Ella Löwenstein - Ein Wald der Wünsche - Gesa Schwartz - E-Book

Ella Löwenstein - Ein Wald der Wünsche E-Book

Gesa Schwartz

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Beschreibung

Tanzender Schnee – so riecht Magie für Ella Löwenstein. Aber damit nicht genug: Sie kann außerdem magische Wesen sehen! Denn sie ist eine Feenflüsterin. Und die Geschöpfe der Anderwelt brauchen ihre Hilfe …

Was für ein Schock! Ausgerechnet Ellas Erzfeindin Friederike gerät bei einem Schulausflug in einen rätselhaften Zauber, was ihr gar nicht gut bekommt. Zusammen mit ihrem neuen Mitschüler Arvid, dem schüchternen Milo und natürlich Kobold Kasimir macht Ella sich auf in den Geheimen Wald, um die mächtigen Elfen um Hilfe zu bitten. Doch der Weg dorthin ist gefährlich und stellt den Zusammenhalt der Kinder auf eine harte Probe.
Werden sie am Ende stark genug sein, um Friederike retten zu können?

Alle Bände der Ella Löwenstein -Reihe:
Ella Löwenstein – Eine Welt voller Wunder (Band 1)
Ella Löwenstein – Ein Meer aus Magie (Band 2)
Ella Löwenstein – Ein Wald der Wünsche (Band 3)
Ella Löwenstein – Ein Fluss der Fantasie (Band 4)
Ella Löwenstein – Ein Feenreich aus Farben (Band 5)

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Seitenzahl: 144

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© 2022 cbj Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die AVA international GmbH Autoren- und Verlagsagentur, München (www.ava-international.de).

Alle Rechte vorbehalten

Umschlagbild: Bente Schlick (www.benteschlick.com)

Vignetten: Cathy Ionescu

Umschlaggestaltung: Maria Proctor, Würzburg

ah · Herstellung: bo/ar

Satz: Uhl + Massopust GmbH, Aalen

ISBN 978-3-641-24949-6V001www.cbj-verlag.de

Ein Ausflug mit Folgen

»Du bist unglaublich!« Ella Löwenstein wischte mit finsterer Miene einen Traubenkern von ihrem Ärmel. Auf ihrer Schulter hockte Kasimir, der Heidekobold. Normalerweise war er ihr bester Freund. Jedenfalls, wenn er sie nicht gerade wie jetzt mit Traubenkernen bespuckte.

»Schön, dass es dir aufgefallen ist.« Kasimir grinste. »Es ist nicht leicht, in einer Welt der Unglaublichkeiten unglaublich zu sein. Aber ich gebe mir die größte Mühe.«

»Lass das bloß bleiben«, flüsterte Ella. »Du hast versprochen, dich unauffällig zu benehmen.«

»Das mache ich doch. Okay, hin und wieder treffe ich daneben. Aber Weitspucken macht so viel Spaß! Du solltest es auch mal probieren. Dann bist du auch nicht mehr so verkrampft.«

Ella funkelte ihn wütend an. »Eins ist sicher: Ich nehme dich nie wieder mit in die Schule!«

Kasimir zuckte die Achseln. »Da will ich sowieso nicht hin. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Wir sind gar nicht in der Schule. Wir sind auf einem Parkplatz im Wald.«

»Was du nicht sagst«, gab Ella zurück. »Und falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Wir sind nicht allein.«

Die anderen aus ihrer Klasse hatten sich in einigem Abstand in Grüppchen zusammengefunden. Ihr Lehrer Herr Huber trug sie in der Klassenliste ein. Er wollte mit ihnen einen Ausflug zu den archäologischen Stätten in der Heide machen. Ella hatte Kasimir nur unter der Bedingung mitgenommen, dass er sie nicht in Schwierigkeiten brachte. Denn als Feenflüsterin konnte sie Anderwesen wie Kasimir sehen und mit ihnen sprechen. Aber gewöhnliche Menschen ahnten nicht einmal, dass es die Anderwelt gab. Wenn Ella mit Kasimir redete, sah es für ihre Mitschüler so aus, als spräche sie mit der Luft. Vor allem ihre Erzfeindin Friederike wartete nur darauf, Ella deswegen zu ärgern. Und Ella hatte keine Lust, wieder einmal gepiesackt zu werden, nur weil ein Kobold seine Spucke-Kerne nicht unter Kontrolle hatte.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte Kasimir jetzt. »Die schreckliche Friederike hat doch längst jemand anderen zum Ärgern gefunden. Guck dir den armen Kerl da drüben an.«

Am Rand des Parkplatzes saß ein Junge mit verstrubbelten dunklen Haaren, bronzefarbener Haut und braunen Augen. Sein Name war Milo. Er war nach den Ferien in Ellas Klasse gewechselt, weil er an seiner vorigen Schule gemobbt worden war. Allerdings lief es mit seinen neuen Mitschülern nicht besser für ihn.

