Gibt's den auch in liebenswert? - Evelyn Holst - E-Book
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Gibt's den auch in liebenswert? E-Book

Evelyn Holst

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Beschreibung

Neue Männer braucht das Land: Der turbulent-humorvolle Roman »Gibt’s den auch in liebenswert?« von Evelyn Holst jetzt als eBook bei dotbooks. Nora traut ihren Augen kaum, als sie sieht, was sich während ihrer Geburtstagsparty hinter den Hortensienbüschen zuträgt: Guido, ihr verlässlicher Ehemann seit 24 Jahren, vergnügt sich mit einer anderen. Und die ist auch noch junges Gemüse – nämlich die beste Freundin der gemeinsamen Tochter! Es ist gar nicht so, wie es aussieht? Von wegen, schnaubt Nora und setzt den jammernden Guido einfach vor die Tür. Soll er doch bei Jenna einziehen, die immer noch kostenlos im »Hotel Mama« residiert. Während sich dort allerlei Chaos anbahnt, geht Nora mit ihrer besten Freundin auf Streifzüge durch die Männerwelt – und findet zu ihrer eigenen Überraschung schnell Gefallen an ihrer neugewonnenen Freiheit ... Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der humorvolle Frauenroman »Gibt’s den auch in liebenswert?« von Evelyn Holst wird alle Fans von Susanne Fröhlich und Gaby Hauptmann begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 343

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Über dieses Buch:

Nora traut ihren Augen kaum, als sie sieht, was sich während ihrer Geburtstagsparty hinter den Hortensienbüschen zuträgt: Guido, ihr verlässlicher Ehemann seit 24 Jahren, vergnügt sich mit einer anderen. Und die ist auch noch junges Gemüse – nämlich die beste Freundin der gemeinsamen Tochter! Es ist gar nicht so, wie es aussieht? Von wegen, schnaubt Nora und setzt den jammernden Guido einfach vor die Tür. Soll er doch bei Jenna einziehen, die immer noch kostenlos im »Hotel Mama« residiert. Während sich dort allerlei Chaos anbahnt, geht Nora mit ihrer besten Freundin auf Streifzüge durch die Männerwelt – und findet zu ihrer eigenen Überraschung schnell Gefallen an ihrer neugewonnenen Freiheit ...

Über die Autorin:

Evelyn Holst studierte Geschichte und Englisch auf Lehramt. Nach dem ersten Staatsexamen arbeitete sie dreizehn Jahre als Reporterin für den »Stern«, u. a. als Korrespondentin in New York. Für ihre Reportage »Es ist so still geworden bei uns« wurde sie mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. Seitdem verfasste sie zahlreiche Romane, die auch verfilmt wurden, sowie Originaldrehbücher für Fernsehfilme. Evelyn Holst ist mit dem Filmemacher Raimund Kusserow verheiratet, mit dem sie gemeinsam zwei erwachsene Kinder hat.

Bei dotbooks veröffentlichte Evelyn Holst auch ihre Romane »Ein Mann für gewisse Sekunden«, »Du sagst Chaos, ich sag Familie«, »Ein Mann aus Samt und Seide«, »Ein König für gewisse Stunden«, »Aus Versehen Liebe« und »Der Mann auf der Bettkante«.

Ebenfalls bei dotbooks erscheint ihre Hamburg-Krimireihe:

»Die Sünde – Alexa Martini ermittelt«

»Der Verdacht – Alexa Martini ermittelt«

»Das Verlangen – Alexa Martini ermittelt«

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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Juni 2023

Dieses Buch erschien bereits 2003 unter dem Titel »Dann geh doch« bei Ullstein.

Copyright © der Originalausgabe 2003 by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG und der ungekürzten Taschenbuchausgabe 2005 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Sarema / shutterstock.com, vector_ann / shutterstock.com und Elena.Efremova / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-553-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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In diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Evelyn Holst

Gibt’s den auch in liebenswert?

Roman

dotbooks.

Wenn es sich dreht um Schurkerei,

Um Lug und Trug und Prellerei,

Fährt man am besten, meiner Treu,

Hat man ein schlaues Weib dabei.

Der Mann allein bringt nichts zustand.

Er kommt allein mit nichts zu Rand.

Carmen, 2. Akt

Kapitel 1

1. Juli, eine Minute vor Mitternacht

Ich könnte eine Bombe schmeißen. Oder mich vom Fernsehturm. Ich könnte heulen und ihn umbringen, und sie würde ich zu Hagenbecks Tierpark schleppen und den Löwen zum Fraß vorwerfen. Ich würde zusehen, wie sie sie in blutige Stücke zerfetzen, wie hungrige Löwenmäuler sie verschlingen. Schmatz und weg!

Ich stehe am Schlafzimmerfenster und beobachte, wie meine Gäste das Haus verlassen. Meine Tür ist verschlossen, ich reagiere nicht auf leises oder lautes Anklopfen. Ich will keinen sehen. Ihn am allerwenigsten. Klar hat er geklopft. Wie ein Verrückter. »Mach doch mal auf, Spätzeichen«, hat er gerufen. »Das Ganze ist ein saublödes Missverständnis. Lass es dir doch wenigstens erklären.«

Was gibt es da noch zu erklären? Es hat sich ausgespätzelt, ein für alle Mal. Er hat mich verletzt bis auf den Grund meiner Frauenseele, er hat mich bis auf die Knochen blamiert, und das ausgerechnet an meinem 49. Geburtstag. Nur noch ein Jahr bis zur alten Frau. Zur richtig alten Frau, für die das Gurgeln von Corega Tabs im Glas, der Nässeschutz für Senioren, die diskrete Hörhilfe in der Ohrmuschel in absehbarer Zeit keine Fremdwörter mehr sein würden.

Nie war ich deshalb empfindlicher als heute, nie hysterischer am Abgrund zur Vergänglichkeit, nie dichter mit einem Fuß im Grab, auch wenn dieser heute Morgen noch für teures Geld von einem Pedikeusen mit Weinrot bepinselt wurde.

Wir hatten unsere Freunde zur üblichen Geburtstagsparty eingeladen. Statt Geschenk ein gutes Fläschchen Wein, in meinem Alter hat man alles, jedenfalls im Wert bis zu dreißig Euro, denn teurer beschenken wir uns nicht.

