EMINEM - Robin McGibbon - E-Book

EMINEM E-Book

Robin McGibbon

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Beschreibung

EMINEM: Kotzbrocken für die einen, rebellischer Held für die anderen. Kaum ein Musikkünstler hat je so stark polarisiert wie der amerikanische Rapper EMINEM. Marshall Bruce Mathers III., so sein bürgerlicher Name, wuchs ohne Vater und unter ärmlichsten Bedingungen in den schlimmsten Gegenden von Detroit auf. Als Teenager eiferte er seinen Vorbildern, den Rappern um Dr. Dre und den N.W.A., nach und träumte davon, durch Erfolg in der Musikszene dem schlechten Milieu seiner Kindheit und Jugend entkommen zu können. Aber der Weg vom jungen Rapper, der als Möchtegern-Schwarzer ausgebuht wurde und dem seine Demo-Tapes um die Ohren gehauen wurden, zum mehrfach platinveredelten Rap-Superstar, dessen Reime auf der ganzen Welt Hörer finden, war ein harter Kampf. Der international bekannte Musikjournalist Rob McGibbon zeichnet in „EMINEM: The Real Fucking Story“ einerseits die Erfolgsstory aber auch den Leidensweg von Marshall Mathers nach.

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Seitenzahl: 186

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Rob McGibbon

Eminem

The Real Fucking Story

Aus dem Englischen von Winfried Czech

Copyright

PeP eBooks erscheinen in der Verlagsgruppe Random House

Copyright © 2001 by Wilhelm Goldmann Verlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Design Team München

Umschlagfoto: Tibor Bozi

ISBN 3-89480-683-4

www.pep-ebooks.de

Inhaltsverzeichnis

DanksagungAnmerkung des ÜbersetzersKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10EpilogDiscographieFotografienÜber das BuchÜber den AutorCopyright

Danksagung

Ich möchte mich bei vielen Leuten für ihre freundliche Hilfe bedanken, die dieses Buch erst möglich gemacht haben. Zuerst ein großer Dank an meinen Lektor Rainer Mörike und die Mitarbeiter des Goldmann Verlags dafür, dass dieses Buch so schnell erscheinen konnte. Dank auch an meinen Übersetzer Winfried Czech für seine gute Arbeit.

Darüber hinaus bin ich Eminems Onkel Todd Nelson, Lloyd Beaney von WENN in London und mehreren wichtigen Kontaktpersonen in Amerika zu Dank verpflichtet, die mich mit wesentlichen Informationen versorgt haben, aber darum baten, nicht genannt zu werden. Besondere Erwähnung verdienen die »Detroit Free Press«, der »Rolling Stone«, »Newsweek«, »The Independent«, sowie die Websites Eminemworld.com und Hiphopsite.com. Des Weiteren Dank an Jefferson Morley für seinen Artikel »Rap Music: An American History« in »Rap, The Lyrics«, herausgegeben von Lawrence A. Stanley bei Penguin.

Ganz besonders danke ich meiner Schwester Katrina – Pop-Expertin, Musik-Guru und Internet-Zauberin – die unverzichtbare Daten und Songtexte aufgespürt und in kürzester Zeit viele Probleme bei meinen Recherchen gelöst hat.

Und zum Schluss ein Wort an alle Leser. Dieses Buch zu schreiben, hat mir vielleicht noch mehr Spaß gemacht als die Arbeit an meinen früheren Büchern. Ich habe währenddessen ständig Eminems Musik gehört, und mittlerweile liebe ich sie. Er ist ein äußerst talentierter Bursche, und ich habe einen tiefen Respekt für ihn als Mensch und für das entwickelt, was er angesichts so großer Schwierigkeiten erreicht hat. Ich hoffe, dass die Leser nach der Lektüre dieses Buches ähnlich empfinden werden.

Mit den besten Wünschen

Rob McGibbon

Anmerkung des Übersetzers

Die Songtexte Eminems folgen – den jeweiligen Stücken entsprechend – einem ganz individuellem Sprachrhythmus und Reimschema, das auch Reime innerhalb einer Zeile beinhaltet. Wir haben uns darauf beschränkt, den abgedruckten Zitaten Übersetzungen beizufügen, die den Inhalt der Songtexte erhellen mögen. Jeder Versuch, Eminems Texte in eine adäquate Form in der deutschen Sprache zu bringen, würde Eminems ausgefeilter Lyrik nicht gerecht werden.

