Ella Löwenstein – Ein Feenreich aus Farben - Gesa Schwartz - E-Book

Ella Löwenstein – Ein Feenreich aus Farben E-Book

Gesa Schwartz

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Beschreibung

Tanzender Schnee – so riecht Magie für Ella Löwenstein. Aber damit nicht genug: Sie kann außerdem magische Wesen sehen! Denn sie ist eine Feenflüsterin. Und die Geschöpfe der Anderwelt brauchen ihre Hilfe …

Es ist nicht zu fassen! Kaum verlässt Oberon, der Herrscher über die Anderwelt, für ein paar Tage seinen Thron, nutzen die Feen die Gelegenheit, um den Menschen Streiche zu spielen. Ella hat alle Hände voll zu tun, das Chaos in den Griff zu bekommen – und dabei ist ihr Heidekobold Kasimir ausnahmsweise keine Hilfe. Denn ausgerechnet jetzt hat er nichts Besseres zu tun, als mit den Feen Streit anzufangen. Ehe Ella es sich versieht, wird sie von einem Zauber getroffen und schrumpft zusammen mit Kasimir und ihrem Freund Milo auf Feengröße. Jetzt kann ihnen nur noch eine helfen: Titania, die sagenumwobene Königin der Feen.

Alle Bände der Ella Löwenstein -Reihe:
Ella Löwenstein – Eine Welt voller Wunder (Band 1)
Ella Löwenstein – Ein Meer aus Magie (Band 2)
Ella Löwenstein – Ein Wald der Wünsche (Band 3)
Ella Löwenstein – Ein Fluss der Fantasie (Band 4)
Ella Löwenstein – Ein Feenreich aus Farben (Band 5)

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Seitenzahl: 165

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.Die Zitate in diesem Kapitel stammen aus »Ein Sommernachtstraum. Zwölfte Nacht oder Was ihr wollt« von William Shakespeare (übersetzt von Erich Fried), Berlin: Wagenbach, 2011

© 2023 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München (www.ava-international.de).

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild: Bente Schlick (www.benteschlick.com)

Vignetten: Cathy Ionescu

Umschlaggestaltung: Maria Proctor, Würzburg

ah · Herstellung: bo

Satz: Uhl + Massopust GmbH, Aalen

ISBN 978-3-641-30801-8V001

www.cbj-verlag.de

Der Duft von Magie

Das mit Eichenblättern verzierte Nudelsieb rutschte Ella Löwenstein über die Augen und entlockte ihr einen leisen Fluch. »Kasimir«, zischte sie. »Was tun wir hier eigentlich?«

Der Heidekobold steckte in einer Blechbüchse, aus der seine Beine herausschauten, und hatte einen Bratenwender unter dem Arm. In der Hand hielt er ein Stück Alufolie, das er geschickt zu einem Hut formte. Jetzt hob er eine seiner buschigen Augenbrauen. »Wir gehen auf eine Mission! Milo hat das verstanden, wieso schaffst du das nicht?«

In der Tat sah Ellas Freund Milo trotz des grün glitzernden Topfhandschuhs auf seinem Kopf und der Käsereibe um seinen Hals gar nicht so unglücklich aus. »Es ist ein Abenteuer«, flüsterte er Ella zu. »Vielleicht hat Kasimir ja recht und es hat sich tatsächlich ein Anderwesen in euer Haus geschlichen!«

Ella seufzte. Oberon, der Herrscher der Anderwelt, war vor wenigen Tagen zu seiner jährlichen Rundreise durch die Elfenreiche aufgebrochen. Und wie üblich zu dieser Zeit schlugen einige Anderwesen etwas über die Stränge. Manche zeigten sich trotz strengster Verbote den Menschen, andere spielten ihnen sogar Streiche. Und Kasimir war seit den frühen Morgenstunden der festen Überzeugung, dass jemand in dem kleinen gelben Haus, in dem Ella mit ihren Eltern lebte, Unruhe stiftete.