Da wir viele Freunde haben, platzte unsere Dachwohnung nach zwei Stunden aus den Nähten, das Büfett war ratzekahl leer gefressen, der Alkohol so in Strömen geflossen, dass meine beiden Toiletten besetzt waren. Dauerbesetzt. Und ich musste dringend mal … ganz dringend! Superdringend! Alle amüsierten sich wie Bolle, ich litt wie Schweinchen. Bei jeder neuen Runde rüttelte ich vergebens an den Klotüren. Die Zeiten, wo sich unerlaubte Paare auf Partys einschlossen, um es in der Badewanne oder auf der Badematte zu treiben, waren doch vorbei, wir waren längst im Zeitalter der Bandscheibenvorfälle. Was war los mit meinen Gästen? Blasenschwäche? Prostata? Was auch immer, ich wurde langsam panisch.

Meine Gäste unterhielten sich königlich, während die Gastgeberin mit diskret verbrezelten Beinen in der Küche stand und neue Frikadellen aus dem Ofen holte. Nur Rind, kein Schweinefleisch, auch unsere Mägen waren empfindlicher geworden.

Mein Blick fiel auf den großen Dachbalkon, der leer und dunkel vor mir lag, denn der 1. Juli war, wie es sich für einen Hamburger Sommerabend gehört, kalt und ungemütlich. Ich entbrezelte meine Beine, schob eine neue Ladung Frikadellen in den Ofen und ging auf den Balkon.

Dass sich in diesem Moment mein Leben radikal und unwiderruflich ändern würde, ahnte ich natürlich nicht. So was weiß man ja selten vorher. Die weibliche Seele hat kein Frühwarnsystem. Jedenfalls meine nicht. Achtung, Achtung ‒ in dieser Sekunde passiert es!

Außerdem war ich viel zu glücklich verheiratet und viel zu sehr mit meiner unangenehm vollen Blase beschäftigt. Da ich eine geübte Draußenpinklerin bin, wusste ich, dass es ratzfatz gehen würde. Hinter die Riesentöpfe mit den Hortensienbüschen, Rock und Slip runter … erleichtert alles wieder hochgezogen … Und dann passiert es.

Ich sitze hinter unseren verregneten Hortensienbüschen, ab Taille südwärts nackt wie ein Breitmaulfrosch, als ich Guidos Schuhe sehe. Seine braunen, ungarischen, handgenähten Schuhe, die ich noch an diesem Morgen eigenhändig und liebevoll blank gewienert habe. Er ist Zahnarzt mit Schwerpunkt Implantologie, und ich mag es, wenn er schick in Schale ist. Ich mag überhaupt den ganzen Mann. Immer noch. Obwohl ich schon ungefähr eine Million Mal mit ihm geschlafen habe. Meistens sogar richtig gern, was auch die Ausnahme ist, wie ich von anderen Frauen weiß, die ihre Männer horizontal nur ertragen können, wenn sie die Augen schließen und sich jemand anders vorstellen. Brad Pitt, George Clooney, Sebastian Koch. Ich dagegen hab mir immer nur Guido vorgestellt. Okay, okay, manchmal sah er ein bisschen wie Heiner Lauterbach aus, aber nur manchmal.

Seine Schuhe stehen jetzt einen Meter von mir entfernt auf der anderen Buschseite, und vor ihm steht Jenna, die beste Freundin meiner Tochter Lilly. Ich erkenne sie an ihren Pumps, knallrot, messerscharfe Absätze. Ansonsten ein reizendes Mädchen. Meine Blase drückt wie Hölle, aber jetzt ist Zurückhaltung angesagt. Schließlich kann ich meinen Liebsten nicht derartig blamieren. Tief durchatmen. Die Blase ist nie so voll, wie man denkt, hat meine Gynäkologin gesagt, sie hat immer noch ein bisschen Platz.

Ich schaue zum Terrassenfenster und sehe meine Gäste mit erhobenen Gläsern und offenen Mündern. Sie singen »Happy Birthday« ‒ ohne mich.

Nie war ich weniger happy.

»Ist es schlimm für dich?« Jennas Stimme. Was soll schlimm sein? Meine zugegeben etwas versalzenen Frikadellen? Seine dringend notwendige Kariesbehandlung, die er seit Monaten vor sich herschiebt, weil er sie keinem Kollegen schmerzfrei zutraut? Keiner bohrt so zart wie ich, sagt er und hält sich die Wange. Kein Wunder, wenn er Zahnseide ablehnt, weil er die zu unmännlich. Aus demselben Grund lehnt er auch Sitzpinkeln für Männer und das Tragen von Einkaufstaschen ab.

Was also dann? Eine ab heute neunundvierzigjährige Ehefrau, die ihm jede Nacht die Nase zuhält, wenn er wieder anfängt, den gesamten Regenwald von Hamburg-Eppendorf klein zu sägen? Was?

»Komm, lass uns wieder reingehen«, die Stimme von Guido Danziger, dem Mann, mit dem ich mich seit vierundzwanzig Jahren um die untere Brötchenhälfte streite ‒ und meistens gewinne. Mit dem ich eine dreiundzwanzigjährige Tochter Lilly und einen zehnjährigen Sohn Bruno habe.

Ich heiße übrigens Nora, aber mein Leben ist keine Puppenstube, eher eine Rumpelkammer. Diesen müden Scherz mache ich immer, bevor ihn jemand anders macht. Und ich bin so blond, wie ich will, und dicker, als mir lieb ist.

»Du musst es ihr endlich sagen!« Wieder Jennas Stimme, als ich mich gerade lässig erheben und mit einem »Und ich war mir so sicher, dass meine Ohrringe hier…« aus den Büschen auftauchen wollte. »Ich kann es nicht«, das war Guidos Stimme, und sie klang so unvermutet verzweifelt, dass ich wieder in meine Froschposition zurücksank. Mein Herz fing ganz unangenehm zu klopfen an. So hatte er zuletzt geklungen, als er nach einer sehr feuchten Party die Nacht mit einem Nümmerchen beschließen wollte und keine Tinte auf den Füller kriegte. Ich kann es nicht, Spätzeichen! WAS konnte er nicht?

»Wir sind seit vierundzwanzig Jahren verheiratet, wir haben zwei Kinder …«

»Aber du schläfst doch schon seit Jahren nicht mehr mit ihr.«

Wie bitte? Und was war an diesem verregneten Samstagnachmittag vor zwei Tagen, als Bruno bei seinem Freund war und du auf dem Sofa vor Eurosport eingeschlafen warst und ich … zugegeben, es war nicht die heißeste aller Nummern, aber es WAR eindeutig eine. Eindeutig!

»Ich kann es trotzdem nicht, mein Schatz. So gern ich auch möchte.« Danach Stille. Ich hielt Luft und Blase gleichzeitig an. Kein schönes Gefühl.