Kapitel 1

Auf der falschen Seite der Straße

Detroit ist ein wuchernder Stadtmoloch im Nordosten der USA, nahe der Großen Seen und der Grenze zu Kanada, die siebtgrößte Stadt der Vereinigten Staaten mit mehr als einer Million Einwohner allein im Stadtkern. Im Wesentlichen ist Detroit für zwei Dinge berühmt: Autos und Musik. Hier installierte der Pionier Henry Ford 1908 die erste Fließbandstraße für das Modell T, das als »Tin Lizzy« bekannt wurde und die Automobilindustrie für immer verändern sollte. Mit der Produktion von »Tin Lizzy« wurden Autos für jedermann erschwinglich. Und dadurch wandelte sich auch Detroits Erscheinungsbild für immer. Die Stadt boomte, und eine Flut von Immigranten aus allen Kulturkreisen strömte auf der Suche nach Arbeit in die riesigen Automobilfabriken. Detroit entwickelte sich zu einem Schmelztiegel unterschiedlicher Kulturen und zu einer der florierendsten und pulsierendsten Städte Amerikas.

In den 60ern erblickte eine weitere Legende in Detroit das Licht der Welt: das Schallplatten-Label Tamla Motown (abgeleitet von Motor Town). Es nahm sich der lokalen Talente aus der großen schwarzen Bevölkerungsschicht an und machte sie zu Pop-Legenden. So wie die Industrie ihre Autos produzierte, produzierte Motown Hits am Fließband. Seine Stars stürmten die Charts, und viele wurden zu Ikonen der Musikszene: Diana Ross, Michael Jackson, Stevie Wonder, Smokey Robinson – sie alle wurden vom Motown-Label entdeckt.

Im Verlauf mehrerer Jahrzehnte veränderte sich das ethnische Gleichgewicht Detroits immer stärker. Die schwarze Bevölkerung in der Stadt wuchs, und immer mehr weiße Familien wanderten in die Vororte ab, was zu einer tiefen ethnischen und territorialen Kluft führte. Heute sind beinahe achtzig Prozent der Bevölkerung Detroits schwarz, während die Vororte überwiegend von Weißen bewohnt werden.

Fährt man vom Stadtzentrum aus ein paar Meilen nach Norden, kommt man nach Warren. Es gibt nur wenige Gegenden, die die Rassenschranken deutlicher illustrieren. Warren hat etwa einhunderttausend Einwohner und wird durch einen breiten Boulevard namens 8 Mile von Detroit getrennt, eine schäbige Straße gesäumt mit Sex Shops und Strip Bars, auf der Prostituierte öffentlich ihrem Gewerbe nachgehen. An jeder Ecke stehen Drogendealer herum, und überall rosten zertrümmerte Autowracks vor sich hin. Aber 8 Mile ist mehr als nur ein Magnet, der die Halbwelt anzieht, es ist eine Grenzlinie, die die schwarzen Wohngegenden im Süden von denen der Weißen im Norden trennt. Und es herrscht wenig Sympathie zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen. So würde ein Weißer spät abends nur mit äußerster Vorsicht allein durch bestimmte Viertel auf der falschen Seite der 8 Mile fahren, und das Gleiche gilt für Schwarze, die sich nach Warren verirren.

Durch die Straßen Warrens zu schlendern, ist wie eine Zeitreise in das Amerika der 50er, allerdings ohne die Hoffnungen und die Unschuld jenes Jahrzehnts. Nicht selten begegnet man dort ältlichen Damen, die noch immer mit einer von Unmengen Haarspray in Form gehaltenen Bienenstockfrisur herumlaufen. Weite Teile der Stadt sind schon seit langem verwahrlost, aber eins hat sich in all den Jahren überhaupt nicht verändert: die rassistische Grundeinstellung. In Warren herrscht eine rückwärts gewandte, geradezu hinterwäldlerische Stimmung vor. Es gibt viele strikt voneinander abgeschottete Gemeinden, unter anderen polnische, deutsche und irische Viertel, deren Bewohner unter sich bleiben und bis auf den heutigen Tag an ihren Traditionen und jeweiligen Muttersprachen festhalten, aber eins verbindet sie alle: Sie wollen keine Schwarzen, die sie ohne jede Scheu »Nigger« nennen, in ihrer Nachbarschaft. Und unter den Weißen ist eine Mentalität spürbar, als lebten sie in einem permanenten Belagerungszustand, hervorgerufen durch das Gefühl, Detroit an die Schwarzen verloren zu haben. Sie scheinen wild entschlossen zu sein, nun nicht noch die Vororte preisgeben zu müssen.

