EINE WELTREISE ALS HOCHZEITSGESCHENK - Klaus Rose - E-Book

EINE WELTREISE ALS HOCHZEITSGESCHENK E-Book

Klaus Rose

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Beschreibung

Im Rentenalter und einen Herzinfarkt überlebt, so begibt sich der Autor mit seiner Frau auf eine siebenmonatige Weltreise. Die führt sie auf die Insel Bali, nach Australien und Neuseeland. Dann besuchen sie Thailand, Laos, Vietnam und Kambodscha. Und das Schlusslicht bildet Indien mit den spektakulären Stationen Mumbei und Goa. Mit der Weltreise tritt der leidenschaftliche Globterotter den Beweis an, dass er beileibe noch nicht zum alten Eisen gehört.

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KLAUS ROSE

EINE WELTREISE ALS HOCHZEITSGESCHENK

ISBN

 

Paperback

978-3-347-04036-6

Hardcover

978-3-347-04037-3

e-Book

978-3-347-04038-0

Verlag und Druck: tredition GmbH

Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Copyright 2020: Klaus Rose

Umschlag, Illustration: Klaus Rose

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Ohne Zustimmung des Autors und des Verlages ist eine Verwertung unzulässig. Dies gilt für die Verbreitung, für die Übersetzung und die öffentliche Zugänglichmachung.

KLAUS ROSE

EINE WELTREISEALSHOCHZEITSGESCHENK

Ein frischverheiratetes Paar, sie 58 und er 65 Jahre jung, verbringt die siebenmonatigen Flitterwochen auf einer Reise in ferne Länder. Sie fliegen auf die Insel Bali und weiter an die Ostküste Australiens, dann fahren sie mit einem Camper durch Neuseeland. Doch damit nicht genug, sie bereisen die Inselwelt Thailands und anschließend über Bangkok weiter in alle ostasiatischen Länder. Das Schlusslicht ist Indien, wo sie die Hippiehochburg Goa aufsuchen und dort Station beziehen.

Die Handlung beruht auf Tatsachen und die geschilderten Personen existieren, so auch die Übereinstimmungen mit vorhandenen Einrichtungen. Ähnlichkeiten mit anderen noch lebenden oder auch toten Personen sind Zufall.

 

Das Buch:

In seinem Reisebericht erzählt der 65 Jahre alte Autor, wie er seine langjährige Partnerin Angela von einer Heirat überzeugt, und sie sich als Hochzeitsgeschenk eine Weltreise schenken. Nach seinem Herzinfarkt ist es an der Zeit, den Herzenswunsch der Horizonterweiterung in die Tat umzusetzen, schließlich ist das Reisen nicht verboten, oder steht gar unter Strafe.

Ausgestattet mit einem Around the World Ticket fliegen sie in ihren Flitterwochen über Dubai ins indonesische Jakarta, und weiter auf die exotische Insel Bali. Sie bleiben drei Wochen, dann fliegen sie nach Brisbane, von wo sie mit einem Camper die Ostküste Australiens bis hinauf nach Cairns bereisen. Als sie den fahrbaren Untersatz abgegeben haben, besuchen sie die Metropole Sydney.

Dort bleiben sie einige Tage, dann starten sie in das neuseeländische Auckland, und schippern abermals im Camper über die Nord- und dann die Südinsel. Anschließend düsen sie nach Thailand, um in Bangkok die Khao San Road zu erkunden. Von der machen sie sich auf den Weg auf die Inseln Ko Samui, Ko Pha Ngan und Ko Tao.

Ihren Thailandaufenthalt beenden sie hoch im Norden, und zwar in Chiang Rai. Als sie die Grenze nach Laos überquert haben, fahren sie auf dem Mekong in die wunderschöne Stadt Luang Prabang, und machen einen Abstecher in ein Elefantencamp.

Und die Fortsetzung der Tour führt sie mit dem Flugzeug nach Hanoi, wo sie das Mausoleum Ho Chi Minhs und die Ha Long Bucht besichtigen, dann reisen sie mit dem Zug entlang der vietnamesischen Küste nach Hue, um danach in die Stadt der Schneidereinen, also nach Hoi-An weiterzuziehen. Von dort setzen sie ihre Reise nach Ho Chi Minh Stadt fort, in das frühere Saigon. Und Erholung vom anstrengenden Vietnambesuch finden sie auf der Insel Phu Quoc, weit im Süden des Landes.

Ihre nächste Station ist Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Die Stadt erreichen sie mit einem Überlandbus. Die ekelerregenden Gräueltaten eines Pol Pot mit seinen Roten Khmer tun sie sich bis zum Erbrechen an, dann stoßen sie auf den ehemaligen Partner von Angelas Schwester. Was für ein wahnwitziger Zufall.

Die Wiedersehensfeier war alkoholgetränkt, nichtsdestotrotz geht es den Globetrottern blendend. Mit einer Freudenträne in den Augen stellen sie fest, dass sie der Reise durch die Weltgeschichte nicht überdrüssig sind. Demnach ist Siem Reap ihr nächstes Ziel, denn mit dem Ergötzen am Tempel Angkor Wat verwirklichen sie sich ihren größten Traum, außerdem schöpfen sie die Palette der weiteren Tempelbauten in vollen Zügen aus.

Und noch berauscht von den antiken Schätzen, kehren sie nach Bangkok zurück, um sich umgehend zu dem Treffen mit ihrer La Gomera-Bekanntschaft auf den Weg nach Kao Lak zu begeben. An der Gedenkstätte für die Opfer des Tsunami überfällt sie tiefe Trauer, da zwei Mitbewohner einer Hausgemeinschaft in dem Chaos ihr Leben verloren hatten, daher prägen andächtige Gefühle ihren Besuch des Kao Sok Nationalparks.

Erst auf den Trauminseln Ko Lanta und Ko Phi-Phi verfliegt ihr Kummer, so können sie wohlgelaunt mit dem spektakulären Indien den Schlusspunkt unter ihre monatelangen Flitterwochen setzen, dabei gehören die Aufenthalte im Moloch Mumbai, in Gokarna und im Hippieparadies Goa zu ihren absoluten Highlights.

Tja, und wie lautet das Fazit der Reise? Die in die Jahre gekommenen Globetrotter haben den Beweis angetreten, dass das Leben voller Überraschungen steckt und sie beileibe noch nicht zum alten Eisen gehören.

Der Autor:

Klaus Rose, Jahrgang 1946, kommt 1955 als Flüchtling nach Aachen. Nach dem Studium lebt er in München. Er kehrt nach Aachen zurück und engagiert sich in der Kommunalpolitik. Nach dem Renteneintritt verbringt er die Freizeit mit dem Schreiben seiner Romane.

Dem Schicksal ist die Welt ein Schachbrett nur, und wir sind die Steine in des Schicksals Faust.

George Bernhard Shaw

Lesenswert für jeden Reiselustigen

Warum, wann und wohin?

Verwöhnt von den vielen Sonnenstunden in Indien, wo wir den letzten Monat verbracht hatten, ist der Tag der Rückkehr nach Düsseldorf ein Schock. Es ist ein stinknormaler Dienstag im April, und der ist durch und durch ungemütlich, denn undurchsichtig schwarze Regenwolken verdunkeln den Himmel.

Ich ruckele am Arm meiner schlafenden Frau. „Wach auf, Liebste. Wir landen“, flüstere ich ihr miesepetrig ins Ohr, dabei setzt das Flugzeug der Firma Boeing auf der Landebahn hart auf. Mit an Bord sind meine Frau Angela und natürlich ich, der sechsundsechzig Jahre alte Reisefanatiker Klaus.

Während der Flüge von Mumbai nach Dubai und weiter nach Düsseldorf, haben wir kaum geschlafen, daher sind wir im miserablen Zustand. Und unser Befinden bessert sich nicht sonderlich nach dem Auschecken, denn es endet ein außergewöhnliches Reiseabenteuer, das gespickt war mit freudvollen Erlebnissen, auf die ich in meinem Reisebericht ausführlich eingehen werde. Doch erst einmal hoffen wir auf angenehme Temperaturen.

Tja, das war wohl nichts, denn es ist saukalt. Das furchterregende Sauwetter ist eine beispiellose Frechheit. Trotz des überfälligen Frühlingserwachens hat eine Regenfront das Regiment an sich gerissen. Zerknirscht verlassen wir mit unseren Rollkoffern und den Wanderrucksäcken auf dem Rücken den Airport und setzen uns in die Deutsche Bundesbahn. Mit einem ICE fahren wir zum Aachener Hauptbahnhof, von dem wir das restliche Teilstück des Heimweges zu Fuß bewältigen, dabei trotten wir unter grünsprießenden Alleebäumen in die vertraute Umgebung unseres Gemeinschaftshauses in einem Viertel mit einer prächtigen und damit prägenden Altbausubstanz.

Und schon stehen wir vor unserem Wohnhaus. Das farbenfroh leuchtende Graffiti auf der Fassade um das breite Erdgeschossfenster herum, lächelt verschmitzt. Für das Kunstwerk mit abstrakten Motiven aus unserem Alternativviertel mit der Burg, haben wir einem Graffitikünstler freie Hand gelassen, und der hat er das Bild in saftigen Blautönen angefertigt. Die scheußlichen Schmierereien auf der Fassade hatten wir schlichtweg satt.

Mit dem hervorgekramten Schlüssel schließe ich die Haustür zum Treppenhaus auf und öffne sie, danach geschieht selbiges mit der Tür zu unserem Wohnrefugium. Als wir es betreten, wirkt es fremd auf uns. Sieben Monate haben wir uns in der Ferne herumgetrieben, das hat Spuren hinterlassen. Dieser Umstand hat die Vertrautheit fast weggewischt.

