Ein Mann für gewisse Sekunden - Evelyn Holst - E-Book
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Ein Mann für gewisse Sekunden E-Book

Evelyn Holst

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Beschreibung

Zwei Schwestern, das Leben und jede Menge Probleme: Der humorvolle Roman »Ein Mann für gewisse Sekunden« von Evelyn Holst als eBook bei dotbooks. Zwei Schwestern, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Während Marie sich in ihrer langjährigen Ehe gemütlich eingerichtet hat, jagt Jenna noch immer auf der Suche nach Mr. Right durch Hamburg. Aber gut, wenn man(n) nicht will, muss frau eben aktiv werden: Also beschließt Jenna, ihren Familienplan einfach als Single in die Tat umzusetzen. Fehlt nur noch der passende Samenspender … Alles rein geschäftlich, versteht sich, und schon bald ist ein Kandidat gefunden – aber warum löst der in Jenna nicht nur Mutterglücksgefühle, sondern auch Schmetterlinge im Bauch aus? Chaos ist vorprogrammiert, zumal in ihrer Familie plötzlich alle Frauen verrückt zu spielen scheinen: Warum flirtet ihrer Schwester mit einem alternden Schlagersänger – und kann es wirklich sein, dass sich ihre Mutter einen waschechten Toy Boy geangelt hat? »Überrascht durch lockere Anekdoten über amouröse Abenteuer und aufregende Job-Intrigen. Ein bisschen frech, sehr unterhaltsam!«, empfiehlt die Zeitschrift FÜR SIE Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der turbulente Beziehungsroman »Ein Mann für gewisse Sekunden« von Evelyn Holst wird Fans von Hera Linds scharfzüngigem Humor und Ildikó von Kürthys wunderbar lebensnahen Figuren begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

Zwei Schwestern, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Während Marie sich in ihrer langjährigen Ehe gemütlich eingerichtet hat, jagt Jenna noch immer auf der Suche nach Mr. Right durch Hamburg. Aber gut, wenn man(n) nicht will, muss frau eben aktiv werden: Also beschließt Jenna, ihren Familienplan einfach als Single in die Tat umzusetzen. Fehlt nur noch der passende Samenspender… Alles rein geschäftlich, versteht sich, und schon bald ist ein Kandidat gefunden – aber warum löst der in Jenna nicht nur Mutterglücksgefühle, sondern auch Schmetterlinge im Bauch aus? Chaos ist vorprogrammiert, zumal in ihrer Familie plötzlich alle Frauen verrückt zu spielen scheinen: Warum flirtet ihrer Schwester mit einem alternden Schlagersänger– und kann es wirklich sein, dass sich ihre Mutter einen waschechten Toy Boy geangelt hat?

»Überrascht durch lockere Anekdoten über amouröse Abenteuer und aufregende Job-Intrigen. Ein bisschen frech, sehr unterhaltsam!«, empfiehlt die Zeitschrift FÜR SIE

Über die Autorin:

Evelyn Holst studierte Geschichte und Englisch auf Lehramt. Nach dem ersten Staatsexamen arbeitete sie dreizehn Jahre als Reporterin für den »Stern«, u. a. als Korrespondentin in New York. Für ihre Reportage »Es ist so still geworden bei uns« wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Seitdem verfasste sie zahlreiche Romane, die auch verfilmt wurden, sowie Originaldrehbücher für Fernsehfilme. Evelyn Holst ist mit dem Filmemacher Raimund Kusserow verheiratet, mit dem sie gemeinsam zwei erwachsene Kinder hat.

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eBook-Neuausgabe Mai 2022

Copyright © der Originalausgabe 2003 by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Sarema / shutterstock.com, BelusUAB / shutterstock.com und MyStocks / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-171-4

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt und geschrieben wurde – und als solches von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Evelyn Holst

Ein Mann für gewisse Sekunden

Roman

dotbooks.

Dieses Buch ist Raimund und Lea gewidmet, die mir so nahestehen, daß beide in ihm nicht vorkommen. Ansonsten schrieb diesen Roman zwar das Leben, alle Personen und intimen Details sind jedoch frei erfunden.