Bis gerade eben hatte er in ein Notizbuch geschrieben. Das tat er oft, denn Milo wollte Schriftsteller werden und brachte fantasievolle Geschichten zu Papier. Seit Friederike davon wusste, nannte sie ihn spöttisch den Poeten. Sie nutzte jede Gelegenheit, ihm sein Buch wegzunehmen und daraus laut der ganzen Klasse vorzulesen. Auch jetzt stand sie mit ihren Freundinnen vor ihm.

Ella konnte nicht verstehen, was sie sagte. Aber sie sah, dass Milo blass wurde. Seine Finger hatten sich so fest um sein Buch geschlossen, als umklammerte er seinen größten Schatz. Normalerweise versteckte er es vor den anderen. Nur zum Schreiben holte er es heraus.

»Willst du dich wieder einmischen?«, stöhnte Kasimir, als Ella sich in Bewegung setzte. »Der Junge muss lernen, sich zu wehren. Sonst wird das nie aufhören!«

Aber Ella schnaubte nur. »Es ist genau umgekehrt: Die anderen müssen lernen, dass sie ihn nicht fertigmachen dürfen.«

»Und das musst ausgerechnet du ihnen beibringen? Ella Löwenstein, die Rächerin der Unterdrückten?«

»Wenn es sonst keiner tut. Milo wird sich nie verteidigen, dafür ist er viel zu schüchtern.« Entschlossen drängte Ella sich durch die Gruppe ihrer Mitschüler und baute sich vor Friederike auf. »Kannst du ihn nicht in Ruhe lassen?«

»Da ist ja die verrückte Ella«, sagte Friederike. »Und du verteidigst unseren Poeten? Sag bloß, du magst ihn!«

Wenn Ella ehrlich war, fand sie Milo auch ein bisschen merkwürdig, weil er immer abseitsstand und in sein Buch kritzelte. Aber sie hatte nichts gegen merkwürdige Leute. Sie war ja selbst nicht gerade normal. Und wie sagte ihr Vater immer? Die merkwürdigen Menschen haben die besten Geschichten zu erzählen.

»Ich mag ihn jedenfalls lieber als dich«, gab Ella zurück. »Wieso suchst du dir nicht einen Ball und läufst ein bisschen im Kreis? Aber schneller als das letzte Mal.«

Friederike wurde puterrot. Sie spielte wie ihre Freundinnen Handball und wurde seit Neuestem von ihrem Vater trainiert. In jeder freien Minute sprintete sie nun durch den Garten. Beim letzten Training hatte sie nicht die beste Leistung gebracht. Ella wohnte mit ihren Eltern direkt nebenan und hatte gehört, dass Friederikes Vater sie nicht gerade freundlich dazu aufgefordert hatte, schneller zu laufen.

Friederikes Augen verengten sich zu Schlitzen. »Pass bloß auf«, sagte sie drohend. »Sonst …«

»… sonst was?«, fragte Ella. Noch vor Kurzem hätte sie sich von Friederike einschüchtern lassen. Aber diese Zeiten waren vorbei. »Weißt du nicht mehr, was im Wald passiert ist? Ich bin nicht allein, ich habe Freunde – vergiss das nicht!«

Friederike schnaubte verächtlich. Doch sie sagte nichts mehr. Zu deutlich stand ihr wohl die Erinnerung vor Augen, als Ella ihr vor einiger Zeit mithilfe eines befreundeten Trolls einen gewaltigen Schrecken eingejagt hatte. Friederike hatte nicht begriffen, was genau passiert war. Aber sie hatte gefühlt, dass es mehr in den Wäldern gab, als sie geglaubt hatte. Und der Gedanke daran genügte, um sie jetzt blass werden zu lassen.

»Ich vergesse gar nichts«, zischte sie. »Darauf kannst du wetten!« Damit fuhr sie herum und ließ Ella stehen. Ihre Freundinnen folgten ihr achselzuckend.

»Eins ist sicher«, murmelte Kasimir. »Den Beinamen die Schreckliche trägt sie nicht ohne Grund.«

Zum ersten Mal an diesem Morgen gab Ella ihm unumwunden recht.

»Danke«, sagte eine Stimme hinter ihr.