Nach einer Verschnaufpause, bei der wir die angenehme Atmosphäre unserer Wohnung gierig aufsaugen, legen wir die Wanderrucksäcke ab, dann entledigen wir uns der Jeansjacken. Die sind im Rückenbereich mit Schweißflächen übersät. Zum Trocknen hängen wir sie über die Stuhllehnen der Lederstühle, die stehen um den Esstisch herum. Die ramponierten Rollkoffer haben vorerst ausgedient, doch anstatt sie auszupacken, rollen wir sie unter die Holztreppe, die das Erdgeschoss mit dem Obergeschoss verbindet. Durch zig Länder haben wir die Koffer auf ihren zuverlässigen Rädern hinter uns hergezogen.

Die Wohnung ist ausgekühlt, deshalb stelle ich die Heizung an, danach werden die Zimmer prüfenden Blicken auf deren Beschaffenheit und auf Auffälligkeiten unterworfen. Nichts macht uns stutzig, denn wir entdecken keine Veränderung. Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein. Die unterwegs ab und zu aufgekommenen Sorgen waren unbegründet. Sogar die prächtigen Topfpflanzen auf den Fensterbänken machen einen hervorragenden Eindruck. Unsere Freundin, die wohnt in der Wohnung über uns, hat das uns ans Herz gewachsene Grünzeug ohne das Einschalten der Heizung ohne Mühen durch den Winter gebracht. Ausgestattet mit dem grünen Daumen hat die Gute die respektabel in die Höhe geschossenen Pflanzen perfekt versorgt.

Wegen meines Schlafmangels habe ich tiefe Furchen unter den Augenhöhlen, zudem bin ich total durch den Wind. Daher verwerfe ich die gutgemeinte Idee, mich bei meinen erwachsenen Kindern zurückzumelden, obwohl das schlechte Gewissen wegen der Schwangerschaft meiner Tochter in mir bohrt. Ich habe einen Sohn und eine Tochter aus erster Ehe, daher verschlingen zwei Telefonate viel Zeit, also beschließe ich, die Kontaktaufnahme am nächsten Tag in Ruhe anzugehen, schon ist das Thema vom Tisch. Stattdessen essen wir die Reste der mitgeführten Plätzchen und etwas Obst, denn ich bin nicht sonderlich hungrig. Die Versorgung durch die Fluggesellschaft „Emirate“ war hervorragend, so reicht mir eine Kleinigkeit.

Nach dem Snack wird mir ohne Ausflüchte bewusst, was ich bisher erfolgreich verdrängt hatte. Die eingefahrenen Abläufe mit der Familie und des Wohnumfeldes werden wieder Besitz von uns ergreifen, denn die große weite Welt hat uns aus ihren Fittichen entlassen und wir sind in der Normalität zurück. Auf die gilt es sich einzustellen, ob wir es wollen oder nicht. Aber es eilt nicht, den Rhythmus des vertrauten Lebens aufzunehmen, denn das Sabbatjahr meiner Frau endet erst in vier Monaten und bis dahin läuft noch viel Wasser den ehrwürdigen Vater Rhein hinunter, außerdem steht ein Inselspringen mit den griechischen Fähren durch die Ägäis auf unserem Programm. Können wir in dem aufgekratzten Zustand überhaupt einschlafen? Wir werden es versuchen. Nach zweihundert Nächten in guten, oder weniger angenehmen Betten, aber auch auf den Matratzen der Campingbusse, freuen wir uns auf unser bequemes Doppelbett.

Ich gehe ins Schlafzimmer und ziehe mich aus. Meine Frau putzt sich derweil im Duschbad ihre Zähne. Als auch ich meine Beißer gesäubert habe, lege ich mich zu ihr ins Bett und knipse das Licht aus. Es ist stockdüster im Zimmer, trotzdem liege ich noch lange wach, denn mir schwirren die abstrusesten Geschichten aus atemberaubenden Ländern mit der Hartnäckigkeit des Wespengeschwaders durch mein Innenleben. Waren wir tatsächlich sieben Monate, zuerst auf Bali, dann an Australiens Ostküste und in Sydney, danach durch Neuseeland, im ostasiatischen Raum und als Abschluss in Indien unterwegs? Oder habe ich das Spektakel geträumt und ich bilde mir die Länder ein?

„Herr im Himmel“, murmele ich im Halbschlaf. „Was soll der Quark? Unsere Erlebnisse sind Realität, sie sind keine Fata Morgana.“

Gedanklich die Abenteuer der ellenlangen Fernreise vor Augen, befeuchte ich meine Lippen mit der Zunge. Das Projekt war sagenhaft, stelle ich genussvoll fest, dabei spüre das zufriedene Lächeln auf meinem entspannten Gesicht. Alles daran war einzigartig, ja wir hatten unglaubliche Monate durchlebt. Aber wie kam es zu der ungewöhnlichen Weltreise? Wer hatte mich und meine Partnerin auf die mutige Idee gebracht? Welche Anregungen hatten uns zu dem Projekt ermuntert? Und vor allem, wann hatte die Utopie der Reise in wildfremde Regionen Gestalt angenommen?

Diese Traumreise bekam ich nicht von dem mir ansonsten wohlgesonnene Schicksal geschenkt. Aber nein, ich hatte mit meinen Überredungskünsten den Reiseambitionen kräftig auf die Sprünge geholfen. Und wie hatte ich das gemacht?

Das ist eine Geschichte, die etwas unglaubhaft klingt, denn meinen Weltreisewunsch hatte ich bis dato für mich behalten, obwohl ich ihn schon lange in mir herumtrug, trotz allem hatte sich folgende Anekdote in Aachens Innenstadt zugetragen. Wir machten gerade einen Bummel durch die Geschäfte, als ich mich an die wahnwitzige Idee der Weltreise erinnerte.

„Weißt du was, mein Schatz“, sagte ich zu meiner Partnerin. „Wir heiraten und nutzen die Flitterwochen zu einer Weltreise.“

„Was machen wir?“, fragte die erstaunt zurück. „Bist du plötzlich verrückt geworden?“

„Aber nein. Ganz im Gegenteil. Du machst bald dein Sabbatjahr. Und die Zeit nutzen wir und schenken uns die Weltreise.“

Angela war die Spucke weggeblieben, und ich war vor einem Bettler stehengeblieben. Dem hatte ich eine fünfzig Cent Münze in seinen Becher geworfen, woraufhin sich meine Zukünftige echovierte: „Und wovon bezahlen wir den Spaß?“

„Kommt Zeit, kommt Rat.“ Mit dem Spruch war ich ihr ausgewichen. „Wir besuchen dein früheres Reisebüro und lassen die Flugkosten durchrechnen, dann machen wir einen Kassensturz.“

„Mhm“, brummt Angela. „Und warum das Heiraten?“

„Weil man als verheiratetes Paar in manchem Land auf weniger Widerstände stößt.“

„Okay“, antwortete Angela, „Das leuchtet mir ein. Außerdem kann man nach zwanzig Jahren Zusammenleben den Schritt wohl wagen.“

„Natürlich. Und ich werde gut zu dir sein.“

Ich zwinkerte mit den Augen, „Was Besseres, als ich es bin, wird dir nie wieder über den Weg laufen.“

„Na, na, du kleiner Angeber. Aber ich habe keine Angst. Und eigentlich ist dein Geistesblitz nicht schlecht. Da wir sparsam sind, haben wir ein paar Kröten auf der hohen Kante.“

Angela hat angebissen, freute ich mich, von meiner Hoffnung übermannt. Ich drückte meine Partnerin fest an mich, dabei sprudelte die Freude aus mir heraus: „Bitte, meine Liebste. Zuerst heiraten wir, dann entwickelt sich das Reisegedöns wie von selbst.“

Beschwingt setzten wir unseren Spaziergang fort, ich von meinen genussvollen Gedanken an ferne Länder getragen. Von denen hatte ich oft geträumt, und nun wollte ich heiraten, um sie mit meiner Frau zu erobern.

Und so war es zu der ungewöhnlichen Hochzeitsreise gekommen. Von einer Vergleichbaren hatte ich bis dahin noch nie gehört.

Das alles geschah vor der Weltreise, denn inzwischen sind wir von dem Reisespektakel nach Aachen heimgekehrt, in eine Stadt, die einem Kühlschrank ähnelt. Und jetzt liege ich im Bett und finde keinen Schlaf. Diese Schlafproblematik hatte mich auf jeder Flughafenbank verfolgt, ja selbst im Airbus von Mumbai nach Dubai, und später nach Düsseldorf, war mir kein Minutenschlaf gegönnt. Das Dilemma liegt an meinem Brummschädel, denn in meiner Gehirnmasse knistert die abwechslungsreiche Erlebniskette wie Pergamentpapier. In mir läuft ein wunderbarer Spielfilm mit den tollsten Episoden ab, die verarbeitet werden wollen.

Elegant hatten wir mit der siebenmonatigen Mammutreise dem heimischen Winter mit seinen Wetterkapriolen ein Schnippchen geschlagen. Noch vor fünfundzwanzig Stunden spazierten wir in der Metropole Indiens herum, das war in Mumbai bei fünfunddreißig Grad im Schatten, die einem Mitteleuropäer mächtig zu schaffen machen. Sogar die heiligen Kühe lechzten nach Abkühlung, und gerade die armen Menschen in den Slums litten unter der Hitzeglocke, obwohl die Temperatur jahreszeitbedingt normal war und sie daran gewöhnt waren.

Jedenfalls war’s in Indien knackig heiß und alles ging drunter und drüber, was zum Markenzeichen für das Leben in Indien und Ostasien geworden war, und wir liebten diese verworrene Welt. Besser das Chaos und die Hitze ertragen zu müssen, als bibbernd durch die verschneiten Straßen zu latschen. Allerdings war es nicht überall tropisch warm. So zum Beispiel hatten wir in Neuseeland ähnlich ungemütliche Temperaturen wie in Aachen vorgefunden, denn bei der Landung im Inselnorden war es saukalt. Erst am späten Nachmittag war es wärmer geworden, aber andauernd tobte ein stürmischer Wind. Und auch in Thailand und Laos, um zwei Länder in Ostasien zu nennen, hatten wir unsere alternden Gelenke einigen Wolkenbrüchen aussetzen müssen. In Thailand hatte man sogar den Schiffsverkehr zwischen den Inseln eingestellt, aber das war’s dann auch.