War alles nur ein schlechter Scherz, übten sie vielleicht für einen kleinen, launigen Sketch? Thema: Wie treibe ich das Geburtstagskind in einen frühen Herzinfarkt?

Ich musste hier jedenfalls weg, ich hielt die verdammte Hockerei nicht mehr aus. Meine Knie schmerzten, meine Blase klopfte, das war nicht vorgesehen an meinem Geburtstag. Eigentlich sollte ich ja gefeiert werden. Doch dann kam der Höhepunkt.

»Du kannst alles, mein Schatz«, wieder ihre Stimme. Von der netten Jenna, die ich kenne, seit sie mit Lilly in unserer Sandkiste gespielt hat. Die Guido selbst gebaut hatte. Wie oft hatte sie auf meinem Schoß gesessen. Wie oft hatte sie auf SEINEM Schoß gesessen!

Und dann knackte es richtig laut, und die beiden sanken zu Boden, ächzend und keuchend. Ich kauerte daneben, nur durch einen Hortensienbusch verborgen, und hörte alles mit. Das Ratschen seines Reißverschlusses, sein »Oh Baby, das tut so gut«, und dann flog mir ein BH an den Kopf. Ein roter Push-up, den ich, ohne darüber nachzudenken, in den weichen Boden drückte.

Ich fühlte Mord in meinem Blut. Ich fühlte Erwürgen in meinen Händen. Meine Blase war vergessen. Mit einem lauten »Störe ich?« zog ich mit einem Ruck sowohl Slip als auch Rock hoch und baute mich vor ihnen auf. Mein Herz klopfte so wild, dass ich schützend meine Hand davor halten musste, damit es nicht auf den Boden plumpste.

Das Gerechte ist, dass Leute, die beim Fremdgehen erwischt werden, immer bescheuert aussehen. Entweder sind sie nackt oder ihre Klamotten hängen halb ausgezogen an ihnen herunter, ihre Gesichter sind erschrocken und blöd. Und sie sind total im Unrecht. Alles, was sie sagen oder tun, macht es nur noch schlimmer.

In einem winzigen Hinterkämmerchen meines überhitzten Gehirns genoss ich ihren Anblick wie einen unerwarteten Adrenalinstoß. Guidos Hose (die natürlich ich gebügelt hatte, mit diesem viel gepriesenen neuen Pfirsichduft) knitterte in Kniehöhe, seine Boxershorts (Geschenk zum 22. Hochzeitstag!), knitterten darüber. Sein Penis, den ich in zärtlicheren Momenten als diesem gern »Otto« nannte, hing schlaff wie Rübenblätter. »Mäuselchen«, krächzte Ottos Herrchen, »wieso bist du nicht bei den Gästen?« Er wollte aufstehen, mit einem kräftigen Tritt hinderte ich ihn daran.

Jenna war wie ein Blitz in der Wohnung verschwunden, mein Gatte, der ihr sicher am liebsten gefolgt wäre, lag vor mir, ein weißes, weiches, weidwundes Tier. Seit vierundzwanzig Jahren mein Tier. Hatte ich jedenfalls geglaubt. Mein Hirn weigerte sich, dieses absolut klägliche Bild aufzunehmen und zu verarbeiten. Ich unterdrückte den Impuls, kurz und fies mit meinem spitzen Absatz Otto platt zu drücken. »Steh auf, du Wurm«, sagte ich und hörte meiner fremden Stimme wie aus weiter Ferne zu. »In zehn Minuten bist du verschwunden. Ich kann deinen Anblick nicht ertragen.«

»Lass dir doch erklä…«, stammelte er, aber ich hatte mich bereits umgedreht und ging auf unsere hell erleuchtete Wohnung zu. Ich stolperte, stieß mir das rechte Knie auf, stand wieder auf. Alles wie ferngesteuert. Dies war ein Traum. Ein Scheißtraum. Als ich die Terrassentür zur Seite schob, fühlte ich zwei heiße Männerhände um meine Taille. Ich drehte mich blitzschnell um, hob dabei meinen rechten Ellenbogen, um ihn Guido ‒ mir war inzwischen alles egal ‒ in die Weichteile zu rammen, aber es war Michael, sein bester Freund.

»Ich hab dir noch gar nicht gratuliert«, nuschelte er, mit Sicherheit hatte er sein Geburtstagsgeschenk, drei Flaschen Rotwein aus Chile, selbst ausgetrunken.

»Dann tu es jetzt«, sagte ich, küsste ihn mitten auf den Mund und steckte ihm meine Zunge bis zum Zäpfchen hinein, nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber er sah zu Tode erschrocken aus. Ich war wie wahnsinnig, und ich genoss diesen Wahnsinn. Ich ahnte noch nicht, wie sich das Elend anfühlen würde, das diesem Wahnsinn auf dem Fuße folgen musste.

Ich klatschte in die Hände: »Die Party ist zu Ende! Ihr könnt alle nach Hause gehen!«

Kapitel 2

2. Juli, 2.17 Uhr

Ich stehe in meiner Küche und räume die Geschirrspülmaschine aus. Die Gäste sind gegangen. Guido ist auch weg. Keine Ahnung, wo er steckt. Bei ihr? Sie wohnt noch bei ihren Eltern. In seiner Praxis? Unter einer Brücke? Vielleicht ist er schon erfroren. Es ist kalt in dieser Nacht.

Mein Herz ist ein harter Muskel, ich fühle nichts. Gar nichts. Damit das so bleibt, habe ich mir in der Nachtapotheke eine Packung Nervenruh-Beruhigungsdragees gekauft und gleich fünf Tabletten auf einmal geschluckt.

Bruno schläft tief und fest, ich habe ihn in mein Bett geschleppt, weil ich seine Wärme brauche. Morgen werde ich eine überraschende Dienstreise für Guido erfinden müssen, denn ich weiß einfach nicht, wie ich meinem Sohn die Dinge erklären soll. Zum Glück ist Lilly in Berlin, weil sie einem wilden Maler gefolgt ist, von dem sie seit zwei Monaten besessen ist. So besessen, dass sie sogar den neunundvierzigsten Geburtstag ihrer Mutter vergessen hat. Gestern Morgen war ich beleidigt, jetzt bin ich froh, denn sie würde ausflippen, wenn sie wüsste, dass Daddy Dearest ihrer besten Freundin seinen Otto zeigt.

