Eine afrikanische Liebesgeschichte - Daphne Sheldrick - E-Book

Eine afrikanische Liebesgeschichte E-Book

Daphne Sheldrick

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Beschreibung

Mein Paradies im Herzen von Kenia

Von Kindesbeinen an gilt Daphne Sheldricks ganze Liebe den wilden Tieren Afrikas. Bereits als junge Frau leistet sie wahre Pionierarbeit, als sie unermüdlich kämpft für die Errichtung von Schutzgebieten, doch die große Wende ihres Lebens ereignet sich, als sie David Sheldrick begegnet, dem charismatischen Leiter des Tsavo Nationalparks. Es ist eine leidenschaftliche und tiefe Liebe, die sie verbindet, und sie bleiben unzertrennlich bis zu Davids tragischem und viel zu frühen Tod. Daphne Sheldrick, entschlossen, das Werk ihres Mannes fortzusetzen, gründet eine Rettungsorganisation für verwaiste Elefantenkinder. Ihr Buch legt Zeugnis ab von den unvergleichlichen und zutiefst berührenden Freundschaften zwischen Menschen und Tieren - und ist eine großartige Liebeserklärung an den schwarzen Kontinent.

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Seitenzahl: 634

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Daphne Sheldrick

Eine afrikanische Liebesgeschichte

Mein Leben unter Elefanten

Aus dem Englischen von pociao

Die englische Originalausgabe erschien 2012 unter dem Titel »An African Love Story« bei Viking, London.

1. Auflage

Copyright © der Originalausgabe 2012 by Daphne Sheldrick

Copyright © der deutschsprachigen Erstveröffentlichung 2012

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Uno Werbeagentur München

Umschlagmotiv: Archiv Daphne Sheldrick; FinePic, München

Fotos Innenteil: © The David Sheldrick Wildlife Trust

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-08047-1

www.goldmann-verlag.de

Ich widme dieses Buch der Wildnis und allem, was sie bedeutet, David und den ersten Wildhütern von Kenias Nationalparks, die wahre Pioniere waren, meiner Familie und meinen Enkeln, damit sie wissen, wie es einmal war.

Prolog

Der Tag hatte gut begonnen. Ein Freund und ich waren im Tsavo-Ost-Nationalpark inmitten von dichter Vegetation und Herden wilder Tiere auf der Suche nach Eleanor unterwegs. Ich brannte darauf, meine wichtigste Elefantendame zu finden. Nach vielen Jahren Engagement für Elefanten war klar, dass ich Eleanor das meiste Wissen über ihre Gattung verdankte. Gemeinsam hatten wir viele Höhe- und Tiefpunkte erlebt. Sie war eine alte Freundin.

Es war keine leichte Aufgabe. Tsavo erstreckt sich über achttausend Quadratmeilen. Im Moment suchten wir in einer Gegend, in der sie sich angeblich erst am Tag zuvor aufgehalten hatte. Bei zahlreichen Gelegenheiten in der Vergangenheit hatte ich einfach ihren Namen gerufen, wenn ich glaubte, sie in einem wilden Verband zu erkennen, und sie hatte sich still von der Herde entfernt und war zu mir gekommen. Ich erinnere mich an viele zärtliche Momente, in denen sie mir sacht ihren riesigen, kratzigen Rüssel um den Hals gelegt und eins der gewaltigen Beine zum Gruß angehoben hatte, damit ich es mit beiden Armen umfassen konnte.

Ich kannte Eleanor, seit sie mit zwei Jahren ihre Mutter verloren hatte. Jetzt war sie um die vierzig, fast genauso alt wie Jill, meine ältere Tochter. Zwischen Eleanor und mir bestanden eine erstaunliche Freundschaft und ein Vertrauen, das auch nach ihrer Rückkehr in die Wildnis angehalten hatte.

Endlich entdeckten wir in der richtigen Gegend eine Herde Elefanten. Aus der Ferne war es nicht einfach, Eleanor zwischen anderen erwachsenen Tieren auszumachen, aber ich hatte dies nie nötig gehabt, weil ich sicher war, dass sie mich immer erkennen würde. Anders als die übrigen wilden Elefanten von Tsavo, die allen Grund hatten, Menschen zu meiden, kam Eleanor gern, wenn ich sie rief, um mich zu begrüßen – einfach der alten Zeiten wegen. Ich habe eine Menge über das Gedächtnis von Elefanten gelernt – und wie ähnlich Elefanten uns Menschen in puncto Gefühlswelt sind. Es ist schön, einen alten Freund zu begrüßen, man kommt sich beschenkt und geliebt vor.

Eine große Elefantenkuh stand an einem matschigen Wasserloch und trank, während sich ihre Familie bereits in den Busch zurückzog. Aus der Ferne hatte sie nicht viel Ähnlichkeit mit Eleanor; sie war zwar genauso groß, aber massiger. Das bemerkte ich dem Freund gegenüber.

»Wie schade«, antwortete er. »Ich hatte so gehofft, sie kennenzulernen.«

»Ich rufe sie«, meinte ich. »Wenn es Eleanor ist, wird sie reagieren.«

Das tat sie. Sie sah zu mir auf, mit leicht ausgeklappten Ohren, neugierig. Dann verließ sie das Wasserloch und kam auf uns zu.

»Hallo, Eleanor«, sagte ich. »Du hast zugenommen.«

Ich sah ihr in die Augen, die seltsamerweise eine blasse Bernsteinfarbe hatten. Flüchtig schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass Eleanors Augen dunkler waren, doch ich ließ ihn gleich wieder fallen. Es musste Eleanor sein. Wilde Elefanten in Tsavo verhielten sich einfach nicht so, sie gingen nicht so zutraulich auf Menschen zu. Die Tsavo-Herden hegten ein instinktives Misstrauen gegen unsere Spezies, seit sie im Inferno der Siebziger-, Achtziger- und Neunzigerjahre gnadenlos von Wilderern gejagt worden waren.

»Ja«, bemerkte ich zu dem Freund. »Das ist Eleanor.«

Ich streckte den Arm aus, berührte ihre Wangen und streifte das kühle Elfenbein ihrer Stoßzähne. Dann streichelte ich sie zur Begrüßung unter dem Kinn. Ihre Augen waren sanft und freundlich, von dunklen, langen Wimpern umrahmt, ihr Verhalten einladend.

»Sie ist schön«, murmelte mein Freund. »Stell dich mal neben sie, damit ich ein Foto schießen kann.«

Ich positionierte mich neben einem der wuchtigen Vorderbeine und streckte den Arm aus, um sie hinter dem Ohr zu streicheln, was ich mit Eleanor immer sehr gern gemacht hatte. Die Stelle hinter den Ohren ist bei Elefanten weich und glatt wie Seide und angenehm kühl.

Was dann kam, traf mich völlig unvorbereitet.

Die Elefantenkuh setzte einen Schritt zurück, schwenkte den riesigen Kopf und schleuderte mich mit ihrem Rüssel wie ein Stück schwereloses Treibgut durch die Luft, und das mit einer solchen Kraft, dass ich etwa zwanzig Schritte entfernt gegen einen gewaltigen Felsen prallte. Mir war sofort klar, dass die Wucht des Aufpralls mein rechtes Bein zerschmettert hatte, denn ich konnte es hören und spürte die knirschenden Knochen, als ich versuchte, mich aufzusetzen. Außerdem sah ich, dass ich aus einer offenen Wunde am Schenkel bereits stark blutete. Erstaunlicherweise spürte ich keinen Schmerz – jedenfalls noch nicht.