Handelnde Personen

Marie-Viola Wissbach: Fotografin. Verheiratet, aber beide Augen offen

Christoph Wissbach-Cholewa: Ehemann der Marke »Ritter Sport«: quadratisch, praktisch, gut

Stephanie, Gabriel, Daniel: ihre gemeinsam erzeugten Sargnägel

Jenna Wissbach: Journalistin und frustrierter Single

Anneliese Wissbach: Witwe mit Vorliebe für männliches Frischfleisch

Ingrid, Trudi, Karin: Annelieses Doppelkopfrunde

Manfred Prieß: Chefredakteur von Dolce Vita; erfolgreich, aber eingestanzte Haarinseln

Toni Cazzone: in Italien Pizzabäcker, in Deutschland reichte es nur zum Schlagersänger

Hans-Jürgen Sachs: Ressortleiter vom Berliner Morgen, bluthochgedrückt und auch ansonsten ’ne Nervensäge

Tinka Gillmeyer: Sekretärin mit Kodderschnauze

Dr. Heiko Ahrends: Fertilitätsspezialist und Familienvater

Uta Kaiser: seine Sprechstundenhilfe; Expertin für männliche Ergüsse

Heinrich Faltermeyer: Ressortleiter bei Dolce Vita; unerwidert in Jenna verliebt

Rolf Lafayette: 128 ist besser als in die hohle Hand gespuckt

Michael König: der Mann für gewisse Sekunden

Inken Rehmann: seine Freundin, die seitdem eine Abneigung gegen Reagenzgläser hat

Hans Schilowsky: ein häßlicher, deutscher Frosch

Sandra Örtel: MM für Arme, nur schlauer

Klaus Jürgens: Samenspender; weiß noch nicht, daß es nicht die Masse macht

Jo Steinberger: Annelieses Frischfleisch; im Hauptberuf arbeitsloser Lehrer

Jan Vogel: Klatschreporter; hat keinen, schießt manchmal einen ab

Rüdiger Schneider: hat Abitur, ist trotzdem nur Manager geworden

Erika Huber: Groupie von Jo Steinberger

Kapitel 1:Marie

* Frauen bevorzugen die einfachen Dinge des Lebens ‒ Männer. *

Ich war sechs Jahre mit ihm verheiratet, also behielt ich beim Sex die Brille auf. Früher hatte sie mich beim Küssen gestört, aber wir küßten uns schon lange nicht mehr so, daß eine Brille gestört hätte. Zungenspiele, Spucke, halber Wahnsinn, das waren die Anfangswochen. Jetzt ist es ein kurzes, trockenes »Peck« auf beide Wangen, ein schneller Schmätzer, wenn Vorspiel verlangt ist.

Früher habe ich auch über die Frage nachgedacht, warum Küssen früher aufhört als Sex. Jetzt weiß ich, warum. Zungenküsse, lang und feucht, sind für Fremde, deren Münder entdeckenswertes Gebiet sind. Forschungsgegenstand. Man hängt seine Zunge nicht in Münder, in deren Ecken morgens Müslikrümel sind, die man abends zahnpastabeschmiert auf dem Nachbarkopfkissen vorfindet.

Man zungenküßt nur selten einen Mund, der einem in allen Geruchsvariationen übervertraut ist ‒ Knobi mit Zwiebeln, schal vom Alkohol, aschig vom Rauchen.

Christoph ist ein so lala Küsser. Er liebt’s grandcanyonmäßig, Münder bis zum Anschlag auf, hallo Zäpfchen, hinein die Zunge. Auch als Lover ist er kein Rhett Butler, aber freundlich dabei. Er liebt die Rückenstellung, seine. Verwöhn mich, sagt er, was ich als sportliche Herausforderung betrachte. Sexuelles Aerobic. Seit meinem 16. Lebensjahr beherrsche ich alle akustischen Varianten des vorgetäuschten Orgasmus, damit die Sache nicht zu lange dauert. Das schrille Kreischen für den rustikalen Lover, seit meiner Heirat ein bißchen eingerostet, das abgehackte Stöhnen, das leise Jammern, das dramatische Hin- und Herwerfen des Kopfes, das ich aufgegeben habe, seit ich mich einmal ganz fürchterlich an der Bettkante stieß.

Für Christoph habe ich die abgehackte Stöhnvariante perfektioniert. Manchmal, wenn die Kinder ausnahmsweise früh im Bett sind, nach einer Flasche Rüttgers Club, ist die Ekstase sogar echt. Dann bin ich richtig dankbar, und Christoph wundert sich über meine gute Laune.

Aus dem Badezimmer hörte ich das laute Prusten, mit dem mein Ehemann jeden Abend seine Zahnhygiene betreibt. »Liebling«, rief er, und ich wußte, was kam, »wollen wir es uns gleich ein bißchen gemütlich machen?«

Ich seufzte. Neben mir lag die neue Utta Danella, ich hatte schon drei Kinder, Sex also nichts mehr mit Fortpflanzung zu tun, nur noch mit Vergnügen. »Okay«, rief ich zurück, »aber beeil dich, in 20 Minuten fängt Dallas an.«

Als er das Schlafzimmer betrat, trug er nur sein Oberteil. Er wollte also auch schnell zur Sache kommen. Ich rutschte auf seine Seite rüber, weil ich nasse Stellen im Bett hasse, schielte zur Uhr, noch 18 Minuten, und griff ins Eingemachte. Er griff zurück und fand diesmal, Göttin sei’s gedankt, die richtige Stelle. Manchmal fummelte er so ungeschickt herum, daß ich die Geduld verlor. Warum, so fragte ich dann in die dunkle Nacht, warum nur sind die meisten Männer keine Handvirtuosen, warum schrammeln sie, womöglich mit klammen Fingern (!), am weiblichen Instrument, statt sanft und sicher in die Saiten zu greifen?