An einem Teller kleben noch Frikadellenreste. Vor mir steht eine Schüssel mit Kartoffelsalat, angemacht mit Öl, Essig und Honigsenf, Guidos Lieblingsrezept. Ich greife mit den Fingern nach einer öligen Scheibe, denn obwohl mein Leben in Scherben vor mir liegt, knurrt mein Magen. Ich esse den gesamten Rest. Er schmeckt leicht ranzig. Meine Blase, die mich sonst in Abständen von zehn Minuten an ihr Vorhandensein erinnert, sagt keinen Piep. Offensichtlich hat sie unsere nächtliche Begegnung zu Tode erschreckt.

Ich betrete unser Schlafzimmer und lege mich mit ungeputzten Zähnen ins Bett. Eine dentale Todsünde, aber mein Dentist ist ja nicht da. Ich möchte sofort einschlafen und erst wieder aufwachen, wenn alles in Ordnung ist.

Kapitel 3

2. Juli, 3.43 Uhr

Kurz eingenickt, dann wieder hochgeschreckt. Wirre Träume. Mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer. Davon bin ich wach geworden, und alles stand mir wieder vor Am gen!

Ich hab zur Seite getastet, der warme Körper täuschte mich sekundenlang, dann drehte Bruno sich um, und alles war wieder da! Vorsichtig ziehe ich Guidos Kopfkissen unter meinem Sohn hervor und schnüffele daran. Guidos Geruch ist intensiv. Tabak, Schweiß, Rasierwasser. Halte seinen Geruch nicht aus. Stehe auf. Mein Herz fühlt sich bleischwer an. Wusste nicht, dass man sein Herz so spüren kann. Fühlt sich so ein Infarkt an, ein Eheinfarkt?

Sitze im Bademantel auf der Dachterrasse, rauche und werde die verdammten Bilder nicht los. Sitze wieder vor dem Busch und kann nicht pinkeln, während mein Mann auf der anderen Seite die Freundin seiner Tochter vögelt. Fast vögelt. Genug vögelt, um mich trotz meiner Todmüdigkeit wieder hellwach zu machen.

Warum, warum, warum? WARUM, VERDAMMT?

Weil ich ihn nie mit einem Blowjob geweckt habe, obwohl er mir oft genug erzählt hat, dass dies der Wunschtraum aller Männer ist? Weil ich ihn nie nackt unterm Pelzmantel an der Wohnungstür empfangen habe? Dein Regenmantel würde auch reichen, hat er immer gesagt. Weil wir nie einen Dreier hatten? Nie in einen Swingerclub gegangen sind? Ich nie sein Rotkäppchen und er nie mein böser Wolf war?

Ich gehe ins Bad und betrachte mich im Spiegel. Sehe absolut beschissen aus. Muss an die Hexe Rabia aus Bibi Blocksberg denken, die zu ihrer Hexenfeindin sagt: »In diesem Licht siehst du wesentlich älter aus als hundertfünf.«

Kapitel 4

2. Juli, 5.00 Uhr

Sitze vor dem Fernseher, was ich um diese Zeit noch nie gemacht habe. Vorher habe ich einen roten Push-up-BH aus dem Matsch gegraben und sofort in den Mülleimer geschmissen. Will nicht, dass er meine Pflanzen überdüngt. Eine Talkshow-Wiederholung. Thema: Warum alte Männer junge Frauen lieben. Schalte aus. Zu dicht dran an meinem Leben.

Wandere in meiner Wohnung umher. Alles ist unverändert und doch irgendwie fremd. So als habe Guido sein Betrugsgift über alles gesprüht.

Denke trübe Gedanken. Warum gehen Männer fremd? Und warum immer mit jüngeren Frauen? Der alte Mann und die blutjunge Meerjungfrau. Erste Ehe zwei Jahre, zweite Ehe zwanzig Jahre, dritte Ehe dreißig Jahre jünger, vierte Ehe ‒ jugendlicher Greis heiratet die weibliche Eizelle. Johannes Heesters fällt mir ein. Irgendwo hab ich gelesen, dass seine Ehefrau Simone Rethel sich in ihn verliebt hat, als sie zwölf und er sechzig gewesen ist. »Reife Männer geben mir einfach mehr«, hat sie gesagt. Und er: »Die Natur hat das so gewollt. Außerdem altert der Mann halt wesentlich langsamer und attraktiver als die Frau.«

Leider hat er ja irgendwie Recht. Sind Sky du Mont oder Udo Jürgens mit einer gleichaltrigen Frau überhaupt vorstellbar? Und dann schlummert in jedem Mann, auch wenn der Sargdeckel schon zuklappt, noch immer der biologische Urinstinkt nach Fortpflanzung. Wie sagt meine alte Freundin Karina immer so schön? Saurer Wein in alten, brüchigen Schläuchen braucht die lebenslängliche Dosis von immer jüngeren Eisprüngen. Ist das nicht wunderbar formuliert?

Karina ist mit zweiunddreißig mal von einem Fünfundachtzigjährigen stehend am Schreibtisch vernascht worden. Kurz darauf ist der Lustgreis gestorben, aber immerhin. Kann mir nicht vorstellen, mit fünfundachtzig noch Lust auf Sex zu haben. Und wenn, dann will ich dabei liegen.

Der Tag graut, mein Leben gräuelt.

Ich trinke kalt gewordenen Kaffee, stelle meinen Computer an, gehe ins Internet, suche unter »Mann, Wechseljahre«. Bingo!

Der Mann, das starke Geschlecht, stirbt im Durchschnitt sieben Jahre früher als wir. Wer also einen Gleichaltrigen heiratet, tanzt im Altersheim mit alten Frauen.

Ein Jüngerer dagegen schiebt unseren Rollstuhl Wenn wir ihn in unserem Testament bedenken.

Männer kommen, genau wie wir, in die Wechseljahre, die bei ihnen Andropause heißen, was auch nicht besser klingt. Dabei sinkt die männliche Hormonproduktion um ein Drittel, der Schwellkörper im Penis schrumpft, die Libido wird schlapp, die Muskelmasse verringert sich. Dieses Geschrei, wenn’s mal nicht klappt! Einmal keinen Orgasmus gehabt, schon geht die Welt unter!

Also Guido einmal nicht konnte … Aber das kam wirklich selten vor. Ich will jetzt nicht an Guido denken. Sonst geht’s mir noch schlechter.

Ich will an das männliche Alterselend mit der Pinkelei denken. Da hilft auch kein Granufink mehr. Das liegt am Prostata-Adenom, informiert mich das Internet, ha! Mehr als die Hälfte aller Männer über fünfzig erwischt es. Dabei vergrößert sich die Vorsteherdrüse, was an der Wucherung des die Prostata umgebenden Gewebes liegt.

