Ella Löwenstein - Ein Meer aus Magie - Gesa Schwartz - E-Book
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Ella Löwenstein - Ein Meer aus Magie E-Book

Gesa Schwartz

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Beschreibung

Tanzender Schnee – so riecht Magie für Ella Löwenstein. Aber damit nicht genug: Sie kann außerdem magische Wesen sehen! Denn sie ist eine Feenflüsterin. Und die Geschöpfe der Anderwelt brauchen ihre Hilfe …

Wenn sich eine giftgrüne Fluchwolke über dem eigenen Garten entlädt, kann das nächste Abenteuer nicht weit sein. Da ist sich Ella sicher. Und tatsächlich verschwindet kurz darauf der Miniaturriese Herr Lilienthal spurlos aus seinem Apfelbaum. Alles deutet darauf hin, dass er entführt worden ist.
Ehrensache, dass Ella und Kobold Kasimir sofort die Befreiungsaktion planen! Doch das Vorhaben ist riskant und ihr Gegner mächtig – ganz zu schweigen von der gefährlichen Schönheit, die in einem gefrorenen Meer aus Magie auf sie lauert ...

Alle Bände der Ella Löwenstein -Reihe:
Ella Löwenstein – Eine Welt voller Wunder (Band 1)
Ella Löwenstein – Ein Meer aus Magie (Band 2)
Ella Löwenstein – Ein Wald der Wünsche (Band 3)
Ella Löwenstein – Ein Fluss der Fantasie (Band 4)
Ella Löwenstein – Ein Feenreich aus Farben (Band 5)

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Seitenzahl: 133

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© 2021 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München (www.ava-international.de).

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild: Bente Schlick (www.benteschlick.com)

Vignetten: Cathy Ionescu

Umschlaggestaltung: Maria Proctor, Würzburg

ah · Herstellung: bo

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-24948-9V001www.cbj-verlag.de

Das traurige Flugzeug

»Und eins! Und zwei! Und drei!«

Ella Löwenstein blinzelte schlaftrunken. Es war noch früh an diesem Samstagmorgen. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages fielen auf ihr Bett. Sie drehte den Kopf in Richtung der Stimme, die sie geweckt hatte – und glaubte noch zu träumen. Dort auf ihrem Balkon stand ein fliederfarbener Kobold mit Stirnband und machte unter wilden Anfeuerungsrufen Kniebeugen.

Jedes andere zehnjährige Mädchen hätte sich aufgrund des Kobolds gewundert. Ella hingegen irritierte vielmehr das Stirnband. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Kindern in ihrem Alter konnte sie Anderwesen sehen und Kasimir, der Heidekobold, war ihr bester Freund. Gemeinsam hatten sie schon so manches Abenteuer erlebt. Trainingseinheiten im Sportdress waren allerdings noch nicht dabeigewesen.

Ellas blonde Löwenmähne stand in allen Richtungen von ihrem Kopf ab, als sie auf den Balkon trat. »Guten Morgen«, sagte sie und gähnte ausgiebig. »Willst du was gegen deine Schokoladenpfunde tun oder wieso verwandelst du unseren Balkon in ein Fitnessstudio? Und wo hast du das Stirnband her?«

Kasimir sprang voller Elan auf die Brüstung und vollführte einen Handstand. »Erstens: Ein Kobold von Welt hat eine erlesene Garderobe. Dazu gehört selbstverständlich auch ein Sportoutfit. Und zweitens: Nein, ich will nichts gegen meine Schokoladenpfunde tun. Weil ich nämlich gar keine habe. Schokolade verwandelt sich auf meiner Zunge umgehend in Glück und Liebe und sonst gar nichts. So einfach ist das.«

Ella grinste. »Wie praktisch.«

»Nicht wahr?« Kasimir beendete den Handstand. Er streckte die Arme, dass seine Knochen knackten. »Mir war einfach danach, mich zu bewegen. Vielleicht, weil deine Eltern mich geweckt haben. Sie randalieren seit Stunden unerträglich aktiv unten herum.«

Als Kobold hatte Kasimir viel bessere Ohren als Ella. Sie lauschte. Jetzt hörte sie das Rumpeln auch. »Sie packen«, stellte sie fest.