»Mag ja sein, dass du Geräusche gehört hast, die wir nicht hören können«, meinte Ella zu Kasimir. »Aber wir haben jetzt Wichtigeres zu tun, als freche Anderwesen zu suchen. Wir müssen für unser Schultheater üben! Ein Sommernachtstraum! Shakespeare!«

Kasimir schnaubte. »Ihr habt doch nur winzige Rollen. Das bisschen Tanzen und die paar Sätze kriegt ihr auch ohne Üben hin.«

»Schön wär’s.« Milo seufzte. Er wurde sehr nervös, wenn er daran dachte, dass er auf der Bühne etwas sagen sollte. »Wahrscheinlich kommt sowieso keiner, um uns zuzugucken.«

»Nicht die Anzahl der Zuschauer ist wichtig«, sagte Kasimir. »Sondern ihre Qualität.«

»So einfach ist mein Feenflattertanz gar nicht«, meinte Ella. »Und unsere Kostüme sind auch noch nicht fertig. Glaubst du etwa, ich habe zum Spaß ein geschmücktes Nudelsieb auf dem Kopf?«

»Ich dachte, das wäre jetzt bei euch Menschen modern. Immerhin bist du damit schon fertig angezogen für unsere Mission. Und ich jetzt auch.« Kasimir setzte sich den Aluhut auf den Kopf. »Man kann nicht vorsichtig genug sein, wenn man aufsässige Anderwesen verfolgt. Ich wette, das Gepolter im Erdgeschoss kommt von den Feen. Sie sind außer Rand und Band, seit Oberon weg ist. Vorgestern haben sie meine ganzen Schokoladenvorräte geklaut. Und gestern haben sie eine Ladung Wasser auf meinen Heidestrauch gekippt!«

»Die Schokolade hast du davor aber mir geklaut«, gab Ella zu bedenken. »Und vor der Wasserattacke hast du die Feen ganz schön zugeräuchert.«

Empört funkelte Kasimir zu ihr hoch. »Ich habe gekocht! Was kann ich dafür, dass die Grünkernbratlinge beschlossen haben anzubrennen und das Feennest in Rauch zu hüllen? Ist es etwa meine Schuld, dass es sich genau über meiner Wohnung an der Dachrinne befindet?«

»Du hättest deinen Heidestrauch auch einfach ein Stück zur Seite schieben können«, sagte Ella. »Aber ich glaube, du hast ihn sogar absichtlich noch weiter unter das Feennest geschoben.«

Milo grinste und Ella entging nicht das fröhliche Blitzen in Kasimirs Augen. Die Feindschaft zwischen Kobolden und Feen war legendär und erreichte jedes Jahr zu Oberons Abwesenheit einen neuen Höhepunkt.

Da hörte Ella ein leises Klappern. »Was war das denn?«, flüsterte sie. Ihre Eltern waren nicht da und auch sonst war niemand im Haus. Jedenfalls hatte sie das bis gerade eben gedacht.

»Das will ich ja rausfinden«, sagte Kasimir. »Ich höre das schon seit Stunden!«

»Und wieso hast du nicht schon längst nachgesehen, was das ist?«, fragte Milo.

»Ich habe auf euch gewartet«, gab Kasimir zurück. »Immerhin sind wir drei ein Team, oder etwa nicht?«

»Das sagst du immer, wenn was Gefährliches ansteht«, meinte Ella.

»Papperlapapp«, schnaubte der Kobold. »Und jetzt kommt endlich! Es ist schon bald Mittag! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«

Sie schlichen die Treppe hinab und hatten gerade die unterste Stufe erreicht, als Ella es wieder hörte: ein Klappern, dicht gefolgt von einem leisen Rascheln. Die Geräusche kamen aus der Küche. Kasimir witterte und Ella roch ihn auch: den schwachen, aber unverkennbaren Duft von tanzendem Schnee. Dieser Geruch bedeutete Magie.