13 Minuten vor Dallas, ich hatte gerade einen kunstvollen, sogar halb echten Stöhner herausgequetscht, klingelte das Telefon auf dem Nachttisch. In meiner Hand erschlaffte es, während ich den Hörer abnahm. Das konnte nur meine Schwester Jenna sein. Perfektes Timing. Jetzt mußte ich noch mal ganz von vorn anfangen.

»Was willst du um diese Zeit?« grunzte ich.

»Schwesterherz«, ertönte ihre fröhliche Stimme vor dem Hintergrund einer offensichtlich angeheiterten Tafelrunde, »ich sitz hier gerade im La Plage, mit fünf netten Herren aus der Modebranche, nur drei davon sind schwul. Willst du nicht kurz vorbeikommen? Mister C. kann doch auch allein vor dem Fernseher einschlafen.«

»Wir schlafen nicht«, zischte ich leise, »wir sind im Bett, du störst uns.«

»Excuse me«, rief sie laut, wahrscheinlich verfolgte das ganze Lokal mit Henkelohren unser Gespräch, »dann will ich eure eheliche Frustnummer nicht weiter aufhalten.«

Sie hängte ein, ich legte den Hörer auf. Das Gebilde in meiner rechten Hand war inzwischen zur Schneckenform geweicht. »Bist du noch in Stimmung?« fragte ich den Körper, der mit geschlossenen Augen neben mir lag.

Ekstase ‒ oder eingeschlafen? Gedämpftes Schnarchen war zu hören. Ich lächelte. Dann stellte ich den Fernseher leise an und schlug mein Buch auf.

Danke, Schwesterherz.

Kapitel 2:Jenna

Als ich den Hörer aufgelegt hatte, griff ich als erstes zur Zigarette. Irgendwie regten mich die Gespräche mit meiner Schwester Marie-Viola immer ein bißchen auf, und ich verfiel wieder in meine schlechten Gewohnheiten. Rauchen zum Beispiel. Wir hatten es uns beide zusammen abgewöhnt, und sie, die widerlich Konsequente, die vor ihren drei Kaiserschnittentbindungen der Narkoseschwester auf die Frage: »Wieviel rauchen Sie?« frech ins Gesicht gelogen hatte: »Nicht mehr als ’ne Schachtel.«

»Dann werden’s wohl zwei sein«, sagte die ungerührt, was immer noch untertrieben war, sie also riß jetzt jedesmal die Balkontür auf, wenn ich nur meine Handtasche öffnete. Noch nicht mal postkoital war sie verführt, was für oder gegen Christoph sprechen mochte.

Ich war wieder schwach geworden, zumal in einer reinen Männerrunde wie an diesem Abend, wenn mir fünf potentielle Lustspender gegenübersaßen und aus den verschiedensten Gründen keiner in Frage kam. Die zwei Unschwulen hatte ich blitzschnell auf ihre spätere Verwendbarkeit als Ehemänner und Väter meiner noch zu gebärenden Kinder überprüft. Der linke, ein Moderedakteur von Elle ‒ mein dünnes Haar und seine blaßblauen Augen, was für ein häßliches Baby! Der rechte, Abteilungsleiter von Hertie, verdiente höchstens acht Mille im Monat, da würde ich kein Babyjahr einlegen können. Wenn es mal soweit ist.

In dem Gespräch an diesem Abend ging es um die neuen Modeschöpfer in der ehemaligen DDR.

»Ich hab da einen aus Stralsund aufgetan, der macht auf Retro-Look der frühen Siebziger«, schwärmte Blaßauge. »Erinnern Sie sich noch an die Rippchenpullis aus Neon, die Plateauschuhe, die Hosen mit Glöckchenschlag?«

»Aus Erzählungen«, murmelte ich, mußte ich doch ‒ in dieser Runde von Wenn-auch-nicht-in-Frage-Kommenden, so doch Männern ‒ nicht mein vorbiblisches Alter veröffentlichen. Ich war 35, nicht weit von meiner fünften Dekade entfernt, die Schreckensworte barg wie Wechseljahre, Witwenbuckel, trockene Schamlippen. Noch stand ich im Saft, doch wie lange noch?

