zugekommen, hätte sie lachen müssen, aber die Hellbraune seufzte erwartungsvoll.

»Ich kann es gar nicht mehr abwarten. Komm und besorg es mir. So richtig. Steck mir dein großes Ding rein und fick mich um den Verstand.«

»Deine Fotze tropft schon. Gut so. Mein Schwanz ist bereit für dich.«

Derb. Wirklich derb. Und so gar nicht ihre Sprache und das, was sie im Bett würde hören wollen. Wenn die beiden endlich mal die Klappe halten könnten, hätte sie auch was von der Sache, befand Flix. Aber nein, sie mussten die ganze Zeit so abturnende Sachen sagen, dass sie fast schon den Kopf schütteln musste. Wenn das romantischer Beziehungssex an Weihnachten sein sollte, wusste sie wieder, warum sie Beziehungsphobikerin war.

Dann hielten sie tatsächlich mal kurz die Klappe. Die Blonde trat von hinten an die andere ran und rammte ihr ohne viel Federlesen den Dildo in die Mitte. Autsch, dachte Flix. Aber die Hellbraune stöhnte auf, als ob sie gleich kommen würde. Dann gab es kein Halten mehr. Die Blonde stieß immer und immer wieder zu und schien die Bitte der anderen wahrmachen zu wollen: Sie um den Verstand zu ficken.

Obwohl die Frauen wirklich ein bisschen zu derb für ihren Geschmack zur Sache gingen, war Flix jetzt doch ungewollt ein klein wenig angeturnt. Obwohl die Blonde schon wieder anfing, keuchend zu reden. Gott sei Dank verstand Flix nicht viel davon. ›Ficken‹ war der Hauptbestandteil, und die Hellbraune ging davon ab wie Schmidts Katze. Zumindest jaulte sie wie eine rollige Katze.

Flix wünschte sich jetzt doch, der Spalt wäre breiter, oder sie wäre näher dran. Sie sah, wie die Hellbraune bei sich selbst Hand anlegte und es schaffte, ihre Klit zu stimulieren ohne umzukippen. Dann war der ganze Spaß auch schon mit einem lauten Aufheulen vorbei. Die Hellbraune bäumte sich auf wie ein wildgewordenes Rodeo-Pferd, und die Blonde hatte alle Mühe, dass ihr blöder Weihnachtsmann da blieb, wo er war und ihrer Geliebten solch einen hammermäßigen Orgasmus bescherte.

Fast war Flix ein wenig enttäuscht, dass die Show schon vorbei war. Sie wusste nicht, was man für so was auf der Reeperbahn zahlen musste, aber auf alle Fälle war das hier besser, weil es echt war. Da kam kein Lesbenporno ran. Sie stellte sich schon darauf ein, dass die beiden jetzt zügig abhauen würden und sie bald aus diesem Schrank verschwinden konnte. Aber sie hatte sich verrechnet.

Die Hellbraune drehte sich um, nachdem sie kurz Luft geholt hatte und nahm der Blonden den grottigen Harness mitsamt Dildo ab. Den verschmierten Weihnachtsmann reinigte sie kurzerhand an der seidenen Bettdecke.

»Haha, genau so«, lachte die Blonde derb und etwas schnellatmig. Daraufhin ließ die Hellbraune den Dildo erst einmal liegen und presste ihren Mund flugs auf die Mitte der anderen. Wenn Flix sich nicht täuschte, versuchte sie die Klitoris der anderen aufzufressen. Zumindest schien sie reinzubeißen. Wieder Autsch! Aber das Stöhnen der Blonden hörte sich nicht nach Schmerz an, sondern eher danach, dass da jemand schon ziemlich erregt war. Merkwürdige Technik. Schien aber gut anzukommen.

So schnell, wie sie ihren Mund aufgepresst hatte, so schnell entzog sie ihn wieder und holte den Harness heran.