Sofort schlug Ellas Herz schneller. Kasimir hatte recht. Es war ein Anderwesen im Haus!

Ein Schneesturm in der Küche

Milo holte tief Luft wie immer, wenn er nervös war. Ella war eine Feenflüsterin, was bedeutete, dass sie Anderwesen sehen und mit ihnen sprechen konnte, auch wenn sie sich ihr nicht absichtlich zeigten. Milo hatte diese Gabe der Freien Sicht nicht. Aber durch eine Verkettung besonderer Umstände hatte er einmal in die Anderwelt hineinschauen dürfen. Und seitdem sehnte er sich danach, das zu wiederholen.

Sie schlichen über den Flur. Der Geruch von Magie wurde immer stärker. Und auch die Geräusche waren jetzt deutlich zu hören. Jemand hantierte in der Küche herum. Vielleicht war es ein Elf, der Kräuter zusammenmixte, oder ein Troll auf der Suche nach Pfefferminzstangen. Ella stellte sich sogar eine Horde Moorkobolde auf Beutezug vor. Sie rechnete mit allem. Aber als sie um die Ecke lugte, stockte ihr trotzdem der Atem.

Die Küche sah aus, als hätte ein Schneesturm in ihr getobt. Mehrere leere Mehlpackungen lagen am Boden, und alles – die Arbeitsplatten, das Spülbecken, die Stühle, ja, selbst die Papierrollenhalterung war mehlbedeckt. Zwischendrin befanden sich mehrere Häufchen der goldenen Zuckerkugeln, mit denen man Kekse verzieren konnte. Und dort auf dem Tisch stand ein Anderwesen und drehte sich wie eine Primaballerina um sich selbst. Seine zarten Flügel schimmerten mit seinem Glitzerkleidchen um die Wette, die lilafarbenen Haare hatte es zu einem kunstvollen Türmchen hochgesteckt. Es war Violetta – eine Fee aus dem Nest unter der Dachrinne.

Milo holte lautlos Atem. Offenbar konnte er sie sehen. Violetta kümmerte sich also kein bisschen darum, ob sie von menschlichen Augen erblickt wurde. Jetzt ließ sie sich fallen und machte einen Mehlengel. Dabei lachte sie glockenhell, und Ella konnte gut nachfühlen, wie bezaubernd es für Milo sein musste, wieder ein anderes Anderwesen als Kasimir zu Gesicht zu bekommen. Der Kobold hingegen hob den Bratenwender. Violetta war die Anführerin bei der Wasser-Attacke auf seinen Heidestrauch gewesen. Jetzt wollte er es ihr heimzahlen.

Ella legte warnend die Hand auf Kasimirs Schulter. Feen waren äußerst wehrhaft. Es war besser, Streitereien friedlich zu regeln. Doch Kasimir hielt nichts von Zurückhaltung, wenn es um Feen ging. Er stieß ein wütendes Knurren aus – und Violetta schaute mit weit aufgerissenen Augen zu ihnen herüber.

»Keine Angst«, sagte Ella etwas holprig in der Sprache der Feen, bevor Kasimir zu Wort kommen konnte. »Wir wollen dir nichts tun.«

Violetta schob spöttisch das Kinn vor. »Was solltet ihr mir auch tun können? Zwei Menschen – und ein Fellknäuel?«

Kasimir starrte sie zornig an. »Da fällt mir jede Menge ein. Schon mal was von Fee Hawaii gehört? Ist das Gleiche wie Toast Hawaii, aber bei dieser Variante wird keine Ananas überbacken!«

Violetta hob verächtlich die linke Augenbraue. »Hauptsache, es stinkt nicht so wie das, was du dir sonst so zusammenkochst. Ein Wunder, dass du noch kein schwarzes Fell hast, so oft, wie bei dir was anbrennt! Aber das ist typisch Kobold. Ihr habt eben keinen Geschmack. Das erkennt man schon an deinem lächerlichen Aufzug. Und ihr zwei seht auch anders aus als sonst.«