Eminem wuchs in einem kleinen Haus in South Warren auf, in Fußnähe der 8 Mile, in dem heruntergekommensten Viertel der Stadt. Wenn man sagt, man kommt aus South Warren, heißt das in anderen Worten, man wohnt auf der falschen Seite der Straße; zwangsläufig werden die Leute argwöhnisch. Und als wäre die geografische Lage seines Zuhauses nicht schon schlimm genug, hatte Eminem zusätzlich ein chaotisches und gespanntes Familienleben zu ertragen. Aber der Rassismus, der Warren teilte, sollte sich als die größte Ironie seines Lebens herausstellen. Eminem war ein weißer Junge in einem von rassistischen Weißen dominierten Stadtteil, doch tief in seinem Herzen fühlte er sich den Schwarzen verbunden. Auch wenn er nördlich der 8 Mile wohnte, gehörte sein Herz dem Süden, der Gegend, die die bigotten Bürger Warrens als die falsche Seite der Straße betrachteten. Es war dieser Widerspruch, der Eminems Schicksal prägen und ihn zur lautesten weißen Stimme machen sollte, die sich jemals in der schwarzen Welt des Rap Gehör verschafft hat.

Obwohl Warren und Detroit die Orte waren, die Eminems Zukunft bestimmten, verbrachte er seine ersten Lebensjahre in einem anderen Teil Amerikas. Eminem wurde am 17. Oktober 1972 in St. Joseph geboren, einer Kleinstadt nördlich von Kansas City im Bundesstaat Missouri. Eminems Mutter Debbie Nelson war hier unter schwierigen Verhältnissen aufgewachsen. Ihre Mutter Betty Kresin war mehrfach verheiratet und hatte sechs Kinder von drei verschiedenen Vätern. Debbie war das älteste Kind, und bereits als Teenager zeichnete sich ab, dass sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten würde. Im Alter von fünfzehn Jahren lernte sie Marshall Bruce Mathers II. in einer Bar kennen. Bruce, wie er allgemein genannt wurde, war sieben Jahre älter als sie und arbeitete zu der Zeit in einem Bauholzgeschäft. Die beiden verliebten sich ineinander und heirateten nach einer wilden Romanze. Vielleicht war die Ehe Debbies Fahrkarte gewesen, um St. Joseph und den Problemen ihres ungeordneten Familienlebens zu entfliehen.

Neben seiner Arbeit spielte Bruce in einer Band namens Daddy Warbucks, die in Bars und kleinen Hotels auftrat. Es war eine unbedeutende Gruppe, die einen Mix aus Coversongs der 60er und 70er spielte, aber sie vermittelte ihren Mitgliedern den Hauch einer Ahnung davon, wie es sich anfühlen musste, berühmte Musiker zu sein. Die Band zog von Stadt zu Stadt, absolvierte ihre Auftritte und lebte wie eine richtige Tournee-Band. Debbie begleitete sie auf ihren Reisen und wurde als Tamborinespielerin aufgenommen.

Das Leben auf der Straße brachte ständige Partys mit sich, was Bruce gut gefiel, denn er neigte zu einem ungezügelten Lebensstil und trank ziemlich stark für einen Mann in den Zwanzigern. Er genoss das sorgenfreie Leben in der Band, doch all das änderte sich schlagartig, als Debbie schwanger wurde. Sie war gerade erst siebzehn Jahre alt und kehrte nach St. Joseph zurück, um dort ihr Kind zur Welt zu bringen. Der Junge wurde nach seinem Vater und Großvater auf den Namen Marshall Bruce Mathers III. getauft. Ein Arzt führte eine Hausgeburt für ein Honorar von 90 Dollar durch. Es war ein ärmlicher Start in das Leben des Jungen, der später als Eminem bekannt werden sollte, und er verlief nicht ohne Komplikationen. Einige Tage nach der Geburt brach Debbie mit schweren Blutungen im Badezimmer zusammen, wo ihr Bruder Todd sie fand und sie unverzüglich in ein Krankenhaus bringen ließ.