»Für den Weltuntergang?«, fragte Kasimir spöttisch. »Ich dachte, sie bleiben nur eine Nacht weg!«

»Tun sie auch. Aber sie wollen auf dieser Feier eben gut aussehen.« Ella schaute in den verwilderten Garten hinab. Er löste regelmäßig Verwunderung aus. Denn Ellas Mutter Henriette war eine bekannte Landschaftsarchitektin, und die meisten Leute konnten einfach nicht begreifen, warum ausgerechnet sie so einen Garten hatte. Sie sagten so einen mit einem Gesichtsausdruck, als hätten sie auf einen Regenwurm gebissen. Weil ich ihn perfekt finde, antwortete Ellas Mutter dann manchmal. Er ist der schönste Garten der Welt. Ella sah das ganz genauso. Sie musste immer grinsen, wenn die Leute daraufhin verlegen auf ihre Schuhe schauten.

Woanders entwarf ihre Mutter aber auch schöne Gärten und nun hatte sie einen Preis dafür gewonnen. Den durfte sie im Rahmen einer festlichen Gala persönlich in Empfang nehmen. Irgendwo in Hintertupfingen, wie sie selbst sagte. Insgeheim freute sie sich, das merkte Ella. Und sie sah auch, dass ihr Vater Edgar sehr stolz auf seine Frau war. Allerdings war es beiden gar nicht recht, Ella übers Wochenende allein zu Hause zu lassen. Aber ihnen blieb keine Wahl, wenn Ella nicht rund um die Uhr und ebenfalls allein in irgendeinem Hotel versauern sollte.

Sowieso fand Ella es ziemlich großartig, ohne Eltern daheimzubleiben. Zwar würde ihre Tante Carlotta auf sie aufpassen, aber diese würde erst gegen Abend von der Eröffnung einer Kunstausstellung kommen. Carlotta war Malerin und würde Ella bestimmt wieder mit lustigen Geschichten aus der Künstlerszene unterhalten. Und bis dahin konnte Ella die sturmfreie Bude genießen: einen Film nach dem anderen gucken (Kasimir liebte Filme), essen, was sie wollte, ungestört auf Feenbeobachtung gehen … Apropos Feen!

Sie beugte sich über die Brüstung und schaute zum Giebel hinauf. Doch ehe sie das Feennest erspäht hatte, erklang hinter ihr ein lautes PLATSCH! Ella erkannte gerade noch den Fischschwanz der Nixe, die im Teich zwischen den Tannen untertauchte. Ihr Name war Leonore Wellensang, so viel wusste Ella inzwischen. Aber sie verschwand immer sofort, wenn sie Ella sah. Dafür wurde Ella von anderen Anderwesen umso genauer beobachtet.

Prompt ertönte über Ellas Kopf ein Kichern. Wie ein schillerndes Hornissennest hing das Feennest unter dem Giebel. Etwa daumengroße Feen mit blassgrüner Haut und durchscheinenden Flügeln schwebten davor und grinsten frech zu Ella herab. Einige hoben ein Stück Schilfrohr wie ein Fernglas vor die Augen. Menschenmädchenbeobachtung. Das taten sie oft, nur um dann so schnell wie die Nixe zu verschwinden, wenn Ella näher kam.

Die Feen flüsterten etwas. Padrunyar. Es war das einzige Wort, das Ella in ihrer Sprache kannte. Es bedeutete Feenflüsterin. So nannten die Anderwesen das, was Ella war: ein Mensch, der sie sehen und mit ihnen sprechen konnte, eine Freundin der Anderwelt, eine Mittlerin und Vertraute. Aber die Feen flüsterten das Wort voller Spott. Ella seufzte.

»Du machst schon wieder das Grüblergesicht.« Kasimir setzte sich auf die Brüstung und ließ die Beine baumeln.

»Wie soll das denn aussehen?«

Kasimir schnitt eine so furchterregende Grimasse, dass Ella grinsen musste.

»Aber ich habe recht«, beharrte er. »Du grübelst.«

Ella zuckte die Achseln. »Wer wird schon gerne ausgelacht? Du kannst die Feen doch hören. Sie nehmen mich überhaupt nicht ernst.«

»Mach dir nichts draus«, meinte Kasimir. »Es sind einfältige Feen.«

Ella schaute wieder zum Teich hinab. »Und die Nixe?«

»Ist eine Nixe«, stellte der Kobold fest.