Mein Freund schrie auf. Das Tier – jetzt wusste ich ganz sicher, dass es nicht Eleanor war – raste auf mich zu und türmte sich über meinem lädierten Körper auf, während ich mich auf das Ende gefasst machte. Ich schloss die Augen und betete. Ich hatte eine Menge, wofür ich dankbar sein konnte, aber eigentlich wollte ich diese Welt noch nicht verlassen. Innerlich geriet ich in Panik, unzusammenhängende Gedanken schwirrten mir durch den Kopf. Doch dann kam unvermittelt ein Moment absoluter Stille – als hätte die Welt einfach aufgehört, sich zu drehen –, und als ich die Augen aufschlug, nahm ich wahr, wie die Elefantenkuh vorsichtig die Stoßzähne zwischen meinen Körper und den Felsen schob. Sie wollte mich nicht töten, vielmehr versuchte sie, mir wieder auf die Beine zu helfen, ermunterte mich zum Aufstehen. So wie sie es mit ihren Jungen machen, dachte ich in dem Moment.

Doch jetzt aufzustehen könnte sich als verheerend für meine gebrochenen Knochen erweisen.

»Nein!«, rief ich und schlug gegen die Spitze des feuchten Rüssels, der mein Gesicht berührte.

Sie starrte auf mich herab, die Ohren, die wie die Umrisse von Afrika aussahen, weit geöffnet, die Augen sanft und besorgt. Dann hob sie einen der enormen Füße und betastete mit dem Rüssel vorsichtig meinen ganzen Körper, wobei sie mich jedoch kaum anrührte. Die riesigen Ohren standen rechtwinklig von dem gewaltigen Kopf ab, während sie mich betrachtete: hilflos und nur wenige Zentimeter von den zwei langen, scharfen Stoßzähnen entfernt. Sie hatte mich tatsächlich nicht töten wollen – Elefanten passen genau auf, wohin sie treten, und trampeln nicht auf ihren Opfern herum. Wenn sie töten wollen, knien sie sich hin und benutzen das obere Ende ihres Rüssels sowie die Stirn.

In diesem Augenblick begriff ich mit erstaunlicher Klarheit, dass ich meiner Verpflichtung der Natur gegenüber, die bis heute anhält, nachkommen musste. Denn obwohl ich die gebrochenen Knochen in meinem geschundenen Körper und einen heftigen Schmerz spürte, der mich jetzt einholte, und ich beides einem dieser von mir so geliebten Geschöpfe verdankte, stand für mich in diesem Moment fest: Ich habe die Aufgabe, meine Beobachtungen und umfassenden Erkenntnisse über die wilden Tiere Afrikas und meine tiefe Verbundenheit mit Kenia weiterzugeben.

Wenn ich das hier überlebe, werde ich ein Buch schreiben, sagte ich mir. Das wird mein Vermächtnis sein. Ich werde alles aufschreiben, was ich bei meinen Bemühungen um den Schutz und Erhalt der Tier- und Pflanzenwelt dieses magischen Landes gelernt habe.

Es war, als hätte die Elefantenkuh meine Gedanken gehört. Es herrschte angespannte Stille, als sie noch einen langen Blick auf mich warf und sich dann langsam davontrollte. Ich würde weiterleben. Trotz der Sorge um mich gelang es meinem Freund, zu unserem Fahrer zurückzufinden und Hilfe zu holen.

Nachdem ich viele Stunden unter dem Felsen gelegen und schrecklichere Schmerzen als je zuvor im Leben ausgehalten hatte, wurde ich von den Flying Doctors gerettet. Doch damit war mein Martyrium noch längst nicht zu Ende. Unzählige Operationen und schlimme Infektionen folgten, Knochentransplantate und eine lange Genesungszeit, in der ich Monate brauchte, um wieder laufen zu lernen. Aber ich lebte, und noch immer war ich in Afrika. Ich hatte überlebt, weil Elefanten die außergewöhnliche Gabe besitzen, miteinander zu kommunizieren und komplexe Botschaften auszutauschen, die ihrem natürlichen Instinkt gelegentlich vollkommen zuwiderlaufen. Denn wir entdeckten, dass Eleanor Catherine – so nannten wir meine wilde Angreiferin im Nachhinein – kannte und ihr auf geheimnisvolle Weise mitgeteilt hatte, dass ich eine Freundin war.

Was meine »Erleuchtung« angeht, die Gewissheit, dass ich ein Buch über mein Leben und meine Arbeit schreiben musste … hier ist es, mit ein paar Jahren Verspätung. Es ist die Geschichte meiner Siedlervorfahren, der Kindheit auf der Farm meiner Eltern, der Safaris und Nächte unter den Sternen, die Geschichte meines Seelenpartners David, meiner Töchter Jill und Angela, des Anfangs unserer Elefanten-Aufzuchtstation, die meines bisherigen Lebens. Es ist bestimmt von faszinierenden Begegnungen mit unzähligen Tieren, die mich unermesslich bereichert haben, Tieren, die ich geliebt und aufgezogen habe und denen ich eine Ersatzmutter sein durfte.

Vor dem Hintergrund der majestätischen afrikanischen Landschaft, dem Geburtsort der Menschheit, beginnt meine Geschichte.

1. Siedler

Was wir sind, ist Gottes Geschenk an uns; was wir werden, ist unser Geschenk an Gott.

Anonym

Es war reiner Zufall, dass meine Vorfahren sich in Kenia niederließen.

Zu Anfang des 20. Jahrhunderts führte mein Urgroßonkel Will – seine Schwester war meine Urgroßmutter – ein relativ wohlhabendes Leben am südafrikanischen Ostkap. Seine Familie hatte um 1825 das ländliche Schottland verlassen und war nach Afrika gekommen. Will war ein wirklich tüchtiger und einfallsreicher Mann gewesen. Er hatte hart gearbeitet, unter schwierigen Bedingungen eine Farm aufgebaut, für seine Familie gesorgt und anderen in seiner Umgebung geholfen, die Burenkriege und die damit verbundenen Auswirkungen zu überstehen. Redselig und charismatisch war er gewesen, hatte immer ein verschmitztes Augenzwinkern auf Lager gehabt, und er liebte die Großwildjagd. Hin und wieder konnte er sich eine Fahrkarte auf einem der ersten Dampfschiffe leisten, um seine Abenteuerlust im heutigen Kenia zu befriedigen. Das Land mit seiner üppigen Pflanzen-, artenreichen Tierwelt und den weiten fruchtbaren Grasebenen – Sinnbild für das Leben selbst –, danach sehnte sich sein Herz, hier machte er größte Veränderungen durch.

Auf einer dieser Expeditionen, im Frühjahr 1907, freundete sich Will mit Sir Charles Eliot an, Gouverneur von Britisch-Ostafrika, das seit 1898 von den Engländern verwaltet wurde. Die beiden Männer mochten sich auf Anhieb. Will, ein echter Pionier, gehörte zu den Männern, die Träume in die Tat umsetzen, und Eliot, ein echter Politiker, war einer von denen, die anderen Menschen Gelegenheit dazu bieten. Eines Morgens machte Eliot draußen im Busch meinem Urgroßonkel einen interessanten Vorschlag: Wenn er zwanzig Familien dazu bringen könne, nach Britisch-Ostafrika zu kommen, würde die Regierung ihnen unentgeltlich Land zum Siedeln zur Verfügung stellen. Eliot hatte Anweisung von den Behörden in Europa erhalten, die Entwicklung der Kolonie voranzutreiben, weiße Siedler anzulocken und die Errichtung von Straßenpisten über Nairobi hinaus zu fördern sowie finanzielle Mittel für den geplanten Bau einer Eisenbahnlinie nach Uganda aufzubringen, der Uganda Railways, um den Handel zu fördern. Bislang hatte die britische Regierung schon etwa fünf Millionen englische Pfund für das Protektorat ausgegeben und wollte lieber heute als morgen Gegenleistungen sehen.

Der Grund für das britische Engagement in Ostafrika war eigentlich nicht das heutige Kenia selbst, sondern Uganda und die von britischen Forschern 1860 entdeckte Quelle des Nils. Der Gouverneur sollte weiterhin verhindern, dass Deutsche und Franzosen den Zugang zum Suezkanal gefährdeten, denn der Wasserweg war damals die wichtigste Handelsroute von England nach Indien und damit ein Juwel der britischen Krone.