Debbie, Bruce und das Baby zogen nach North Dakota, in den Bundesstaat, aus dem Bruce stammte, und er nahm einen Job in einem Hotel an. Debbie hoffte, dass es der Beginn eines geordneten Familienlebens sein würde, aber bereits nach einem Jahr zerschlugen sich ihre Hoffnungen. Sie und Bruce hatten ihre Liebe auf romantischen Träumen aufgebaut, deren Fundament sich angesichts der häuslichen Alltagsprobleme und der Herausforderung, ein Kind großzuziehen, als zu unstabil erwies. Die Vaterschaft und ein geregelter, verantwortungsbewusster Lebenswandel waren nichts, was Bruce in diesem Abschnitt seines Lebens zusagte. Er hatte auf den vielen Tourneen mit der Band den Geschmack der Freiheit kennen gelernt, und er vermisste diese Ungebundenheit, während er sich bemühte, in North Dakota sesshaft zu werden. Bruce gab sein Bestes, aber es erwies sich als unmöglich für ihn, seiner Verantwortung gegenüber seinem Kind und seiner Frau gerecht zu werden. Debbie behauptete später, dass er gewalttätig wurde, wenn er trank, und sie ihn aus Angst verlassen hätte. Was auch immer der Grund gewesen sein mag, eines Tages flüchtete sie Hals über Kopf, nahm sich kaum die Zeit, ihre Habseligkeiten zusammenzupacken, und bestieg mit ihrem Sohn einen Überlandbus, der sie zurück nach St. Joseph brachte. Das war der Beginn von Eminems chaotischer Kindheit, deren einzige Konstante aus ständigen Umzügen und Unsicherheit bestehen sollte.

Debbie und Bruce ließen sich erst einige Jahre später scheiden, aber mit ihrer Trennung endete auch Bruces Einfluss auf seinen Sohn. Der Junge trug weiterhin den Namen seines Vaters, hatte aber keinerlei Kontakt mehr zu ihm. Bruce verschwand einfach, um ein aufregenderes Leben zu führen. Mehr als fünfundzwanzig Jahre später wurde er von den Medien in einer kleinen Stadt in Kalifornien nahe der mexikanischen Grenze aufgespürt. Wie sich herausstellte, hatte er mit großen finanziellen Schwierigkeiten und Alkoholismus zu kämpfen. Als er von seinem berühmten Sohn erfuhr, versuchte er, mit ihm in Verbindung zu treten; aber der Junge, der mittlerweile zu einem Star geworden war, erteilte ihm eine schroffe Abfuhr. Eminems Reaktion fiel grob und unmissverständlich aus. »Scheiß auf den Motherfucker, Mann. Scheiß auf ihn.«

Nachdem sie ihren Mann verlassen hatte, sah sich die verzweifelte Debbie mit der Aufgabe konfrontiert, ganz allein ein Kind großzuziehen. Anfangs wohnte sie bei einer Tante in St. Joseph, die sich um Eminem kümmerte, während seine Mutter nach Arbeit suchte. Debbie nahm mehrere schlecht bezahlte Jobs an, unter anderem als Kassiererin in einem Imbiss, aber das Leben war hart für eine allein erziehende Mutter. Es gab kaum Arbeit in St. Joseph, mindestens zweimal war sie auf Sozialhilfe angewiesen, und sie bewegten sich gerade eben oberhalb der Armutsgrenze. Die vielen Mitglieder der Nelson-Familie unterstützten sie bereitwillig, aber auch sie hatten ihre Probleme. Betty heiratete mehrmals und ließ sich immer wieder scheiden, so dass es zu ständigen Streitereien mit einer Vielzahl von Stiefeltern, Halbbrüdern und Halbschwestern kam.