Und wie bescheuert sieht’s hier in Deutschland aus? Bitteschön, was ist an einem Winter gut? Man kommt nicht raus vor die Tür, aber Bewegungsarmut macht krank. Ich hatte trotz eines Infarktes nie resigniert und mich stattdessen dem Nordic Walking verschrieben. Nur nicht verzagen und die Flinte ins Korn werfen, das war zu meiner Devise geworden. Meine Prämisse lautete: Ich will weiterhin eine Menge erleben und durch die große weite Welt gondeln.

Um die Entstehungsgeschichte der Reise zu skizzieren, spule ich mein Leben zurück, denn schon als Kind bin ich kein Stubenhocker gewesen. Sobald mir der Wind um die Nase wehte und ich mit Freunden die Umgebung unsicher machen konnte, war ich in meinem Element. Durch die Flucht aus der DDR in den Westen, und dem damit verbundenen Lagerleben, war das Streben nach Anerkennung eine meiner großen Stärken. In der Zeit begann das Reisefieber in Vulkanstärke in mir zu rumoren. Ich war immerzu vom Fernweh besessen. Die Reiselust hatte sich tief in mich eingebrannt und steckte in mir wie das Herz oder die Milz.

Aber erst nach meiner gescheiterten Ehe und in der Beziehung zu Angela, also viele Jahre später, hatte ich mit meinem Heiratsantrag den Grundstein zu dem Abenteuertrip gelegt, der das Besondere werden sollte. Nur der Rahmen war unklar, aber nach meinen Vorstellungen sollte es eine Tour rund um die Welt werden, landläufig auch Weltreise genannt. Über vielfältige Varianten steht im Buchhandel eine Menge Literatur in den Regalen. Vom Begriff Modeerscheinung distanziere ich mich allerdings. Und eine weitere wegweisende Initialzündung war das Beantragen des Sabbatjahres meiner Partnerin gewesen. Ihr als Lehrerin stand ein Jahr bezahlter Urlaub zu, den sie in den fünf Jahren vorher durch Gehaltsverlust angespart hatte. Diese Einrichtung war eine geniale Erfindung, denn Angelas Antragstellung hatte meine Sinne für das Abenteuer geschärft und beförderte den in mir schlummernden Unternehmergeist endgültig ans Tageslicht. Sich ein Jahr in eine ungewisse Zukunft begeben, das war der Plan. Kennen Sie das Gefühl, etwas Großes steht an?

Von da an entwickelte sich die Weltreise zu meinem Steckenpferd. Ohne die Partnerin einzubeziehen, dachte ich mir alle möglichen Routen aus, vor allem war die Finanzierbarkeit ein heikles Thema. Die Kosten sind enorm und die schüttelt man nicht aus dem Ärmel. Man macht sich kein Bild vom Ausmaß des Finanzvolumens, das auf Reisewillige zukommt. Außerdem stand ich noch ein halbes Jahr in Lohn und Brot eines Ingenieurbüros, in dem meine Pläne unbekannt waren. Damals lautete die mir meistgestellte Frage, wobei man mich mitleidig anlächelte: „Was machst du, wenn du nicht mehr arbeitest? Dir fällt sicher die Decke auf den Kopf.“

Diese Denkweise ist typisch und weit verbreitet. Als ob das Wichtigste im Leben die Arbeit wäre, dabei sind Gesundheit, geistige Fitness und eine unbändige Reiselust das höchste Gut. Deshalb dachte ich mir meinen Teil und reagierte nicht auf die Anspielungen, denn ich hatte zwei Jahre zuvor meine zweite Chance bekommen, weil ich völlig unvorbereitet von einem Herzinfarkt überrascht wurde. Den hatte ich auf dem heimischen Sofa an der Seite meiner Lebensgefährtin durchgestanden und ihn hauchdünn überlebt. Dessen Vorboten spürte ich bei der Heimfahrt in der Höhe des Aachener Klinikums.

Zuerst waren es Atembeschwerden, und dann das verdächtige Ziehen im linken Armbereich. Doch ich kannte die Symptome bis dato nicht, daher ignorierte ich die Bedrohung. Anstatt auf dem Nachhauseweg zum Klinikum abzubiegen und mich der Obhut der Fachärzte anzuvertrauen, setzte ich die Autofahrt fort. Wie eine Dampfturbine raste mein Herz, meine Herzkranzgefäße drohten zu bersten. Seitdem ist mir der Begriff Todesangst vertraut. Und als sei nichts Gravierendes passiert, feierte ich am darauffolgenden Tag den Geburtstag meines Sohnes mit dem Fußballspielbesuch im Stadion des 1. FC Köln.

Erst zwei Tage später war ich zu meinem befreundeten Hausarzt gegangen, der mir nach dem EKG meinen sprichwörtlichen Dusel vor Augen geführt hatte und mir damit kräftig Beine machte. „Mensch, Klaus“, schimpfte er Gott zum Erbarmen. „Du hattest einen Herzinfarkt. Ab mit dir ins Klinikum.“

Auf der Intensivstation wurde ich notversorgt. Und nach einer Stunde brachte man mich in den OP. Ein Stent sorgte für Entspannung in der Herzregion. Ja, ja, genauso dramatisch war der Infarkt damals abgelaufen. Aber bitte keine Mitleidsbekundungen. Die wären kontraproduktiv, schließlich war ich beteiligt an dem Dilemma, denn ich hatte so gut wie nichts gegen meine Stressanfälligkeit unternommen.

In den Krankenhaustagen hatte ich viel Zeit über meine Lebensführung nachzudenken. Instinktiv hatte ich kapiert, dass ich meine schlechten Gewohnheiten abstellen musste. Als Konsequenz machte ich einen Radikalschnitt und verabschiedete mich vom Rauchen und der Politik als Sprecher der Grünen im Rat der Stadt. Ich setzte auf gesunde Ernährung und versuchte mich durch autogenes Training in die Spur zu bringen. Ich musste jede Rolle rückwärts im Umgang mit meinen Schwächen vermeiden, und redete mir die Laster nicht schön. Endlich hatte ich durch den Herzkatheder geschnallt, dass ich mit meiner Lebensführung nicht alt werden würde und ich meine Ambitionen bezüglich des Reisens an ad acta legen könnte.

Also zog ich den Schlussstrich unter meine Lasterhaftigkeit. Zu sehr hing ich am Weiterleben. Danach hinterfragte ich meine Erwartungsperspektive, und die sah wieder rosig aus, denn ich stieß auf Wünsche voller Feuer und Leidenschaft. Prompt fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Auf keinen Fall wollte ich ein Trauerklos wie mein Schwesterherz werden. Durch ihre Scheidung hatte sie das Lachen verlernt und lebte ohne einen Funken Lebensmut vor sich hin. Mir leuchtete ein: Ich darf mich nicht von ihrem Trübsinn anstecken lassen. Jeder ist seines Glückes Schmied, und ich lebe gern und blicke mit Karacho in die Zukunft.

Etwas ironisch, und doch mit der gebührenden Ernsthaftigkeit, nahm ich mir vor: Statt einer Kreuzfahrt auf der Aida, was viele Rentner antreibt, mache ich eine lange Radtour in meine von der Republikflucht geprägte Vergangenheit. Ich beweise mir, dass ich trotz fortgeschrittenem Alter hervorragend ticke.

„Auf geht’s, das Radabenteuer wage ich“, redete ich mich stark.

Ich war von mir begeistert, ohne ein Wenn oder Aber, doch es gab Freunde, die meinen Plan belächelten. Sie versuchten, mich von meinem Vorhaben abzubringen.

„Du spinnst“, sagten sie. „In dir steckt ein Stent und du schluckst fünf verschiedene Tabletten, also bleib auf dem Teppich. Es ist blanker Wahnsinn, was du da vorhast.“

Sprach daraus der Neid?

Natürlich hatten die Kritiker nicht unrecht, denn wäre ich vernünftig gewesen, dann hätte ich mich hinterfragt: Geht’s noch? Warum mute ich mir diese Tortur zu? Wie reagiert mein Körper auf die Überbelastung, besonders mein Herz? Anderseits hatte ich null Bock auf eine Neiddebatte. Die Vernunft ist ein langweiliges Geschäft. Ich allein entscheide über meine Lebensgestaltung und die soll nicht griesgrämig und debil verlaufen, sondern spannungsgeladen und lebendig. Nur wenn man viel wagt, dann kann man auch gewinnen. Nur den Mutigen gehört die Welt.

Und genauso war es, denn mit dem Gen des Abenteurers in mir, bot ich den Zweiflern die Stirn. Das Gefühl des Heimwehs zu meiner Partnerin als Bremswirkung konnte ich mit meinem Hunger nach Erfolg verdrängen. Sollte ich wegen des Infarkts allem entsagen?

Okay, der Kraftaufwand der Arbeitswelt hatte mich gerupft, so auch der Scheidungskram mit dem Sorgerecht für die Kinder. Ich hatte jede Menge Federn gelassen, daher kam mein Infarkt nicht von ungefähr, doch nun war es an der Zeit, daraus die Lehren zu ziehen.

Ich nahm die Kritik als Ansporn und blickte zielstrebig nach vorn. Es galt, alle Herausforderungen zu meistern, das war das Richtige für mich. Bloß nicht die Hände in den Schoß legen oder gar zurückstecken, und auf keinen Fall kneifen. Diese Inkonsequenz lehnte ich ab. Noch dazu konnte ich mit der Unterstützung meine Partnerin rechnen. Und sogar mein Hausarzt hatte mich bestärkt: „Mach deine Deutschlandradtour“, beschwor er mich. „Du bist mit deinem Tablettenmix gut eingestellt.“

Also bitte. Es geht doch.