Der Bau der Eisenbahnstrecke war ein gewaltiges Unternehmen; Tausende von Sikhs wurden eigens dafür als Arbeitskräfte aus Britisch-Indien herangeschafft. Die Bahn schlängelte sich von der Hafenstadt Mombasa aus durch unterschiedlichste Gegenden, durch dichtes, unwirtliches Buschland und weite Savannen, einst bestes Weideland der Massai. Sie waren die mächtigste Bevölkerungsgruppe in Ostafrika gewesen, bis Ende des 19. Jahrhunderts die Pocken ausbrachen und ihre Zahl erheblich reduziert wurde.

Urgroßonkel Will war derart begeistert vom Busch in Britisch-Ostafrika, so fasziniert von der Vorstellung, tatsächlich in diesem erstaunlichen Land zu leben, dass er auf schnellstem Weg nach Hause zurückkehrte, entschlossen, die von Eliot geforderten Familien zu rekrutieren. Er brauchte nicht lange zu suchen, da dieser Zweig meiner Familie besonders fruchtbar war. Er selbst hatte mit drei Ehefrauen insgesamt siebzehn Kinder gezeugt – und diese wiederum viele eigene. Beflügelt vom Bewusstsein einer außergewöhnlichen Gelegenheit überredete er einige seiner engsten Familienangehörigen zum Mitkommen. Dann hatte er seine Schwester im Blick – meine Urgroßmutter Aggett, die auch am Ostkap lebte. Sie, ihr Mann und ihre nicht unerhebliche Schar von insgesamt acht Sprösslingen waren eine ideale Beute für sein Vorhaben. Für Urgroßvater Aggett war es in letzter Zeit nicht gut gelaufen. Er hatte eine Schwäche für Alkohol und Glücksspiel und steckte mit niemand Geringerem als dem örtlichen Bankvorsteher unter einer Decke, der dafür sorgte, dass man angesichts seines zunehmend überzogenen Kontos beide Augen zudrückte. Auf alle Fälle hatte er mehr Schulden als Haare auf dem Kopf. Das wertvolle alte Wohnhaus auf der einst florierenden Farm in der Ostkap-Region hatte er infolge seiner Spielsucht verkaufen müssen, was ihn einigermaßen ernüchterte. Obwohl er bereits auf die sechzig zuging, brannte er darauf, seinen angeschlagenen Ruf abzuschütteln und ein neues Leben zu beginnen. Will bot ihm ein Rettungsseil, und er griff dankbar zu.

Die älteste Tochter meiner Urgroßeltern, Ellen Margaret Aggett, war wenige Jahre nach ihrer Eheschließung zur Witwe geworden. Sie hatte zwei kleine Söhne, Stanley und Bryan, mit denen sie zu ihren Eltern zurückgekehrt war. Ellen war eine resolute junge Frau, bekannt für ihr Durchsetzungsvermögen und ihren Einfallsreichtum. Sie zeigte sich nur allzu bereit, das Abenteuer zu wagen. Wie sich herausstellte, sollte ihre Entscheidung direkten Einfluss auf mich haben: Ellen war meine Großmutter, und ihr siebenjähriger Sohn Bryan wurde eines Tages mein Vater.

Will war ein wunderbarer Geschichtenerzähler. In großartigen Worten beschwor er die Schönheit von Ostafrika, und er konnte durch seine Beschreibungen Menschen, Flora und Fauna zum Leben erwecken. Er sah das Land ganz einfach als einen Garten Eden und die Vorstellung, dort zu leben, als Einladung ins Paradies. In wenigen Monaten war es ihm gelungen, mit Hilfe seiner Überredungskunst zwanzig Familien zu überzeugen, ihre Zelte am Ostkap abzubrechen, die Reise ins Innere des unbekannten ostafrikanischen Kontinents anzutreten und ein neues Leben zu beginnen. Ihm folgten Menschen mit echtem Pioniergeist, stoisch, abenteuerlustig und mit einer großen Afrika-Liebe. Sie besaßen die Fähigkeit, ihre alte Heimat zu verlassen und eine neue Existenz für ihre Familien aufzubauen. Sie kannten viele Geschichten ihrer Vorfahren über das Wagnis, fremde Länder zu erschließen, hatten ihnen stundenlang gelauscht, und irgendwie war es nur logisch, dass auch sie nun das Verlangen hatten, eine solche Herausforderung anzunehmen. Wie gern würde ich für einige Zeit in die Vergangenheit reisen und hören, was bei Wills legendären Planungstreffen debattiert wurde. Wir, die wir überall hinkommen und fast überall auf der Welt alles erhalten, was wir brauchen, können uns kaum vorstellen, wie viel an Planung in diese Übersiedlung gesteckt werden musste. Zwar war der Küstenort Mombasa immer noch uralter Knotenpunkt und wichtigster Hafen Ostafrikas, und im Landesinneren hatte die Eisenbahn mittlerweile Nairobi erreicht, doch die Reisenden konnten davon nur bedingt profitieren – das Land, das man ihnen übergeben wollte, lag nicht an der Strecke der Uganda Railways. Überhaupt waren sie in jeder Hinsicht auf sich allein gestellt. Mit guten Straßenverbindungen konnten sie in ihrer neuen Heimat nicht rechnen, ebenso wenig mit Geschäften, Ärzten oder Apotheken. Sie waren für das eigene Wohlergehen ebenso verantwortlich wie für das ihrer Kinder.

Dabei ging es nicht nur um Proviant für unterwegs. Bei ihrer Ankunft auf dem zugewiesenen Land – falls sie dort überhaupt ankamen – würden sie einen Grundstock an Zuchttieren brauchen, aber auch landwirtschaftliche Geräte, Saatgut, Werkzeug, Möbel und, ganz wichtig, Waffen und Munition, um sich und das Hab und Gut zu verteidigen. Die Frauen konnten deswegen nur das Allernötigste an Kochgeschirr, Decken, Bettzeug, Stoffen, Kurzwaren, Medikamenten, Kleidern und Toilettenartikeln mitnehmen. Von größtem Wert war das Vermächtnis ihrer Siedlervorfahren – eng beschriebene Notizbücher mit praktischen Hinweisen zur Selbstversorgung und genaueste Schilderungen zur Herstellung von Seifen oder Kerzen, Haltbarmachung und Aufbewahrung von Lebensmitteln, zum Schneidern von Kleidern, zur Ausbildung der Kinder auf Reisen sowie zur Verwendung von Kräutern, Beeren und Wildpflanzen, um Krankheiten vorzubeugen oder zu heilen, um aber auch psychische Störungen und unvermeidlich auftauchende Stimmungsschwankungen zu überwinden. Die aufbruchsbereiten Frauen waren zäh, großartige Köchinnen, geschickte Näherinnen und mit den Problemen des Siedlerlebens vertraut, trotzdem stellte der beschwerliche Wohnortswechsel, verbunden mit einer veränderten klimatischen Situation und der Tatsache eines nochmals von vorn beginnenden Lebens, ganz neue Schwierigkeiten für sie und ihre Familien dar.

Schließlich kam der Tag, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Im Hafen von Port Elizabeth, im östlichen Teil von Südafrika, lag die Adolph Woermann vor Anker, ein gechartertes deutsches Schiff, mit dem die Familien ihre Reise ins Ungewisse antreten sollten samt ihrem Besitz. Und was gehörte alles dazu! Einmal beladen muss das Schiff ausgesehen – und geklungen – haben wie die sprichwörtliche Arche Noah. Es beschwört ein lebendiges Bild in meinem Bewusstsein herauf: meine Großmutter Ellen Margaret Aggett und ihre beiden kleinen Kinder an Bord, umgeben von Tieren völlig unterschiedlicher Größe, erstklassiges Zuchtvieh, Arbeitsochsen, Reitpferde, Milchvieh, Mastrinder, Schafe, Ziegen, Geflügel, Enten, Gänse und Truthähne, aber auch Fuhrwerke, alle möglichen Gerätschaften für die Farm, Schränke, Tische und Betten, die schon die Vorfahren benutzt hatten, Kisten voller Bücher, Flaschen, Gefäße zum Aufbewahren von Lebensmitteln und Nähmaschinen. Damals war die Vorstellung, mit leichtem Gepäck zu reisen, noch unbekannt!