Die wird doch nicht noch eine zweite Runde Monsterficken haben wollen, überlegte Flix und befand, dass sie froh war, meistens nicht zu wissen, was die Leute in ihren Schlafzimmern trieben. Sie schien ja wohl am unteren Ende der Heftigkeitsskala zu rangieren.

Aber wieder hatte sie sich getäuscht. Denn die Hellbraune legte sich das Ding selbst an, während die Blonde sie keine Sekunde aus den Augen ließ. Als der Weihnachtsmann schließlich rudimentär gereinigt von ihrem Unterleib abstand, robbte sie an die Bettkante und setzt sich dort in Position.

Hygienisch ja eher fragwürdig, befand Flix, wollte aber kein bisschen von der Show verpassen.

»Hol’s dir, Liebling«, forderte sie die gierig dreinschauende Blonde auf. Das war ja fast schon engelsgleich im Gegensatz dazu, wie sie noch vor ein paar Minuten geredet hatten.

Die Blonde kniete sich schweigend über sie und ließ sich gaaaanz, gaaanz langsam auf den Dildo sinken. Das Stöhnen, dass sie dabei langgezogen ausstieß, ging Flix durch Mark und Bein. Oh Gott. Das fand sie jetzt aber auch verdammt sexy. Sie merkte, wie sie selbst erschreckend nass war. Das hatte sich unbemerkt aufgebaut. Die derbe Sprache und den albernen Weihnachtsmann hatte ihre Libido offensichtlich prächtig ausgeblendet. Und jetzt, da das Geschehen dem entsprach, was sie anmachte, meldete sich ihre Erregung mit einem heftigen Schlag an. Flix konnte sich nur mühsam zurückhalten, nicht selbst bei sich Hand anzulegen. Nur der Gedanke an die Konsequenzen, wenn sie entdeckt würde, hielt sie zurück. Es war schon immer eine geheime Fantasie von ihr gewesen, einmal zuzugucken. Aber sie hatte sich vorgestellt, dass sie dann auch was gegen die Lust tun könnte. Sie stillen könnte. Und nicht wie hier und jetzt in einem Schrank zur Untätigkeit verdammt sein würde. Sie war mega angeturnt, verdammt nochmal. Wie sollte sie nur nachher in diesem Zustand die Wand wieder sicher runterkommen?

Sie starrte aus dem Schrank darauf, wie die Blonde sich bei jedem Mal tiefer und tiefer auf den Dildo gleiten ließ, und es zog bei ihr parallel in ihrem Unterleib, fast so, als ob sie es selbst erleben würde.

Das war der geilste Anblick, den sie jemals in ihrem Leben gehabt hatte. Die Blonde spießte sich jetzt geradezu auf dem rotweißen Dildo auf, und ihre Geliebte küsste währenddessen ihre kleinen Brüste mit einer unfassbaren Inbrunst. Mit dem linken Arm zog sie die Blonde noch näher an sich heran, und die rechte Hand bearbeitete währenddessen virtuos deren Klit.

Die Blonde hielt diesem Frontalangriff bemerkenswert lange stand, dann kam auch sie ohne jede Zurückhaltung. Erstaunlich laut, erstaunlich lange. Fast wäre Flix mitgekommen. Aber nur fast. Sie wäre gern. So nass und bereit war sie in ihrer engen Hose. In ihrer viel zu engen Hose.

Boah! Hammer! Was für ein Mega-Event. Sie beschloss hier und jetzt, wenn sie nicht geschnappt wurde, würde sie jede Sekunde davon wieder und wieder aus ihrem Gedächtnis hervorholen. Wenn sie geschnappt wurde vermutlich auch, nur dann im Knast.

Sie beobachtete, wie die beiden Frauen wieder großzügig den Weihnachtsmann kreuz und quer über das Bett abwischten und deutliche Spuren hinterließen. Sie gingen sogar so weit, sich selbst noch an den Laken abzureiben und lachten dabei. Sie begannen auch sofort wieder zu reden. Was für zwei Plappermäuler. Wieder ging es um die Ex.