»Wollen wir in meiner Hotelbar noch über die Einzelheiten Ihrer Reportage sprechen?« unterbrach Mr. Hertie meinen trüben Gedankenfluß mit einer feuchten Hand, die er kurz über meinem Knie deponierte, da, wo ich am kitzligsten bin. Das Magazin Dolce Vita, für das ich seit drei Jahren unterbezahlt und übergestreßt als Reporterin arbeite, wollte eine Geschichte über Kaufhausmode, vorgestellt von den Angestellten ebendesselben. Eine Idee, für die ich mich schämte, Abitur zu haben, aber mein Chefredakteur Manfred Prieß, ein kurzer Dicker mit eingestanzten Haarinseln auf dem Kopf, durch die rosa Kopfhaut schimmerte, verstand sich als innovativer Modeexperte. Nur keine langweilig perfekten Models, hieß seine Devise, Mode ist fürs Volk und soll vom Volk vorgestellt werden. Daß das Volk zum großen Teil häßlich ist, war eins der kleinen Hindernisse meiner Arbeit. »Sie sind doch auch keine Illustriertenschönheit«, hatte er sich gleich am Anfang unserer Zusammenarbeit bei mir beliebt gemacht. »Sie bringen mir den Ansatz von der Straße mit. Machen Sie ’ne Story, die riecht.« Meine erste Geruchsgeschichte hatte das Liebesleben von Gastarbeitern behandelt, und noch Monate später war mein Anrufbeantworter jede Nacht voll von lüsternen Angeboten mit leichtem oder mittelschwerem südlichen Akzent. Am hartnäckigsten war Piero aus Andalusien, den ich in meiner Reportage als einen »John Travolta aus der Baugrube« präsentierte. Der Fotograf hatte ihn als Brando-Verschnitt mit weißem T-Shirt und viel Präpotenz im Blick vor einen Preßlufthammer gestellt. Die zahlreichen Zuschriften ‒ »Bin eine 42jährige, alleinstehende Sozialarbeiterin und tue gern etwas für die Völkerverständigung« ‒ leitete ich kommentarlos an Piero weiter, obwohl es mir in den Fingern juckte, etwas Süffisantes dazuzuschreiben. Auch das Thema »Bademode im Altersheim« war ein großer Erfolg gewesen. Wir hatten Schulmädchen mit Eierschalen hinterm Ohr vor einer Kulisse von geilen Rentnern fotografiert. Ich Unterzeichnete diese Story mit meinem Pseudonym Elvira Sandhügel. Falls meine Mutter in dieser Woche zum Zahnarzt mußte, sollte sie sich ihrer Tochter nicht zu schämen brauchen. »Sorry«, sagte ich zu Mr. Hertie, »diese müden Knochen wollen in die Horizontale.«

Verdammt, das falsche Stichwort! Das er sofort aufgriff: »Kann ich Ihnen dabei nicht behilflich sein, junge Frau?«

Während ich den Kopf schüttelte, mußte ich an meinen Schwager denken. Marie-Viola hatte mir in einer dieser schwesterlichen Plauderstunden erzählt, wenn Mann und Kinder schlafen und ich meistens so viel Tee trinke, daß ich alle zehn Minuten pinkeln gehen muß, wenn also alles auf den Tisch kommt, meine Entjungferung mit 19 auf der Tischtennisplatte im Partykeller von Harry Heller, als ich nach Hause kam und sie weckte, und als sie fragte: »Na und, wie war’s?«, und ich antwortete: »Ich weiß nicht, ob es das schon war«, und … Aber ich schweife ab. Sie hatte mir also erzählt, daß Christoph einen Kleinen hat. Nicht richtig freakig klein, nicht babyspargelklein, aber kleiner, als ihm lieb war. Und daß er in der ersten Nacht ganz besorgt gefragt hatte: »Spürst du mich?« Was mich enttäuschte, weil er eigentlich genau mein Typ ist. Marke Ritter Sport ‒ quadratisch, praktisch, gut. Kompakt, mit leichtem Brusthaargeflaum auf der Brust, keine dicke Wolle, das verabscheuten wir beide. Er hatte wunderschöne, muskulöse Oberarme, und wenn ich seine Hände sah, zupackende, warme Hände, dann stellte ich mir manchmal allerhand vor, was meine Schwester nicht wissen durfte.

Kapitel 3:Christoph

Christoph wachte zuerst auf, weil er, zu seinem großen Ärger, den leichteren Schlaf hatte. Gabriel, sein jüngster Sohn, stand vor dem Bett und sagte fordernd: »Muß Pipi.«

»Geh zu Mama«, brummte Christoph und rollte sich in Schlafposition.

