Meiner oder deiner? - Evelyn Holst - E-Book

Meiner oder deiner? E-Book

Evelyn Holst

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Beschreibung

Wer sich einen Mann teilt, sollte sich duzen

Frauen, das friedlichere Geschlecht? Pah! Als die schöne Claudia ihren Künstler-Mann in flagranti mit seinem neuen Modell, der urwüchsigen und wohlbeleibten Hanna, ertappt, will sie Blut sehen, am besten das der frechen Rivalin. Diese erweist sich jedoch als einfallsreiche Gegnerin und fordert Claudia zum Kampf um den Mann. Runter mit den Samthandschuhen, die Zungen geschärft, Fäuste erhoben, keine Tabus. Möge die Bessere gewinnen!

Spritzige Frauenunterhaltung über Männer und anderes Naschwerk.

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Inhaltsverzeichnis
 
Die Autorinnen im Gespräch
Über die Autorinnen
 
DREI TAGE SPÄTER
AM NÄCHSTEN TAG
AM NÄCHSTEN ABEND
AM NÄCHSTEN TAG
SPÄTER
FRÜH AM NÄCHSTEN MORGEN
ZUR GLEICHEN ZEIT
AM NÄCHSTEN MORGEN
SPÄTER …
ZUR SELBEN ZEIT
 
Copyright
Die Autorinnen im Gespräch
Wie würden Sie Ihren neuen Roman in einem Satz zusammenfassen?
Sabine Reichel: Zickenkrieg oder Kampf der neuen Titaninnen.
 
Wie hat Ihre Zusammenarbeit beim Schreiben des Romans ausgesehen?
Evelyn Holst: Wir hatte eine Rollenaufteilung, eine war die Ehefrau, die andere die Geliebte. Die anderen Figuren (Ehemann, Freundin, Tochter, Mutter) haben wir je nach Stimmung verteilt. Wir haben hin- und hergemailt, wenn’s zeitlich ging, im Tagesrhythmus, damit wir den Faden nicht verloren.
 
Halten Sie Frauen für das friedlichere Geschlecht?
Sabine Reichel: Ja und nein. Sie morden weniger, lieben Anpassung, sind aber dafür verbale Meisterkämpferinnen und neugieriger als Männer.
 
Schriftstellerin: Ist das Berufung, Fluch oder einfach nur ein Job wie jeder andere?
Evelyn Holst: Schriftstellerin hat zu 20 Prozent mit Begabung und zu 80 Prozent mit Selbstkasteiung zu tun. Es ist ein schöner, aber oft verdammt einsamer Beruf.
Über die Autorinnen
EVELYN HOLST arbeitete dreizehn Jahre lang als Reporterin beim Stern, die letzten fünf als Korrespondentin in New York. Sie schrieb zahlreiche Romane, die zum Teil verfilmt wurden, und ebenso viele Originaldrehbücher für Fernsehfilme. Evelyn Holst lebt mit ihrer Familie in Hamburg.
 
In Hamburg geboren und aufgewachsen, lebte SABINE REICHEL viele Jahre als freie Autorin und Journalistin in New York und Los Angeles. Heute lebt sie in Hamburg als Drehbuchautorin und Autorin für internationale und nationale Medien, unter anderem für Brigitte Woman und die Berliner Zeitung.
Hallo Liebling,
gib es zu, jetzt bist du platt, oder?
Du dachtest garantiert, dass du deinen treuen, alten Ehemann so in- und auswendig kennst wie dein sensationelles, mexikanisches Enchilada Rezept, mit dem du seit Jahr und Tag die Partybuffets unserer Freunde bereicherst. Oder meinen krummen großen Zeh, den ich mir mit zwölf beim Eishockey gebrochen habe.
Ich hatte mir ja auch wirklich geschworen, nie eins dieser Hightechgeräte zu besitzen, nur um mich dann wie der Rest der Menschheit von all diesen kleinen, nervtötend blinkenden, vibrierenden, klingelnden Dingern terrorisieren zu lassen.
 
Und doch sitze ich nun hier in meinem Studio und schwitze nicht über abstrakten Statuen oder hämmere Gesichter in Granit, sondern ich maile dir!!! (Schon dieses Wort ist mir suspekt …) Mit einem dieser durchdesignten weißen Kästchen namens iPhone, auf das die ganze Welt abfährt? Warum bloß tue ich mir so etwas an?
Vielleicht hoffe ich einfach, dass wir uns auf diese Weise wieder ein bisschen näherkommen, denn dir ist ja im Gegensatz zu mir dein Handy förmlich am Ohr festgewachsen. Also dachte ich mir, probier’s doch einfach mal. Vielleicht hört sie dir dann zu. Und ganz vielleicht antwortet sie dir sogar.
 
Bist du heute Abend ausnahmsweise mal zu Hause? Als Zeichen meiner Zuneigung würde ich nämlich gern für uns kochen. Mein Lieblingsgericht aus Eishockeyzeiten. Genau, du ahnst es - Bratkartoffeln mit Spiegeleiern (ich dreieinhalb, du ein halbes, dein Cholesterinspiegel!) und Gewürzgurken, ein echtes Proletenessen, wie mein Vater immer sagte. Darauf hab ich mal wieder so richtig Lust! Meine Güte, diese Tasten hier sind wirklich winzig. Vielleicht müsste ich doch mal zum Augenarzt. Aber du weißt ja, wir »alten« Künstler geben Sehschwächen nur ungern zu.
Gruß Dein Robert
 