Mit gemischten Gefühlen hatte ich mich von meiner Liebsten verabschiedet und mich auf den Fahrradsattel eines sündhaft teuren Tourenrades geschwungen. Es war das Abschiedsgeschenk der Bürokollegen zum Rentenbeginn, das beim Gelingen der Radtour einen wichtigen Beitrag leistete.

Und lange Rede, kurzer Sinn, die drei Wochen mit dem Fahrrad waren phantastisch. Ich besuchte mein Geburtshaus in der Nähe von Bernburg an der Saale und die Flüchtlingsunterkünfte in Berlin und Lübeck, in denen ich zwei Jahre meiner Kindheit zugebracht hatte, aber der Höhepunkt war die Landeshauptstadt München. In der hatte ich die herausragenden Jahre meiner Hippiephase verbracht, deshalb ließ ich mein Kneipenleben von damals neu aufleben. Ich radelte mir auf den zweitausend Kilometern die Lunge aus dem Hals. Nur eine Heilpause hatte ich in Berlin eingelegt, wegen meines wundgefahrenen Hinterns.

Ja wunderbar, das Vorprogramm auf die Weltreise war geschafft. Und wie lautete die Auswertung des Höllenritts? Ich war topfit. Mein Befinden war im Lot, also mein Herz, die Gelenke und die Muskeln. Körperlich war ich für weitere Schandtaten gerüstet. Auch mein Kardiologe war voll des Lobes. Was konnte da für die Weltreise noch schiefgehen?

Also war das Reisemenü angerichtet, bis auf die Finanzen. Über dessen Rahmen hatte ich mir unentwegt den Kopf gemartert. Ich hatte die Negativbelastung durch die Wohnung, inclusive Nebenkosten, dann unsere Einnahmen, also das Lehrergehalt meiner Partnerin und meine Rente, den vermutlichen Reiseausgaben gegenüber gestellt, was nicht sonderlich positiv aussah. Aber um das Bild freundlicher zu gestalten, hatte ich die Ersparnisse der Habenseite hinzuaddiert. Und welches Ergebnis kam dabei raus?

Leider nur eine abgespeckte Routenplanung, doch die behielt ich erst einmal für mich. Dennoch war die Gegenüberstellung eindeutig: Der Trip würde kein Jahr dauern, sondern auf sieben Monate schrumpfen. Eine zwölfmonatige Reise hätte den Finanzrahmen gesprengt.

Mein Gott, so war es eben. Auch davon geht meine Reisewelt nicht in die Binsen. Ich konnte mit der verkürzten Variante leben, denn auch das halbe Jahr war ein Hammer. Wir werden das Beste daraus machen, sagte ich mir. Es muss ja nicht die ganze Welt sein. In Afrika war ich bereits, und Südamerika heben wir uns für spätere Reisen auf. Für mich war es ausreichend, wenn wir den australischen und asiatischen Raum mit vollen Zügen genießen würden. Besonders die Länder Ostasiens bieten erlebenswerte Schmankerl.

Und den Vorgeschmack auf die Umplanung in mich aufgesogen, löste auch die neue Route über Bali, Australien, Neuseeland, Thailand, Laos, Vietnam, Kambodscha und letztendlich Indien regelrechte Beifallsstürme in mir aus. Ich schnalze jetzt noch mit der Zunge, berücksichtige ich die kulturelle Vielfalt. Reisen bildet, sagt man sehr schön, und das war für mich ein ungeschriebenes Gesetz. Also stand das Entdecken neuer Länder mit seinen Sehenswürdigkeiten unmittelbar bevor.

Aber das Reiseleben eines Globetrotters ist nicht nur spannend, sondern auch anstrengend, demnach kam eine Verkürzung der Reisezeit meinem Gesundheitszustand entgegen. Daher fällten wir den Beschluss: Die Langstrecken werden wir mit dem Flugzeug und einem Around the World Ticket bewältigen, aber die Ostküste Australiens bereisen wir mit dem Camper, ebenfalls die Nordund Südinseln Neuseelands. Auch die Bahn nutzen wir, ebenfalls Überland- und Minibusse, außerdem die Fähren durch Thailands Inselwelt.

Erwähnung verdient auch eine zweitägige Bootsfahrt in Laos auf dem Mekong nach Luang Prabang. Sogar kleinere Radtouren waren eingeplant, wenn möglich auch Wanderungen durch die landschaftlichen Leckerbissen Neuseelands. Zu Fuß beschnuppert man Land und Leute und deren Gewohnheiten hervorragend. Es war eine erlesene Mischung des Vorwärtskommens, und die war über alle Zweifel erhaben. Unser Hauptaugenmerk galt dabei den exotischen Ländern, denn bis dato hatten wir den asiatischen Raum nie besucht.

Vollgepackt mit Selbstvertrauen hatten wir Nägel mit Köpfen gemacht, denn gedanklich war die Reise perfekt. Nun wurde zügig geheiratet. Kurzfristig hatten wir einen Termin im Standesamt der Stadt Aachen bekommen, in dem gaben wir uns, allein mit dem Standesbeamten, das Ja-Wort. Es war nicht sonderlich romantisch, aber in unserem Alter steht man nicht mehr auf den Firlefanz mit weißem Brautkleid, Schleppe und albernen Ringen. Für mich war meine Angela in ihrer legeren Kleidung der Traum von einer Braut, das allein zählte. Für den Abend hatten wir einen Tisch für die Familienfeier im Dschingis Khan reserviert, der von der Wirtin hochzeitlich gedeckt worden war.

Als meine Kinder hereinkamen und den Tisch sahen, waren sie zwar pikiert, wegen unserer Heirat ohne ihre Anwesenheit, aber nach unserer Schilderung des Traums von der Weltreise machten sie gute Miene zum für sie bösen Spiel und freuten sich mit uns. Sie hatten weder die Hochzeit, noch unser Reisevorhaben vorausgeahnt. Und auch am Abend machten wir kein großes Fass auf, sondern wir veranstalteten einen nicht allzu üppigen Umtrunk für den engeren Freundeskreis.

Während dem Gequatsche über die Zukunftspläne bewunderten die Freunde unseren Wagemut, wegen einer Weltreise zu heiraten, dabei wiesen sie mich darauf hin, dass ich bereits Erfahrungen in der Ehe gesammelt hatte, denn es war meine Zweite. Allerdings fanden sie unsere Abenteuerlust große Klasse, und das war’s. Und das mit dem Mut sah ich genauso, denn kein frisch verheiratetes Paar wagt sich mit einer Hochzeitsreise an solch ein Reiseunterfangen heran. Ich kannte keinen vergleichbaren Fall, und gerade deshalb war unsere Reise eine sprichwörtliche Sensation.

Doch bevor die Reise losgeht, mein eindringlicher Appell: Mit etwas Mut und Energie ist jedes Abenteuer machbar. Nehmen Sie diesen Ansporn ernst und hängen Sie sich diese Weisheit als Wahlspruch über ihr Bett. Sie ist eine Bereicherung, aber Irgendwann könnte es für eine Weltreise aus Altersgründen zu spät sein. Nichtsdestotrotz darf man sich nie ins Bockshorn jagen lassen. Auch als Herzgeschädigter hatte ich den Trip locker überlebt, trotz kritischer Phasen. Dass ich mich pudelwohl gefühlt habe, kann ich hundertprozentig bejahen. Ich kenne keine Person in meiner Altersklasse und mit meiner gesundheitlichen Vorgeschichte, die sich auf ein derartig wagemutiges Abenteuer bewusst eingelassen hat.

Doch zurück zu den Vorbereitungen: Nachdem mir Angela ihr Einverständnis zur Weltreise und der Reiseroute gegeben hatte, und wir die grob abgesteckt hatten, nahmen wir das Hilfsangebot einer befreundeten Reisekauffrau in Anspruch. Mit ihr tüftelten wir an einem Around the World Flugticket, das aus den Stationen Düsseldorf, Dubai, Jakarta, Bali, Brisbane, Sydney, Auckland, Hongkong, Bangkok, Mumbai und zurück nach Düsseldorf bestehen sollte. Die Inlandsflüge wollten wir an Hotelcomputern organisieren, und an dem auch preiswerte Unterkünfte buchen. Diese Vorgehensweise würde uns eine Suchaktion in fremden und gefährlichen Stadtteilen am Abend ersparen. Aber bitte planen Sie nicht alles bis ins letzte Detail, denn Spielräume für Umplanungen sind wichtig. Diesen Denkansatz sollten Sie bei ihren Überlegungen nicht außer Acht lassen. Nur nicht Festlegungen treffen, die Sie hinterher bereuen, denn eine Mammutreise muss Spielräume für Überraschungsmomente parat haben.

Alles klar?

Nun war die Reiseroute endgültig festgezurrt. Wir tanzten ausgelassen durch das uns wie ein Sahnehäubchen erscheinende Wunschbild, als sei das Reisen ein Salsa- Kurs, bei dem wir zügig vorangekommen waren. Und weil uns das Baden in der Vorfreude saumäßig viel Spaß machte, hatten wir stundenlang in der Reiseabteilung einer Buchhandelskette herumgesessen und uns über die Reiseländer schlaugemacht.

Nun noch eine Empfehlung: Vorteilhaft kann es sein. wenn man als Paar reist oder zu Mehreren. Andere Formen des Reisens bieten nicht die Sicherheit, wobei ich an Vergewaltigungen in Indien denke. Außerdem ist es eine Frage des Typs. Es gibt Einzelgänger, die benötigen das Alleinsein. Aber reist man in Begleitung, so ist es wichtig, dass man sich gut versteht. Man verbringt jede Minute gemeinsam, sei’s im Flugzeug, im Bus, in der Bahn, oder auf Schiffen. In kalten Neuseelandnächten im Camper war ich meiner Frau mächtig auf die Pelle gerückt. Auch Gasthäuser und Strandhütten bieten wenige Freiräume zum Abschalten. Daher spielt das friedvolle Miteinander eine wichtige Rolle. Nie ist man sich sicher, dass alles problemlos klappt.