»Vielen Dank für die Info«, gab Ella zurück. »Die Nixe, die eine Nixe ist, will jedenfalls auch nichts mit mir zu tun haben.«

Kasimir lächelte ihr aufmunternd zu. »Es hat so lange keine Feenflüsterin mehr in der Anderwelt gegeben. Du hast selbst erst vor Kurzem erfahren, dass du eine bist. Du musst dir das Vertrauen der Anderwesen erst erarbeiten.«

»Ich glaube, sie haben sich eine Feenflüsterin ganz anders vorgestellt als mich. So wie in den Liedern, die in der Anderwelt gesungen werden. Da sind die Feenflüsterer immer unglaublich stark, unglaublich mutig, unglaublich klug …«

»Das bist du auch«, unterbrach Kasimir sie. »Jedenfalls manchmal.«

»Sehr witzig.« Ella kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. »Ich will eine gute Feenflüsterin sein. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll.«

Kasimir schwieg für einen Moment. »Höre auf dein Herz«, sagte er dann. »Das ist in allen Lebenslagen der beste Ratgeber. Und wenn es drauf ankommt, wirst du schon wissen, was zu tun ist.«

Wenn Ella an ihr letztes großes gemeinsames Abenteuer dachte, glaubte sie selbst ein bisschen daran. Aber angesichts der Heldenlieder fühlte sie sich dann doch wieder wie ein kleines Mädchen. Sie seufzte noch einmal. »Das hoffe ich. So einfach, wie es klingt, wird es aber bestimmt nicht.«

»Pah«, machte Kasimir abfällig. »Einfach kann ja auch jeder. Und du hast schon ganz beträchtliche Fortschritte gemacht, was deine Annäherung an die Anderwelt betrifft.«

Kaum hatte er seinen Satz beendet, hörte auch Ella das Brummen, das näher kam. Ihre Stimmung hellte sich schlagartig auf, als sie die kleine Gestalt sah, die vom Apfelbaum zu ihnen herüberflog.

Das winzige Flugzeug steuerte direkt auf Ella und Kasimir zu. Es war ein Doppeldecker aus hauchzartem Holz. Und es schwankte bedenklich, als es zur Landung ansetzte.

»Vorsicht!«, rief ein leises Stimmchen aus dem Cockpit. »Vooorsiiicht!«

Ein unheilvolles Poltern ließ das Flugzeug erbeben. Gleich darauf nahm es an Fahrt auf. In einem Affenzahn jagte es dem Balkon entgegen.

In letzter Sekunde sprangen Ella und Kasimir zur Seite. Das Flugzeug brauste an ihnen vorbei, schlitterte auf einem Rad über die Brüstung und kam mit waghalsiger Drehung an der äußersten Kante zum Stehen. Der Motor verstummte und ein kleiner Herr sprang aus der Maschine.

In Wahrheit war er gar kein Herr, sondern ein Miniaturriese. Aber er sah sehr elegant aus: Er trug eine Fliegerbrille, einen leuchtend roten Schal und einen altmodischen Anzug mit einem Einstecktuch von derselben Farbe. In der Hand hielt er einen zusammenfaltbaren Spazierstock, der ihn noch vornehmer wirken ließ. Sein akkurat gestutzter Bart umrahmte sein breites Lächeln, als er auf Ella und Kasimir zulief.

»Habt ihr das gesehen?«, rief er begeistert. »Habt ihr das gesehen?«

»Oh ja«, erwiderte Kasimir freundlich. »Wir sind fast von einem Flugzeug gerammt worden. Haben wir gesehen, Herr Lilienthal. Klar und deutlich.«

Den Namen Herr Lilienthal hatte der Miniaturriese Ella zu verdanken. Er wohnte in dem Apfelbaum im Garten und konstruierte mit Leidenschaft die verschiedensten Flugapparate, mit denen er dann durch die Gegend flog. Früher, als sie ihn noch nicht persönlich gekannt und nur von ihrem Balkon aus beobachtet hatte, da hatte Ella ihn heimlich nach dem Flugpionier Otto Lilienthal benannt. Dann hatte sie herausgefunden, dass sie eine Feenflüsterin war, Kasimir war bei ihr eingezogen und hatte Herrn Lilienthal wie all die anderen Anderwesen des verwilderten Gartens zu einem nachbarschaftlichen Apfeltee eingeladen. Herr Lilienthal hatte diese Einladung als Einziger angenommen und seitdem waren sie befreundet. Sein neuer Name hatte dem Miniaturriesen so gut gefallen, dass er seither nur noch so genannt werden wollte.