 
My Darling Robbie,
na, das ist ja wirklich eine Überraschung! Du benutzt tatsächlich das iPhone! Ich fasse es nicht! Das hatte ich dir doch schon letztes Jahr zum 13. Hochzeitstag geschenkt. Dein Kommentar damals lautete: »Schatz, vielen Dank, aber du weißt doch, dass ich so was nicht mag, ich bin schließlich Künstler«, woraufhin das gute (teure) Stück in deiner Nachttischschublade (das Wort gefällt mir, zweimal t und zweimal sch) und damit in der Versenkung verschwand und nicht mehr gesehen ward.
Welchem Umstand verdanke ich jetzt nochmal genau diesen Sinneswandel? Und was wird als Nächstes kommen, vielleicht sogar eine eigene Website, www.robertgottwald.de?
Ich wüsste da jemanden, Leo, einen ganz pfiffigen, jungen Typ, er ist Volontär bei uns in der Redaktion, der ist ständig auf der Suche nach Nebenjobs.
Du, leider kann ich heute Abend nicht. Eine Titelgeschichte ist geplatzt, bin total im Stress. Bratkartoffeln sind ja sowieso nicht mein Ding. Und zudem ist da noch mein Taillenumfang, der nur mit viel Disziplin nicht stetig wächst … ist dir egal, ich weiß. Du liebst jedes Pfund an mir. Danke. Leider liebe ICH nicht jedes Pfund an mir. Aber eine Gurke kannst du mir ja aufbewahren, okay?
Ciaociao Claudia.
 
 
Hallo Claudia,
ich schreibe jetzt auf meinem alten Mac im Studio, das war mir doch zu fummelig eben.
Dann esse ich meine Bratkartoffeln und meine mindestens drei Spiegeleier eben allein. Oder mit Nicky, unserem gemeinsam missratenen Sohn. Teenager in seinem Alter haben doch immer Hunger, oder?
Soll ich dich dann nachher abholen? So gegen Mitternacht, früher wird’s bei dir ja nie, dann könnten wir noch einen Absacker im Drei Tageszeiten trinken - gibt es unsere alte Stammkneipe überhaupt noch? Übrigens, das wollte ich dir schon längst mal gesagt haben: Nenn mich bitte nicht mehr Robbie, ich fühle mich inzwischen einfach zu alt für diesen Namen. Wenn du schon abkürzen willst, sag doch lieber Rob oder Bob, okay?
Werde mich bis dahin dem »Brocken« widmen, dieser Statue, an der ich seit fünf Jahren arbeite. Zum letzten Mal hast du sie, glaube ich, vor drei Jahren gesehen, und du warst nur mäßig beeindruckt von den plumpen, improvisierten Formen, die dich an »den Golem oder den Gott der Bergmonster« erinnerten und nicht an eine liegende Frau. Wir hatten einen Riesenkrach, erinnerst du dich? Du warst damals so liebenswürdig, mich an meine Lehre beim Barlach-Schüler Anton Brucker zu erinnern und an das, was ich bei ihm gelernt bzw. eben nicht gelernt hätte.
Ich war neulich kurz davor, mein Werk zu zertrümmern, denn ich musste einsehen, dass du leider irgendwie recht hattest. Habe gerade wieder den Hammer in der Hand … soll ich’s machen?
Dein Mann mit dem Hammer
 
 
Robert!!
Nein, lass den Quatsch, auf keinen Fall! IMMER musst du ja nicht auf mich hören. Picasso hat doch auch viele seiner Werke einfach so ruhen lassen wie einen Hefeteig, und dann kam ihm plötzlich eine Idee, und fertig war das Kunstwerk.
Deine an dich glaubende Frau
 
P.S. Aber dass du einen Hammer in der Hand hast, bringt mich auf äußerst animierende Gedanken!
 
 
Ach Claudia,
vielen Dank für diesen schmeichelhaften Vergleich, aber ich habe leider im Gegensatz zu ihm keine anderen Werke herumstehen, die auf Vollendung warten und denen ich mich zuwenden könnte. Ich fühle mich, als sei ich mit einem dicken Laster in eine enge Einbahnstraße gefahren, die sich dann als Sackgasse entpuppt, weil ein dicker Felsbrocken die Weiterfahrt verhindert, wenden unmöglich. Und so ist der Brocken momentan leider nur ein Batzen Granit, der mich blockiert. Brauche deshalb dringend ein Modell, das mich inspiriert. Zu was auch immer. Hättest du nicht zufällig doch Interesse, auch wenn du mir schon bei unserer Heirat zu verstehen gegeben hast, dass du nie, nie Modell für mich stehen willst?
Dein Mann und Künstler
 
 
Rob, Robertchen, Robertino …
Und dabei bleibe ich. Ich - dein Modell? Ernst oder nur lieb gemeint? Wie auch immer: NEIN DANKE. Bin zu alt, zu hässlich und zu dick. (Erwarte jetzt heftigen Widerspruch.) Aber wenn du wirklich ein Modell suchst, sollte das doch kein Problem sein. Soweit ich weiß, lauern in Kunstschulen und Malklassen haufenweise Mädchen und Frauen, die dem bekannten Robert Gottwald liebend gern Tag und Nacht Modell stehen würden. Nur zu, such dir eins! Wäre auch nicht eifersüchtig …
 
P.S. Warte nachher lieber nicht auf mich. Hab keine Ahnung, wann ich hier raus kann.
Seh dich dann im Bett.
C.
 
 
Mensch Claudia,
das ist vielleicht keine schlechte Idee. Hänge zurzeit einfach ein bisschen durch.
Werde also mit dem Bauch voller Bratkartoffeln im Bett auf dich warten. Aber erwarte dann nicht mehr zu viel von mir. Meine sonstige Hochform meine ich. Kleiner (sehr kleiner, ha!) Scherz.
R.
 