»Mama läft noch«, meinte Gabriel, und seufzend erhob sich der müde Vater und schleppte sich in Richtung Klo. »Willst du sitzen, oder soll ich dich halten?« fragte er.

»Von der Leiter Pipi«, meinte Gabriel.

Auch das noch. Alles würde natürlich daneben gehen, nur weil Marie und er, leicht beschwipst, sich diese Variante ausgedacht hatten, damit der Zweijährige es mal im Stehen probieren konnte.

»Du kannst mit Mama Leiter«, sagte Christoph bestimmt, »vor dem Frühstück wird im Sitzen gepinkelt.«

Es war halb sieben und November, und draußen hingen die Wolken in Kniekehlenhöhe. Und Marie schlief immer noch. Den Schlaf der Ungerechten. Zwei Wecker standen auf ihrem Nachttisch, und wenn die um sieben losschrillten, dann schnellte ihre Hand hoch und stellte beide ab, ohne daß sie ernsthaft aufwachte. Als Stephanie und Daniel, Nummer eins und zwei, noch gestillt wurden und alle zwei Stunden an die Brust wollten, da war es Christoph gewesen, der die schreienden Kinder an die schlafende Mutter legte.

Im Schlaf liebte er Marie am meisten. Der leicht geöffnete Mund, der keine spitzen Bemerkungen machte, sondern rund in ihrem Gesicht lag wie ein Froschteich, die rosig aufgepuffte Haut, die wirren Haare: Wenn er sie so daliegen sah unter einer Bettdecke und zwei Wolldecken, schoß ihm nach sechs Jahren Ehe noch immer eine heiße Welle von Zärtlichkeit ins Gesicht. Er schüttelte sie. »Liebling, aufwachen, der neue Tag will dich.«

Es grunzte aus der Bettdecke. Wenn er jetzt nicht zu drastischen Maßnahmen griff, würde sie noch bis Mittag pofen. Er blies ihr ins Ohr, was sie im wachen Zustand haßte. Nichts. Die drei Gläser Rotwein am Vorabend hatten sie schachmatt gesetzt. War eigentlich noch was passiert? Es sprach für den lauwarmen Zustand ihrer sexuellen Beziehung, daß er sich nicht mehr genau daran erinnern konnte.

Daß der Zustand lauwarm war, lag erst seit kurzem auch an ihm. In den ersten fünf Jahren hatte er, ungeachtet ihres auf-und abschwellenden Bauches, immer Lust auf sie gehabt. Er liebte es, den Kopf auf ihren großen Busen zu legen, die Hand auf das pochende Gewölbe darunter, und sich ganz langsam vorwärtszutasten. Er liebte es, wenn sie dabei unterschiedliche Geräusche von sich gab, und ganz heiß und weich wurde. Jetzt war sie meistens unwillig, ließ sich zwar zu dem herab, was er den »wöchentlichen Gnadenfick« nannte, aber er merkte den großen Unterschied und war traurig. Das Waffenarsenal und die Begeisterung seines Einsatzes waren dieselben, trotz schlafgestörter Nächte und einem ehefraulichen Körper, der natürlich durch drei Schwangerschaften erheblich an Knackigkeit eingebüßt hatte; nur das Ziel entzog sich ihm.

Es war halb acht. Stephanie, freche sechs und sein uneingestandener Liebling, war inzwischen im Badezimmer und schminkte sich und ihre Umgebung mit Maries Lippenstiftvorräten. Daniel, drei und kein bißchen leise, stand unter der Dusche, natürlich ohne Vorhang. Die Badematte schwamm. Es war wieder so ein Morgen, wo Christoph gern zum Zigarettenkaufen gegangen wäre: »Tschüs, Liebling, ich will nur mal eben schnell ’ne Schachtel Marlboro holen.«

Marie schlief immer noch. Christoph holte tief und energisch Luft, öffnete weit das Schlafzimmerfenster und hob die Decke von ihrer Ehebetthälfte. »Ich lüfte nur mal«, sagte er und legte sie aufs Fensterbrett. Das genügte. Mit dem Aufschrei: »Ich hasse dich!« sprang Marie aus dem Bett, taumelte ins Badezimmer. »Du Zwergenmonster, gib sofort die Lippenstifte her.« Der Tag konnte beginnen.