»Wir waren gerade dabei, für Ein Sommernachtstraum zu proben«, warf Ella ein. Sie wusste, dass das Stück auch in der Anderwelt beliebt war – allerdings führte man es dort meist in abweichenden Versionen auf, in denen den Menschen von den Anderwesen noch mehr Streiche gespielt wurden als im Original. »Das sollen unsere Kostüme werden.«

»Ein Sommernachtstraum«, wiederholte Violetta. »Das allseits bekannte Stück, in dem Menschen und Feen verzaubert werden und am Ende alles gut ausgeht.« Sie musterte Kasimir. »Und du willst wohl der verhexte Esel sein, hm? Du siehst aber eher aus wie eine haarige Rolle Altmetall.«

»Ich verstehe ihre Sprache nicht«, flüsterte Milo. »Aber das klang ganz schön gemein.«

»Oh ja«, knurrte Kasimir. »Darauf verstehen sich Feen am besten: gemein zu sein.«

Violetta lächelte zuckersüß. »Immerhin verstehen wir uns überhaupt auf etwas. Im Gegensatz zu dir.«

»Genug jetzt«, mischte Ella sich ein. »Es ist nicht in Ordnung, was du hier in unserer Küche gemacht hast. Wenn Oberon dich erwischt, wirst du bestraft werden.«

Unbeeindruckt drehte Violetta eine weitere Pirouette. »Du solltest an deiner Aussprache arbeiten, Feenflüsterin. Du klingst eher wie eine Feenstammlerin. Oberon ist unterwegs. Und Titania wird mich nicht bestrafen. Sie mag es, wenn wir in dieser Zeit im Jahr ein bisschen Leben in die Bude bringen.«

Titania. Der Name flüsterte als kühler Windhauch durch den Raum und ließ Ella die Schultern anziehen. Titania war die sagenumwobene Herrscherin der Feen, berühmt für ihre stürmische Hassliebe zu Oberon und ihre Leidenschaft, Menschen in Feenhügel zu entführen.

»Das nennst du Leben?« Kasimir deutete mit dem Bratenwender auf die mehlbedeckte Küchenrolle. »Saustall, so nenne ich das!«

»Jetzt stellt euch doch nicht so an«, meinte Violetta. »Ich wollte mir nur mal das Haus der berühmten Feenflüsterin Ella Löwenstein anschauen. Immerhin hast du meiner Cousine Lily das Leben gerettet. Aber das hast du wohl schon vergessen, hm?«

Ella berührte die Kette mit dem Pusteblumensamen, die sie um den Hals trug. Lily hatte sie ihr geschenkt, nachdem Ella ihr in einem magischen Sturm das Leben gerettet hatte. Pusteblumensamen waren ein Zeichen der Freundschaft unter den Feen und Ella hätte diese Freundschaft mit Lily gern vertieft. Aber die komplizierte Feensprache war nicht leicht zu lernen, außerdem waren die Feen den Menschen gegenüber ziemlich misstrauisch. Und einen Kobold als besten Freund zu haben war auch nicht gerade förderlich, um die Beziehungen zu verbessern.

»Ich habe nichts vergessen«, sagte Ella. »Aber meine Eltern kommen jede Minute vom Einkaufen zurück, und bestimmt willst du ihnen nicht auch noch über den Weg laufen. Mag sein, dass Titania nicht so streng ist, aber Oberon wird nicht ewig fort bleiben. Und ich weiß nicht, ob ich diesen Kobold hier davon abhalten kann, zu petzen.«

»Ich petze nicht«, knurrte Kasimir. »Ich sorge für Gerechtigkeit, so einfach ist das.«