 
Hi R.,
na, sooo klein ist doch dein Scherz zum Glück auch wieder nicht.
Wen oder was genau suchst du eigentlich für deine Skulptur? Warum kannst du nicht so einfache, witzige dürre Sachen aus dem Kopf erschaffen wie Giacometti?
C.
Meine Güte Claudia,
typisch, du hast einfach keine Ahnung von Kunst. Waren denn meine »Nachhilfestunden« damals nicht nur umsonst, sondern ganz vergeblich? Du erinnerst dich wohl noch an unsere New Yorker »Kunstreise«?
Frühstück, Sex, Museum of Modern Art, Sex, Lunch, Sex, Metropolitan Museum, Dinner, Sex. Damals kanntest du wenigstens noch den Unterschied zwischen Beckmann und Delacroix, Brancusi und Braque …
Robert
 
 
Robert!
Ich verstehe genug von Kunst! Vielleicht solltest du dich mal von deinen Idealen verabschieden, was die Ausdrucksform betrifft. Ich erinnere mich noch, als du vor zwölf Jahren an diesen herrlichen abstrakten Skulpturen zugange warst, die so an Lipchitz, manchmal auch Henry Moore, dein Idol, erinnerten, da brauchtest du keine Modelle, du hattest Visionen, ganz eigene, und sahst dich als Schöpfer wirklicher Kunst. Erinnerst du dich?
Vielleicht willst du aber auch nur sublimieren und suchst nach einer Sexgöttin, die allzeit bereit ist, wie es ja Männer rund um die Uhr - auch die 46-jährigen - wollen.
C.
 
 
Claudia!
Von welchem Sex sprichst du, hinter dem ich her sein soll? Ich erinnere mich ja kaum an Sex mit DIR. Oder meinst du den von vor fast einem Jahr, als du sagtest, okay, fang an, aber weck mich dabei nicht auf?
R.
 
 
Lieber R.,
muss jetzt wirklich arbeiten, einer von uns muss ja das Geld verdienen. Keine Mails mehr. Und falls du vor mir im Bett bist, bitte nicht schnarchen!
C.
 
 
P.S. Habe übrigens eben in meinem Blackberry nachgeschaut (kann mir kein iPhone erlauben, mein Mann ist brotloser Künstler). Der letzte Sex mit dir war vor genau drei Monaten. Nach dem Essen mit meinem Verleger. Und ICH bin nicht dabei eingeschlafen.
 
 
Gnädige Frau Gottwald,
das tut mir jetzt nachträglich wirklich sehr leid.
In der Akademie, in der ich ja immerhin einmal die Woche gegen schnöde Bezahlung lehre, wie du vergessen zu haben scheinst, hängen tatsächlich genug Zettel mit arbeitssuchenden Modellen. Suche ich mir dort halt eine, die mich künstlerisch anregt, wenn du nicht willst. Vielleicht werde ich ja fündig und dann total inspiriert. Muss sich gut anfühlen.
Fühle mich momentan so verdammt ausgebrannt.
Dein Hammerwerfer
DREI TAGE SPÄTER
Liebe Frau Janssen,
ich las Ihre ausgefallene »Anzeige« am Brett in der Akademie. Besonders gefallen hat mir der Satz »nicht dünn, nicht schön, nicht echt blond«, der hat mich neugierig gemacht.
Ich bin ein bildender Künstler, der dringend ein Modell sucht. Hätten Sie Interesse? Ist allerdings ein ziemlich anstrengender Job. Bitte mailen Sie mir doch ein Foto und ein bisschen was zu Ihrer Vita, damit ich mir eine Vorstellung von Ihnen machen kann.
Sehr gespannt
Ihr Robert Gottwald
 
Sehr geehrter Herr Gottwald, ja, natürlich hab ich Lust, vor allem brauche ich dringend Geld. Das ist bei mir leider ein Dauerzustand. Bin alleinerziehend (habe eine 15-jährige Tochter, für die das Wort »Pubertätsstress« neu definiert werden müsste), und bin nicht gerade das, was man eine berufliche Überfliegerin nennt. Aber ich will Sie nicht mit Details langweilen, sondern gleich zur Hauptsache kommen. Wie sehe ich aus? Ich bin neununddreißig und viel Frau für meine 1,64 m, aber noch durchaus präsentabel. Ich mag mich so, wie ich bin, und Beschwerden von meinen männlichen Freunden hat es bisher noch nie gegeben. Stellen Sie sich eine Mischung aus Christine Neubauer und Ihrer patenten Wurstverkäuferin vom Wochenmarkt vor, dann haben Sie eine Vorstellung von mir. Foto trotzdem gefällig?
L G
Hanna Janssen
 
Liebe Frau Janssen,
wer ist Christine Neubauer? Und als Fast-Vegetarier habe ich kein sonderlich inniges Verhältnis zu unserer Wurstverkäuferin auf dem Wochenmarkt. Deshalb bitte ich Sie, einfach mal bei mir vorbeizuschauen. Morgen so gegen 15 Uhr? Das Honorar verhandeln wir dann.
Ihr
R.G.
 
Lieber Herr Gottwald,
Christine Neubauer ist eine nicht magersüchtige Fernsehschauspielerin, die besonders von reifen Semestern geschätzt wird, und hier ist ein Foto von mir. Ein Urlaubsschnappschuss von der Adria. Manchmal sehe ich auch sonst so aus. Natürlich nicht im Winter.
Bis morgen.
H. J.
 
Liebe Frau Janssen,
ich bin begeistert. Besonders von Ihren Ohren.
Wann können Sie anfangen?
Gruß
R.G.
 
Lieber Herr Gottwald,
was ist mit meinen Ohren? Bin etwas irritiert.
H. J.
 