Das Telefon klingelte. Daniel stürzte zum Hörer. »Hallo, Mama schreit grade«, sagte er fröhlich, bevor ihm Christoph schwer atmend den Hörer entreißen konnte. Er arbeitet als Karikaturist für diverse Tageszeitungen und wollte, wenn Kunden anriefen, den Eindruck von cooler Professionalität erwecken. Wenn er einen wichtigen Anruf erwartete, gab Marie sich als seine Sekretärin aus. »Wissbach-Cholewa und Partner, guten Tag«, flötete sie dann. »Er ist gerade im Meeting. Moment, ich schau, ob er zu sprechen ist.«

Da dies ein Morgen war, der sich selbst ans Bein trat, war ausgerechnet Hans-Jürgen Sachs vom Berliner Morgen am Apparat, ein bluthochgedrückter Ressortleiter für Aktuelles, der alles am besten schon gestern wollte und jedesmal die Preise drückte. Christoph wünschte ihm Pest und Cholera gleichzeitig an den Hals, aber das Blatt hatte eine Auflage von 800 000, also preßte er Höflichkeit in seine Stimme: »Herr Sachs, was kann ich für Sie tun?«

»Morjen, Cholewa«, knurrte Sachs. Das Schnippen des Feuerzeugs verriet Christoph, daß es mit dem Aufgeben wieder nicht geklappt hatte. »Also dieses Bildchen« (Christophs Magenschleimhaut vibrierte jedesmal, wenn seine liebevollen Zeichnungen als Bildchen bezeichnet wurden) »von Kohl, finden Sie nicht, daß es ein wenig übertrieben ist? Der Mann hat ja eine ganze Kinnfamilie. Ich kenne ja Ihre politischen Wünsche, Cholewa, aber die Bildunterschrift ›Ihre Mulschigkeit ‒ die Birne von gestern‹ halte ich für etwas voreilig.«

Christoph seufzte, und während er mit einem Arm den um sich tretenden Daniel vom Telefon fernhielt ‒ »Nein, jetzt ist Papa dran, sei ruhig, ja, es gibt gleich Kaba« ‒, antwortete er: »Herr Sachs, es ist nur eine Frage der Zeit, bis die CDU in sich zusammenfällt. Waren Sie kürzlich mal bei Aldi, haben Sie nachts eine Zigeunerfamilie in Ihrem Häusereingang gefunden, wenn Sie morgens zur Arbeit wollten, und dann die kleinen Häufchen aufgesammelt, die sie hinter die Mülltonnen geschissen haben? Diese ganze Wiedervereinigung ist eine einzige Katastrophe, und wenn Sie heute eine Umfrage machen würden, mindestens die Hälfte der Deutschen wurden zu Fuß nach Berlin gehen und die Mauer wieder aufbauen, Stein für Stein.« Dem stakkatohaften Rauchausblasen am anderen Ende war zu entnehmen, daß Hans-Jürgen Sachs dabei war, die Geduld zu verlieren. »Cholewa«, bellte er, »keine Politik am frühen Morgen. Ein neues Bildchen bitte, mit weniger Bauch und allerhöchstens drei Kinnen. Haben wir uns verstanden?«

Es klickte, und Christoph gab Daniel den Hörer in die kleine Faust: »Du darfst einmal Scheiße sagen, aber ganz leise, daß Mama nichts hört.«

»Okay«, sagte Daniel glücklich und hielt den stummen Hörer ganz dicht an den Mund. »Scheiße«, flüsterte er mit leuchtenden Augen, »Scheiße, Scheiße.«

Kapitel 4:Jenna

* Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen. *

Als ich aufwachte, lag mein Kopf wie ein klopfender Stein zwischen zwei verkrampften Schultern. Es kostete mich fast übermenschliche Anstrengung, ihn hochzuheben und in Weckerrichtung zu drehen, was mich daran erinnerte, daß man in meinem Alter mit dem Alkohol vorsichtiger sein mußte. Ich blickte zur Seite ‒ Gott sei Dank, kein fremder Männerkopf. Ich wurde nur noch gelegentlich schwach, unter anderem deshalb, weil ich mit dem Überstülpen dieser Gummis nur nach sehr viel unerotischem Gefummel klarkam. Und wenn es dann endlich soweit war, ließ das mühsam hochgezüchtete Pflänzchen meiner mittelalterlichen Lust oft sein welkes Köpfchen hängen.

Diese lächerlichen Dialoge!

Sag mal, hast du was dabei? Du meinst …? Genau. Mach mal die Nachttischschublade auf deiner Seite auf. Raschel, raschel. Wieso hast du denn ’ne Klinikpackung? Weil die billiger ist. Brauchst du denn so viele? Nein, meine reichen mindestens drei Jahre. Ach so. Willst du oder soll ich? Ne, mach ruhig selber. Okay.

Um Gottes willen, acht Uhr durch. Ich war mit Marie zum Frühstück verabredet. Danach hatten wir einen gemeinsamen Job. Marie ist der einzige weibliche Paparazzo aus Hamburg; für ihre Fotos von Freddy Quinn am Nacktbadestrand von Amrum hatten sie sich ein neues Schlafzimmer gekauft. Auch Vicky Leandros oben ohne war ein Knüller. Marie liebte es, in den Abend- und Nachtstunden, wenn die Kinder im Bett waren und Christoph vor der Glotze saß, vor Hotels und Bars ihren Opfern aufzulauern. Ihre Tips bekam sie von ihrem besten Freund, dem Klatschreporter Jan Vogel; wenn sie was Lukratives abschoß, war er mit 25 Prozent dabei.