Nicht verschweigen will ich, dass es Überraschungsmomente gibt, die man nicht einplanen kann, und somit Improvisationen erforderlich machen. Solch ein Moment ereignete sich in Cairns. Wir warteten vergeblich auf den Flieger nach Sydney. Eine höhere Gewalt in Form eines Sturms hatte den Weiterflug verhindert.

Schlimmes passierte bei der Einreise nach Neuseeland. Ich wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt, weil ich dummerweise ein halbes Glas Honig eingeführt hatte. Wegen des Berappens von vierhundert Dollar Strafe ärgerte ich mich grün und blau, aber über mich selbst, denn ein Ex-Arbeitskollege hatte mich vor den strengen Einreisebestimmungen gewarnt.

Allerdings gab es auch positive Überraschungen, die aufzeigen, wie klein die Welt inzwischen geworden ist. Eine total verrückte Episode ereignete sich in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Beim Entlangspazieren an den Restaurants hörte ich urplötzlich den Ruf meines Namens. Mit „Hey, Klaus“, drangen bekannte Laute an meine Ohren. Wem gehörte die Stimme?

Kambodschaner, die Klaus heißen, wird’s nicht viele geben, rätselte ich. Der Zuruf galt mir.

Meine Augen suchten nach der rufenden Person. Und sieh an, im Eingangsbereich eines Lokals saß Richard, der langjährige Freund der Schwester meiner Frau. Zwanzigmal hatten wir uns in der Weihnachtszeit im Kreis der Familie meiner Frau im Emsland getroffen und unterhaltsame Abende verbracht. Tja, wenn das kein Zufall war?

Weitere Ereignisse aufzuzählen, das wäre ein zu großer Vorgriff auf den Reiseablauf. Es ist besser, ich schildere die Länder nacheinander und unsere Erlebnisse frei von der Leber weg. Dabei werden sich Sentimentalitäten einschleichen, bitte verzeihen Sie mir den Lapsus, aber die beeinflussen schließlich jeden Erzählerdrang, außerdem bleibe ich mein Leben lang angetörnt von der Einzigartigkeit dieses Abenteuers.

Nun gut, bei mir flutscht es gerade so schön, denn sitze ich vor dem Computer und schreibe über die Reise, dann fühle ich mich wie im Rauschzustand. Dabei klabastert das unglaubliche Spektakel wie eine Achterbahnfahrt durch meine Sinne, und das erlebt zu haben, erfüllt mich mit wahnsinniger Freude. Ich nehme Sie also mit auf meine Sensationstour. Wie erwähnt führte die mich und meine Frau auf die Insel Bali, nach Sydney und an die Ostküste Australiens, auf die Nord- und Südinseln Neuseelands, nach Thailand, Vietnam, Laos, Kambodscha, und als Krönung in das Desaster Indien. Dessen sagenumwobene Armutsregionen sind weit entfernt von einem Schlaraffenland.

Aber so wie jeder Mensch anders ist, so ist es auch mit ein fremdes Land, daher nutzen Sie die Zeit und bereisen Sie die asiatischen Landstriche. In ein paar Jahren wird die Ursprünglichkeit Ostasiens verblasst sein und die jetzige Lebensweise ist nicht mehr zu bestaunen. Durch den Raubbau der Chinesen an den Holzreserven der relativ armen Länder verändert sich Ostasien rasend schnell in eine ungewisse Zukunft.

Doch bevor Sie weiterlesen, noch ein kleiner Hinweis: Bitte verzeihen Sie mir meinen unbedarften Schreibstil. Ein Bestsellerautor fällt nicht jeden Tag vom Himmel. Und konsumieren Sie die Reisereportage mit der gebührenden Locker- und Gelassenheit, dann haben Sie mein Wort: Ihre Neugierde bleibt zügellos. Und bedenken Sie eins: Die Nachahmung unserer Reise ist keine Frage der Finanzierung, oh nein, sie ist allein eine Frage des Wollens.

Aber Hallo. Zweifeln Sie an meiner Aussage? Denken Sie, ich würde das mit dem Wollen leicht und salopp daherreden? Meinen Sie gar, ich sei altklug und neige zu Übertreibungen? Oder trauen Sie sich einen ähnlichen Reisekrimi nicht zu?

Sollte es an Letzterem liegen, dann fassen Sie sich ein Herz und wischen Sie die Zweifel weg. Angst wäre ein schlechter Berater. Ich verspreche Ihnen: Wenn Sie die Herausforderung annehmen, dann werden Sie verwundert feststellen, wie hochinteressant eine derartige Reise ist und dazu verhältnismäßig ungefährlich. Bei unserer Route treffen Sie auf den Cowboys ähnelnde Australier, auf einen Neuseeländer, der Schafe schert, zudem auf die den Globetrottern und Touristen zugewandten Ostasiaten, und zum Abschluss auf die gewöhnungsbedürftigen und vor der Armut fliehenden Inder.

Natürlich ist unsere Reise keine Extremabenteuertour, vergleichbar mit einer Hundeschlittenfahrt durch Alaska, auch kein Kletterspektakel auf einen Achttausender im Himalaja. Gegen diese heroischen Herausforderungen mutet unser Flug-, Bahn- und Schiffstrip bescheiden und bieder an. Ich bin fünfundsechzig Lenze und vergleiche mich nicht mit einem Reinhold Messner in jungen Jahren. Aber für unsere Art zu reisen muss man kein Übermensch sein. Wir zum Beispiel sind alternativ angehaucht und aus solidem Holz geschnitzt. Wir kommen aus der Mitte der Gesellschaft. Eine gute Portion Entdeckerlust gehört allerding zu der Reise in unserem Stil dazu. Immerhin führt die durch Länder mit unterschiedlichen Kulturen und Lebensformen, ebenfalls in einige von Einsamkeit geprägte Landstriche. Die zu besuchen birgt einen ungewissen Erlebnisverlauf. Noch dazu, weil es sich um eine selbst ausgewählte Reiseroute handelt, und nicht um eine dieser organisierten Pauschalreisen. Ich bin Rentner, trotzdem habe mir das Wagnis zugetraut. Darin bin ich eine Rarität und das erfüllt mich mit Stolz. Mensch, liebe Leute, macht das Ding. Diese Chance bietet sich nicht oft, vielleicht nur einmal im Leben, also schlagt beherzt zu. Wer wie wir auf den Geschmack gekommen ist, der bereut es nie.

Und nun kann’s tatsächlich losgehen. Mein Körper möchte vor Freude Purzelbäume schlagen, wäre er dazu nicht zu alt. Mit dem Wanderrucksack auf dem Rücken und die Rollkoffer hinter uns herziehend, verlassen wir unser heimisches Domizil. Auf unbequeme und schwere Tourenrucksäcke haben wir bewusst verzichtet. Die belasten die Schulter- und Nackenpartie extrem, was in unserem Alter nicht guttut. Das beruht auf den Erfahrungen des Inselspringens in Griechenland vor einem Jahr.

Aber eins ist von vornherein klar: Mit unserer Reise betreten wir Neuland, denn die sprengt normale Urlaubsformen bei Weitem. Dessen Reiseumfang darf nicht wie eine Seifenblase in unseren Köpfen zerspringen, denn wochenlang hatten wir ihn mit den Fingern auf dem Kartenmaterial und auf unserem Globus durchexerziert. Noch waren wir unerfahren was Weltreisen betrifft, doch das muss kein Handicap sein. Wenn doch, dann ist es nicht zu ändern.

Gedanklich unterziehen wir unser Gepäck einer letzten Kontrolle. Haben wir alles Überlebenswichtige dabei? Schließlich handelt es sich nicht um einen Badeurlaub am Ballermann. Stattdessen müssen wir uns auf kalte Temperaturen in Neuseeland und Nordvietnam einrichten, demnach gehören wetterfeste Klamotten in die Koffer. Allerdings dürfen wir nicht zu viel Ballast mitschleppen, denn wir müssen unser Augenmerk auf gewichtslimitierte Inlandflüge legen. Aber haben wir den Besuch in Hanoi hinter uns, dann lassen wir die wärmenden Kleidungsstücke zurück. Im weiteren Verlauf brauchen wir sie nicht mehr.

In meinem Koffer befinden sich eine Reservejeans, eine dünne Regenjacke, drei Shorts, drei Paar Strümpfe, zwei Badehosen, Unterwäsche, ein Kapuzenpulli aus Baumwolle für die kälteren Regionen, dazu zwölf T-Shirts mit und ohne Arm. Bei großem Verschleiß kann man sich die Hemdchen in Asien für einen Apfel und Ei nachkaufen, außerdem sind auf den Campingplätzen in Australien und Neuseeland Waschvollautomaten installiert, und auch in Hotels kann man seine Klamotten zum Waschen geben. Diese Möglichkeiten hatten wir recherchiert. Auch Trekkingschuhe und Sandalen gehören zur Ausrüstung. Dazu meine Medikamente für die sieben Monate. Mein Hausarzt hat mich mit dem Notwendigsten ausgestattet. Und neben den Gesundheitsutensilien haben wir ein Kontingent US-Dollar in der Brusttasche, falls sich Diebe der Rucksäcke und Rollkoffer bemächtigen. Experten empfehlen derlei Vorsichtsmaßnahmen und wir halten uns daran. Die Fotokopien persönlicher Dokumente und der Ostasienreiseführer sind ebenfalls unentbehrliche Begleiter.