Liebe Frau Janssen,
Ihre Ohren sind perfekt geformt, eine wunderschöne Muschel mit einem äußerst charmanten, sehr anregenden Ohrläppchen. Wann können Sie anfangen??
In Vorfreude
Ihr
Robert Gottwald
 
Lieber Herr Gottwald, ein Mann, der meine Ohren gut findet. Bin gespannt, wie es weitergeht.
Bis morgen!
H. J.
AM NÄCHSTEN TAG
Liebe Frau Janssen,
danke fürs Kommen. Ich fand Sie sympathisch und vor allem genau richtig für meine neue Skulptur, die ja eigentlich alles andere als neu ist, da ich schon seit Längerem daran arbeite. Vielleicht inspirieren ja Sie mich zu genau der Vision, die ich im Moment nur erahne. Wie gesagt, die Arbeit ist anstrengend, denn Sie würden nicht gemütlich im Sessel sitzend posieren, sondern abwechselnd in mindestens zwei Stellungen liegen, und zwar unbekleidet. Und da komme ich zu einem Punkt, den ich gestern nicht so detailliert ausgeführt habe. Es sind durchaus erotische Stellungen, die mir vorschweben, Sie kennen ja sicherlich Egon Schiele und George Grosz, die beide nicht schamhaft waren, wenn es um den nackten weiblichen Körper ging. Ich hoffe, ich kann Sie trotzdem für mich gewinnen. Selbstverständlich wird das alles mit der größtmöglichen Diskretion behandelt, so dass Sie sich damit wohlfühlen können.
Ihr Robert Gottwald
Lieber Herr Gottwald, keine Bange, ich bin zwar keine verhinderte Exhibitionistin, aber ich habe auch keine besondere Scheu, was meinen Körper angeht. Ich habe eine Künstlerseele (so wie Sie) und kann sehr wohl meine Rolle als Modell und Muse von der eines Sexual-Objekts unterscheiden, falls Sie das meinten. Da Sie über ein geheiztes Studio verfügen und der nächste Winter noch in weiter Ferne liegt, sehe ich mich auch nicht von der Schwindsucht gezeichnet (sicherlich ein häufiges Schicksal der Modelle vor 500 Jahren) matt daniederliegen. Und wenn es mir zu anstrengend wird, dann sage ich es einfach. Wie lange wird das Ganze dauern? Ich kann nicht jeden Tag, sagte ich das schon? Ich hoffe, das ist kein Problem.
Ich würde dann gleich Montag von 14 Uhr bis 18 Uhr kommen.
Soll ich irgendetwas mitbringen, ein Arbeitsutensil? Vielleicht einen Fächer, einen Seidenschal und meine allerhöchsten High Heels?
Ihre Hanna Janssen
Liebe Frau Janssen,
lieb gemeint, aber wir brauchen keine Accessoires. Obwohl - High Heels könnten eine reizvolle Variante sein.
Bis morgen
R. G.
Herr Gottwald,
muss Sie leider enttäuschen, der Vorschlag mit den High Heels sollte nur ein Scherz sein. Ich besitze gar keine. Bin eher der Turnschuh- und Sandalentyp. Die sind allerdings künstlerisch nicht besonders wertvoll.
H. J.
AM NÄCHSTEN ABEND
Hallo Schatz,
warte nicht mit dem Essen auf mich. Ich bin im Schaffensrausch. Himmel, was für ein saugeiles Gefühl. Dieser Proletenausdruck musste einfach mal sein.
Dein Gatte
Hallo Gatte,
wer oder was berauscht dich denn so, dass du deine gewohnte Sprachpedanterie vergisst und ein Wort wie SAUGEIL benutzt? Ich hoffe, dass es sich um eine rein berufliche Begeisterung handelt, oder muss ich mir Sorgen machen? Du weißt, auch alteingesessene (irgendwie ein unschöner Ausdruck, klingt so nach abgewetztem Sofakissen) Ehefrauen sind nicht immun gegen Unsicherheiten, was konkurrierende Reize betrifft …
Deine Gattin
Liebe Gattin,
keine Bange. Aber mein neues Modell ist einfach sehr inspirierend. Sie hat einen Körper wie für meine Kunst geschaffen. Damit meine ich keineswegs diese Art von marmorner Perfektion oder modelmäßigen Glamour, im Gegenteil, sie hat durchaus ihre Makel, du würdest sie vermutlich als fett bezeichnen. Es ist eine, ja, lach nicht, seelische Schönheit, die ganz einfach durch ihre Persönlichkeit transportiert wird. Dass mir das noch passieren durfte. Wirklich gut. Also stelle dich darauf ein, dass ich mich demnächst in die Flotte der nimmermüden Nachtarbeiter einreihen werde. Weiter geht’s!
R.
Lieber Gatte,
muss ich mir wirklich keine Sorgen machen? Wenn du so gespreizt formulierst und von transportierten Persönlichkeiten sprichst, werde ich immer etwas unruhig. Und wie fett ist sie denn, deine neue Muse? Dreizentnerfett? Mariannesägebrechtfett? Tinewittlerfett? Oder nur ein paar reizvolle Pfunde zu viel?
C.
Liebe C,
komm einfach mal vorbei, dann kannst du dir selbst ein Bild machen. Du siehst, ich habe nichts zu verbergen.
R.
AM NÄCHSTEN TAG
Hallo liebes Heinerle,
(ja, ja, ich weiß, ich darf dich so nicht nennen, umso lieber tu ich’s), schon aus San Francisco zurück? Netten, hübschen, unkomplizierten Ami kennengelernt? Hoffentlich einer, der dir geholfen hat, über deinen neuen Haarkünstler-Assistenten hinwegzukommen? Oder wie nennt man das, was man früher schlicht und einfach als Friseurlehrling bezeichnete? Vielleicht solltest du keine Leute einstellen, mit denen du sexuell verbandelt bist. Und auch nicht sexuell anbandeln mit Leuten, die du angestellt hast. Das schadet fast immer der Arbeit und meist auch der Seele. Nachher verschnippelst du dich noch bei deinen feinen Kundinnen …
Da du dir ja immer Gedanken um meine Finanzen (und nicht nur um meine Kleidung) machst, wollte ich dir nur kurz mitteilen, dass ich einen neuen Job habe. Als Modell bei einem ziemlich renommierten Künstler, der von meinem Körper völlig begeistert ist. Besonders meine Ohren findet er sehr inspirierend, ja wirklich, da brauchst du gar nicht so spöttisch zu grinsen, wie du’s sicher gerade tust. Er bezahlt 20 Euro die Stunde, dafür muss ich eigentlich nur still sitzen. Oder liegen. Meistens nackt. Klingt doch gut der Job, oder?
Deine Hanna
P.S. Meine Tochter lässt fragen, ob du ihr ein T-Shirt von Abercrombie & Fitch mitgebracht hast. Weiß nicht, wer oder was das sein soll. Du kennst meine unmodische Persönlichkeit, ich weiß eben gerade, dass es C & A und H & M gibt. Finde meine langen Röcke, Schals und Blumenkleider sowieso schöner als diesen schwarzen engen Firlefanz, der ein Vermögen kostet.
 