»Sie ist so reich. Und so dämlich. Sie hat immer gedacht, ich weiß nichts davon. Aber da ist sie wie Dagobert Duck. Einmal am Tag ein Bad im eigenen Gold. Ständig hat sie es sich angesehen, das musste ich doch merken.« Die Blonde verstaute inzwischen die Rentiere und den Weihnachtsmann in der Hängetasche, dann begann sie sich anzuziehen.

»Wer ist denn so blöd, sein Gold in der Wohnung aufzubewahren? Auch noch in der Speisekammer in einer Holzkiste. Völlig ungesichert. Das ist doch bescheuert.«

Flix wurde hellhörig. Ging es um diese Wohnung? Hatte sie das richtig mitgeschnitten in ihrem etwas aufgewühlten und derangierten Zustand? Ihr Gehirn befand sich noch mit seinen Gedanken in südlicheren Regionen, aber bestimmte Stichworte registrierte ihr diebisches Bewusstsein sogar im Schlaf.

»Ist es auch«, bestätigte die Blonde und stülpte sich ihr Thermounterhemd über. »Aber sie will es ganz nahe bei sich haben. Dass sie es nicht unterm Bett versteckt, ist ein Wunder. Dabei hat sie so viel Kohle, dass es darauf noch nicht einmal ankommen würde.« Sie lachte darüber verächtlich auf.

Die Hellbraune trug bereits ihren Slip und hielt im Verschließen ihres BHs inne. »Meinst du?«

Flix saugte jetzt jedes Wort auf. Der Zustand ihrer Unterhose und deren unbefriedigter Inhalt traten völlig in den Hintergrund. Sie wagte es sogar, den Kopf ein wenig zu drehen und ihr rechtes Ohr in Richtung des Spalts zu halten. Ihre Nase endete in einem der Abendkleider. Sie konnte die beiden nicht mehr sehen, vermutete aber, schon alles, was es zu sehen gab, gesehen zu haben. Hauptsache, sie konnte jede Einzelheit ganz genau hören. Jetzt wäre die Lautstärke, die die Damen beim Sex an den Tag gelegt hatten, wieder willkommen gewesen.

»Glaub mir, ich weiß, wieviel Geld die Schlampe gehortet hat. Alles an der Steuer vorbei. Alles nicht gerade legal erworben.«

Noch besser, jubilierte Flix innerlich. Wer würde denn den Diebstahl von illegalen Ersparnissen melden?

»Ich bin froh, dass du sie los bist. Ihr Verlust, mein Gewinn«, säuselte die andere.

»Schatz, du bist so süß, daheim machen wir weiter«, gurrte die Blonde zurück, und intensive Kussgeräusche waren zu hören.

Flix nutzte den Moment, um ihren Kopf wieder nach vorn zu drehen. Sie spürte ein Niesen aufkommen. Das Abendkleid roch unangenehm und schien staubig zu sein. Jetzt nicht noch im letzten Moment die Sache ruinieren und entdeckt werden, weil sie eine Staubmilbe eingeatmet hatte. Ihre Hausstauballergie brächte womöglich das unschöne Ende für ihre Karriere als Diebin.

»Sollen wir nicht so ein klitzekleines Stück Gold mitnehmen? Wenn sie es gar nicht merken würde?«

Die beiden hatten es inzwischen geschafft, bis zu Hosen und Pullis zu kommen. Es konnte nicht mehr lange dauern, hoffte Flix und versuchte ihre Nase auch davon zu überzeugen. Sie konnte sie ja schlecht zuhalten. Das hätte viel zu sehr geraschelt, wenn sie ihre Hand gehoben hätte. Bitte, bitte, verschwindet jetzt. Und lasst das Gold, wo es ist. Das will ich mitnehmen. Flix hoffte, ihre Stoßgebete wurden an Weihnachten erhört.

»Das lassen wir mal besser. Sie arbeitet für Dschafarow«, verkündete die Blonde in bestimmtem Tonfall und zog ihre Daunenjacke über. »Ich habe keine Lust auf einen Besuch von Moskau Inkasso.«

»Was ist das?« Die Hellbraune schien ein bisschen naiv zu sein.