Damit ist mein Koffer voll, denn ich habe mich für ein handliches Exemplar entschieden. Im kleinen Wanderrucksack transportiere ich die Digitalkamera mit recht ordentlichem Zoom, extra für die Reise erworben, und auch den e-Book Reader, auf dem ich die Reiseführer für Australien und Neuseeland gespeichert habe, sowie dreißig Kriminalromane. Die als dicke Wälzer mitzuschleppen, das hätte den limitierten Gewichtsrahmen gesprengt. Den Reiseführer für Südindien erstehe ich durch eine glückliche Fügung in Bangkok auf dem Nachtmarkt vor der Abreise nach Indien. Diese doch wissenswerte Nebensächlichkeit nur nebenbei.

Auch die Kurbeltaschenlampe, die mir mein Sohn zur Radtour geschenkt hatte, befindet sich im Rucksack, außerdem Proviant für die nächsten Stunden. Das Visum für Indien, von Deutschland aus organisiert, schmückt bereits den Reisepass. So, das war’s. Hoffentlich haben wir an alles gedacht? Na, dann schauen wir mal.

Meine Nervosität kennt keine Grenzen, und die Wartezeit hat eine unbeschreibliche Glut entfacht, daher suhle ich mich in der Hitze der Vorfreude. Übernatürlich kribbelt es unter meiner Haut bis in die Fußsohlen. Zudem ist der Abreisetag ein Traum, denn den versüßt eine gönnerhaft vom Himmel lachende Sonne. Die muss einfach Glück bringen.

Als Bewohner des Viertels um die Frankenburg, nicht weit vom Aachener Stadtzentrum entfernt, ist unser fußläufiges Ziel der Hauptbahnhof. Von dem fahren wir mit dem Regionalzug nach Köln, um danach den Flughafen in Düsseldorf anzusteuern. Wir fliegen mit Emirate. Die Plätze in den Fliegern nach Dubai und weiter in die indonesische Hauptstadt Jakarta sind reserviert. Das klingt durchführbar und einfach. Ein Verschieben der Abenteuerveranstaltung kann und darf es nicht geben, denn wir haben uns mit Grillfleisch und anderem Brimborium von den Kindern, den Freunden, sowie den Mitbewohnern unserer Hausgemeinschaft verabschiedet. Leider hat das Vermieten unserer Eigentumswohnung nicht geklappt. Wer weiß, wofür es gut ist. Vielleicht wären Vandalen eingezogen und hätten die Einrichtung ruiniert? Mit der Freundin und meinen Kindern bleiben wir in Kontakt, somit ist das Wichtigste in trockenen Tüchern.

So, geliebtes Heimatland. Auf ein Wiedersehen in Old Germany. Inzwischen habe ich Sie lange genug auf die Folter gespannt. Doch die Reisegeschichte kommt nicht als Science Fiction Roman daher, sondern sie gleicht den Schilderungen in einem Reisetagebuch, deshalb hoffe ich, dass Sie der Schreibstil nicht stört. Und nun raus aus unserer heilen Welt, auch wenn im verhältnismäßig sicheren Europa nicht alles Gold ist was glänzt.

Freudig erregt fahren wir vom Aachener Hauptbahnhof zum Airport Düsseldorf und pünktlich besteigen wir den Flieger. Es ist fünfzehn Uhr, da erhebt sich die Boeing 770 mit uns an Bord in den wolkenlosen Himmel. Das Reiseabenteuer nimmt seinen mit grenzenlosen Erwartungen gespickten Verlauf. Neben uns sitzt eine junge Frau mit Ziel Bangkok. Mit ihr unterhalten wir uns über ihre und unsere Reisepläne, dann über dies und jenes, denn sie ist nett und reist allein. Dazu ist allerhand Mut nötig. Leider trennen sich unsere Wege nach sechseinhalb Stunden in Dubai, denn sie startet ihren Weiterflug von einem anderen Gate. Wir verabschieden uns nach Erfolgswünschen mit herzigen Umarmungen.

Während des Aufenthaltes ärgern wir uns über den Kauf einer Flasche Wasser für neun Dollar. Tja, das ist Dubai, aber der Preis ist typisch für viele Flughäfen. Ein Essen zu uns zu nehmen, ist unnötig. Entgegen deutscher und belgischer Fluglinien, die wir sonst für die Ferienflüge nutzen, wurden wir von der Fluggesellschaft Emirate vor dem Anflug auf Dubai fürstlich versorgt, und man wird uns auch während des Fluges nach Jakarta nicht verhungern lassen.

Ich bin vollgestopft mit Adrenalin und fühle ich mich ausgezeichnet. Mit Gelassenheit stecke ich den nun folgenden achtstündigen Flug ohne Mühe weg, obwohl alle Einschlafversuche scheitern. Und was macht man, um sich die Zeit zu vertreiben? Ich lese im Reiseführer für Ostasien, nebenbei glotzte ich auf die Mattscheibe. Der Film handelt von witzigen Drachen, mehr weiß ich allerdings nicht mehr.

Die Ankunft in der indonesischen Hauptstadt Jakarta verläuft chaotisch. Wegen eines organisatorischen Missgeschicks müssen wir unsere Rollkoffer am Gepäckband abholen, obwohl sie nach Bali durchgeleitet gehört hätten, wie’s vereinbart war. Protestieren nützt gar nichts. Doch auch beim Kofferabholen gibt es Schwierigkeiten, so sind meine Nervenstränge höllisch angespannt. Glücklicherweise wird das Problem kein Dauerzustand und dass Aufgeben der Koffer am zuständigen Schalter für den Flug nach Bali klappt zu aller Zufriedenheit, außerdem haben wir bis zum Weiterflug viel Zeit. Aber ist die Prozedur damit ausgestanden?

Weit gefehlt, denn der Kauf des Visums verzögert sich aus unerfindlichen Gründen. Anscheinend gefällt dem Zollbeamten meine charmante Frau, denn ungewöhnlich lange schaut er auf ihre Erscheinung, dann auf ihren Pass, dann wieder Angela an. Schlussendlich passiert sie ohne Beanstandung die Sperre. Leider sind die Einreiseformalitäten unverschämt teuer. Sie kosten sage und schreibe fünfunddreißig Euro pro Kopf. Und als Krönung serviert uns Jakarta den Ausreiseterminal als Irrgarten, der übermenschliche Kenntnisse im Hellsehen abverlangt. Doch mit Ach und Krach finden wir in der Unübersichtlichkeit den Abflugschalter für den Flug nach Bali.

Beim Warten treffen wir auf eine gutaussehende Frau. Die ist braungebrannt und hat sich anscheinend verirrt. Sollte sie sich auf der Rückreise nach Düsseldorf befinden, dann gehört sie überall hin, nur nicht hierher. Kann es sein, dass sie unsere Hilfe braucht?

Das braucht sie nicht, denn die flippig angezogene Frau hat den Durchblick und klärt die Ungereimtheiten auf. Sie hat bis zum Abflug nach Düsseldorf einige Stunden zur freien Verfügung und erkundet in der Wartezeit das Flughafengebäude. Also setzen wir uns zusammen auf eine Wartebank, dort macht sie uns überaus redselig die Vorzüge unserer ersten Station Bali schmackhaft.

Freudestrahlend erzählt sie uns: „Es war traumhaft. Ich bin immer noch hin und weg. Der dreiwöchige Urlaub auf Bali hat mich total angetörnt.“

Aha, denke ich, denn ich bin gern gutgläubig, trotz allem frage ich dazwischen: „Ich habe entgegengesetzte Meinungen gehört. Was war so toll an Bali?“

„Nun gut“, wägt sie beleidigt ab, doch danach lässt sie die Funken ihrer Begeisterung sprühen: „Vielleicht ist nicht alles wie im Paradies, aber tagtäglicher Sonnenschein und die heilsame Wärme. Was willst du mehr? Und dann die Strände, die allein sind eine Wucht.“

„Das glaube ich dir“, unterstütze ich ihre Schwärmerei.

„Und was kannst du uns sonst noch empfehlen?“

„Phantastisch ist das Essen. Und die Balinesen sind ein angenehmes und friedfertiges Volk. Mich beeindruckt die Kritik der Klugscheißer nicht. So schön wie auf Bali ist es nirgendwo.“

Es ist nicht zu übersehen, dass die Hippiefrau vom Bali- Fieber befallen ist. Sie wirkt wie beseelt, denn dem Wesen rollen dicke Kullertränen der Rührung über die Wangen. Aber ist ihre Bewertung objektiv? Wie ist ihre Meinung zu bewerten? So wie sie dahinschmilzt ist Vorsicht geboten, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie durch die Eroberung ihres Traummannes auf einer Wolke des Glücks schwebt.

Sei’s wie es ist. Trotzdem hören wir derlei Geschichten über die Insel der Götter und Dämonen gern. Trotzdem werden wir mit Unvoreingenommenheit an das Reiseziel herangehen. Bali kann beweisen, was es draufhat. Die Insel bekommt von uns jede Möglichkeit.

Gegen acht Uhr hat die Warterei ein Ende. Wir besteigen die Boeing 770 nach Bali, übrigens ein erstaunliches Kaliber. Und in der Maschine unsere Plätze eingenommen, serviert eine Flugbegleiterin für die restliche Flugstunde ein für Fastfood-Verhältnisse verdammt leckeres Hähnchen-Curry.

Bali

Mit dem Namen Bali verbindet man Hinduzeremonien, er steht aber auch für hypnotisierende Tanzvorführungen, bezaubernde Menschen, grüne Reisterrassen, lange und weiße Strände und atemberaubende Wellen. Wir sind gespannt wie ein Flitzebogen, in wieweit die Lobhudeleien der Hochglanzbroschüren über das Inselparadies zutreffen. In uns steckt aber auch die Neugier auf die Urlauber aus Australien, die sich mehrheitlich in Bali breitgemacht haben.

Spät am Abend des 30. September landen wir auf dem Ngurah Rai Airport in Denpasar. Und das Flugzeug verlassen, holen wir unsere Rollkoffer ohne Drängelei an der Gepäckausgabe ab. Die Boeing war nur zur Hälfte besetzt. Und kaum raus aus dem Flughafengebäude, stürzt sich ein Schlepper auf uns, mit dem wir zum Taxistand rauschen, prompt bezahlen wir erstmals Lehrgeld.