 
 
Hallo holde Hanna,
stimmt, Heinerle will ich nie wieder von deinen Lippen in der Öffentlichkeit hören, eigentlich privat auch nicht. Es erinnert mich zu stark an meine Mutter (Trara! große Überraschung!), die mich sicher auch heute noch so nennen würde, wenn ich denn mit ihr sprechen würde. Für dich und den Rest der Welt bin ich CH und sonst gar nichts. Habe den peinlichen Karl mit einem C upgegradet, wenn’s gestattet ist.
Ich finde es ja soooo cool, dass du jetzt Künstlermuse bist!! Bin ganz neidisch. Würde mich auch gerne stundenlang nackt vor einem Mann herumräkeln.
Wusstest du eigentlich, dass moi einmal als Knabe Modell gestanden hat? Auch nackt in ganzer Pracht. Der Cousin meines besten Freundes Andreas ging zur Kunstschule und hat uns für ein paar Colas und 10 Mark pro Nase mit Kohle skizziert. Ach, tempi passati …
Gehe dafür morgen auf diesen rasend trendigen Empfang vom Rudi, der Dekorateur im »Alsterhaus« ist. Er hat dieses verwegene Fenster mit den goldenen Masken gemacht. Freier Champagner und süße Jungs. Was will man mehr vom Leben?
Bussi
Dein CH
P.S. Natürlich habe ich deiner Tochter das versprochene Top mitgebracht. In bleu, wie gewünscht. Dich textil zu überraschen habe ich allerdings aufgegeben. Du bist und bleibst ein schlecht gekleideter Späthippie. Von deinen zu blond gefärbten Haaren wollen wir lieber gar nicht erst anfangen. Was benutzt du noch mal? »Lada Kolor« aus der DDR? …
 
 
 