»Die Vollstrecker der russischen Mafia, Schatz. Komm, wir gehen.« Die Blonde hatte sich bereits die Stiefel angezogen und nahm jetzt wieder die Tasche mit den Utensilien an sich.

Die Hellbraune wurde ein bisschen hektisch. Wegen der Russenmafia, oder weil sie schnell mit der Blonden mitwollte, erschloss sich Flix in ihrem Versteck nicht ganz. Hauptsache schnell.

»Und du glaubst nicht, dass sie uns ihre Schläger für das hier auf den Hals hetzt?« Beide wandten sich zur Tür. Das Licht ging aus. Halleluja! sangen die Englein in Flix’ Nase.

»Das ist zu peinlich«, erklärte die Blonde im Rausgehen. Ein Lachen drang aus dem Flur zu ihr in den Schrank. Nur wenige Sekunden später hörte Flix das Zuschlagen der Wohnungstür. Die Frauen waren endlich weg.

Das Niesen ließ sich keine Millisekunde länger unterdrücken, und Flix verteilte einen Sprühnebel im Schrank. Sie hätte vorsichtshalber noch länger drin ausharren sollen, um auf Nummer sicher zu gehen, dass die beiden nicht aus irgendeinem Grund zurückkamen. Aber sie stieß die Tür auf und schnappte nach frischer Luft. Erst jetzt merkte sie, wie stickig es in ihrem Versteck gewesen war.

•••

Luisa saß an ihrem Schreibtisch, der in dem vollgestellten Büro ungünstig zwischen Tür und Fenster gequetscht war. Sie teilte sich diesen Raum mit drei weiteren Mitarbeitern, aber von denen war natürlich niemand an Heiligabend in der Detektei. Wer nichts Besseres zu tun hatte, war zu Hause. Das galt natürlich nicht für die Tochter des Chefs. Für sie galten sowieso ganz andere Regeln. Sklaventum konnte man es wohl auch nennen.

Luisa zog sich ein kariertes Hemd über, weil es sie jetzt doch ein wenig fröstelte in ihrem ärmellosen T-Shirt, und nahm sich dann den Hefter vor, den ihr ihr Vater gegeben hatte.

Dschafarow war besorgt wegen einer Diebstahlserie, der seine Leute nicht Herr wurden. Sollte wohl heißen, ihnen wurde das Wasser abgegraben. Da war jemand besser als die russischen Herren mit der ganz und gar nicht weißen Weste. Fast amüsierte Luisa das. Fast würde sie wünschen, dass sie den Fall nicht lösen würde. Aber natürlich überwog der Drang, es ihrem Vater auch dieses Mal wieder zu zeigen. Außerdem waren die Täter bestimmt vom gleichen Schlag wie Dschafarow und seine Leute. Da musste sie keine Skrupel haben, die beiden Parteien aufeinander loszulassen. Ausnahmsweise ein Fall, der sie moralisch vor überhaupt keine Probleme stellte.

Dreh- und Angelpunkt ihrer Recherchen würde wohl eine Kneipe mit dem seltsamen Namen Anti Schoko sein. Hatte sie noch nie etwas davon gehört. Dort waren wohl einige der gestohlenen Sachen zum Verkauf angeboten worden, und Dschafarows Leute hatten das irgendwie aus irgendjemandem herausgebracht. Luisa wollte nicht wissen, wie diese Informationen erlangt worden waren. Danach war auf alle Fälle eine Sackgasse erreicht worden in den Eigenermittlungen. Jetzt kam ihr Einsatz. Ihr Vater hatte ihr einen Job als Thekenfrau im Anti Schoko organisiert. Heute Abend wäre ihr erster Einsatz.