Violetta jedoch warf einen Blick zur Küchentür. Offenbar schien sie ihr Glück tatsächlich nicht noch weiter herausfordern zu wollen. »Fein.« Sie spazierte so elegant wie möglich über die Stuhllehne. »Ich war sowieso gerade fertig.«

Kasimir plusterte sich auf. »Und wer soll dieses Chaos beseitigen? Ich jedenfalls nicht! Ich bin doch hier nicht der Putzkobold!«

»Das begreift man, wenn man einen Blick auf deinen Heidestrauch wirft«, giftete Violetta. »Der sieht genauso zerrupft aus wie du!«

Ella schaffte es gerade noch, Kasimir am Aluhut zu packen. »Hör auf«, fuhr sie Violetta an. »Würdest du jetzt bitte einfach gehen?«

Kasimir erstarrte, und noch ehe Ella in Violettas fassungslose Augen sah, wurde ihr klar, dass sie in der Sprache der Feen gerade etwas völlig anderes gesagt hatte als beabsichtigt.

»Nàf’thar – Affenpopo«, prustete Kasimir los und deutete auf Violetta. »Ja, genau so siehst du aus!«

Ella schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Naf’thàr war eine höfliche Aufforderung zum Gehen. Ella hatte aber mit Nàf’thar, nicht die zweite, sonderndie erste Silbe betont – und Violetta damit als Affenpopo bezeichnet.

»Ich wollte nicht …«, fing sie an, doch Kasimir lachte nur noch mehr.

»Wieso denn?«, kicherte er. »Es ist doch wahr! Violetta, der Affenpopo. Die Ähnlichkeit ist verblüffend!«

Wutentbrannt griff Violetta in ihre Tasche und warf eine der gefürchteten Spucke-Nüsse auf Kasimir. Der schwang den Bratenwender und katapultierte die Nuss zurück. Violetta duckte sich, die Nuss zerplatzte am Stuhl und hüllte ihn in stinkenden Nebel.

Kasimir ließ sich davon allerdings nicht abhalten. Mit wirbelndem Bratenwender sprang er auf Violetta zu – und die pustete ihm eine Ladung Glitzerstaub ins Gesicht.

Das Geräusch unzähliger klingelnder Silberglöckchen erfüllte die Luft. Wie erstarrt stand Ella da und auch Milo sog die Luft ein. Es war Feenstaub, der Kasimir jetzt einhüllte – die mächtigste Waffe der Feen. Der Kobold riss noch die Augen auf. Wie durch Geisterhand formte sich sein Aluhut zu Eselsohren. Dann erhob Kasimir sich ohne sein Zutun in die Luft und schwebte wie ein haariger Ballon an die Decke. »Hilfe«, fiepte er entsetzt. »Holt mich hier runter!«

Aber Violetta lachte nur. »Das schaffst du schon allein – Affenpopo!«

Und ehe Ella sie daran hindern konnte, schoss die Fee an Milo und ihr vorbei und war verschwunden. Gleich darauf wurde die Haustür geöffnet. Stimmen erfüllten den Flur.

»Oh nein«, flüsterte Milo. »Deine Eltern kommen!«

Kasimir stieß ein panisches Japsen aus. Eilig stieß er sich von der Decke ab und hopste flummigleich hinter eine Vase hoch oben auf dem Küchenschrank. Dabei rieselte jede Menge Mehl aus seinem Fell.

Ella drehte sich mit rasendem Herzen um. Und da standen auch schon ihre Eltern in der Tür – begleitet von Milos Mutter.

Don Quichotte und Sancho Panza

»Was zum Geier …« Ellas Vater machte einen Schritt nach vorn und wurde in eine Wolke aus Mehl gehüllt. Hustend wich er zurück und stieß gegen Milos Mutter, deren Gesichtsfarbe sich in rasender Geschwindigkeit ihrer Umgebung anpasste.

»Milo«, brachte sie hervor. »Was ist denn hier los?«

Prompt wurde auch Milo ziemlich blass, und Ella nahm unwillkürlich seine Hand. Sie wusste, wie streng seine Mutter sein konnte.