Da freut sich die dreiundzwanzigjährige Lolita, wenn sie das liest, was? Dann lies ruhig weiter, Jenna, du dümmste aller Butzen, die du glaubst, mit meinem Mann den Platzhirsch geködert zu haben, du wirst dich noch wundern! Denn dieses Gewebe umschließt die Prostata wie ein fieser Ring, die Harnröhre wird eingequetscht, aus dem Strahl wird ein Strählchen. Auf zum Urologen, mein Liebster. Der dann mit einer elektrischen Darmschlinge das Wuchergewebe aus der Prostatakapsel herausschält.

Das wäre so ein Moment, wo du, auf der Krankenliege kauernd, die Arzthelferin, deren knackige Formen sich so appetitlich unter dem Schwesternkittel abzeichnen, lüstern fragen könntest: »Kann ich Sie nach Dienstschluss abholen? Meine Frau ist leider ganz überraschend verstorben.«

Dann sitzt du mit deiner Krankenschwester in einer schummrigen Bar, hoffst, dass Mutti zu Hause keinen Verdacht schöpft, und überziehst dein Taschengeld für den teuren Champagner. »Du bist eine ganz …«, flüsterst du ihr ins Ohr, da zwickt es dich plötzlich teuflisch im Schritt. Der Einmalkatheder muss ausgewechselt werden! Zum Glück ist sie ja Krankenschwester. »Würdest du mich bitte auf die Herrentoilette begleiten?«, fragst du. Aber gerne doch, wird sie sagen, weil sie so scharf auf deinen schlaffen Altmännerkörper ist, aber falls sie auf die unselige Idee kommt, mit dir die Nacht zu verbringen ‒ Bluthochdruck! Herzinfarkt! Wohin mit der Leiche?

Mein neues Lebensjahr fängt so richtig gut an. Mit toten Männern und wuchernden Prostatakapseln. Der alte Witz fällt mir ein. Was ist ein Mann in Salzsäure? Ein gelöstes Problem.

Mein Problem: Wo kriege ich Salzsäure her?

Kapitel 5

2. Juli, 6.01 Uhr

Bruno schläft noch, ich werfe einen Blick auf den blinkenden Anrufbeantworter. Acht Anrufe. Die Zahl verschafft mir eine gewisse Befriedigung. Ich weiß, dass es Guido ist. Er liegt also nicht in den Armen einer ehebrecherischen Dreiundzwanzigjährigen, es sei denn, er liegt neben ihr und telefoniert dabei. Oder auf ihr und … Aber so einer ist er nicht. War er zumindest nicht.

Ich höre die Nachrichten ab. Ich hatte Recht.

Hallo, ich bin’s, bitte geh doch mal… schlurp. Nächste. Ich bin’s noch mal… schlurp.

Mensch, Nora, ich weiß doch, dass du da … schlurp. Würdest du dich bitte wie eine erwachsene Frau … schlurp.

Darf ich dich daran erinnern, wer die Wohnung bezahlt, aus der du mich … schlurp.

Nora, bitte, lass uns die ganze Sache doch vergessen. Ich liebe dich doch.

Nora, bitte, lass … schlurp.

Nora, bitte, lass uns die ganze Sache doch … SCHLURP. VERDAMMT.

Kapitel 6

2. Juli, 7.05 Uhr

Ich ziehe gerade Bruno den zweiten Teller CiniMinis weg, weil er langsam eine kleine Plauze bekommt, als ich Guidos Schlüssel in der Tür höre. Ohne Vorwarnung fängt mein Herz wie verrückt an zu rasen. Wann hat es das letzte Mal bei ihm so derartig gerast?

Ich weiß leider, wann. Als ich vierzehn und er siebzehn war und mich auf dem Abtanzball mit den Worten abklatschte: »Du bist leider das schönste Mädchen hier.« Wieso leider, hab ich gefragt, und dann hat er den Satz gesagt, der mein Schicksal besiegelte: »Weil ich mich in dich verlieben werde.« Drei Stunden später hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben eine männliche Zunge im Mund. Ich weiß noch, wie sie schwer und nass auf meiner lag und ich zuerst nicht wusste, was ich mit ihr machen sollte ‒ meine einfach liegen lassen oder lässig um seine herumwickeln?

»Bin ich dein Erster?«, hat er geflüstert und gelacht, als ich protestierte.

Danach ging er als Austauschschüler nach Amerika, und ich verging vor Liebeskummer. Als wir uns Jahre später wiedertrafen, wusste ich natürlich, wie man küsste.

Ach ja. Einmal zur falschen Zeit fast hinter einen Hortensienbusch gepinkelt, schon bin ich wieder vierzehn. Schon hab ich wieder klamme Hände.

»Papa«, kreischt Bruno und rast zur Tür. »Bist du von deiner Reise schon zurück?«, höre ich meinen Sohn im Flur. Hätte ich ihn nicht so lieb, würde ich ihn jetzt unangespitzt ins Klo stopfen. Er verschafft Guido einen völlig unverdienten Heimvorteil. Aber woher soll der arme Junge auch wissen, dass es sein Vater hinter unseren Hortensienbüschen treibt?

»Hallo, mein Schatz«, ich rieche Guido, bevor ich mich zu ihm umdrehe. Er riecht anders als sonst. Heftiger. Warum hat er so viel Aftershave aufgelegt? Was übertüncht er damit? Die Spuren der letzten Nacht? Seine Angst? Will er eine Verzeih-mir-Duftmarke setzen?

Er sieht völlig unverändert aus. Sein ärgerlich jungenhaftes zweiundfünfzigjähriges Gesicht ist rosig, sein Kinn rasiert, nur seine Augäpfel haben einen Stich ins Rotgelbliche wie immer, wenn er zu viel getrunken hat. Ich habe ihn noch nie so gehasst. Ich habe ihn noch nie so geliebt.

Er lächelt mich an: »Eins der vielen Bierchen war wohl schlecht, Mäuselchen, stimmt’s? Krieg ich bitte auch einen Kaffee? Du siehst übrigens zum Anbeißen aus.« Seine Stimme klingt so friedlich kleinjungenhaft, die Sonne scheint so fröhlich durchs Küchenfenster, Bruno sitzt bei Papa auf dem Schoß, meine Welt ist so verdammt Rama, dass ich ganz automatisch aufstehe, Kaffeebecher, Teller und Messer hole und ihm einschenke.

»Wo warst du diese Nacht?« Diese Frage kann ich mir nicht verkneifen.

»In einem billigen Hotel am Hauptbahnhof«, sagt er. »Es war ganz grauenhaft ohne dich.«

Es gibt keine Hortensienbüsche auf meiner Dachterrasse. Ich habe sie mir eingebildet. In meinen Blumenkübeln wachsen nur Radieschen. Ich bin auch nicht neunundvierzig geworden. Höchstens fünfunddreißig. Und Guido ist der wunderbarste Ehemann der Welt.