Jetzt hatte er sie erreicht und riss sich die Fliegerbrille vom Gesicht. Aus himmelblauen Augen strahlte er sie an. Seine Haare standen wie bei einem kleinen Jungen von seinem Kopf ab. »Verzeihung«, sagte er höflich. »Gertrud ist noch etwas schwerfällig bei der Landung, aber immerhin haben wir uns dieses Mal nicht überschlagen. Und wenn sie einmal fliegt, ich sage euch! Das ist ganz großes Kino!«

Ella musste lachen. »Es ist komisch, wenn du Kasimirs Ausdrucksweise nachmachst, Herr Lilienthal.«

»Nicht weniger komisch, als Herr Lilienthal und du in einem Satz zu verwenden, junge Dame«, gab er lächelnd zurück. »Jedenfalls glaubt ihr nicht, wie viele Sturzflüge wir bisher schon erlitten haben.« Er warf seinem Flugzeug einen liebevollen Blick zu. »Zum Glück hatte ich die Idee, einiges an den Tragflächen zu verbessern, um das Problem zu beheben.«

Er eilte auf Gertrud zu und erklärte enthusiastisch dieses und jenes zu ihrem Aufbau. Ella bemerkte, dass Kasimir nur mit Mühe ein Seufzen unterdrückte. Tatsächlich konnte es Stunden dauern, bis Herr Lilienthal wieder von seinem Lieblingsthema abließ. Heute allerdings genügte ein plötzlicher Luftstoß, um ihn aus dem Konzept zu bringen.

Das kleine gelbe Haus, in dem Ella mit ihren Eltern und Kasimir lebte, stand am Ende einer schmalen Straße zwischen Wald und Heide. Es war nicht ungewöhnlich, dass hier mitten in der Natur überraschend Wind aufkam. In den letzten Tagen war das sogar recht häufig passiert, laut Kasimir ein untrügliches Zeichen für ein leichtes Herbstgewitter. Aber Herr Lilienthal fuhr zusammen, als hätte ihn ein Hieb getroffen. Ruckartig sah er sich um, nur um gleich darauf so zu tun, als wäre gar nichts passiert. Er redete einfach weiter.

Kasimir schien nichts Ungewöhnliches aufzufallen. Er hatte die Augen halb geschlossen und sich geistig vermutlich längst in Richtung Kniebeugen verabschiedet. Ella jedoch beobachtete Herrn Lilienthal genauer, und ihr fiel auf, dass er bei jedem Windstoß blasser wurde. Sie zog die Brauen zusammen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie, als Herr Lilienthal wieder einen hektischen Blick über die Schulter warf.

»Natürlich«, sagte er. »Ich mache mir nur Gedanken um Gertrud. Die Landung klappt jetzt, aber das Starten, das …« Wieder fuhr er unter einem Windstoß zusammen.

Kasimir war bei Ellas Frage aus seiner Trägheit erwacht. Jetzt merkte auch der Kobold, dass Herr Lilienthal sich seltsam verhielt. »Und deswegen guckst du dich um, als würde eine Zwergenfrau hinter dir stehen?«, fragte Kasimir.

Ella grinste. Zwerge und Riesen konnten einander nicht ausstehen, das war allgemein bekannt, und die Zwergenfrauen waren für ihre Körperkraft gefürchtet. Es gab viele Lieder, in denen Riesen von ihnen ordentlich in Angst versetzt wurden. Normalerweise hätte Herr Lilienthal gelacht, denn er war ein Riese mit Humor. Aber jetzt wurde er nur noch eine Spur blasser.

»Es liegt am Wind«, murmelte er. »Er klingt düster und unheilvoll, so als würde etwas Gefährliches heraufziehen.«

Das Zittern in seiner Stimme ließ Ella frösteln. Herr Lilienthal war ein empfindsamer Zeitgenosse, aber so bedrückt und ängstlich hatte er noch nie geklungen.