Zuckerschnäuzchen,
ich freu mich ja so, dass dein biestiges altes friseuriges Selbst wieder im Lande ist. Dein Salon ist nichts ohne den Meister persönlich, da bleiben dir die Kundinnen weg. Und wir müssen dann die zickigen Weiber mit ihren schlechten Frisuren auf der Straße angucken. Komm doch heute Abend zu einem leckeren Auberginenauflauf vorbei und liefere deine Beute ab, ja?
Und was hast du gegen »Lada Kolor«? Kostet 3 Euro 69, und es ist dasselbe Zeugs drin wie in deinen 60 Euro Produkten, mit denen du deine Kundschaft ausbeutest.
Muss jetzt los, die Kunst inspirieren. Habe mich auf Wunsch meines Auftraggebers haarlos rasiert. NICHT auf dem Kopf, halsabwärts.
Hanna die Muse.
Hanna,
überall sonst? Wurde aber auch Zeit, du Urwaldmuschi. Wozu die Kunst doch gut ist.
CH
SPÄTER
Hallo Mami,
findest du es nicht auch ganz wunderbar, dass ich dich endlich zu einem Computer und zu einem netten Studenten überredet habe, der dir die Feinheiten des Internets beibringt? Jetzt können wir uns e-mailen, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit, ohne dass wir uns stören, du mich beim Arbeiten und ich dich beim Brigdespielen.
Wollte dir nur eben mitteilen, dass mein Cholesterinspiegel auf 210 gesunken ist, weil ich bei meiner Ernährung jetzt noch viel mehr auf die tierischen Fette achte (!), und dass dein Schwiegersohn bei seiner Skulptur endlich einen Durchbruch zu erreichen scheint. Du erinnerst dich, dieser hässliche Klotz, der schon seit Jahren in seinem Atelier herumsteht und den du bei deinem letzten Besuch nicht sehr freundlich, aber umso treffender »den alten Ötzi« genannt hast.
Mein Gatte hat jetzt ein Modell gefunden, das ihn inspiriert. Irgendeine fette Frau, die sich was dazuverdient. Vermutlich ein Hartz IV Fall.
Egal, Hauptsache, er düstert endlich nicht mehr so in der Gegend herum, sondern beschäftigt sich sinnvoll. Vielleicht findet sich später ja sogar ein Käufer dafür. Das täte seiner Seele und unserer Haushaltskasse gut!
Das war’s auch schon. Schlaf gut!
Deine Tochter
FRÜH AM NÄCHSTEN MORGEN
Liebe Claudia,
ja, ich bin dir dankbar, obwohl ich nach wie vor das Briefeschreiben und Telefonieren persönlicher und für eine 70-jährige Frau auch passender finde. Aber etwas Neues zu lernen, hält das Gehirn frisch, deshalb sitze ich jetzt hier bei einer Tasse Kaffee mit aufgeschäumter Milch (habe mich an deinen tollen Quirl gewöhnt) und beantworte meine - was genau beantworte ich eigentlich? Elektronische Post? Es geht ja doch recht viel flotter, das muss ich sagen.
Es freut mich, dass du endlich auf tierische Fette verzichtest, schließlich bist du auch nicht mehr die Jüngste, Begriffe wie Gefäßverengungen, Arterienverschlüsse und Schlaganfälle dürften für dich demnächst auch keine Fremdworte mehr sein. Noch mehr allerdings freut es mich, dass dein Mann endlich wieder arbeitet. Falls man das Herummeißeln in einem Atelier, bei dem, wie in seinem Fall, jahrelang nichts Vernünftiges herauskommt, so nennen möchte.
Du hast dich ja längst damit abgefunden, dass dein Mann viel Tagesfreizeit und kein regelmäßiges Gehalt hat, also sollte ich es auch langsam tun. Schließlich verdienst du ja genug für euch beide.
Deine Mutter
P.S. Ich bin froh, dass das Modell offenbar wie eine George-Grosz-Vorlage aussieht. Ich weiß, dass du nicht eifersüchtig bist, aber so ist es einfach besser.
Hallo Mami,
erst mal, sage bitte nicht immer »in deinem Alter«, das ist ein ganz übler Satz. Ich schiebe noch keinen Gehwagen vor mir her, und jüngere Männer gucken mir auch noch nach! Aber weißt du was? Im Moment bin ich einfach nur richtig erleichtert, dass Roberts Laune wieder gut ist und er nicht mehr 300 Zigaretten raucht und nervös durchs Haus geistert, nicht zuhört, rumjammert oder deinen Enkel anpfeift, weil er ein athletischer Sportfreak und kein magerer Schöngeist mit wirren Augen ist. In letzter Zeit war es richtig ungemütlich zu Hause, Robert hat wohl irgendwelche Schaffenskrisen durchgemacht, nach denen ich ihn lieber nicht so genau gefragt habe, ich wusste manchmal gar nicht mehr, warum ich damals unbedingt einen Künstler heiraten musste. Ich dachte wohl, dass Künstler einem die Sterne vom Himmel holen, schmeichelhafte Porträts nachts im Fieberrausch von dir anfertigen oder dich meißelnd zu einer unvergesslichen Statue verewigen, von der im Museum alle atemlos stehen bleiben.
Na ja, er war schon irgendwie was ganz Besonderes, mein Robby. Komisch, ich sage das so, als wenn es irre lange her wäre. Dabei sind wir erst 13 Jahre verheiratet - Nicky war damals ja schon zwei Jahre alt.
 