Für Eminem war das Beste an seiner Zeit in St. Joseph, dass er in der Nähe seines Onkels Ronnie sein konnte. Ronald Dean Polkinghorn war Bettys jüngstes Kind und nach seinem Vater benannt worden. Er war nur drei Monate älter als Eminem, und so wuchsen sie in diesen frühen Jahren wie Brüder auf. Zwischen den beiden Jungen entwickelte sich ein Band tiefer Zuneigung. Beide waren sie in zerrissene, ungeordnete Familienverhältnisse hineingeboren worden, und sie gaben einander Halt und Sicherheit. Eminems Verhältnis zu Ronnie wurde zu einer der wichtigsten und einflussreichsten Beziehungen seines Lebens; aber es war ein Verhältnis, das unter tragischen Umständen enden sollte.

Nach einigen Jahren in St. Joseph erwies es sich für Debbie und Eminem als unmöglich, länger bei ihrer Tante zu wohnen. Debbie beschloss, nach Michigan zu ziehen, wo sich ihr Vater und andere Familienmitglieder niedergelassen hatten. Damit ging das nomadische Leben, das seine gesamte Kindheit überschatten sollte, für Eminem weiter. Seine Mutter zog mehrfach auf der Suche nach einem festen Zuhause zwischen Missouri und Michigan hin und her. Anfangs schien jeder Ort, den sie ausprobierte, ihr einen Neuanfang zu versprechen; aber wo auch immer sie hinkam, der harten Realität, eine allein erziehende Mutter zu sein, die sich mit Niedriglohn-Jobs durchschlagen musste, konnte sie nicht entkommen. Nirgendwo fand sie echte Hoffnung und Glück.

Bei jedem erneuten Umzug wurde Eminem aus einer Schule gerissen und in die nächste gesteckt. Sein Umfeld veränderte sich ständig, und er begann, sich abzukapseln und stundenlang in seinem Zimmer einzuschließen, wo er allein spielte. Er flüchtete sich in eine Phantasiewelt, die er mit seinen Spielzeugen erschuf, oder er verlor sich in Comics.

Eine andere Suche Debbies, die zu keinem Erfolg führte, war die nach einem Lebenspartner. Als allein stehende Mutter war es nicht leicht für sie, einen Mann zu finden, der eine ernsthafte Beziehung mit ihr eingehen wollte, und so sprang sie von einem aussichtslosen Verhältnis zum nächsten. Einige der Männer zeigten Interesse an Eminem und kümmerten sich um ihn; aber die meisten weigerten sich, ihm näher zu kommen, da sie im Grunde ihres Herzens wussten, dass sie nicht lange bei seiner Mutter bleiben würden.

Einer der Männer, der Eminem echte Zuneigung entgegenbrachte, war Don DeMarc. Er ging mehrere Jahre lang zwischen den späten 70ern und den frühen 80ern mit Debbie aus und half Eminem, ein bisschen Gleichgewicht in seinem Leben zu finden. Bedauerlicherweise zerbrach die Beziehung, und bald war Debbie wieder auf Wanderschaft, sowohl in geografischer als auch in emotionaler Hinsicht.

Es ist wenig darüber bekannt, wieviel Zeit Eminem an den verschiedensten Orten verbracht hat, aber bis zu seinem siebten Lebensjahr waren seine Mutter und er mehrfach von einer Mietwohnung in und um St. Joseph, Kansas City und einigen Städten in Michigan umgezogen. Einige Male wurden sie aus ihren Wohnungen herausgeworfen und zogen um, wenn Debbie Schwierigkeiten hatte, die Miete zu bezahlen. Es war eine ungeordnete, unglückliche Zeit für beide, ganz besonders jedoch für Eminem. Die vielen Schulwechsel bedeuteten, immer wieder der neue Junge zu sein und mit den Problemen zu kämpfen, die damit einhergingen. Kaum hatte er die anfänglichen misstrauischen Blicke überwunden und gerade begonnen, Freundschaften zu knüpfen, da musste er auch schon wieder gehen. Das hatte eine tiefgreifende Wirkung auf seine Entwicklung.

Als wären die Dinge nicht schon schlimm genug, wurde seine Mutter in einen Autounfall verwickelt, der sie beide fast das Leben kostete, als er sieben Jahre alt war. Debbie erlitt einen Armbruch, Eminem mehrere Schnittwunden, die genäht werden mussten und an die bis heute eine kleine Narbe über dem linken Auge erinnert.