Ella drehte sich um. Milo war einen halben Kopf kleiner als sie und schaute aus großen Augen zu ihr auf.

»Gern geschehen«, meinte Ella. »Und mach dir nichts draus. Friederike ist einfach unausstehlich. Das darfst du dir nicht zu Herzen nehmen.«

Milos Notizbuch war schon ganz zerknickt, so sehr hielt er es umklammert. »Es ist nicht jeder so mutig wie du. Das war echt stark von dir gerade. Vielleicht schreibe ich mal eine Geschichte über dich.«

Ella hörte, wie Kasimir ein Lachen unterdrückte. Das fehlte ihr gerade noch – ihr Name in diesem Buch. Wenn Friederike das mitbekäme, hätte Ella keine ruhige Minute mehr.

»Hört mal alle her!« Herr Huber blies in seine Trillerpfeife. Er hatte sich auf einen Baumstumpf gestellt und wedelte mit den Armen. Nach und nach drehten sich alle zu ihm um – und zu dem Jungen, der neben ihm stand.

Ella kannte ihn nicht. Er hatte blondes Haar, ein ausdrucksstarkes Gesicht und strahlend blaue Augen. Alle starrten ihn an. Dieser Junge sah aus wie ein Model, und als er lächelte, hatte er die gesamte Klasse sofort für sich eingenommen. Auch Ella war er auf Anhieb sympathisch. Kasimir hingegen schnalzte abfällig einen Traubenkern zu Boden. Er mochte es gar nicht, Ellas Aufmerksamkeit teilen zu müssen.

Herr Huber legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Das ist Arvid. Er ist mit seiner Familie vor Kurzem hergezogen und besucht ab kommender Woche unsere Klasse. Wir dachten, dass es gut wäre, wenn ihr euch hier in entspannter Atmosphäre schon mal kennenlernt. Also: Seid nett zu ihm und heißt ihn herzlich willkommen.«

»Herzlich willkommen, Arvid«, echote die Klasse im Chor.

Arvid grinste. »Schön, euch kennenzulernen.«

Unwillkürlich musste auch Ella grinsen. Arvid hatte etwas an sich, das ihren Ärger über Kasimir und ihre Wut auf Friederike vertrieb. Auch Friederike und ihre Freundinnen hatten ihren Plan, den armen Milo zu ärgern, wohl vergessen. Mit ziemlich beschränkten Gesichtern schauten sie Arvid an und tuschelten miteinander.

»Dann wollen wir mal.« Herr Huber schlug die Hände zusammen. »Bis zum ersten Hügelgrab ist es gar nicht weit. Da geht’s lang!« Er marschierte vorneweg und seine Schüler trotteten hinterher.

Ella sah zu Arvid hinüber. Er musste sich keine Gedanken darüber machen, in der neuen Klasse Anschluss zu finden. Sofort hatten sich etliche Schüler um ihn geschart und löcherten ihn mit Fragen. Ella stieß zufrieden die Luft aus. Vielleicht würde er die anderen von fliegenden Traubenkernen ablenken, das konnte ihr nur recht sein. Sie warf Kasimir noch einen mahnenden Blick zu, der ihr mit traubengefülltem Mund zulächelte. Dann folgte sie den anderen in den Wald.

Im Reich der Feen

Der Hügel lag halb versteckt zwischen den Bäumen. Darin, so erzählte Herr Huber gerade, befand sich ein Grab, das vor langer Zeit errichtet worden war. Ella musste lächeln. Herr Huber ahnte ja nicht, dass der Hügel längst in anderweltlichen Besitz übergegangen war. Ebenso wenig wie die anderen aus ihrer Klasse, die gelangweilt zuhörten. Nur Ella konnte die kleinen blauen Blumen sehen, die auf dem Hügel wuchsen – und die drei Feen, die sich nun über winzige Klappen ins Freie wagten.

Es waren Waldfeen. Ella erkannte sie an ihrer goldenen Haut, den silbern glänzenden Flügeln und den grünen Haaren, die wie Gräser aussahen. Sie trugen fließende Gewänder und lachten, als Herr Huber den Inhalt des Hügels beschrieb, von dem er in Wahrheit gar keine Ahnung hatte. Die Feen flüsterten miteinander. Dann stand eine von ihnen auf und fing an, Herrn Huber nachzuahmen.

Ella konnte sich nur knapp ein Lachen verkneifen. Die Fee machte ihre Sache gut. Ihre Zuschauerinnen prusteten los. Normalerweise hätte auch Kasimir zumindest gegrinst. Aber jetzt war er ausnahmsweise damit beschäftigt, aufmerksam zuzuhören. So aufmerksam, dass er kerzengerade auf Ellas Schulter saß. Er nickte, als hätte er selten etwas Spannenderes gehört – und meldete sich plötzlich mit lautem Schnipsen.