Zehn Minuten später stehe ich an der offenen Tür, gebe Bruno einen Mamakuss und sein Lunchpaket, gebe Guido einen Ehefrauenkuss und einen Apfel. Wie jeden Morgen.

Ich setze mich wieder an den Küchentisch und lese die Morgenzeitung bei meiner bestimmt hundertsten Tasse Kaffee. Meine Seele weiß noch nicht, dass alles wieder in Ordnung ist, mein Magen rebelliert situationsangemessen, aber ich ignoriere ihn. »Jede zweite Ehe in Deutschland wird geschieden«, steht auf der ersten Seite. Und auf der letzten erzählt Uschi Glas, wie gut es ihr ohne ihren Betrügermann geht, der sie wegen einer blonden Wurstverkäuferin verlassen hat. »Ich bin keine Frau, die sich von einem Mann betrügen lässt. Wer das tut, auf den kann ich gut verzichten.« Recht hat sie, die Uschi!

Die Zeilen verschwimmen vor meinen Augen, und auf einmal herrscht unerträgliche Klarheit. Ich bin von meinem Mann betrogen worden. Verschärft betrogen worden. Er hat sich nicht diskret auf einer Dienstreise vergnügt, sondern in meinem Zuhause, auf meiner Geburtstagsfeier, mit der Freundin meiner Tochter.

Die Wucht dieser Klarheit schnürt mir die Luft ab. Mein bisheriges Leben, angenehm überschaubar, okay, einen Tick langweilig, aber ich wollte mit niemandem tauschen, dieses Leben ist vorbei. Kaputt. Es liegt totgetrampelt hinter einem Hortensienbusch. Und ich muss mich irgendwie dazu verhalten. Aber wie?

Die Vorstellung, dass ich mir alles nur eingebildet habe ‒ vielleicht hat mir Udo, der alte Noch-immer-Kiffer, ein bisschen Hasch in den Drink zerbröselt ‒, löst sich unwiderruflich in Luft auf. Letzte, verzweifelte Gedanken. Guido ist doch gar nicht der Typ, der so was macht, in der Horizontalen, brutal ehrlich betrachtet, ist er eher ein bisschen vorhersehbar und einfallslos. Für dich hat’s gereicht, Nora. Stimmt. Für mich hat’s gereicht. Vierundzwanzig Jahre lang. Und jetzt reiche ICH ihm nicht mehr.

Das Telefon klingelt. Ich weiß, was er will. Versöhnungstaktik, zweiter Schritt. Einladung in ein romantisches Restaurant. Ich werde die Einladung annehmen. Was immer passiert sein mag, ist Schnee von gestern. Ich bin eine Frau, die verzeihen kann.

»Hallo«, hauche ich mit tief gepresster Stimme, die normalerweise leider etwas zu hoch ist.

»Hier ist Jenna.« Meine Stimmung stürzt ab, ihre Stimme krampft sich um mein Herz wie eine eiskalte Hand. Mein Herz klopft unangenehm.

»Was willst du?« Stimme vor Schreck noch viel zu freundlich.

»Ich wollte dir nur sagen, dass ich Guido liebe und er mich auch und du nichts daran ändern kannst. Ich bin sehr glücklich mit ihm.«

Klick, aufgelegt.

Kapitel 7

2. Juli, vormittags

Bin zu nichts imstande, als zu rauchen und Kaffee zu trinken. Bin eine offene Wunde, in die jemand permanent Pfeffer streut. Cayenne.

Karina hat angerufen, sie weiß noch nichts von meiner Krise, wollte nur ahnungslos die Party durchhecheln. Karina ist erfolgreiche Autorin von Anti-Age-, Wellness- und Beziehungsbüchern, privat geplagt von einer panischen Angst vor dem Altern, zweimal geschieden, keine Kinder, eine Katze, kein Dauerlover, noch nicht mal ein verheirateter, was sie wahnsinnig macht. Ich kenne keine Frau unseres Alters ‒ sie ist siebenundvierzig ‒ die noch so dauerbrünstig ist wie sie. Manchmal wacht sie nachts auf und beißt ins Kopfkissen, weil sie keinen Kerl im Bett hat. Nur leider ist das Angebot an paarungswilligen heterosexuellen Männern passenden Alters äußerst dünn. Also hat Karina zu wenig Sex und ist auf Permapirsch.

»Du kennst auch keine anständigen Kerle mehr«, fing unser Gespräch auch diesmal an, »laut Statistik sind 53 Prozent aller Singles männlich, ja wo sind sie denn? Die können doch nicht alle schwul geworden sein?« Ich lauschte ihren Ergüssen, während ich überlegte, ob ich sie einweihen soll. Doch etwas in mir sträubte sich dagegen. Ihre vermutete Schadenfreude? »Siehst du, deiner auch«, würde sie begeistert kreischen. »Zeig mir einen Ehemann, und ich zeig dir einen Fremdgänger.« Keine Worte, die ich jetzt hören will. Was will ich stattdessen hören? »Hinterm Hortensienbusch gevögelt? Das machen sie doch alle in dem Alter. Das ist wie ein Mückenstich. Mach dir nichts draus.« Genau das will ich hören.

»Ist denn dieser Jochen endlich von seiner Schreckensfrau geschieden?«, fragte Karina. Jochen ist Guidos Kollege, spezialisiert auf Prominentengebisse und die Frauen anderer Männer. Karina hat ihn vor Jahren in unserer Besenkammer vernascht und würde dies gern wieder tun, obwohl inzwischen meine Tiefkühltruhe darin steht.

»Jochen? Seit drei Monaten«, antwortete ich.

»Und warum weiß ich so was nicht?«, rief sie.

»Weil er bereits eine neue Freundin hat«, dämpfte ich ihren Enthusiasmus.

»Wie alt?« Ich seufzte.

»Könnte unsere Tochter sein«, sagte ich dann. Wir schwiegen eine Sekunde, das solidarische Schweigen zweier Freundinnen, die auf dem freien Markt vermutlich nur noch für einen Neunzigjährigen sexuell in Frage kämen. Wenn nicht Anna Nicole Smith oder Simone Rethel dazwischenfunken würden. Also nur noch für hundertjährige auf Viagra.