Er war neun Jahre alt, als seine Mutter schließlich beschloss, ihr Glück in Michigan zu versuchen. Dort besaß ihre Großmutter ein Haus, das sie Debbie für einen längeren Zeitraum überlassen wollte, und auch die Arbeitssituation war dort günstiger. Das Haus stand in South Warren, ein paar Straßenblocks von der 8 Mile entfernt. Als Eminem dort einzog, war er bereits ein stark verunsicherter Junge, der sich überall als Außenseiter fühlte. Und darüber hinaus hatte das ständige Umherziehen während seiner Kindheit in ihm eine tief verwurzelte Wut auf seine Mutter hervorgerufen. Warum konnte er kein normales Leben wie die anderen Kinder führen? Ein Teil von ihm hasste seine Mutter dafür, dass sie ihm kein sicheres Zuhause gegeben hatte, und dieses Gefühl sollte ihn nie verlassen.

Eminem sagt dazu: »Ich weiß, dass meine Mutter versucht hat, ihr Bestes zu tun; aber ich wurde so oft aus meinem Umfeld herausgerissen, dass es mir so vorkommt, als wären wir alle zwei oder drei Monate umgezogen. Ich ging in einem Jahr auf bis zu sechs verschiedene Schulen. Wir lebten von der Fürsorge. Ich war armer weißer Abschaum, keine Spur von Glanz oder Ruhm, aber ich schäme mich für rein gar nichts.«

South Warren war nicht gerade eine luxuriöse Wohngegend im Grünen, aber wenigstens hatten Debbie und ihr Sohn jetzt ein kleines gemütliches Haus und eine feste Basis für ihre Existenz. Eminem sollte die nächsten fünf Jahre hier verbringen, bevor seine Mutter wieder umzog. Nun aber musste er sich zunächst dem stets wiederkehrenden Alptraum stellen, eine neue Schule zu besuchen. Diesmal war es die Dort Elementary in Roseville. Obwohl das Viertel hauptsächlich von Weißen bewohnt wurde, gab es viele schwarze Kinder und gewisse ethnische Spannungen in der Schule. Eminem brauchte nicht lange, um herauszufinden, dass der Besuch der Dort Elementary keine angenehme Erfahrung für ihn werden würde. Er war klein und schmächtig für sein Alter, kein Wunder, da seine Ernährung hauptsächlich aus Weißbrot bestand, wie bei vielen Kindern aus einkommensschwachen Familien. Darüber hinaus war er der Neuling, ein Außenseiter ohne Freunde in einer Schule, in der raue Sitten herrschten. Er stellte ein dankbares Ziel für die Aggressionen seiner Mitschüler dar. Gleich nach seiner Ankunft wurde er von einer Bande schwarzer Jungen zum Prügelknaben auserkoren, deren Anführer es ein besonderes Vergnügen bereitete, ihn zu quälen. Dieser Junge hieß De Angelo Bailey.

Bailey war zwei Jahre älter als Eminem, stämmig, kräftig und Eminem körperlich haushoch überlegen. Nachdem er sich sein neues Opfer herausgepickt hatte, konnte ihn nichts mehr aufhalten. Es begann mit Beschimpfungen und kleineren Einschüchterungen, und sobald er sicher war, dass Eminem keine Gefahr für ihn darstellte, ging er zu massiveren Drohungen über. Wenn er den neuen Schüler auf dem Hof oder in den Gängen der Schule traf, trieb er ihn in die Enge, lud all seinen jugendlichen Hass auf ihn ab und flüsterte ihm drohend zu: »Du wirst in der Pause sterben, weißer Junge.« Danach verbrachte Eminem den Rest des Tages ständig damit, über das Schicksal nachzudenken, das ihn erwartete. In jeder anschließenden Pause machte es sich Bailey zur Gewohnheit, Eminem zu verfolgen und seiner Drohung Nachdruck zu verleihen, natürlich ohne sie tatsächlich in die Tat umzusetzen.

Wohin Eminem auch immer ging, Bailey spürte ihn auf. Selbst auf der Toilette war er nicht vor ihm sicher. Bailey wartete bereits auf ihn, um ihn zu verhöhnen und zu einem Kampf zu provozieren, von dem er wusste, dass er ihn nicht verlieren konnte. Und wenn dann die Schläge auf ihn herabregneten, war Eminem zu verängstigt, um sich zu wehren. Diese Prügeleien und psychischen Einschüchterungen dauerten vier Monate lang an. Bailey stahl Eminem das Essensgeld, zog ihm den Stuhl unter dem Hintern weg, wenn er sich setzen wollte, oder quetschte ihn gewaltsam in einen Spind. Er hatte eine ganze Palette von Grausamkeiten auf Lager. Was immer ihm einfiel, der kleine weiße Junge musste es erleiden.