Das Aushandeln des Fahrpreises für die Fahrt nach Kuta haben wir vergessen. Das wäre durch die ungewohnte balinesische Währung auch schwierig geworden, so knöpft uns der Taxifahrer siebentausend Rupien ab, umgerechnet acht Euro. Das ist eindeutig zu viel für eine Kurzstrecke. Gerechtfertigt wären fünftausend Rupien gewesen. Mehr hätte die Taxifahrt für die fünf Kilometer nicht kosten dürfen.

Nun ja, die Balinesen sind zwar sympathisch, aber auch geschäftstüchtige Halsabschneider. Doch was soll’s. Die Abzocke ist in Asien normal und legal. Vergisst du in der Hektik die Preisvereinbarung, dann wirst du bestraft. Dagegen hilft nur eins: Sich das vorherige Aushandeln ein für alle Mal einzubläuen. Anderseits hat die Taxifahrt nicht mal fünf Euro gekostet. Zuhause hält für das Geld kein Taxi an. Dennoch musste die Episode über das Taxigewerbe sein. Leider wird uns das Problem während der Reise durch Ostasien wie ein Gespenst begleiten.

Wechseln wir das Thema, denn mehr als der Taxipreis schockt uns das kolossale Verkehrsaufkommen im Inselsüden. Der Lärm ist unmenschlich, denn das Kleinmotorrad ist des Asiaten liebstes Kind. Doch die Behauptung, dass den Asiaten die Hupe an die Hand gewachsen sei, oder dass sie mit der Hupe auf die Welt kommen würden, das ist ein Gerücht.

Wie auch immer, denn der enorme Lärmpegel gehört zu Bali. Die krankmachende Geräuschentwicklung durch die Liebe zum knatternden Zweirad, das ist ein asiatisches Phänomen. Wer sich für Südostasien als Reiseziel entscheidet, der plant das Getöse ein, und berücksichtigt die Quälerei für das Trommelfell.

Jedenfalls bringt uns das Taxi zum Doi-Hotel, in dem wir ein respektables Doppelzimmer beziehen und uns auffrischen. Danach machen wir uns auf die Socken zu einem Essen, bei dem wir uns als Schlummertrunk unser Standardgetränk einverleiben, ein Bier-Sprite Gemisch, anschließend sind wir reif fürs Bett. Doch wegen des Flugmarathons fällt das Einschlafen schwer, was natürlich auch am Auspufflärm und den stumpfsinnigen Huporgien liegt.

Das Frühstück ist sehr gut. Wir können wählen zwischen europäisch und asiatisch, doch viel interessanter ist die Beobachtung, die wir von unserem Esstisch tätigen. Eine Balinesin drapiert ein hübsches Spendentellerchen mitten auf die Kreuzung. Die Autos fahren einfach an ihr vorbei oder um sie herum. Ihr passiert nichts. Uns wird dabei schlagartig bewusst, welch wichtige Rolle die Religionen auf Bali einnehmen. Die praktizierte Form des Hinduismus ist für die Balinesen der wirtschaftliche Motor. Er bestimmt die Abläufe vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Das religiöse Leben ist den Opferritualen unterworfen. Deshalb merken Sie sich: Dem Treiben um den Hinduismus mit seinen Auswirkungen zuzuschauen, genau das macht den Reiz für eine respektable Menge an Bali-Reisenden aus. Und dazu noch eine Hintergrundinformation: Wussten Sie, dass ungefähr neunzig Prozent der Bewohner Hindus sind und vierzig Prozent des Haushaltsvolumens in die Religion fließt? Das geht zu Lasten der Infrastruktur, was wir bei der Weiterreise auf den katastrophalen Straßen hautnah zu spüren bekommen.

Tja, so ist das mit der Religion. Ich persönlich bin kein Freund von Glaubensrichtungen, noch weniger von Göttern oder Götzenverehrung, deshalb bin ich Atheist. Ich finde die Opfergaben kitschig und fragwürdig. Bitte gestatten Sie mir den Seitenhieb, obwohl der albern klingt. Und wo bitte landet der Kladderadatsch? Doch sicher auf den ausufernden Mülldeponien und im Meer. Diese Problematik zu hinterfragen, das steht mir als einem grünen Ex-Politiker zu.

Anderseits respektiere ich die Gewohnheiten der Inselbewohner. Ihr Umgang mit den Gottheiten ist zumindest interessant. Dazu ein nicht ernst gemeinter Kommentar: Mir persönlich hat der Hotelpool besser gefallen, als der Opferspuk. Den Pool hatte ich vor dem Frühstück für meinen Frühsport genutzt.

Aber nun zu unseren Kuta-Aktivitäten. Die bestehen als erstes aus einem Spaziergang zum Strand, an dem wir eine Hochzeitsvorbereitung beobachten. An dem ganz in weiß Zinnober hätte meine Tochter ihre Freude, gar keine Frage, denn sie hat vor nicht allzu langer Zeit mit allem Schnickschnack geheiratet, trotz eines heidnischen Vaters wie mich. Hier in einem imposanten Strandhotel zu heiraten, dass macht was her. Die Balinesen verstehen sich auf hübsche Dekorationen und begeisternde Darbietungen, sei’s auf tänzerischer oder musikalischer Basis. Vielleicht hätten wir unsere Hochzeit nach Bali verlegen sollen?

Gott bewahre, das war nur ein Scherz.

Und nun zur Strandqualität. Der Sand des Strandes von Kuta ist über jeden Zweifel erhaben, außerdem erstrahlt die Strandlänge in einer selten erlebten Unendlichkeit. Wir waten stundenlang mit nackten Füßen durch den feinen Sand und das seichte Wasser rauf und runter, das ist ein tolles Vergnügen. Gegen die intensive Sonnenbestrahlung cremen wir uns dick ein und setzen unsere Kappen auf.

Wirklich positiv ist: Die Urlaubermasse ist überschaubar, denn es ist keine Hochsaison. Etwas störend dagegen empfinden wir die fliegenden Händler, die uns unnötigen Kram aufzuschwatzen versuchen. Leider gibt es zu viele von den Gesellen, vor denen uns der Reiseführer gewarnt hat. Dagegen wirkt jedes Strandrestaurant einladend mit seinen farbenprächtigen Ballons. Dessen Außenterrassen hat man hübsch für die berühmten Sonnenuntergänge zurechtgemacht, deshalb gönnen wir uns eine Cola in einer besonders attraktiven Lokalität.

Und wunderbar anzuschauen ist auch mancher Sarong, der von Frauen in der Landestracht feilgeboten wird, aber Angela als Opfer bleibt hart. Irgendwann gedenken wir, uns eins der dekorativen und praktischen Tücher zuzulegen, so zum Beispiel als Strandtuch, doch muss das am ersten Tag sein?

O nein, das muss es nicht. Wir warten ab und vergleichen die Angebotsvielfalt, denn was derlei Einkäufe angeht, da müssen wir sparsam bleiben und gut mit der Reisekasse umgehen.

Auf dem Weg ins Hotel mieten wir den nächsten Tag eine Mitfahrgelegenheit nach Padang Bai mit einem Kleinbus. Der Touristenschmelztiegel Kuta ist nichts für uns. Hier fühlen wir uns deplatziert, denn wir sehnen uns nach dem ursprünglichen Bali. Der Shuttlebus wird uns elf Uhr am Hotel abholen, das verspricht man uns hoch und heilig, und ich denke, dass der Glaube an die balinesische Ehrlichkeit Berge versetzen kann, tja, das hoffe ich zumindest.

Jedenfalls haben wir die Weiterreise mit dem erworbenen Busticket schriftlich und der Preis ist ein Klacks. Lausige zwölf Euro haben die Fahrkarten für uns beide gekostet. Bali ist im Finanzbereich immer noch ein Billigland. Gut, das zu wissen.

Dass wir durch den Ticketkauf den Sonnenuntergang verpassen, ist sehr schade, aber unser Bärenhunger siegt über den Augenschmaus. Obere Priorität erhält der Besuch im Smylie Frog Restaurant. In dem ist das Essen in Ordnung. Wir als Gäste lassen uns auf Wunsch des Hauses sogar fotogravieren, und wir erklären uns auch damit einverstanden, dass das Foto auf einer Bildwand gezeigt wird. Warum auch nicht?

Dann bricht die Nacht über Kuta herein, prompt dominieren die Sterne den Himmel. Was gibt es da besseres, als sich in die Hölle des Nachtlebens zu wagen. Doch das Wagnis ist eher ein Ärgernis, denn die Stadt besteht aus einer Ansammlung an hässlichen Großhotels. Die Klötze sind an Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten. Besonders abscheulich ist das Vergnügungsangebot mit den teuren Restaurants und einer unüberschaubaren Masse an Klamottenläden und Souvenirbuden, aber wir kennen keine Resignation, denn glücklicherweise gibt es Ausnahmen. Und eine solche ist ein Nachtlokal mit Livemusik, in das wir uns trotz mäßiger Erwartungen setzen.

In dem spielt die Band die alten Klassiker der Popmusik. Der Sänger wirkt mit seiner hochgestylten Mähne wild und ungezähmt. Irgendwie sieht er phantastisch aus.

In einer Auftrittspause treffe ich ihn in der Toilette, in der der Mann seine Haarpracht in Form bringt, dabei lobe ich ihn mit dem Daumen nach oben für seine Darbietungen. Der Mann ist eine Granate und er erzählt mir, dass er Indonesier wäre, aber in Australien leben würde, wonach die Oldies auch klingen.

Nach zwei langsam getrunkenen Mixgetränken, natürlich Bier mit Sprite, bezahlen wir den Spaß für unsere Ohren und den Gaumen, dabei denke ich mit Grausen an die bevorstehende Nacht.