Luisa war von der Aussicht, undercover zu gehen, energetisiert. Kein stundenlanges Observieren im Kalten, kein langweiliges Ausharren, keine endlosen Computerrecherchen. Sie wäre mitten im Geschehen und würde ihre Position ausnutzen, um Informationen zu sammeln. Sie hoffte nur, dass sie mit ihrem Aussehen in diese Kneipe passte. Aber ihre Tätowierungen waren ihr schon öfter hilfreich gewesen. Die Menschen nahmen häufig automatisch an, dass sie so eine Art verkrachte Existenz war, die von Gelegenheitsjobs lebte. Das könnte sie zur Not einfach behaupten.

Ihr Vater hatte wohl mit irgendeinem Alf, der der Besitzer der Kneipe war, den Termin ausgemacht. Unter dem Vorwand, sie sei seine Tochter und habe ihn darum gebeten. Hmpf. Halbwahrheiten waren immer gut. Aber ihr würde es nicht im Traum einfallen, ihren Vater um etwas zu bitten. Vorher würde sie sich an den Papst wenden. Und von dem und seinen Ansichten hielt sie absolut nichts.

Luisa schnappte sich ihre dicke, rote Daunenjacke und machte sich auf den Weg. Sie würde mit den Öffis fahren. Besser kein Fahrzeug mitnehmen, das ließe sich leichter zurückverfolgen. Und zur Not nahm sie von irgendwo dann ein Taxi in der Nacht und ließ sich weit genug entfernt von ihrer Wohnung absetzen.

Sie stülpte sich die Kapuze über den Kopf und trat in die Kälte hinaus. Erstaunlich schnell und vor allem pünktlich kam sie an der Kneipe an. Sie lag an einer vierspurigen Straße und musste früher mal eine typische Eckkneipe gewesen sein. Jetzt sah sie von außen alternativ aus, sehr alternativ. Das Schild mit dem Schriftzug Anti Schoko war in schwarz-weiß gesprüht. Sehr krude, aber irgendwie auch künstlerisch gestaltet. Es sprach sie sofort an, und sie hätte sich vorstellen können, dass sie hier spontan reingegangen wäre, wenn sie zufällig vorbeigekommen wäre.

Sie wusste jetzt, was ihr Vater mit »Arsch auf Eimer« gemeint hatte. Sie war wie gemacht, um hier Thekenfrau zu sein. Hier ging genau ihre Szene ein und aus. Das bestätigte sich noch mehr, als zwei Leute die wenigen Stufen zur Eingangstür erklommen. Ganz genau ihre Szene.

Luisa betrat die Kneipe und schob sich die Kapuze runter. Interessierte Blicke trafen sie von den wenigen Anwesenden am frühen Heiligabend. Sie wusste, sie fiel auf. Sogar hier, wo sie schon beim Betreten die ersten Tattoos sehen konnte, die ersten punkigen Frisuren und Piercings, der Stil der Klamotten sich nicht so sehr von ihrem unterschied. Selbst hier erntete sie die üblichen abcheckenden Scans – Mann oder Frau? Mit der Daunenjacke, die ihre Figur ziemlich verhüllte, war es anscheinend noch schwerer, sie mit ihren superkurzen blonden Haaren und ihren Doc Martins einzuordnen. Sie wusste nicht, warum das so war. Nach eigenem Befinden sah sie überhaupt nicht aus wie ein Typ. Aber das Schubladendenken war eben weit verbreitet. Sogar in einem Schuppen wie diesem.

Sie trat an die Theke, und als der Typ mit dem Hipsterbart aufsah, sprach sie ihn an.

»Hi, ich suche Alf.«

»Das bin ich«, sagte er und musterte sie kurz. »Bist du Luisa?« Als sie nickte, fuhr er gleich fort: »Dein Vater meinte, du hast schon öfter in Kneipen gearbeitet und könntest gleich anfangen.«

»Ja, klar, kein Problem.« Sie hatte sich das komplizierter vorgestellt. Aber Alf winkte sie gleich hinter die Theke und gab ihr eine Einführung. Wo sie ihre Jacke verstauen konnte, wo die Vorräte gelagert wurden, was die Spezialdrinks auf der Karte waren und noch so einiges mehr, das sich Luisa versuchte zu merken. Alf war ein Hektiker und redete schnell. Da sie null Ahnung vom Betreiben einer Kneipe hatte und von allem was dazugehörte, hatte sie die Informationen bitter nötig. Sie hoffte, die Vorlage ihres Vaters würde nicht noch auffliegen, wenn sie ihr erstes Bier zapfte. Er hätte nicht so übertreiben müssen. Alf hätte sie wahrscheinlich auch genommen, wenn sie noch keine große Erfahrung für sich hätte beanspruchen können.