»Keine Sorge«, meinte Ellas Vater. »Es gibt sicher eine gute Erklärung für dieses … dieses …«

»Chaos«, beendete Ellas Mutter seinen Satz. Sie musterte die Mehltüten am Boden. »Sagt nicht, ihr wolltet einen Kuchen backen. Meine Backkünste halten sich zwar in Grenzen, aber dass man die Küche dafür nicht in eine Mehllandschaft verwandeln muss, weiß sogar ich. Und wie seht ihr überhaupt aus?«

Erst jetzt wurde Ella bewusst, dass sie noch immer das blättergeschmückte Nudelsieb auf dem Kopf trug.

Milos Mutter atmete laut aus. »Milo, ich dachte, dass du hier gut aufgehoben wärest. Aber jetzt komme ich, um dich abzuholen, und finde dich in einer Mehlwüste mit einem glitzernden Topfhandschuh auf dem Kopf! Sag mir sofort, was hier los ist!«

Milo öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen.

Das leise Knirschen von Fingernägeln auf Glas ließ Ella zur Vase hinübersehen. Kasimir hatte die Arme darum geschlungen, um seinen Körper am nächsten Schwebemanöver zu hindern. Sein Gesicht wurde durch das gewölbte Glas froschäugig verzerrt. Er deutete auf den Aluhut, der noch immer in Eselohrform auf seinem Kopf saß.

»Ein Sommernachtstraum«, platzte Ella heraus. »Das wollte Milo sagen. Wir proben für die Theater-AG. Leider gibt unsere Verkleidungskiste für Feenkostüme nicht viel her. Da sind nur Piratenhüte und Säbel drin. Und ein lockiges Brusthaartoupet vom letzten Fasching. Also haben wir den Topfhandschuh mit grünem Glitzer bemalt, und mein Sieb soll eine Feenkrone sein.«

»Ihr erinnert mich eher an Don Quichotte und Sancho Panza«, sagte ihre Mutter mitleidig. »Ihr wisst schon: der Ritter von der traurigen Gestalt und sein Knappe. Gleich kommt Kalle zu Besuch. Wir wollen zusammen Musik machen und hier sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld. Seit wann findet Ein Sommernachtstraum im Mehl-Land statt?«

Ella biss sich auf die Lippe. Sie kannte diesen prüfenden Blick ihrer Mutter, der es Ella so schwer machte, ihr nicht sofort alles zu erzählen. Aber sie dachte an die Eisigen Lande, in die Oberon jene verbannte, die gegen seine Gesetze verstießen, und daran, wie gefährlich es für gewöhnliche Menschen werden konnte, wenn sie von der Anderwelt erfuhren. Normalerweise hatte Ella keine Geheimnisse vor ihren Eltern, aber was die Anderwelt betraf, durfte sie ihnen nicht die Wahrheit sagen. Wenn ihr doch nur eine glaubhafte Erklärung für all das Mehl einfallen würde! Doch ihr Kopf war wie leer gefegt.

Da drückte Milo leicht ihre Hand. »Wir brauchten eine Pause von Shakespeare«, sagte er. »Deshalb haben wir mit einer anderen Hausaufgabe weitergemacht. Ein Experiment für Physik.«

Ella musste sich zwingen, ihn nicht überrascht anzusehen.

Ihre Mutter hob die Brauen. »Wolltet ihr eine Skipiste nachbauen?«

Milo lachte wie über einen gelungenen Scherz. »Nein, wir wollten eine Messreihe zum Thema Feinstaubbelastung durchführen. Leider bin ich mit den Mehltüten hingefallen. Als ich das Mehl aufsaugen wollte, hat der Staubsauger alles durch den ganzen Raum gepustet.«

Ella hielt den Atem an. Sie hatte Milo erzählt, dass ihr Staubsauger seit geraumer Zeit immer wieder kaputtging, und jetzt blätterte der Ärger von den Gesichtern ihrer Eltern ab wie Putz von einer Wand.