Doch Kasimir lachte nur und klopfte Herrn Lilienthal auf den Rücken. »Du und deine Stimmungen. Erzähl uns lieber noch was über Gertrud. Was sind das denn für Probleme beim Starten?«

Herr Lilienthal straffte die Schultern. »Ach«, seufzte er. »Meistens kriege ich einfach nicht genug Schwung. Dann reicht es nicht mal für einen ganz normalen Flug, von den Dingen, die ich ihr sonst noch beigebracht habe ganz zu schweigen. Es scheint auch von ihrer Laune abzuhängen, wie weit sie fliegt. Und heute hat sie ihre Energie wohl schon verbraucht. Sie will ja fliegen, das weiß ich. Aber sie schafft es manchmal einfach nicht. Sie hat eben hin und wieder deprimierende Verstimmungen.«

Kasimir warf dem Flugzeug einen Blick zu. »Deprimierende Verstimmungen? Du weißt schon, dass du von einem Gegenstand sprichst, der keine Gefühle hat?«

Tief gekränkt sah Herr Lilienthal ihn an. »Was würdest du sagen, wenn ich behauptete, dein Heidestrauch wäre nur irgendein Gestrüpp?«

Jetzt war es an Kasimir, beleidigt aus der Wäsche zu schauen. Er war auf magische Weise mit seinem Heidestrauch verbunden, der in einem Blumentopf auf Ellas Balkon stand. Kasimir lebte darin und liebte sein Haus abgöttisch.

Ella konnte sehen, dass er zu einer unfreundlichen Entgegnung ansetzte, und sagte schnell: »Vielleicht braucht Gertrud einfach die richtige Motivation.«

»Das habe ich auch gedacht«, erwiderte Herr Lilienthal. »Gutes Zureden hat bisher allerdings nicht geholfen. Dabei wollte ich heute gern eine Runde über der Heide drehen. Aber dafür bräuchte ich wohl einen stärkeren Antrieb. Und den habe ich leider noch nicht gefunden.«

Ella lächelte dem niedergeschlagenen Riesen zu. »Keine Sorge. Du wirst für die traurige Gertrud eine Lösung finden. Ich habe dich doch nicht umsonst nach einem Flugpionier benannt. Du willst fliegen, und deshalb wirst du fliegen. Vertrau mir. Alles, was dir fehlt, ist der richtige Kniff. Und bis du ihn gefunden hast, helfe ich dir.«

Herr Lilienthal hob die Brauen. »Und wie?«

»Ich bin vielleicht nicht übermäßig stark«, entgegnete Ella. »Aber stark genug, um dir Starthilfe zu geben. Herr Lilienthal, Pilot der traurigen Gertrud, bitte an Bord!«

Herr Lilienthal beeilte sich, ins Cockpit zu kommen. Er setzte seine Pilotenbrille auf. Als Ella das Flugzeug vorsichtig in die Hand nahm, war das abenteuerliche Blitzen in seinen Augen zurück. »Du hast recht«, rief er. »Wer fliegen will, wird fliegen!«

Ella beugte sich weit über die Brüstung. Prüfend reckte sie die Nase in den Wind, wie sie es so oft bei Herrn Lilienthal gesehen hatte, und warf Gertrud hoch in die Luft.

Herr Lilienthal juchzte vor Freude. Der Motor brummte und mit einer weiten Schleife flog Gertrud über die Baumwipfel in Richtung Heide davon. Ella sah dem Flugzeug nach. Da stand sie nun, Ella Löwenstein, die Feenflüsterin, und gab einem Miniaturriesen und seinem traurigen Flugzeug Starthilfe, damit sie gemeinsam durch die Luft fliegen konnten. Sie lächelte. Das war vielleicht keine Heldentat. Aber es war ein Anfang.

Ein Windhauch streifte Ellas Gesicht. Kam es ihr nur so vor oder war der Wind tatsächlich kälter geworden? Sie lehnte sich rücklings gegen die Brüstung und zog die Arme um den Leib. In der Ferne donnerte es.

»Ob an Herrn Lilienthals Gefühl was dran ist?«, fragte sie. »Ob wirklich was heraufzieht?«

Kasimir wischte ihre Frage beiseite wie eine lästige Laus auf seinem Heidestrauch. »Unsinn. Herr Lilienthal hat doch andauernd irgendwelche Gefühle und wasnichtalles. Jetzt hat er auch noch ein trauriges Flugzeug! Ist es zu glauben?«

Ella hob die Schultern. »Er baut die Flugapparate mit jeder Menge Magie und Liebe. Wer weiß, vielleicht steckt ja wirklich mehr in Gertrud.«