Meine Kinder und Enkel sind heute in Kenia so verwurzelt, so eingesessen, begreifen sich so sehr als Teil dieses Landes, dass es mich sehr bewegt, wenn ich mir die Gefühle vorzustellen versuche in dem Moment, als die Adolph Woermann langsam den Hafen von Port Elizabeth verließ und alle Passagiere an Bord ein letztes Mal, mit Tränen in den Augen, den Freunden und Verwandten am Kai zuwinkten. Niemand wusste, was die Zukunft in einem neuen Land für sie bereithalten würde; jeder Einzelne war sich sicher im Klaren darüber gewesen, dass in den kommenden Jahren vielleicht große Gefahren drohten. Und ebenso wussten sie, dass für die älteren Familienmitglieder diese Trennung endgültig sein würde. Denn es war sehr unwahrscheinlich, dass sie je wieder Heimatboden betreten würden. Es muss viel Mut gekostet haben, insbesondere vonseiten der Frauen, sich und ihre Kinder in solch ein Abenteuer zu stürzen.

Zwei lange Monate segelte die Adolph Woermann an der Ostküste Afrikas entlang. Die Reise verlief nicht ohne Schwierigkeiten – aufgrund der schrecklichen Enge brachen Krankheiten aus, einige Tiere starben. Doch beim Anblick eines spektakulären tropischen Sonnenaufgangs im malerischen Hafen von Mombasa einzulaufen muss ihnen wie die Ankunft in einem gelobten Land erschienen sein. Während die Erwachsenen halfen, die Fracht an Land zu befördern, liefen die Kinder trotz der drückenden Hitze begeistert hin und her. Mombasa war ein lebhafter, lärmender Ort; überall stachen einem die leuchtend bunten Waren der arabischen und indischen Händler ins Auge, roch es nach Gewürzen, Duftölen und exotischen Speisen. Die Straßen waren von weiß blühenden Frangipanibäumen und Kokospalmen gesäumt, und als es Abend wurde, hielt man mit dem geschäftigen Treiben inne und ging zum Essen in den alten Teil der Stadt.

Bevor die Reise ins Innere des Landes beginnen konnte, musste das Vieh in schützendes Sackleinen gehüllt werden, nur kleine Löcher für Augen und Nase blieben frei, denn sie würden durch das berüchtigte, von Tsetsefliegen verseuchte Nyika-Plateau ziehen. Diese eindrucksvolle, unwirtliche Hochlandbarriere aus trockenem Buschland und feuchten Senken hatte der schottische Entdecker und Afrika-Reisende Joseph Thomson in den Siebzigerjahren des 19. Jahrhunderts als »seltsam und scheußlich … unheimlich und von Traurigkeit erfüllt« geschildert, »als wäre hier alles nur Tod und Verzweiflung«. Ein einziger Fliegenstich konnte verheerende Folgen haben, da das Insekt verschiedene Krankheitserreger übertragen kann. Bei Haustieren wie Pferden oder Kühen konnte die Stechfliege diese mit der tödlichen Schlafkrankheit infizieren, für die es damals noch keine Heilung gab. Ein paar Jahre zuvor war der größte Teil des Viehs, das für den Transport von Baumaterial für die Eisenbahnlinie eingesetzt werden sollte, auf diese Weise vernichtet worden. Daraus hatte man gelernt. Vermutlich dauerte es tagelang, bis der schützende Stoff zurechtgeschnitten und jedes Tier sicher »verpackt« war. Kein beneidenswerter Job.

Sobald das erledigt und der Zug mit unzähligen Habseligkeiten beladen war, konnte der nächste Teil der Reise beginnen. Doch selbst die Vorbereitungen, die man für die Abfahrt benötigte, waren zu dieser Zeit sehr kompliziert, weil Dampflokomotiven reichlich Holz- und Wasservorräte brauchten, um angetrieben zu werden. In Mombasa gab es damals keine Leitungen, daher musste der notwendige Wasservorrat aus zwei zwanzig Meter tiefen Brunnen geschöpft oder aus einem vier Meilen entfernten Fluss gepumpt werden. Den Zug in Gang zu setzen war ein Großereignis. Mein Vater erzählte später meinen Geschwistern und mir, wie unsere Familie in Kenia ankam. Ich liebte besonders die »Geschichte von der Reise«, wie sie bald hieß. Bis zum heutigen Tag kann ich die Augen schließen, mich in Gedanken an Bord des Zuges versetzen und das aufgeregte Stimmengewirr hören, als die Dampflok langsam aus Mombasa herausrollte. Einige Mütter in der Gruppe konnten in diesem Moment kaum ihre Besorgnis verbergen: Die Strecke war erst vor kurzem fertiggestellt worden, und obwohl sie auf halber Strecke in Nairobi aussteigen würden, fürchteten sie sich zweifellos vor den wackligen Bockbrücken aus Holz und den tiefen Schluchten, die der Zug überqueren würde. Allen war auch der grausame Tod bekannt, den etwa vierzig indische und afrikanische Arbeiter im Jahr 1898 durch Löwen gefunden hatten, als sie eine Eisenbahnbrücke über den Fluss Tsavo bauten und nachts im Camp von den Raubtieren überfallen wurden. Dieser Vorfall hatte dazu geführt, dass die Löwen in dieser Region »Menschenfresser von Tsavo« getauft worden waren, was sicher einige Ängste bei den nicht ganz so abgehärteten Mitgliedern meiner Familie auslöste.

Während meine eigenen Kenia-Erfahrungen in vieler Hinsicht deutlich anders sind als die meiner Vorfahren, so sahen sie doch, als sie am ersten Morgen an Bord des Zuges erwachten, das gleiche Morgengrauen, das sich schließlich spektakulär auflöst, denselben Himmel, in diverse Nuancen von Rot, Pink, Rost und Gold getaucht, wie ich bis zum heutigen Tag. Ihre müden Augen, gerötet vom Staub des Nyika-Plateaus, blickten dennoch wie die meinen fasziniert über das weite, sanft gewellte Land der Athi-Ebene. Aus den Fenstern konnten sie den Reichtum der Natur betrachten – Gnus, Zebras, Antilopen, Gazellen, Giraffen, riesige Büffelherden und sogar Nashörner. Die Kinder waren wie elektrisiert von den wechselnden Tieren und Landschaften; die Reise öffnete ihnen die Augen für Dinge, die sie noch nie gesehen hatten. Ein Rudel Löwen, das sich satt und faul unter einem einzelnen Baum neben den Gleisen räkelte, veranlasste den Lokomotivführer, den ganzen Zug anzuhalten, damit seine Passagiere sie genauer ins Visier nehmen konnten. Urgroßonkel Will und andere standen sowieso die meiste Zeit auf einer speziellen Plattform, die zum vorderen Teil der Lokomotive gehörte, damit sie die Herden der grasenden oder davonrennenden wilden Tiere besser zu beobachten vermochten. Als eingefleischter Jäger hielt Will sogar selbst mehrmals den Zug an, wenn er unweit der Gleise ein besonders gutes Stück Wild entdeckte. Diese Gelegenheit, es zu jagen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Die anderen Männer folgten ihm, und der Zug wartete dann, bis die Jäger wieder einstiegen. Die übrigen Passagiere erhoben keinen Einspruch gegen die Verzögerung, sondern hatten ihren Spaß als Zuschauer.

Wie sorglos meine Vorfahren Tiere erschossen! Auf uns, die wir in einer anderen Zeit leben und uns der Dezimierung der Wildtiere bewusst sind und die obendrein das Privileg haben, solche Geschöpfe in ihrer ursprünglichen Wildnis erleben zu dürfen, wirken die Taten meiner Vorfahren schockierend und sind kaum zu verstehen. Doch damals waren die Landkarten von Ostafrika noch weitgehend weiße Flecken, und hinter jedem Hügel taten sich immer neue endlose, unberührte Weiten auf, sonnige Ebenen mit korngelbem Gras, bewaldeteHügel, saftige Täler, kristallklare Gewässer. Überall gab es solch verschwenderischen Überfluss, dass jene, die solches niemals gesehen haben, sich derartige Zustände kaum vorstellen können. Damals hätte niemand geglaubt, dass man die enormen Tierbestände durch die Jagd verringern, geschweige denn ausrotten könnte.