»Heute arbeiten wir parallel, aber in Zukunft musst du auch ganze Abende allein zurechtkommen. Cool?«

»Cool.«

Wie cool das werden würde, wusste sie noch nicht. Sie vermutete, dass sie anfangs so sehr im Stress sein würde, dass sie gar nicht groß zum Sammeln von Informationen kommen würde.

Bevor Alf sich wieder den Details des Kneipenbetriebs hingeben konnte, nutzte sie seine Sprechpause, um ihn darauf vorzubereiten, dass sie viele interessierte Fragen über die Gäste stellte. Dann würde es später nicht so auffallen, wenn sie das gezielter machte.

»Was für Leute kommen eigentlich hierher?«

»Total unterschiedlich. Neo-Punks und Original-Punks, Rockabillys, Hipster, ein paar abgerockte Gestalten, aber manchmal verirren sich sogar ein paar Spießer hierher. Lesben«, schloss Alf seine Aufzählung mit einem breiten Grinsen ab, das auf sie gemünzt war.

»Echt jetzt?« Sie dachte, dass Alf diese Reaktion erwarten würde. Irgendeine Reaktion hatte er wohl bezweckt. Die Ungläubige war genauso gut wie jede andere, die Luisa geben konnte. Sie konnte es ja tatsächlich nicht ganz glauben, dass hier Lesben herkamen. Zumindest in größerer Anzahl, so dass es auffallen würde. Aber an der Kneipentür klebte auf alle Fälle gut sichtbar eine Regenbogenflagge.

»Hey, warum denn nicht? Die Crowd hier ist bunt. Du wirst dich wohlfühlen.«

Erstaunlicherweise dachte Luisa, dass das sogar zutreffen würde. Schade, dass das Anti Schoko verbrannte Erde sein würde, sobald sie ihre Ermittlungen abgeschlossen hätte. Danach würde könnte sie keinen Fuß mehr in diese Kneipe setzen können.

•••

Flix atmete ein paarmal tief durch und lauschte in die leere, dunkle Wohnung. Das Adrenalin floss ungemindert kraftvoll durch ihre Adern, und jetzt wollte sie wissen, ob die beiden nur Unsinn geredet hatten. Sie zückte wieder ihre kleine Taschenlampe und schlich durch den Flur auf der Suche nach besagter Speisekammer, die sie bisher noch nicht registriert hatte. Vielleicht hatte sie überhaupt in ihrer bisherigen Karriere Speisekammern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

In der Küche entdeckte sie eine Tür. Schon beim Öffnen sah sie Lebensmittel auf Regalen. Bingo. Sie schwenkte ihren Lichtstrahl die Reihen entlang, und tatsächlich gab es mehrere hölzerne Kisten. Systematisch begann sie alle durchzugehen. Als sie bei der letzten ganz hinten angekommen war und schon so langsam bezweifelte, etwas zu finden, wurde ihr bereits beim Deckelanheben klar, dass sie den Jackpot gewonnen hatte. Im Licht ihrer Taschenlampe schimmerte es golden.

Flix konnte es einen Augenblick nicht glauben. Obwohl sie so abgebrüht war und auf ihren Diebeszügen schon so einiges erbeutet hatte, war das hier fast zu gut, um wahr zu sein. Ordentlich in Reihen aufgeschlichtet lagen lauter kleine, flache Goldbarren in der Kiste. Flix erkannte eine Prägung auf den zuoberst liegenden. Das Zeichen einer Schweizer Bank, die Gewichtsangabe 500g und die Angabe 999,9 Feingold. Wahnsinn! Das war echt. Sie wusste nicht genau, was Gold momentan wert war, aber sie schätzte, dass hier locker dreihundert- bis vierhunderttausend Euro lagen. Wenn nicht sogar mehr.