P.S. Nein, ein Frauenheld ist er nun zum Glück wirklich nicht!
Claudia
Mein Kind,
man weiß selten sehr viel später noch, warum man einen Mann geheiratet oder sogar geliebt hat - manchmal genauso wenig, warum man ihn immer noch liebt. Größere Geister als ich haben sich an diesem Mysterium die Zähne bereits ausgebissen. Er war ja nun auch ein attraktiver Junge mit schönen Locken und durchaus Talent. Ich konnte zwar nie das Genie in ihm entdecken, und Bildhauerei an sich (was für ein unpoetischer Ausdruck!) liegt mir sowieso nicht. Das ist allerdings nicht seine Schuld. Ich kann nur sagen: Es wird höchste Eisenbahn, dass Robert sich ein wenig beweist und auf die Füße kommt. Auch Künstler haben einen zweiten Frühling (wenn sie Männer sind), also wünschen wir ihm Inspiration mit der dicken Dame. Vielleicht wird’s ein Botero! Dann käme vielleicht endlich mal wieder ein bisschen Geld rein.
Deine Mutter
Mutti,
(ja, ich weiß, den Ausdruck magst du nicht, aber ich!) nur ganz kurz. Er ist schon sehr begabt! Und als Liebhaber war er sogar hochbegabt. Mit großem Abstand der beste, der mir jemals begegnet ist, ich könnte dir da Sachen erzählen … die du über deinen Schwiegersohn vielleicht nicht unbedingt wissen möchtest.
Dass seine Werke nicht nach deinem Geschmack waren, ist nicht maßgeblich. Der Messingkopf von Willy Brandt stand in Bonn im Konferenzzimmer, und seine Serie »Changes« waren 1996 im Walter Gropius Bau ausgestellt. Mach ihm mir also nicht kleiner, als er war!
Künstler-Ehefrau
Mein Herz,
waren das diese eigenartigen Gestalten ohne Augen und Münder? Aber du hast natürlich recht, über Geschmack lässt sich nicht streiten. Wieso eigentlich nicht? Den Spruch habe ich noch nie verstanden, denn über kaum etwas anderes lässt es sich doch so fantastisch streiten wie über Geschmack. Wie lautet eigentlich der Plural dazu, Geschmäcke? Wie bei »der Sack, die Säcke«?
Mami
Mensch Mutti,
es heißt Geschmäcker!
Es bleibt bei Sonntag zum Kaffee? Bringst du den Kuchen mit, oder muss ich backen?
C.
Musst du nicht, ich bringe welchen mit. Aber gekauften. Habe in meinem Leben rund 2500 Kuchen gebacken, das reicht.
Deine liebe Mutter
ZUR GLEICHEN ZEIT
Lieber Herr Gottwald,
ich fand unsere ersten beiden Sitzungen (obwohl, gesessen habe ich ja nicht, aber Liegungen klingt zu wenig nach Kunst) sehr interessant. Ich muss Ihnen gestehen, dass ich ein kleines bisschen nervös war, als ich das erste Mal zu Ihnen kam, denn Ihr Ruf eilt Ihnen natürlich voraus, wie Sie sich ja vorstellen können. Ihr Image ist eher das des unnahbaren, schwierigen, launischen Künstlers, der einschüchternd auf seine Umgebung wirkt. Ich hab Sie gegoogelt und bin auf diese Geschichte gestoßen von vor ein paar Jahren, als Sie mit dem Museumsdirektor Friedrich Gerlinghofen einen riesigen Zoff gehabt haben sollen und ihm wohl buchstäblich an den Kragen gegangen sind. Musste er nicht sogar kurz in die Notaufnahme? Ich war irgendwie ziemlich beeindruckt davon, dass ein Künstler seine Kunstauffassung so handgreiflich verteidigt und einen dieser arroganten Kunsthüterfuzzis so das Fürchten lehrt.
Jedenfalls war meine Angst vor Ihnen unbegründet. Ich finde, Sie wirkten sehr ruhig und zivilisiert, sogar charmant.
Ich freue mich, dass mein Körper Ihnen zusagt - professionell natürlich!
Eine Bitte noch: Könnten Sie am Donnerstag etwas mehr vorheizen? Wir haben bald Oktober …
Ihre Hanna Janssen
Liebe Frau Janssen,
das ist sehr freundlich, dass Sie mir mailen und Ihr Interesse an unserer weiteren Zusammenarbeit bekunden. Ja, ich fand unsere Sitzungen auch sehr gut. Sie haben eine erfreulich sinnliche Aura, die perfekt zu der Idee meiner Skulptur passt, und Sie benehmen sich sehr natürlich und frei. Ich werde die Heizung auf fünf drehen, wenn Sie wiederkommen und eine warme Cashmere-Decke bereithalten.
Bis dann
Ihr Robert G.
Hallo Schatz,
suche die alte Cashmere-Decke, die wir mal aus Nepal mitgebracht haben. Ich brauche sie für mein Modell. Vielleicht könnte Nicky sie im Atelier vorbeibringen?
Könnte heute Abend sehr spät werden.
Dein Robert
Gleichfalls Schatz,
wenn du den alten Lappen meinst, der inzwischen, Motte sei Dank, wie ein Schweizer Käse aussieht, die liegt noch im alten Hundekorb. Hatte nicht das Herz, ihn nach Rüffels Tod zu entsorgen, roch noch zu nostalgisch nach altem Hund. Aber wenn du unbedingt eine Decke brauchst, dann nimm doch die rote, die auf unserem Gästebett liegt. Die ist zwar nicht aus Cashmere, aber auch warm.
Frag Nicky bitte selber, du weißt doch, wie schwer Teenager für Dienstbotengänge für ihre Eltern zu begeistern sind.
Kuss
C.
AM NÄCHSTEN MORGEN
Robert,
ich wache auf und der Platz neben mir ist leer. Steckst du immer noch im Atelier? Wieso kann ich dich nicht erreichen, ist dein verdammter Akku wieder leer?
C.
ROBERT,
ich komme jetzt vorbei. Falls du nicht mit einem tödlichen Herzinfarkt am Boden liegst, setz schon mal einen Beruhigungskaffee auf. Bin leicht gereizt, mein Herz. Und vage beunruhigt. Passt doch gar nicht zu dir, ohne Absprache im Atelier zu übernachten.
C.
SPÄTER …
Hallo Mami,
ich muss dir eine Geschichte erzählen, und sie ist irgendwie überhaupt nicht gut, ich habe so ein ganz blödes Gefühl, das ja Frauen offenbar öfter haben als Männer. Brauche dich als Beruhigungspille.