Als der Zug Nairobi erreichte, mussten die Passagiere aussteigen, einige administrative Formalitäten erledigen und Maßnahmen für die letzte Strecke der Reise ins Landesinnere treffen. Nairobi war ursprünglich nichts weiter als ein idyllisch gelegenes landschaftliches Gebiet, das von Massai bewohnt wurde, bis hier ab 1896 die Uganda Railways ihr Eisenbahnlager und Versorgungsdepot errichtete und ab 1899 ihre Verwaltung nach Nairobi verlegte. 1907 wurde dieser Ort zur Hauptstadt des britischen Protektorats erklärt mit der Folge, dass Nairobi umgebaut wurde. Als meine Familie dort eintraf, war es noch ein Gewirr von Hütten, Schuppen und kleinen indischen Läden, die sich Dukasnannten, durchzogen von einem dreispurigen Feldweg, der Government Road. Die meisten Gebäude standen auf Stelzen, damit sie nicht in den ringsum liegenden Sümpfen versanken. Überall wirbelte Staub herum und bedeckte alles. Ungeachtet dessen ging es geschäftig zu, es wimmelte von indischen Eisenbahnarbeitern, Straßenverkäufern, Rikschas und Eselskarren: Meine Familie war verzaubert. Die älteren der Reisenden übernachteten im einzigen Hotel am Ort – dem Norfolk – mit Blick auf einen sumpfigen See, an dem sich vor einbrechender Dunkelheit die wilden Tiere aus den Ebenen in großer Zahl zum Trinken einfanden. Es war der perfekte Platz für Urgroßonkel Will. Die Verlockung war so groß, dass er schon am ersten Abend seinen Drink auf der Veranda des Hotels stehen ließ, um eine am Wasserloch entdeckte Trophäe zu erlegen. An einem anderen Abend brauchte er nicht einmal auf seinen Drink zu verzichten, sondern schaffte es, seine Beute von der Veranda aus zu erschießen.

Doch bald waren die Ochsenkarren beladen und damit die Familien bereit für die Weiterfahrt ins Landesinnere. Die Männer trugen dicht gewebte Khakikleidung, die Frauen eng geschnürte Korsetts und Strümpfe; die Köpfe schützte man mit extra verstärkten Tropenhelmen. Trotzdem herrschte eine gewisse Beklommenheit, als sich der Trupp in Bewegung setzte. Zwar war die Zuteilung von tausendzweihundertfünfzig Hektar unberührtem Buschland durch die Regierung an sich eine großzügige Geste gewesen, doch die Lage dieses neuen Besitztums in Narok, mitten im Kernland der Massai-Gebiete, beunruhigte viele. In Wirklichkeit hatten sie aber nichts zu befürchten. Obwohl die Massai sich während der etwa sechshundert Jahre, die sie bereits in Ostafrika lebten, einen furchterregenden Ruf erworben hatten, riet ihnen ihr Medizinmann, Chief Mbatian, sich weder den »blassen Menschen« noch der »eisernen Schlange« zu widersetzen, die, wie ein junges Mädchen geträumt hatte, in ihr Land kommen würden. In Wirklichkeit war es die Tier- und Pflanzenwelt im Land selbst, die sich als größte Bedrohung für den Neubeginn erweisen sollte.

Die Reise dauerte mehrere Monate. Es gab keine Straßen, nur Furchen, verursacht von Fuhrwerken, die den Tierfährten durch den dichten Busch gefolgt waren. Überall schwirrten Fliegen, die die grasenden Herden begleiteten und sich ständig auf die Gesichter meiner Familie setzten. Trotz der Schutzkleidung fand der Staub des Landes einen Weg in Augen, Kehlen und Lungen, sodass vor allem die Kinder unter anhaltenden Hustenanfällen zu leiden hatten. Auf ihrem Weg kamen sie durch Gebiete, die von lokalen Stämmen besiedelt waren, und viele davon hatten vermutlich noch nie zuvor weiße Menschen gesehen. Oft stießen die Stammesfrauen hohe Schreie aus, wenn sie den Konvoi kommen sahen, woraufhin ihre Männer mit Knüppeln, Speeren oder mit Pfeil und Bogen bewaffnet auf der Bildfläche erschienen. Es passierte, dass man die Wagen mit Speeren bewarf; dann trat Urgroßonkel Will tapfer zu den Stammeskriegern und beschwichtigte sie mit beruhigenden Gesten. Raubtiere waren eine allgegenwärtige Bedrohung, andererseits sorgte die Fülle an Wild für eine willkommene Abwechslung im Speiseplan. Der Abstieg ins Great Rift Valley, in den Großen Afrikanischen Grabenbruch, erfolgte über eine Piste früherer Afrika-Pioniere. Dieser Pfad schlängelte sich durch die dichten Wälder des Hochlands den steilen Hang des Grabens hinab und ging über in die offene Savanne der Talsohle. Dort standen die erloschenen Vulkane Longonot und Suswa wie Wächter vor einer Reihe von alkalisch-salzhaltigen oder Süßwasserseen. Der westliche Hang des Grabens, das Mau Escarpment mit seinen dramatischen Steilabbrüchen, bildete eine abschreckende Kulisse für die Familien, die sich beim Abstieg einen Weg durch den dichten Wald freischlagen mussten. Diesen Steilhang mussten sie wieder hinauf, um sich ihrem Ziel weiter zu nähern.

Doch es gab auch Augenblicke von überwältigender Schönheit. Wenn die Abenteurer aus den kühlen, schattigen Wäldern in saftige und sonnendurchflutete Täler traten, wurden sie sich der ungeheuren Vielfalt des Landes bewusst. Für die Laienbotaniker unter ihnen gab es auf Schritt und Tritt neue Pflanzen und Blumen zu bestaunen – Orchideen, Gladiolen, Hibiskus oder die atemberaubende Riesenlobelie, die mehr als sieben Meter hoch wird. Aufmerksame Ornithologen entdeckten die unterschiedlichsten Vögel: Strauße, in großen Verbänden von fünfzig oder mehr Tieren, metallisch glänzende Stare und schillernd leuchtende Nektarvögel. Es gab durchdringende Tiergerüche, manchmal roch es auch nach verbranntem Fleisch, verwirrendes Geschnatter und unverkennbare Eselslaute drangen aus abgelegenen Dörfern. Die Massai fertigten bunte Stoffe und machten kunstvolle Perlarbeiten. Sie kleideten sich gern in Stoffe, die ein intensives Rot hatten, flochten das Haar zu Zöpfen und verlängerten diese mit Schafwolle, bevor sie sie mit rötlich ockerfarbenem Lehm bestrichen, so wie auch den übrigen Körper, um ihn rot zu färben. Sie trugen ihren Perlenschmuck an Beinen, Armen und den langen Ohrläppchen; das Funkeln ihrer Speere und Dolche war ein aufregender Anblick für die Kinder. Ich konnte nie genug davon bekommen, wenn mein Vater erzählte, wie die Tiere sich entfernten, wenn sich der Zug der Wagen näherte, und sie sich wieder an ihren alten Platz begaben, wenn der Treck diesen passiert hatte. Jedes Mal sah das aus wie ein undurchdringlicher Vorhang, der aber äußerst lebendig war. Donnerten die Hufe vorbeigaloppierender Gnus oder Zebras, so glaubten meine Vorfahren den Herzschlag dieses neuen Landes zu spüren. Es machte ihnen ungeheuren Spaß, das unablässige Gurren der Tauben zu imitieren, und das tiefe, markerschütternde Brüllen der Löwen erschien ihnen wie ein ewiger Nervenkitzel. Fleisch für den Kochtopf war kein Problem. Löwenjagden fanden beinahe täglich statt und wechselten sich ab mit langen Nachtwachen, um zu verhindern, dass Löwen, Hyänen und Leoparden sich an dem kostbaren Vieh vergriffen. Alle Kinder liebten es, wenn Will hoch zu Ross neben Elenantilopen oder Giraffen durch die offenen Ebenen ritt, um zu sehen, ob sein Pferd schneller war als sie.