»Und, was macht dein Liebesleben?«, fragte Karina. »Hat er zum Geburtstag einen hochgekriegt oder zumindest eine rote Schleife drumgewickelt?« Es interessierte sie nicht wirklich, zumal sie davon ausging, dass mein eheliches Nachrichtenbulletin sowieso langweilig ausfallen würde, denn ich stellte aus weiblicher Solidarität meine ehelichen Aktivitäten schon seit Jahren drastisch unter den Scheffel (»langweilig wie eine Wanderdüne, meine Süße, kein Grund, mich zu beneiden«). Gerade holte ich tief Luft, um sie trotz allem einzuweihen … »Also, was Guido angeht…« Da sagte sie: »Sweetie, ich muss aufhören, mein Lektor ist im Anmarsch. Wir gehen die Fahnen für Altem ohne Stress durch, vorher muss ich mir noch eine Botoxspritze in die Stirn drücken lassen, die letzte ist schon wieder vertrocknet. Bye-bye.«

Ich lege den Hörer auf die Gabel und stecke mir eine neue Zigarette an. Drei Tage vor meinem neunundvierzigsten Geburtstag hatte ich eigentlich zum 456. Mal aufgehört, um mein drohendes sechstes Lebensjahrzehnt rauchfrei zu begehen, aber die Ereignisse sprechen dagegen. Ohne Nikotin würde ich jetzt aus dem Fenster springen, damit wäre auch keinem gedient.

Das Telefon. Mein Herz rast. Ich halte meine Hand darauf, um es zu beruhigen. »Danzi…«, nach dem i muss ich mir einen Kloß wegräuspern, »Danziger.«

»Hallo, mein Schatz, ich bin’s«, er klingt so verdammt normal, es ist nicht auszuhalten. »Hallo«, sage ich, mehr fällt mir nicht ein.

»Wollen wir beide heute mal ganz alleine essen gehen?«, fragt er. »Mein nachträgliches Geburtstagsgeschenk. Such dir ein schönes Restaurant aus. Was richtig Romantisches. Kann auch ruhig ein paar Euro mehr kosten.«

Kapitel 8

3. Juli, zwischen Nacht und Morgen

Guido liegt wieder neben mir, ganz selbstverständlich, so als wäre nichts passiert. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll. Ich traue meinen Gefühlen nicht mehr. Wir haben miteinander geschlafen, und es war fast so aufregend wie in unserer Anfangszeit. Als er mich nur ansehen musste und ich davon bereits feuchte Schenkelinnenseiten bekam. Als ein Kuss ausreichte, um einen Orgasmus anzukündigen, der von den Fußspitzen hoch, immer höher bis zwischen meine Beine stieg, um dann minutenlang zu explodieren. Gute alte Zeit. Wieso muss immer erst ein Drama passieren, bevor der Sex wieder richtig aufregend wird?

Wir sind ein so eingespieltes Team, dass Guido meistens die richtigen Knöpfe drückt, und wenn nicht, habe ich jede Menge vorgetäuschter Orgasmustöne parat. Nach unserem romantischen Dinner im »Le Canard«, bei dem er mir versichert hatte, dass Jenna sich »krankhaft auf ihn fixiert« und er, ja, das gäbe er zerknirscht zu, dieses eine einzige Mal hinterm Hortensienbusch nachgegeben habe. »Aber nur dieses eine Mal, ehrlich, Mäuschen, nach vierundzwanzig Ehejahren ein Fehltritt, davon träumen doch andere Frauen, oder?«, stand Otto bereits Gewehr bei Fuß, als wir das Schlafzimmer betraten. So als wolle er sich für das Verhalten seines Herrchens entschuldigen. Und dafür, dass er die letzten Male bei mir gelegentlich, nun ja, einen Tick, nun ja, eingeknickt war. Es hatte Guido mehr beunruhigt als mich. Dass Männer immer so empfindlich sind!

Alles, was mir in der Situation nach einer Stunde Handarbeit als Trost einfiel, war verkehrt gewesen. Macht doch nichts, Schatz, so was passiert halt in deinem Alter. Wir können ja auch kuscheln. Oder den Spätfilm sehen. Mein Handgelenk tut tierisch weh, aber das hab ich gern für dich getan, ehrlich. Ich hatte sowieso keine richtige Lust.

War das vielleicht der Grund? Suchte Otto eine jüngere, lustvollere Höhle? Hör auf, Nora. Mach dich nicht kleiner, als du bist. Du bist eh nur 1,68 Meter. Und Otto ist weiß Gott auch nicht der Größte. Von seiner kleinen Linkskurve ganz zu schweigen. Doch in dieser Nacht lief Otto zu Höchstform auf.

Mein Orgasmus, auf einer Skala von eins bis zehn, war eine Sieben plus, und er machte mich so friedlich, dass ich hinterher sofort einschlief.

Alles ist wieder gut. Nur den Hortensienbusch muss ich leider abholzen.

Kapitel 9

3. Juli, immer noch

Ich wache auf, weil ich pinkeln muss. Keine altersbedingte, nur eine angeborene Schwäche. Die Frauen in meiner Familie müssen ständig aufs Klo. Meine Oma hat als Bäuerin einfach die Kartoffeln gesprenkelt, meine Mutter meinen Vater verrückt gemacht, weil sie bei jeder Autofahrt spätestens nach der ersten Abfahrt »Günther, also ich könnte schon wieder« sagte. Und auch Lilly ist von der schwachen Familienblase nicht verschont geblieben.

Ich knipse die Nachttischlampe an und betrachte ihn. Meinen Ehemann, der von einer moralfreien, kleinbrüstigen Tussi begehrt wird. Vermutlich mehr begehrt als von seiner doppelt so alten Ehefrau. Was findet sie an ihm?

Okay, er sieht nicht schlecht aus für sein Alter, Haare noch fast alle dran, Alterstitten halten sich in Grenzen und gehen bei günstigem Licht sogar als Muckies durch. Auch sein Restkörper ist noch durchaus appetitlich. Wäre meiner auch noch appetitlich genug für einen moralfreien männlichen Schlawiner? Vielleicht sollte ich es einfach mal ausprobieren.

Manchmal frage ich mich, warum wir Frauen so verrückt auf die Ehe sind. Was genau sind eigentlich die Vorteile? Immer griffbereiter Sex? Theoretisch ja. Wenn sie nicht bereits beim Zähneputzen eingeschlafen sind und man mit Schaum im Mund vor ihnen steht. Interessante Gespräche? Na ja, mit Einschränkungen. Dass Karina mehr über mich weiß als Guido, zum Beispiel an welcher Stelle von Vom Winde verweht ich jedes Mal sehnsüchtig seufze, da nämlich, wo Rhett Butler Scarlett die dunkle Samttreppe hochträgt, halte ich für normal. Schließlich ist sie meine beste Freundin, Guido ist bloß mein Mann.