Ella zuckte zusammen, im selben Moment wie Kasimir selbst. Er begriff, was er gerade getan hatte. Verlegen setzte er sich auf seine Hand. Weder Herr Huber noch die anderen aus der Klasse hatten ihn gehört. Doch den Feen war der eifrige Kobold nicht entgangen.

Wieder tuschelten sie miteinander, aber dieses Mal bemerkte Ella das boshafte Glitzern in ihren Augen. Die Feindschaft zwischen Feen und Kobolden war in der Anderwelt legendär. Sie sah noch, wie eine der Feen eine Haselnuss aus einem Beutel nahm und sie anleckte. Im nächsten Moment landete die Haselnuss mit herzhaftem TOCK an Kasimirs Stirn.

»Autsch!«, kreischte Kasimir. Er entdeckte die Feen sofort. Binnen eines Wimpernschlags wurde aus dem eifrigen Schülerkobold ein Kobold der Rachsucht. Ehe Ella ihn aufhalten konnte, sprang er auf die Feen zu. Die flogen kichernd unter die Zuhörenden, darauf bedacht, den rasenden Kobold mit Spuckenüssen zu treffen.

Ella stieß einen leisen Fluch aus. Feen waren zwar klein, aber sie wussten sich zu wehren. Kasimir riskierte verbranntes Fell und eine Verschleppung in die Feenhügel, aus denen es kein Entkommen gab. Außerdem war die Magie der Feen auch für Menschen gefährlich. Ella kannte nicht nur eine Geschichte, in denen ein Mensch zufällig in einen Feenzauber und dadurch in gefährliche Schwierigkeiten geraten war. Sie hatte keine Wahl. Sie musste Kasimir einfangen.

So unauffällig wie möglich schob sie sich durch die Reihen. Kasimir jedoch hatte jede Vorsicht vergessen. Er hatte einige Nüsse aufgefangen, leckte sie seinerseits an und schickte sie als kleine brennende Kugeln auf die Feen zu. Dabei sprang er über Köpfe und Schultern und erwischte die Feen immer wieder um Haaresbreite nicht.

Feixend flogen sie vor ihm davon und zielten deutlich besser als er. Auch Ella wurde mehrfach getroffen. Die Aufmerksamkeit ihrer Mitschüler hatte sie ohnehin längst auf sich gezogen. Die meisten ignorierten sie. Immerhin wussten sie schon, dass Ella sich hin und wieder merkwürdig benahm. Nur Arvid sah mit hochgezogenen Brauen zu ihr herüber. Aber sie achtete nicht weiter darauf. Sie war vollends mit ihrer Koboldjagd beschäftigt.

Kasimir wollte sich gerade auf eine Fee stürzen, die auf einem Ast balancierte, als Ella ihn erreichte. »Reiß dich zusammen!« Sie schloss ihre Hand um seinen Arm. »Das sind alberne Feen, das sagst du doch immer. Lass dich nicht provozieren und denk daran, was du mir versprochen hast!«

Kasimir knirschte mit den Zähnen, neigte aber einsichtig den Kopf. Er hätte sich wohl geschlagen gegeben – wenn die Feen nicht in diesem Moment auf den Schultern von Herrn Huber gelandet wären, der seinen Schülern gerade den Rücken zudrehte. Die Feen verzogen die Gesichter, ließen die Schultern hängen, neigten die Köpfe. Sie sahen aus wie eine Karikatur von Kasimir.

Ella hätte fast losgelacht. Doch Kasimir verstand in dieser Situation keinen Spaß. Ella sah noch die Nüsse, die er in seiner Faust gesammelt hatte. Dann stieß er einen Schrei aus, und mit wildem Blick schleuderte er die Geschosse auf die Feen. Die duckten sich rechtzeitig. Und die Nüsse trafen mit klackerndem Geräusch Herrn Hubers Hinterkopf.

Ella stand da wie erstarrt. Sie fühlte noch, wie Kasimir zwei vollgespeichelte Haselnüsse in ihre Hand fallen ließ und mit betretenem Grinsen auf ihrer Schulter Platz nahm. Dann drehte Herr Huber sich um. Es kam Ella langsam vor, wie in Zeitlupe. Die anderen starrten sie an, Herr Huber umfasste sie mit seinem Blick. Seine Augenbrauen zogen sich so stark zusammen, dass sie aussahen wie eine Gewitterwolke.