Heute vormittag hatten wir einen legitimen Auftrag: Interview mit Tony Cazzone, in der Branche ehrfürchtig »der Schwanz« genannt, der seine neue Platte »Nostalgia« im Interconti vorstellte. Ich sah dieser Begegnung mit gemischt-gespannten Gefühlen entgegen, denn vor 1000 Jahren hatte ich mal einen 1 l/2-night-stand mit ihm verbracht. Wir waren beide so daneben gewesen, daß ich mich an nichts mehr erinnern konnte, und hoffte inbrünstig, er auch nicht. Als ich ein paar Jahre später in einer Illustrierten las: »Tony Cazzone ‒ Ich habe es in München mit einer ganzen Sambatruppe getrieben, die Damen kamen mir im Fahrstuhl entgegen«, ließ ich sofort einen Aidstest machen. Doch wenn ich Tony im Fernsehen sah, konnte ich erleichtert feststellen, wie gut er noch im Futter stand.

Ich duschte kalt, weil sich die Poren schließen müssen. Das hatte mir meine Mutter mit fünf Jahren erklärt, und es leuchtete mir schon damals sehr ein. Ich stellte mir die Mehrzahl der Warmduscher mit lauter Löchern in der Haut vor, mit großen, schlaffen Kratern im Gegensatz zu meiner rosig durchbluteten, durch den eiskalten Powerstrahl fest versiegelten.

Dann rief ich Marie an. »Scheiße, Scheiße, Scheiße«, krähte eine Kinderstimme. »Daniel, hier ist Jenna«, sagte ich, »ist Mama schon auf?«

Im Hintergrund hörte ich Christoph: »Ich stoß das Bett um, wenn du jetzt nicht aufstehst.«

Kurz darauf meine Schwester am Telefon: »Bring Brötchen mit«, nuschelte sie ‒ Zahnpastaschaum? ‒ und knallte den Hörer auf.

Schließlich rief ich im Büro an. »Dolce Vita, Redaktion«, hauchte meine Sekretärin Tinka, stimmäßig auf spannendere Anrufe eingestellt. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ich bin’s«, dämpfte ich sie gleich, »bin heute vormittag im Interconti bei Tony Cazzone, zur Nachmittagskonferenz wieder da.«

Sie kicherte. »Machst du wieder eins deiner eindringlichen Interviews mit ihm?«

Ich verfluchte die letzte Weihnachtsfeier, bei der ich zu vorgerückter Stunde zum Thema »Mein peinlichstes Erlebnis« mit Tony Cazzone aufgewartet hatte. »Wenn du nicht die Schnauze hältst, werde ich deine Nacht mit dem Pförtner verbreiten«, drohte ich, »und wie du den Abdruck deiner Titten an alle unsere Anzeigenkunden gefaxt hast.«

Schweigen.

»Was ist eigentlich Tony Cazzone, eine neue Spaghettimarke?« fragte Tinka hastig.

»Schon besser«, grinste ich und knallte den Hörer auf.

Kapitel 5:Uta

Es war mir unklar, warum die Spermaproben am Montag immer kümmerlicher ausfielen als an allen anderen Tagen. Da wir unsere potentiellen Väter jedesmal mit der Bitte: »Alles aufsparen, erst am Montag morgen loslegen«, ins Wochenende schickten, hätte man das triebgepeinigte Gegenteil annehmen können. Oder bildet sich Sperma frustriert zurück, wenn es nicht zum Einsatz kommt? Die Verlegenheit der Überbringer war allerdings an jedem Tag dieselbe ‒ mit gesenkten Augen traten sie an meinen Tresen und nuschelten leise: »Hier ist die Probe, Fräulein.« Ganz Schamvolle wickelten den kleinen Plastikbecher in Alufolie.

Völlig unnötig, denn Dr. Heiko Ahrends, bei dem ich seit drei Jahren als Sprechstundenhilfe arbeitete, war als Fertilitätsspezialist in ganz Deutschland bekannt und über 90 Prozent seiner Patienten deshalb verhinderte Väter. Sie kamen unwillig, angespannt-cool, nachdem sich ihre Partnerinnen, die verhinderten Mütter, bereits jeder denkbaren Prozedur unterzogen hatten. »Mein Sperma ist okay«, hatten die Männer behauptet und leicht genervt zugesehen, wie sich ihre gestreßten Frauen morgens, noch vor dem Pinkeln, ein Thermometer zwischen die ungeputzten Zähne schoben, wie sie sich selber die Hormonspritzen in die Pobacken drückten und um den Eisprung herum ihre Urinproben in der Handtasche zum Frauenarzt transportierten. Irgendwann waren diese Frauen ausgeflippt, und jetzt standen die Männer da und schoben ihre Ergüsse über den Rezeptionstresen.