Also, Robert ist seit Neuestem ständig in seinem Atelier, um mit seinem Modell zu arbeiten, und als er gestern Nacht nicht nach Hause kam, machte ich mir Sorgen, denn so was ist in den letzten sechs Jahren vielleicht zweimal passiert. Er ging nicht an sein Handy und reagierte auch nicht auf meine Nachrichten auf seiner Mailbox, und deshalb fuhr ich gegen neun Uhr einfach hin. Und was ich da vorfand, macht mir nun Sorgen: Eine fröhliche nackte Frau lag da gemütlich vor ihm auf dem Boden und hielt wohl gerade ein angeregtes Schwätzchen mit dem Künstler. Sie lachten, und ich kam mir vor wie ein Störenfried, der ins Paradies eingedrungen war. Fehlte nur noch, dass Robbie auch nackt gewesen wäre. Ich musste mich irre zusammenreißen, um nicht auszurasten wie in einem besonders schlechten Hollywoodfilm. Ich tat also ganz harmlos, hab Robbie betont herzlich umarmt und mir die Frau dabei mal näher angeguckt. Also, hässlich ist sie keineswegs! Wenn man denn auf Rubens steht. Gut in Schuss, so Ende dreißig, Anfang vierzig. Was mich aber wirklich irritiert und, ja, ein bisschen neidisch gemacht hat, war, dass sie völlig natürlich und ungehemmt war, so als würde sie immer und überall nackt herumliegen. Andererseits ist das auch ein Zeichen dafür, dass da nichts vorgefallen sein kann, oder? Du kennst dich ja aus mit nackten Weibern - sorry, wollte nicht an alte Geschichten mit Papi rühren.
Also, was meinst du zu der Sache? Rob will in einer Stunde zu Hause sein. Krieg oder Frieden?
Deine irritierte Tochter
Meine liebe Claudia,
du weißt, ich halte nichts davon, das Kind im Brunnen auszuschütten, wie heißt dieses dumme Sprichwort noch richtig? Schrecklich, wenn das Gehirn nachlässt, bring mir doch bitte mal wieder ein paar von diesen Sudokuheften mit, mit denen dein Verlag so viel Geld verdient.
Also - du hast deinen Mann mit einer nackten Frau … erwischt ist ja wohl auch nicht das richtige Wort, weil es ja in seinem Atelier war und er dir von seinem neuen Modell erzählt hatte.
Was dich vermutlich irritiert hat, ist die Tatsache, dass es sich um eine zwar üppige, aber dabei durchaus appetitliche Frau gehandelt hat. Und wir beide wissen, dass die meisten Männer keine Hungerhaken mögen, sondern sinnliche Frauen mit »Fleisch dran«, wie dein Vater, Gott hab ihn unselig, immer zu sagen pflegte. Du erinnerst dich vielleicht noch an seine korpulente Sekretärin, dieses Fräulein Gertig? Über die wir beide uns immer lustig gemacht haben, weil sie beim Gehen so ein schabendes Geräusch machte, wenn ihre umfangreichen Schenkel sich in ihren Seidenstrümpfen aneinanderrieben? Nach dem Tod deines Vaters habe ich in seinem Schreibtisch ein dickes Bündel Briefe gefunden, alle von Fräulein Gertig, alle eindeutigen, teils recht schlüpfrigen Inhalts. Möchte gar nicht wissen, was dein Vater geschrieben (und getrieben) hat.
Also - tief Luft holen und daran denken, dass herumkeifende Frauen ab 25 meist sehr unerfreulich wirken. Und was das erotische Pölsterchen hier und da angeht, so hast du doch in letzter Zeit auch ein bisschen zugelegt, oder? Zum Schluss noch ein kleiner Tipp, nur im Notfall anzuwenden: wenn du sie loswerden willst, biete ihr Geld an. Wer in ihrem Alter als Modell arbeitet, hat meistens zu wenig davon. Oder ist Exhibitionistin.
Deine Mutter, die heilfroh ist, dass sie mit diesen Themen nichts mehr zu tun hat.
Ach Mensch, Mami,
du bist die Beste! Fühle schon wieder etwas Boden unter den Füßen. Ich war selber etwas überrascht über die Heftigkeit meiner (inneren) Reaktion. Sehe ja ein, dass sie vielleicht etwas übertrieben war, aber schließlich galt ich in jüngeren Jahren nicht umsonst als die Drama Queen.
Ich hoffe trotzdem, ich habe dem Moppel auf souveräne Art vermitteln können, dass ICH die Ehefrau bin und sie ihre Patschhändchen besser von ihm lassen sollte, wenn ihr ihr Leben lieb ist! Meinst du, ich soll das Ganze erst mal auf sich beruhen lassen und cool bleiben? Ich meine, ist ja eigentlich schön, dass er arbeitet.
Das mit dem Geld ist aber eine gute Idee, das werde ich mir merken. Wobei ich eigentlich nicht einsehe, warum ich dafür bezahlen soll, dass Robert nicht auf dumme Gedanken kommt?
Deine Claudi
Herzchen,
Alarmstufe ROT ist es sicher noch nicht, das stimmt. Überleg es dir in aller Ruhe. Andererseits sollte man auch nicht unbedingt versehentlich den »Parship«-Vermittler spielen, indem man den Mund hält. Gelegenheit schafft Liebe, sage ich immer. Und wenn du dich jetzt fragst, woher deine Mutter Parship kennt (in ihrem Alter), dann wisse, dass auch ich meine schwachen Stunden hatte, bevor ich Helmut kennengelernt habe, und zwar ohne Vermittlung! Aber du kennst ihn ja noch gar nicht, bei Gelegenheit wird sich das ändern.
Küsschen
Mami
Mami,
wer ist Helmut?
C.
Mein Herz,
Details, wenn die Zeit reif ist.
Deine Mutter
ZUR SELBEN ZEIT
Hallo CH (wirklich zu albern, bist du vielleicht ein Schweizer Auto? Aber des Menschen Wille …),
o nein, etwas Lustiges ist passiert! Wir waren im Studio am Arbeiten, das heißt, wir waren eigentlich fertig, aber ich mochte noch nicht aufstehen und räkelte mich etwas herum. Wohl auch, weil mir so schrecklich flirtig zumute war. Der Mann hat was. Und außerdem war ich nackt. Und vielleicht bin ich doch so ein klein bisschen exhibitionistisch.
Da fliegt plötzlich die Tür auf, und herein stolziert die Ehefrau! Maestro guckte ziemlich schuldbewusst und stotterte etwas von »reinen Formen«. Meinte wohl mich im Evaskostüm. Sie hat ihn umarmt und geküsst, sah aus, als würde sie ihm ihren Besitzerstempel aufdrücken wollen, und hat mich dabei von oben bis unten gemustert. Ich stand dann auf, in diese olle Decke gewickelt, und zog mich in der Küche wieder an.
Schade … sie hat mich schon gestört, die blöde Schnepfe …
Deine Hanna
Also Hanna!
SIE hat DICH gestört? Du bist lustig. Irgendwie verdreht sich immer etwas in deinem Kopf, wenn Männer ins Spiel kommen.
Dein CH
… und in deinem auch. Aus denselben Gründen.
Deine Hanna
In diesem Roman ist jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Personen, mit Ereignissen und Orten vollkommen zufällig und unbeabsichtigt.
 
 
 
 
Originalausgabe 09/2009
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eISBN : 978-3-641-03486-1
 
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