Dies aber waren sorglose Erinnerungen, da mein Vater zu dieser Zeit noch ein Kind war. Für die Erwachsenen stellte sich die Reise als endlose Reihe von täglich, manchmal stündlich neuen Hindernissen und Problemen dar. Auf den dicht bewaldeten Hängen des Mau Escarpment Richtung Narok kamen sie nur quälend langsam voran, da sie sich den Weg für ihre Wagen – kaum mehr als schmale Elefantenwechsel – durch das Gewirr einer fast undurchdringlichen Vegetation praktisch freihacken mussten. Jeden Abend, ehe unvermittelt das Dunkel der Nacht hereinbrach, errichteten die Männer bomas, runde Hütten aus Gras und Gestrüpp, die die Familien und das Vieh schützen sollten. Unterdessen schlugen die Frauen das Lager auf. Bevor sie ihr Ziel schließlich erreichten, mussten sie noch den Uaso Nyiro überqueren, heute nur ein Rinnsal, damals jedoch ein tiefer, breiter Fluss mit einer schnellen Strömung. Die einzige Möglichkeit, an die andere Uferseite zu gelangen, bestand darin, hinüberzuschwimmen und die Karren durchs Wasser mitzuziehen. Ein logistischer Albtraum. Doch sie waren entschlossen, und sie schafften es.

Nach vier aufwühlenden Monaten waren die Mühen endlich überstanden. Urgroßonkel Wills unmittelbare Nachkommen hatten unweit des Elmenteitasees Halt gemacht, während die Aggetts die weit größere Herausforderung angenommen hatten und bis nach Narok vorgestoßen waren. Dort gab es ein wenig Handel und ein Verwaltungszentrum, doch ihr Land lag etwas weiter davon entfernt, jenseits des Flusses.

Natürlich war für nichts gesorgt, als sie ankamen. Es ist kaum vorstellbar, wie man nach einer solchen Reise, unter fast unmöglichen Umständen, mit seinem kompletten Hab und Gut im Schlepptau, sein Ziel in Augenschein nimmt, das aus nichts als Wildnis besteht. Ich habe mich oft gefragt, woher sie überhaupt wissen konnten, dass sie am richtigen Ort waren. Nachdem sie erneut bomas errichtet hatten, begannen die Männer mit dem Roden des Landes, eine Knochenarbeit. Dadurch dauerte es eine Weile, bis sie stabilere Gebäude fertiggestellt und so etwas wie häusliche Ordnung etabliert hatten. Außerdem brachte die Lage ihrer neuen Parzellen es mit sich, dass die Aggett-Familie zerstreut war und die einzelnen Mitglieder sich gegenseitig nicht so helfen konnten, wie sie es sich möglicherweise gewünscht hätten. Für meinen Urgroßvater war es eine äußerst schwierige Zeit, denn mit seinen neunundfünfzig Jahren war er nicht mehr in bester körperlicher Verfassung für eine so anstrengende Arbeit. Falls sie auf Hilfe durch die Massai gehofft hatten, so zerschlug sich dieser Gedanke schnell, denn die überließen nach alter Tradition alle Haus- und Feldarbeiten den Frauen, während die Männer sich allein um das Vieh kümmerten. Ohne jede Feindseligkeit beobachteten sie still und neugierig die Gewohnheiten der Neuankömmlinge. Am meisten beeindruckten sie die Zähigkeit und der Mut meines Urgroßvaters – Eigenschaften, die von ihnen sehr geschätzt wurden.

Wir fühlen uns gestresst, wenn unsere Geschäfte, in denen wir einkaufen wollen, mehr als eine halbe Stunde Autofahrt entfernt liegen. Ich muss dann an meine Urgroßmutter Aggett denken. Wollte sie Besorgungen machen, musste sie nach Kijabe – und war dann sechs Tage mit dem Ochsenkarren unterwegs (Narok war als Township erst im Entstehen). So kamen also die alten Familienhandbücher wieder zu ihrem Recht – wenn meine Urgroßmutter nicht gerade damit beschäftigt war, sich um die Tiere zu kümmern oder allerlei vierbeinige oder gefiederte Räuber abzuwehren, die sich Tag und Nacht auf alles stürzten, was sich bewegte. Sie produzierte Seife aus selbst gemachter Butter, Straußeneiern, die sie in den Ebenen einsammelte, und Ätznatron, das sie von zu Hause mitgebracht hatte. Kerzen stellte sie her, indem sie das Fett der Gnus zum Schmelzen brachte und den Talg mit einem Baumwolldocht in einen hohlen Zylinder goss. Schönheitstinkturen und allerlei Heilmixturen fertigte sie aus Kräutern und Bienenwachs. Fleisch wurde gesalzen und an der Sonne zu Biltong getrocknet, im Busch gesammelte wilde Beeren wurden eingekocht und in Gläser abgefüllt. Sie arbeitete unermüdlich, dabei war auch sie schon fast sechzig.

Für eine Weile setzte meine Familie alles daran, ihr neues Leben zu einem Erfolg zu machen. George, einer der Aggett-Söhne, verbrachte viel Zeit mit den Massai, lernte bald ihre Sprache Maa und wurde mit ihrer Lebensart vertraut. Meine Urgroßmutter, deren langes dichtes Haar eine unerschöpfliche Quelle der Faszination für die Massai-Frauen war, merkte, dass ihre Reputation als Heilerin sich schnell ausbreitete. Man vertraute ihr sogar kranke und behinderte Stammesmitglieder an, viele mit Verletzungen durch Speere oder Raubtierbisswunden, andere mit entzündeten Augen oder Hautproblemen. Ihre geheimen Heilmittel bestanden aus Paraffinmischungen, dem Schimmel getrockneter Kuhfladen und Kräutertinkturen, die seit Generationen in der Familie weitergegeben worden waren.

Als sich das Leben ein wenig beruhigte, erfuhren meine Vorfahren Augenblicke großer Befriedigung angesichts ihrer Eigenständigkeit und ihres starken Willens. Unablässig bestaunten sie die schiere Pracht ihrer Umgebung: die immens weiten Flächen, die Magie des gewaltigen tiefblauen Himmels, die verschwenderische Fülle in der Tier- und Pflanzenwelt. Doch der Buschalltag blieb extrem anstrengend und unerbittlich. Die Landwirtschaft entpuppte sich als Rätsel für diese frühen Siedler, Erträge waren reine Glückssache. Trügerisch fruchtbar wirkender Boden war häufig unbrauchbar, weil ihm die für den Ackerbau lebenswichtigen Mineralien fehlten. Die Höhe und der geringere Anteil an Tageslicht durch die Äquatornähe beeinflussten das Wachstum, und der Regen brachte entweder alles oder nichts. Oft knickten jedoch sintflutartige Hagelstürme alles um, was bislang in die Höhe geschossen war. Es gab Tierkrankheiten, die man vorher nicht gekannt hatte, dazu kamen die natürlichen Gefahren durch Raubtiere, Heuschreckenschwärme oder die Larven der Trauermücke, auch Heerwurm genannt, die sich in unvorstellbar langen Zügen auf den Erntefeldern niederließen und alles vernichteten.