»Danke, Herr Jürgens«, sagte ich freundlich und nahm den Joghurtbecher in Empfang, auf dessen Grund ein kleines Pfützchen klebte. Es gehörte zu den delikaten Aufgaben meines Berufes, den Patienten taktvoll klarzumachen, wenn die Probe nicht ausreichte.

»Stimmt es so?« fragte Herr Jürgens verschreckt.

»Es könnte ein bißchen mehr sein«, flüsterte ich, »kommen Sie bitte mit.«

Wir gingen in einen kleinen Raum, den wir das »Sexkabinett« nannten. An der Wand stand ein Sessel, davor ein Tisch mit Playboy, Penthouse und Hustler. »Schauen Sie sich beim nächsten Mal in Ruhe diese Hefte an, dann wird es sicher reichen.« Er schluckte: »Kann ich’s nicht gleich probieren? Dann hab ich’s hinter mir.«

Ich seufzte. Wie ich es manchmal satt hatte, diese Spermaprobleme tagaus, tagein. Ich wollte keine Kinder und fand diesen Fortpflanzungswahn unverständlich. Im Augenblick war ich nach einer kurzen, heißen Affäre mit einem Geschäftsmann (selbstverständlich verheiratet, Sex in der Mittagspause auf der Besuchercouch, bitte keine Gespräche durchstellen, Frau Meyer) beziehungslos und zufrieden.

»Tut mir leid, Herr Jürgens«, bedauerte ich, »Sie müssen wieder ein bißchen ansammeln, drei Tage kein Alkohol, keine Zigaretten, kein Sex.«

Am Tresen wartete ein neuer Patient. Groß, blond, Patrick-Swayze-Softie in schwarzer Lederjacke, engen Jeans, Cowboystiefeln. Dieser Wahnsinn hatte dünnes Sperma? Mein Gott. »Waren Sie schon einmal hier?« fragte ich sachlich.

»Nein«, sagte Swayze, und auch die Stimme tat Dinge in meinen Kniekehlen, die Spermaproblematiker sonst nicht tun, »aber ich habe etwas dabei.«

Schade, dachte ich. Laut sagte ich: »Geben Sie es mir bitte.« Ob er sein kleines Präsent wohl auch in Alufolie eingewickelt hatte?

Er wühlte in seinen Manteltaschen, fluchte: »Scheiße, das darf doch wohl nicht wahr sein.«

Rot bis in die Ohrläppchen, blickte er hoch, und ich hätte ihn am liebsten gleich hier und jetzt, auf dem Tresen. »Der Deckel ist abgegangen, ich hab das Zeug in der Tasche«, teilte er mir mit.

»Dann müssen Sie noch mal wiederkommen«, sagte ich.

Kapitel 6:Tony

Er blieb sitzen, ließ sie den ganzen Weg über den rot-grau gemusterten Teppich der Hotellobby bis zu der Sitzgruppe kommen, wo er mit seiner Agentin, dem Promotiongirl der Plattenfirma und seinem Manager saß. Jenna Wissbach, hatte er damals mit ihr oder nicht? Er hatte mit so vielen, daß er sich an die letzten 20 Jahre, die er als wandelnde Geschlechtsdrüse verbracht hatte, kaum noch erinnern konnte. Wahrscheinlich hatte er, denn sie war blond, ihr Busen sah selbst unter dem weiten Pullover ziemlich vielversprechend aus, und ihre Unterlippe war voll und kußfreundlich. Als sie vor ihm stand, erhob er sich, schenkte ihr seinen »Na,-wie-wär’s?«-Blick, der ihm zur zweiten Natur geworden war, selbst bei Briefträgern und seiner Mutter, und sagte: »Ich bin zu allen Schandtaten bereit.«

Kapitel 7:Jenna

Ich blickte ihm streng und neutral ins Triefauge ‒ ich bin zwar single, aber immun, mein Lieber ‒ und sagte mit meiner erprobten Reporterstimme: »Herr Cazzone, mein Name ist Wissbach. Ich freue mich, Sie wiederzusehen.« Dann stellte ich meine Schwester vor, die unfairerweise, obwohl ungeduscht und mit dicker Laufmasche in der schwarzen Strumpfhose, wie Kim Basinger für Arme aussah, schludrige Locken, bettwarmes Gesicht.