Respektvoll begann sie die schweren, kleinen Barren in ihrem Rucksack zu verstauen. Als Beute waren nur noch Diamanten optimaler, was das Verhältnis von Volumen und Wert anging. Der Rucksack war zwar sauschwer mit mehreren Kilo Gold, aber noch nicht einmal ausgebeult.

Als sie aus der Speisekammer trat wurde ihr klar, dass sie etwas tun musste, um die beiden Frauen vor Moskau Inkasso zu schützen. Das wollte sie nicht auf ihrem Gewissen haben, dass ihren beiden Sexmonstern – wie sie die Frauen jetzt liebevoll titulierte – womöglich etwas passierte, weil sie für den Verlust des Goldes verantwortlich gemacht wurden. Schließlich hatte die Blonde einen Schlüssel gehabt. Und Flix hinterließ nie Spuren, sie wäre nie auffindbar. Da lag es also auf der Hand: Sie beschloss, die Wohnung ein bisschen nach Einbruch aussehen zu lassen.

Im Schlafzimmer schüttete sie den Inhalt des Schmuckkästchens in einen mitgebrachten Stoffbeutel und verstaute ihn. Okay, das war ein Anfang. Aber noch nicht genug. Ihr Blick fiel auf den Helmut Newton. Flix grinste. Sie zückte ihre kleines, aber skalpellscharfes Taschenmesser und schnitt einmal quer drüber. Weil es sich so gut angefühlt hatte, setze sie noch einen Schnitt in die Gegenrichtung dazu. Geil! Danach war Flix wie losgelassen. Was sie sonst nie tat, hier ließ sie die Sau raus und stellte akribisch die Wohnung auf den Kopf. Alles leise und durchdacht. Aber trotzdem ganz im vandalistischen Stil eines derben Einbruchs.

An die Wohnungstür setzte sie ihr Brecheisen so an, dass Splitter abgingen und es aussah, als ob jemand so eingedrungen sei. Eines der dunklen Sofas schlitzte sie auf wie den sexistischen Druck. Sie durchwühlte Kommoden und schmiss Kleidung herum. Schüttete Lebensmittel aus und verwandelte Küche und Speisekammer in einen Saustall. Als letzte Tat verspritzte sie Ketchup, Barbecuesoße und Mayo auf dem Bett. Kein Mensch würde darunter noch die Spuren ihrer Sexmonster vermuten. Perfekte Tarnung. Sie wollte die sexy Frauen einfach nicht reinziehen. Sie wusste noch nicht einmal ihre Namen. Das war irgendwie komisch, weil sie nach ihrem Empfinden so gut wie Sex mit ihnen gehabt hat. Sie glaubte, dass sie den heutigen Tag niemals vergessen könnte, selbst wenn sie wollte. Aus unterschiedlichen Gründen. Das Gold war nur einer davon.

Sie verabschiedete sich von der ruinierten Wohnung und stieg durch ein Fenster auf die Dachterrasse. Sie ließ es gekippt zurück. Ein letzter Blick, und sie stieg über das Geländer. Während sie trotz ihrer Last auf dem Rücken so geschickt wie eh und je die Hausfassade hinunterkletterte, konnte Flix nicht umhin, dem triumphalen Gefühl schon ein bisschen nachzugeben. Was war das denn für ein geiler Abend gewesen? Hallo? Nicht nur hatte sie vermutlich die leichteste und reichste Beute ihres Lebens gemacht, sie hatte nebenbei auch noch ein absolut erotisches Erlebnis gehabt. Unerwartet und umso erstaunlicher.

Das heute, dachte Flix, als sie mit einem letzten katzengleichen Sprung auf dem Boden landete, das war das absolut beste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten. Weihnachten der Extraklasse.