All das war hart für meinen alternden Urgroßpapa. An einem besonders unseligen Morgen brach er wie immer auf seinem Lieblingspferd Princess auf und führte eine zweite Stute namens Daisy am Zügel mit, weil sie Bewegung brauchte. Er band Princess an einem der großen und schattenspendenden Bäume fest, die die Ufer des Uaso Nyiro säumten, und ließ Daisy frei herumlaufen in der festen Überzeugung, dass sie sich nicht allzu weit von ihrer Gefährtin entfernen würde. Dann ging er weiter zu einem von ihm selbst ausgehobenen Bewässerungsgraben, der damals noch ein ganzes Stück vom Fluss entfernt war. Er hatte schon seit einiger Zeit daran gearbeitet; er wollte Wasser vom Fluss zu einem Gemüsegarten leiten, den er angelegt hatte. An diesem Tag kehrte er gegen Abend erschöpft und staubig zu den Pferden zurück und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass ein riesiger Löwe mit dunkler Mähne dabei war, seine geliebte Princess zu verschlingen. Drohend kauerte er über seiner Beute, wobei die nervöse Daisy den Angreifer gefährlich nahe umkreiste. Ausgerechnet an diesem Tag hatte Urgroßpapa das Gewehr zu Hause gelassen und damit seine von ihm aufgestellte Regel – nie ohne Waffe in den Busch zu gehen – durchbrochen. So blieb ihm nichts anderes übrig, als zu versuchen, sein überlebendes Pferd zu fangen.

Unterdessen wurde der Löwe immer wütender, drehte sich in seiner geduckten und angespannten Haltung um sich selbst, knurrte, fauchte und schlug bedrohlich mit dem Schwanz auf den Boden, wobei er jede Bewegung meines Urgroßvaters aufmerksam verfolgte. Mein Urgroßvater brachte mit angehaltenem Atem Daisy dazu, einen Moment still zu stehen, sodass er aufsteigen konnte. Als er das Gefühl hatte, jetzt oder nie, sprang er mit letzter übermenschlicher Anstrengung auf das Pferd zu und schaffte es – wie, wusste er selbst nicht –, sich auf seinen Rücken zu schwingen und ihm die Fersen in die Flanken zu stoßen. Auf der Stelle griff der Löwe an, wobei er ein gruseliges Brüllen ausstieß, doch Daisy gelang es im letzten Augenblick, den gefährlichen Krallen des Löwen zu entkommen.

Erschüttert, müde und gebrochen stolperte der alte Mann an diesem Abend ins Haus, denn abgesehen von seiner eigenen anstrengenden Mutprobe trauerte er um Princess, die er von ganzem Herzen geliebt hatte, wie man es nur kann, wenn man sich vollkommen auf sein Pferd verlässt. Princess hatte ihn getreulich sowohl in Südafrika als auch in der neuen Heimat Hunderte von Meilen getragen; zwischen den beiden bestand so etwas wie eine nahezu greifbare Verbindung, ein starkes gegenseitiges Einfühlungsvermögen, das sich jeglicher rationalen Erklärung widersetzte. Zum ersten Mal musste mein Urgroßvater einsehen, dass er unterlegen war und gegen solche Widrigkeiten nicht länger ankämpfen konnte. Sie schienen ihm unüberwindlich. Ich habe den Verdacht, dass er an diesem Tag wünschte, Südafrika nie verlassen zu haben. In der Nacht taten Urgroßmutter Aggett und er kaum ein Auge zu, so sehr dachten sie über ihre missliche Lage nach. Am nächsten Morgen stand ihre Entscheidung fest. Sie würden es dort, wo sie jetzt waren, nie schaffen. Sie mussten weiterziehen. Am nächsten Tag sattelte Urgroßpapa Aggett Daisy und machte sich auf den Weg nach Nairobi, um den Rat der Kolonialregierung einzuholen.

Tatsächlich ahnten die Behörden bereits, dass die isoliert und schutzlos mitten im Massai-Land lebenden weißen Pioniere noch einmal umgesiedelt werden mussten. Man verhandelte bereits mit den Stammesältesten darüber, die Massai aus dem ganzen Land in das Gebiet um Narok zu bringen, damit sie alle an einem Ort leben konnten, weit weg von ihren Feinden, den Kikuyu. Als mein Urgroßvater in Nairobi eintraf, war die Entscheidung, ihn und seine Familie aus dem Massai-Land herauszuholen und ihnen alternative Grundstücke im Hochland von Laikipia anzubieten, bereits gefallen. Dieses Gebiet im Rift Valley war erstklassiges Farmland, trotzdem war hier die Tierwelt genauso vielfältig wie in den Athi-Ebenen oder im Massai-Land um Narok.

Und so belud die Familie erneut die Wagen und machte sich mit dem, was von ihrem Viehbestand noch übrig war, auf den mühsamen Weg zurück zum Ostafrikanischen Grabenbruch. Zur gleichen Zeit zogen die Massai, die im Hochland von Laikipia lebten, hinunter ins Rift, angeführt von Tausenden Kriegern in voller Kampfmontur und in Begleitung von hunderttausend Rindern, einer halben Million Schafe und Hunderten beladenen Eseln. Frauen, Kinder und Alte gingen langsam neben den Tieren her, die ihre wenigen Habseligkeiten transportierten. Ein weiterer Trupp Krieger marschierte am Ende, und alle wurden bewacht von Soldaten der King’s African Rifles, eines ostafrikanischen Infanterieregiments, das unter der britischen Kolonialherrschaft gebildet wurde – für den Fall, dass die Krieger unterwegs Probleme machten. Es muss dies ein unvergesslicher Anblick gewesen sein, dieser Exodus der Massai aus Laikipia nach Narok, der zufällig mit dem Umzug vieler meiner Familienangehörigen nach Laikipia zusammenfiel.

Die jüngere Generation war aufgeregt und brannte darauf, sich auf neuem Grund und Boden anzusiedeln, doch meine Urgroßeltern, denen die letzten Jahre sowohl körperlich als auch seelisch stark zugesetzt hatten, begnügten sich mit einem kleineren Grundstück und ließen sich in der Stadt Naivasha nieder, sieben Meilen entfernt von dem gleichnamigen See. Dort bauten sie ein Heim auf, das zu einem gastfreundlichen Mittelpunkt für den Rest des Clans wurde und den Kindern grenzenlose Freiheit bot, die weiten Ebenen am Rand des Süßwassersees im Great Rift Valley zu durchstromern.

Mittlerweile wuchs mein Vater Bryan in Nairobi auf. Sein Leben hatte sich aber nicht nur mit der Wiederverheiratung seiner Mutter und der Geburt zweier Halbbrüder, Fred und Harry, verändert. Schon vorher hatte Ellen Nairobis ersten Grillroom im Grand Hotel eröffnet, und bald darauf übernahmen sie und ihr zweiter Mann Ernest Nye Chart auch noch das Management des Hotels, da sie als ortsansässige Unternehmer recht erfolgreich waren. Und auch die Onkel und Tanten meines Vaters etablierten sich nach und nach in ihrer neuen Heimat, veranstalteten Safari-Touren, gründeten Viehzuchtbetriebe, Farmen, Hotels, Transport- und Handelsgesellschaften. Bryan bewegte sich mühelos in der ausgedehnten Verwandtschaft und genoss bei jedem Besuch die Wärme seiner Onkel und Tanten, Cousins und Cousinen, denn er war besonders beliebt.

Mein Vater gehörte zu den Ersten aus unserer Familie, die sich in England für das Abschlussexamen der Cambridge University anmeldeten und es bestanden. Seine akademischen Fähigkeiten retteten ihm im Ersten Weltkrieg wahrscheinlich das Leben, denn man setzte ihn im Büro ein, statt ihn an die Front zu schicken. Trotzdem erkrankte er wie Tausende anderer an der Spanischen Grippe und wurde nach Hause entlassen. Urgroßmama Aggett pflegte ihn wieder gesund, und kaum war er kräftig genug, bot einer seiner Onkel ihm eine Stellung an. Onkel Boyce, ein rühriger Geschäftsmann, hatte gleich mehrere Eisen im Feuer – ein Handelsunternehmen für Tierhäute und Felle, eine Agentur für Großwildjagden, einen Laden in der Nähe von Narok und eine Handvoll Farmen. Mein Vater tat sich in allen praktischen Dingen des Lebens hervor und erwies sich als große Bereicherung für das Safari-Geschäft seines Onkels. Damals waren die Jäger fünf bis sechs Wochen unterwegs, und Bryan sorgte dafür, dass die zahlenden Gäste eine denkwürdige und abwechslungsreiche Zeit im Busch verbrachten.