»Dieses verfluchte Mistding!« Ihr Vater warf dem armen Staubsauger einen vernichtenden Blick zu. »Letztens hat er den Staub des Arbeitszimmers über meinen Instrumenten verteilt. Das war vielleicht eine Sauerei, die Klaviertasten sauber zu machen!«

Ellas Mutter seufzte. »Eins ist sicher: Ich bin nicht diejenige, die das hier wieder in Ordnung bringt.«

»Natürlich nicht«, sagte Ella schnell. »Wir räumen jetzt auf und in Nullkommanichts ist alles wieder picobello. Versprochen!«

Milos Mutter betrachtete nachdenklich den mehlbedeckten Tisch und die darauf glitzernden Zuckerkügelchen. Sie wollte gerade etwas sagen, als es an der Tür klingelte.

»Das ist Kalle«, meinte Ellas Vater. »Der wird staunen, wenn er die Küche sieht!«

Tatsächlich machte Kalle, ein Freund und Musikerkollege von Ellas Vater und obendrein Klempner, große Augen.

»Keine Sorge.« Ellas Mutter lachte. »Dieses Mal bitten wir dich nicht um Hilfe. Das hier sind die Folgen eines Experiments. Ella und Milo werden dafür sorgen, dass bald wieder alles blitzt und blinkt.«

Kalle nickte geistesabwesend. Vor gar nicht allzu langer Zeit hatte er es mit einer magisch verursachten Rohrverstopfung im Hause Löwenstein zu tun gehabt, die er trotz all seiner Handwerkskunst nicht hatte beseitigen können. Dadurch war er in schwere Selbstzweifel gestürzt worden, und jetzt schien es, als würde er sich angesichts der Mehllandschaft aus irgendeinem Grund daran erinnern.

»Kalle«, sagte Ella schnell. »Das hier ist Milos Mutter, ihr kennt euch ja noch gar nicht.«

Kalle hob den Blick – und sofort war jeder Kummer aus seinem Gesicht verschwunden.

»Oh.« Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Hallo. Ich bin Kalle.«

Milos Mutter brachte ein Lächeln zustande, aber keinen Ton heraus.

»Das ist Francesca«, erklärte Ellas Vater. »Sie wollte gerade Milo abholen.«

Doch Milo schüttelte den Kopf. »Ich kann jetzt nicht nach Hause. Ich lasse Ella diese Sauerei nicht allein wegputzen. Und außerdem müssen wir für unser Stück proben. Und unsere Kostüme wollten wir auch noch fertig machen.«

»Das kann dauern.« Kalle schaute mit erhobenen Brauen auf Nudelsieb und Topfhandschuh und blinzelte dann zu Francesca hinüber. »Sie könnten ja solange bei der Jam-Session zuschauen.«

»Sie sind herzlich eingeladen«, meinte nun auch Ellas Mutter. »Für gewöhnlich dauert die eine ganze Weile und dann sind Milo und Ella sicher fertig.«

»Ich weiß nicht«, sagte Francesca. »Eigentlich müsste ich noch ein bisschen was einkaufen. Andererseits … Ich war schon lange auf keinem Konzert mehr.«

Ellas Vater grinste. »Konzert … so könnte man unsere Musik auch nennen. Lassen Sie sich das nicht entgehen!«

Milos Mutter lächelte ein wenig. »In Ordnung. Ich bleibe.«

»Großartig!« Kalle schlug die Hände zusammen. »Na, dann wollen wir mal!« Mit unsicherem Lachen ging er voraus. Ellas Mutter hakte Francesca unter, und nachdem ihr Vater ihnen noch einmal zugezwinkert hatte, verließen die Erwachsenen den Raum.

»Puh!« Ella seufzte. »Das hätten wir geschafft.«