»Entschuldigung«, stammelte Ella. »Ich äh … bin ausgerutscht.«

Irgendwo lachte jemand, vermutlich Friederike. Herr Huber aber machte ein Gesicht, als wäre ihm in hundert Jahren noch nicht wieder zum Lachen zumute. Er schaute auf die Nüsse in Ellas Hand. »Ausgerutscht«, wiederholte er. »Du warst ja noch nie um eine Ausrede verlegen. Aber das ist wirklich das Dämlichste, was ich je gehört habe.«

Ella öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Doch sie konnte ihm nicht widersprechen. Also schloss sie ihn wieder.

»Wenn das so weitergeht, muss ich mal wieder ein ernsthaftes Wort mit deinen Eltern reden«, meinte Herr Huber.

Ella verdrehte innerlich die Augen. Ihr Lehrer hatte schon mehrfach auf dem durchgesessenen Sofa in ihrer Küche gehockt, nur um sich anzuhören, dass sowohl Ellas Vater als auch Ellas Mutter ihre Tochter ziemlich großartig fanden, und zwar mit all der Vorstellungskraft, die sie nun einmal besaß. Auch ihre Eltern wussten nichts von der Anderwelt. Aber sie wussten, dass Ella nicht verrückt war. Und sie liebten sie so, wie sie war. Ganz genau so. Daran konnte auch ein Herr Huber nichts ändern. Und nachdem er sich das letzte Mal einen Vortrag ihres Vaters über die Bedeutung der Fantasie in der rationalisierten Gesellschaft hatte anhören dürfen, war er eine ganze Weile nicht mehr bei ihnen gewesen. Jetzt schien er allerdings ernsthaft zu überlegen, noch einmal ein Gespräch wagen zu wollen.

»Wie dem auch sei«, fuhr er fort, als hätte er sich gerade ebenfalls an den letzten Besuch erinnert. »Für heute hast du genug Schabernack getrieben. Wenn du noch mehr Studentenfutter dabeihast, bleibt das bis zur Pause in deiner Tasche. Und damit du nicht noch mal ausrutschst und dabei jemanden triffst, wandern diese Haselnüsse jetzt in deinen Mund!«

Ella glaubte, sich verhört zu haben. Aber Kasimirs unterdrücktes Lachen belehrte sie eines Besseren. Sie überlegte, die Nüsse einfach ins Unterholz zu werfen und schreiend wegzulaufen. Ihr Lehrer und die meisten ihrer Mitschüler hielten sie ohnehin für durchgedreht. Aber dann stieß sie die Luft aus. Sie war eine Feenflüsterin, verdammt noch mal. Das bedeutete Würde und Anstand – und sie würde sich beides nicht von zwei schleimigen Haselnüssen nehmen lassen!

Kasimir hielt die Luft an. Ohne den Blick von Herrn Huber abzuwenden, hob Ella die Hand mit den Nüssen vor ihren Mund. Und dann, blitzschnell, beförderte sie die widerliche Fracht zwischen ihre Zähne. Sie hatte keine Ahnung, wie Kuhfladen schmeckten, aber genau so stellte sie sie sich vor. Schleimig. Stinkig. Ekelhaft. Sie kaute mit seltsam schmatzendem Geräusch und würgte die Nüsse samt Kobold- und Feenspucke hinunter. Nur im letzten Moment konnte sie einen Rülpser verhindern. Eins stand fest: Das war das Widerwärtigste, was sie je gegessen hatte.

Herr Huber allerdings war zufrieden. »Sehr schön«, sagte er. »Und ansonsten erwarte ich für heute Ruhe im Karton. Das gilt für euch alle.« Er schaute in die Runde, dann warf er einen Blick auf die Uhr. »Zehn Minuten Pause. Bleibt in der Nähe.«

Ellas Magen gurgelte empört über die widerliche Mahlzeit, die sie ihm zugeführt hatte. Sie wartete, bis die anderen sich von ihr abwandten. Dann packte sie Kasimir. Und ehe der Kobold auch nur einen Ton von sich geben konnte, zog sie ihn mit sich.

»Du bist wohl völlig verrückt geworden«, fuhr Ella Kasimir an. »Verstehst du das unter Ich werde mich unauffällig benehmen, Ella, ich schwöre es dir?«

Sie standen im Schutz zweier Birken. »Tut mir leid«, sagte er kleinlaut. »Aber mit den Feen konnte ich wirklich nicht rechnen.«

»Hör doch auf! Du kennst Feen, seit du auf der Welt bist! Du weißt, dass sie boshaft und tückisch sein können!«