Warum Ehe? Der Versorgung wegen? Schon eher. Meine Karriere, falls man dieses Wort benutzen möchte, ist leider unbeeindruckend. Als Lilly sich ankündigte, habe ich mein Studium (Archäologie und Sport) abgebrochen und nie wieder die Kurve gekriegt. Als Bruno im Kindergarten war, blieb ich irgendwie bei Karstadt hängen, vermutlich, weil ich so viel Zeit in der Spielwarenabteilung verbrachte. Jetzt arbeite ich dort im Restaurant, wo ich drei Tage die Woche die Oberaufsicht über die Kellner und Kellnerinnen habe. Ein Job, der mir Spaß macht und im Monat knapp tausend Euro bringt. Nicht direkt üppig, wenn ich also Guido nicht hätte, würde ich in einer stinkigen Einzimmerwohnung hausen.

Ich bin finanziell von ihm abhängig, und zwar verschärft, das ist die traurige Wahrheit. Ich beschließe, mir morgen als Erstes ein Los von der Glücksspirale zu kaufen. Vielleicht gewinne ich ja endlich die lebenslange Sofortrente von sechstausend Euro im Monat. Ich gehe aufs Klo und sehe beim Pinkeln Guidos Handy auf der Waschbeckenkonsole. Ich unterbreche kurz und greife danach. Er lässt es offen liegen, also hat er nichts zu verbergen. Ehefrauenlogik. Auf seiner Mailbox ist eine gespeicherte Nachricht. Klickeldiklick, er hat sein Gespräch nicht gelöscht, auch ein gutes Zeichen, ich drücke auf Wiederholung, die Nummer ist mir unbekannt.

»Hallo, mein Liebling.« IHRE STIMME! Ich lasse das Handy fallen wie eine heiße Kartoffel, hebe es dann mit spitzen Fingern wieder auf. »Ich hab solche Sehnsucht nach dir, schade, dass deine Mittagspause nur so kurz war. Ich liebe dich.« Ich drücke auf Antwort, und als sie sich völlig schlaftrunken meldet, zische ich nur ein »Das tut mir Leid für dich, du dumme Kröte« in die kleine Gesprächsmuschel, die ich dicht vor meinen Mund halte. »Mein EHEMANN liegt nämlich neben mir. Und da gedenkt er auch zu bleiben. Lass ihn also in Ruhe, wenn dir dein kleines Leben lieb ist.«

Ich klappe das Handy zusammen und weiß, dass ich diese Nacht vor Wut kein Auge zukriegen werde. Dieses Biest! Diese Nacht werde ich nutzen. Eheerhaltend.

Ich hebe seine Decke und betrachte meinen Otto. Er hat sich zusammengerollt wie eine weiche Schnecke und ahnt nichts Böses. Wie sollte er auch, nach seinen Marathondiensten? Schließlich ist er ja auch nicht mehr der Jüngste. Etwas Merkwürdiges geschieht. Otto verändert sich vor meinen Augen. Wie oft hab ich ihn verflucht, wenn er sich zu den ungünstigsten Zeiten bemerkbar machte, wie lustlos hab ich ihn oft hereingelassen. Okay, Otto, aber mach’s kurz und weck mich dabei nicht auf! Ich bin sicher, dass Otto es nie gemerkt hat, bis auf höchstens zweimal, was bei vierundzwanzig Ehejahren ein guter Durchschnitt ist. Doch jetzt, wo ich weiß, dass auch eine Dreiundzwanzigjährige auf ihn scharf ist, sehe ich ihn mit anderen Augen. Mit ihren Augen.

Er muss etwas ganz Besonderes sein, ein supersüßer Trüffel. Den ich deshalb sehr zärtlich in den Mund nehme.

»Du gehörst mir«, hauche ich ihn an, »merk dir das, Otto. Halt dich fern von anderen Frauen. Versprich mir das.« Und er versprach es mir.

Kapitel 10

5. Juli

Sie war doch tatsächlich so unverschämt, in meinem Restaurant aufzutauchen! In meinem beruflichen Umfeld eine Duftmarke zu setzen! Es reicht ja wohl, dass sie privat mehr als eine Duftmarke gesetzt hat.

Wir hatten diese Woche die Werbeaktion »Sag Du zu Südtirol«, keine Ahnung, wer sich solche Schwachsinnsslogans ausdenkt, auf jeden Fall hatten wir Strudel und diverse Schinken- und Nudelgerichte auf der Karte, meine Kellnerinnen liefen mit Körben voller klein geschnitzter Südtiroler Äpfel herum, die innerhalb von fünf Minuten braun anliefen, weshalb ich sie mit Zitronensaft bespritzte. Bis mir ein Kunde sein angesäuertes Stück angewidert vor die Füße spuckte. Es war nicht gerade der Moment, wo ich Lust auf eine Begegnung mit meiner jüngeren Rivalin hatte.

Zwei Kellner waren krank, ich musste also auch bedienen, und zu allem Glück explodierte meine Kaffeemaschine. Ich sah sie deshalb erst, als ich, kurz vor einem Stressinfarkt, mit gezücktem Block und einem »Was kann ich für Sie tun?« an ihrem Tisch stand. Sie saß allein am Fenster und sah nicht älter als sechzehn aus. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und sie sitzen lassen. Am allerliebsten hätte ich das Fenster geöffnet und sie hinausgestoßen. Aber erstens war die Fallhöhe zu gering, nur erster Stock, und zweitens würde sie einen hässlichen nassen, fetten Fleck hinterlassen, der unsere Kundschaft vertreiben könnte.

»Verfolgst du mich, Jenna?«, fragte ich stattdessen.

»Ich muss dir etwas sagen«, erwiderte sie, »und es ist besser, wenn du dich dazu kurz hinsetzt.«

Ich zwang mich, in ihre blassgrauen Augen zu sehen. »Mach’s kurz, du siehst, ich habe viel zu tun.«

»Gut«, sagte sie, »wenn du es nicht anders willst.« Sie senkte ihre Stimme. »Ich bin schw…ger«, flüsterte sie. Ich verstand kein Wort.

»Ich versteh dich nicht«, ich fühlte richtig, wie meine Lippen sich vor lauter Anspannung nach innen stülpten, ein Gefühl wie eine umgekehrte Collagenspritze, »sprich bitte etwas deutlicher.« Sie sah mich an, der Ausdruck in ihren Augen war undeutbar. Triumph? Mitleid?

»Ich bin schwanger«, ihre Stimme füllte das Restaurant, »mein Baby kommt im Februar, und Guido ist der Vater.«