Und die wird deprimierend, obwohl wir unter der Mithilfe von Ohrstöpseln versuchen, dem Lärm der Mopeds beizukommen, doch das vergebens, denn mein Einschlafen misslingt. Trotz allem bin ich mit dem ersten Tag zufrieden, obwohl das Treiben in Kuta meinen Idealvorstellungen nur bedingt entspricht. An ein Urlaubsparadies stelle ich andere Anforderungen.

*

Ein Kleinbus Marke Schrottplatz holt uns am nächsten Vormittag zur Fahrt nach Padang Bai ab, natürlich eine halbe Stunde zu spät. Ich frotzele und das zynisch: „An die Unpünktlichkeit der Balinesen müssen wir uns erst gewöhnen. Verspätungen scheinen normal im Transportwesen Ostasiens zu sein.“

Der Bus ist besetzt mit neun Personen verschiedenster Nationalitäten, dazu kommen meine Frau, ich und der Fahrer. Mit den 12 Personen ist die Buskapazität ausgereizt. Padang Bai ist siebzig Straßenkilometer von Kuta entfernt. Das ist ein Katzensprung, sollte man meinen.

Zuerst aber ein dreifaches Halleluja, denn ich sterbe tausend Tode. Bei riskanten Überholmanövern des Fahrers schließe ich die Augen, um nicht zu kollabieren. Mit Grausen wende ich mich von den Zuständen auf der Landstraße ab. Bei mir wechseln Angstattacken hinüber zu Schweißausbrüchen, da der Fahrer bei den schlimmen Verkehrsverhältnissen wie der letzte Henker fährt. Bei Verkehrsunfällen sterben täglich acht Personen auf Bali, eine achtmal höhere Zahl an Toten gegenüber Europa. Diese Information des Reiseführers quält mich während der Fahrt im Hinterkopf.

Wir brauchten anderthalb Stunden bis zu unserem Zielort Padang Bai, trotz der gewagten Fahrweise des verhinderten Rennfahrers, denn eine Anzahl an Staus hatte die unübersichtliche Verbindungsstraße blockiert. Aber Gott sei Dank, wir haben das Chaos überlebt. Dennoch hat sich das Busfiasko in mein Sicherheitsdenken eingebrannt.

„Ratsch“, macht es, als ich aussteige. Was bedeutet das Geräusch?

Leider bin ich mit meiner beinfreien Wanderhose an irgendeinem Hebel oder Haken unter dem Sitz des Busses hängengeblieben.

„Scheiße“, entfährt mir der typisch deutsche Fluch über den ekelhaften Riss im Gesäß. Aber das Beinkleid ist wichtig für den weiteren Reiseverlauf, denn ich bin nur mit einem Minimum an Shorts ausgestattet. Was demnach tun?

Kommt Zeit, kommt Rat. Vorerst befinden wir uns am Busbahnhof zur Fähre nach Lombok, von wo die meisten Mitreisenden zu den Gili Partyinseln weiterreisen. Wir dagegen haben den Ankunftsort Padang Bai als Aufenthalt auserkoren, dessen Ursprünglichkeit hat uns zu dem Schritt bewogen. Aber ist das die richtige Entscheidung?

Nach den ersten Eindrücken fällt der Ist-Zustand des Ortes bescheiden aus. Anstatt ursprünglich ist Padang Bai schmutzig. Die Straßen und die Umgebung sind zugemüllt. Wie bereits erwähnt steht Bali vor einem riesigen Müllproblem. Für mich als Bauingenieur, der sich beruflich mit der Müllproblematik beschäftigt hat, ist der Zustand auf Bali ein Schlag ins Gesicht. Old Germany ist fortschrittlicher. Unser Heimatland nimmt eine Vorreiterrolle bei der Mülltrennung und der Verwertung in Anspruch. Wann begreift die asiatische Entwicklungsregion, dass der Missbrauch beim Umgang mit Plastik, hier speziell mit Tüten, eine Gefahr für den Lebenskreislauf der Erde darstellt und eine Geisel der Menschheit werden kann? Und was macht man in Padang Bai? Man schiebt das Problem beiseite.

Trotz des Negativeindrucks bummeln wir durch die verwinkelten Gassen, denn wir brauchen eine Bleibe. So kommen wir an vielen mit elefantenähnlichen Skulpturen versehenen Häusern vorbei, denn im altertümlichen Ortsbereich tun sich die schönen Seiten des ausgewählten Städtchens auf. Die Altbausubstanz gefällt uns außerordentlich, daher lautet unser Wahlspruch: Den Dreck nicht beachten. Und dass das klappt, darauf setzen wir unsere Hoffnungen, denn wir denken positiv.

Aber etwas anderes, nicht minder unangenehmes, zeigt unser Rundgang. Es sind die vielen Kampfhähne, die in ihren Kerkern aus einem Korbgeflecht überall herumstehen, und das in der prallen Sonne. Das Veranstalten von Hahnenkämpfen sei verboten, das habe ich im Reiseführer nachgeblättert. Doch wer hält sich dran? Auf Bali niemand. Wie in Kuta den Lärm, so verdränge ich hier die Themen Dreck und Kampfhähne, prompt stellt sich der Erfolg bei der Unterkunftssuche ein. Blitzschnell ist die im Lonely Planet angepriesene Hüttenanlage mit ihren exotischen Pflanzen und Bäumen, und dem wohlklingenden Namen „Billabong“ gefunden.

O Mann. Die hochhinausragenden Strohhütten sind eine optische Offenbarung mit ihren wunderschön geschwungenen Dächern und den leuchtenden Reisstrohwänden, woraus auch eine kleine Bank und ein Sekretär angefertigt sind. Ansonsten ist die Aufmachung spartanisch. Eine steile Treppe führt hinauf in den Schlafbereich mit Bett und Moskitonetz und unten ist der Sanitärtrakt, in dem ein Eimer neben der Kloschüssel steht, weil die Wasserspülung nicht funktioniert. Außerdem leckt das Waschbecken. Aber der Preis pro Nacht ist spottbillig. Das schräge Häuschen kostet acht Euro, inklusive Frühstück. Doch das ist leider weniger bombastisch, denn es besteht aus einer bescheidenen Tasse Kaffee, dazu zwei Scheiben staubtrockenem Toast und etwas Honig.

Aber die Nachteile der Hütte inclusive Frühstück nehmen wir in Kauf, denn die Anlage strahlt eine himmlische Ruhe aus und ist richtiggehend anheimelnd. Wir fühlen uns wie in Abrahams Schoß, denn nur zwei weitere Hütten sind bewohnt. Doch was bedeutet die geringe Auslastung? In Padang Bai ist nicht gerade der Teufel los.

Wir akzeptieren die Touristenarmut und beklagen uns nicht, stattdessen testen wir den Strand Blue-Lagoon. Auf den ersten Blick ist er wunderschön und einladend, also entkleide ich mich bis auf die Badehose. Dann versuche über glitschige Steine den unsichtbaren Löchern ausweichend, um so ins tiefere Wasser zu gelangen. Dabei falle ich fürchterlich auf die Fresse und gebe eine ungeschickte Figur ab, außerdem habe ich mir dabei zwei Finger der rechten Hand geprellt. Bin ich zu alt für derlei Darbietungen, und zu wackelig auf den Beinen?

„Das fängt ja gut an“, murmele ich mit Groll und lege meine Badewünsche an ad acta. Für die entgangenen Badefreuden kann mich höchstens ein gutes Essen endschädigen, welches ich mir in einem Restaurant mit relativ hohem Urlauberzuspruch erhoffe. Und das zurecht, denn hinterher stellen wir fest: Es war ein leckeres Hühnchen-Curry.

Nach dem Essen machen wir einen Rundgang durch die Botanik, dann lassen wir den Abend mit unserem Bier und Limo Gemisch in einem Lokal ausklingen. Der abwechslungsreiche und anstrengende Tag liegt hinter uns. Der zwingt uns relativ früh in unser Bett mit Moskitonetz. Doch auch hier in Padang Bai schläft meine Frau sehr schlecht. Sie wird von den Schiffssirenen der Fähren nach Lombok und zu den Gilis wachgehalten, und die tuten relativ häufig.

Den nächsten Tag beginnen wir mit Gelassenheit. Zuerst erstatten wir dem von mir nicht sonderlich geliebten Strand einen Besuch, immerhin sind die Voraussetzungen gut, um sich in der Sonne zu aalen. Auf den Badehandtüchern liegend und in losgelöster Stimmung, gebe ich meinen Gedanken Freigang.

Herr im Himmel, mir geht es verdammt gut, schmeichelt mir mein Kopf. Meine körperliche Verfassung ist hervorragend. Ich bin bis auf die Prellungen beschwerdefrei, mein Herz hat die Qualität eines Jungspundes und mein Kreislauf gleicht dem eines Leistungssportlers, das hoffe ich zumindest. Und weiter denke ich: Wir werden ein gutes halbes Jahr unterwegs sein, insoweit ist alles easy. Wenn nicht auf Bali, wo sonst gelingt es mir, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Im Sonnenparadies entgehen wir dem Horror der Berichterstattungen über den Zustand der Welt. Und sehe ich über die Schwachpunkte der Insel hinweg, dann werden wir beschauliche Tage im Einklang mit der Natur verbringen.

Als ich über den nächsten Tag nachdenke, beschließen wir einen Abstecher nach Ubud, das ist das künstlerische Mekka der Insel, prompt ordern wir die Mitfahrgelegenheit in einem Minibus mit einer Unkostenpauschale von zwölf Euro. Und die Formalitäten festgemacht, überrascht uns ein Regenschauer. Und der hat es in sich, sodass wir uns unterstellen. Doch das tun wir nicht lange, dann geht’s weiter durch den Regen, wobei ich den abkühlenden Schauer als angenehm empfinde, nach dem sonnenüberfluteten Strandaufenthalt. Ja, auch auf Bali regnet es ab und an, nicht nur in der Regenzeit.