Meine Großmutter Ellen war ungemein ehrgeizig im Hinblick auf ihren zweiten Sohn und hielt gar nichts von dessen »Zeitverschwendung mit Löwen«. Sie drängte ihn, Vieh zu kaufen. Pflichtbewusst investierte Bryan seine hundert Pfund Militärsold in acht Kühe und drei Kälber, die er bei meinen Urgroßeltern unterstellte, solange er nach einem passenden Stück Land suchte. Da infolge des Soldatenansiedlungsprogramms nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr neue Siedler in Kenia ankamen, wollten mein Vater und sein Bruder Stan ihre Position als Farmer festigen, bevor die Konkurrenz zu groß wurde. Bryan und Stan bestellten ihre Felder rechtzeitig und entwickelten neue Methoden, um ihre Erträge zu steigern. Trotzdem verlief nicht alles nach Plan, und die Sache wurde ganz schlimm, als ihr Land zur Erntezeit auch noch Opfer einer Feuersbrunst wurde. Erneut suchte sich Bryan Arbeit bei einem seiner Onkel. Diesmal verlegte er sich auf die Büffeljagd. Und wieder machte Ellen aus ihrer Missbilligung keinen Hehl und ergriff entscheidende Maßnahmen. In der sicheren Überzeugung, dass Bildung nicht schaden konnte, schickte sie ihren zweiten Sohn nach Südafrika.

Bryan hatte nichts dagegen einzuwenden, vor allem nicht, nachdem sein Bruder Stan, der ebenfalls von Ellens Zivilisationsmaßnahmen profitiert hatte, mit glühenden Beschreibungen von schönen – und heiratsfähigen – Frauen zurückgekommen war. Auf diese Weise lernte mein Vater Marjorie Webb kennen, eine schlanke, tadellos erzogene junge Frau. Vom ersten Augenblick faszinierten ihn ihre natürliche Anmut und ihre wippenden blonden Locken. Sie erwiderte seine Gefühle und erzählte ihren Freundinnen, es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen. Am Ende seines Aufenthalts waren Marjorie und Bryan zum großen Entsetzen von Marjories Eltern dermaßen ineinander verliebt, dass sie heiraten wollten. Insbesondere ihr Vater hatte allerlei an den Aggetts auszusetzen, hielt sie für ungebildet, grob und dominant. Er wollte nicht, dass seine Marjorie den Rest ihres Lebens im »finstersten Afrika« verbrachte. Obwohl er Bryan mochte – jeder mochte ihn –, fand er ihn keinesfalls »gut genug« für seine über alles geliebte Tochter. Aber er war auch klug und wusste, dass ein Verbot nur kontraproduktiv wäre, deshalb kaufte er Marjorie eine Fahrkarte nach Britisch-Ostafrika, damit sie Bryan auf der Rückreise begleiten und das Leben in der Wildnis ein paar Monate lang am eigenen Leib erleben konnte.

Marjorie ließ sich keineswegs abschrecken, sondern verliebte sich jetzt obendrein in das heutige Kenia. Sie war hingerissen von der majestätischen Schönheit und der vibrierenden Vielfalt des Landes. Mehr denn je entschlossen, Bryan zu heiraten, kehrte sie nach Südafrika zurück. Und welche Zielstrebigkeit sie bei meinem Vater auslöste! Beflügelt von seiner Liebe arbeitete Bryan während der nächsten beiden Jahre mit aller Kraft und kaufte schließlich gut hundertneunzig Hektar Land in der Nähe von Gilgil. Der Steinbruch und die Zedern auf seinem Grundstück lieferten das Material für ein Haus. Dazu errichtete er eine Sägemühle und eröffnete eine kleine Holzhandlung. Voller Hoffnung auf die Zukunft nannte er seine Farm L’Esperance. Als Dick Webb von Bryans Leistungen hörte, wusste er, dass er seine Tochter nicht länger halten konnte.

Zwei Jahre nach ihrer ersten Begegnung verließ Marjorie nicht ohne einen Hauch von Beklommenheit an Bord eines Dampfschiffs den Hafen von East London, um zu Bryan zu gelangen. Sobald sie ihn am Kai von Mombasa stehen sah, wo er eifrig die Gesichter an Deck absuchte, wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Nun, da klar war, dass sie ihr ganzes Leben miteinander verbringen würden, stand ihre Fahrt ins Landesinnere unter einem besonderen Zauber. Nie sollte sie ihre Ankunft auf der Cedar Park Farm vergessen oder den Duft des Zedernöls, der von den wunderschönen, mit poliertem Holz getäfelten Räumen ausging, die mein Vater extra für sie hergerichtet hatte.

Die Hochzeitsfeier war eine fröhliche Angelegenheit. Der gesamte weitläufige Aggett-Clan reiste an, von nah und fern; die Party selbst dauerte mehrere Tage. Marjorie wurde sofort herzlich in den Kreis der Familie aufgenommen, und sogar Ellen war (beinahe) zufrieden. Marjorie lebte sich schnell ein. Als begnadete Hausfrau und talentierte Künstlerin machte sie sich daran, der Farm eine weibliche Note hinzuzufügen. Außerdem legte sie einen Garten an, der später zu einem der schönsten im ganzen Bezirk werden sollte. Marjorie war eine wundervolle Gastgeberin, und es dauerte nicht lange, bis Bryan und sie Familienmitglieder und Freunde einluden und ihr Zuhause sich mit Leben und Lachen füllte. 1930, ein Jahr nach ihrer Hochzeit, wurde Marjorie zum ersten Mal Mutter – sie gebar einen Sohn, Peter, Sheila folgte anderthalb Jahre später. Nach drei weiteren Jahren kam ich im Juni 1934 zur Welt und vier Jahre nach mir unsere kleine Schwester Betty. Um diese Zeit hatte mein Vater nicht weit von Gilgil ein Haus für seine Mutter Ellen gebaut – wir Kinder nannten sie Granny Chart – und eines für seine kürzlich angekommenen Schwiegereltern, Granny und Grandpa Webb. Letztere hatten beschlossen, den Rest ihres Lebens in der Nähe ihrer Enkel zu verbringen, und waren aus diesem Grund aus Südafrika ausgewandert. Damit war unsere Familie komplett.

Fast dreißig Jahre nachdem sie das Ostkap verlassen hatten, waren einige herausragende Persönlichkeiten der Pioniergeneration gestorben, darunter Urgroßonkel Will, Urgroßvater und Urgroßmutter Aggett. Ich war zwar noch zu klein, als sie alt waren oder im Sterben lagen, um mich an sie zu erinnern, doch ich werde ihnen, ihrem Mut und ihrer Entschlossenheit mein ganzes Leben lang verpflichtet bleiben. Sie brachten eine Menge Opfer, um die Sicherheit der nächsten Generationen unserer Familie zu gewährleisten. Nur ihnen ist es zu verdanken, dass meine Familie sich vertrauensvoll in diesem Land verwurzelte und anfing, die mächtigen Regungen der Zugehörigkeit zu spüren.

2. Kindheit

Gott, du voll Liebe und Güte, der du die Welt so schön gemacht hast und alle Kreatur, die geht und fleucht, angewiesen hast, dass sie deinen Ruhm verkünde, ich danke dir bis an mein Ende, dass du mich unter sie gestellt hast.

Franz von Assisi

Mein lebenslanges Engagement für Tiere begann mit einer Katzenmutter und ihren Jungen. Meine Mutter erzählte mir, dass ich ein sehr neugieriges Kind war, immer unterwegs, am liebsten dort, wo was los war. Um mich davon abzuhalten, dass ich meine älteren Geschwister beim Lernen störte, setzte meine Mutter mich in einen Katzenkorb. Offenbar war es der einzige Platz im Haus, wo ich garantiert nichts anstellen würde. Später sagte sie: »Dort konntest du mit ein oder zwei Katzenjungen im Schoß stundenlang sitzen und am Daumen lutschen.« Damals war ich noch ganz klein.

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