Doch an einem Tag im Winter trieb es Bailey zu weit, und während einer Pause machte er beinahe seine Drohung wahr, Eminem umzubringen. Der Schulhof war mit einer hartgefrorener Schneeschicht bedeckt, und Eminem schlug schwer mit dem Kopf auf, als Bailey ihn angriff und zu Boden warf. Als der Schläger den Jungen halb bewusstlos im Schnee liegen sah, floh er in Panik.

Eminem erholte sich so weit, dass er am Rest des Unterrichts teilnehmen konnte, aber nachdem er heimgekehrt war, klagte er über Kopfschmerzen und brach schließlich zusammen. Er wurde eilig ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte eine Gehirnblutung diagnostizierten und ihn sofort behandelten. Sein Zustand verschlechterte sich so sehr, dass er in ein Koma fiel. Tagelang pendelte er zwischen Bewusstlosigkeit und Wachzustand hin und her, während seine Mutter voller Angst nicht von seinem Bett wich.

Eminem hat den Angriff und seine Folgen nie vergessen. Jahre später sagte er in einem Interview: »Das war ein wirklich dummer Zwischenfall. Irgendein Mädchen hatte mich mit einem Schneeball getroffen, und dann begann ein Junge, mich auszulachen, so dass ich ihn gegen eine Wand schubste. Leider wusste ich nicht, dass dieser Junge ein guter Kumpel von De Angelo Bailey war. Alle Kinder in der Schule hatten Angst vor Bailey, besonders ich, weil ich so klein und mager war. Er stürzte sich auf mich, stieß mich in einen Schneehaufen und schlug mich bewusstlos. Als ich an diesem Abend nach Hause kam, begann ich, aus dem Ohr zu bluten, und meine Mom brachte mich ins Krankenhaus. Die Ärzte untersuchten mich, und plötzlich fiel ich ins Koma. Ich war tagelang bewusstlos. Nachdem ich wieder zu mir kam, ging es mir einigermaßen gut, abgesehen davon, dass ich ein weiteres Mal die Schule wechseln musste.«

Der Schulwechsel bedeutete das Ende von Baileys Terrorregime, aber noch nicht das Ende des Konflikts zwischen der Mathers-Familie und der Dort Elementary School. Obwohl er körperlich wieder in Ordnung war, hatte Eminem noch immer mit den Nachwirkungen des brutalen Angriffs zu kämpfen. Er litt unter ständig wiederkehrenden Kopfschmerzen, einer posttraumatischen Gehirnerschütterung und zeitweiligen Sehstörungen. Außerdem wurde er von schrecklichen Alpträumen gequält. Laut Berichten aus dieser Zeit förderten all diese Symptome bei Eminem eine Tendenz zu »asozialem Verhalten«. Debbie war nicht bereit, das alles kampflos hinzunehmen; aber statt den Schläger zu verklagen, strengte sie eine Schadensersatzklage über zehntausend Dollar gegen die Schule an. Die Klage wurde sofort abgewiesen, doch der Vorfall war ein frühes Zeichen dafür, dass Debbie Mathers eine Kämpferin und nur allzu schnell bereit ist, für ihren Vorteil vor Gericht zu ziehen. Damals kämpfte sie für ihren Sohn, aber später sollten sich die Vorzeichen ändern.

Die Geschehnisse an der Dort Elementary School hinterließen eine unauslöschliche Narbe im Leben des jungen Eminem. Der Zorn über die ihm damals zugefügten Ungerechtigkeiten saß tief und schwärte jahrelang in ihm. Zwar sollten ihm noch viele andere unerfreuliche Dinge während der Jahre zustoßen, die seinen Charakter prägten und ihm Inspirationen für seine späteren Rap-Songs lieferten; aber die Auswirkungen dieser Schlägerei sind nicht zu unterschätzen. Viele Jahre später explodierten die bitteren Erinnerungen an Bailey in den Ohren der Welt, als Eminem seiner verdrängten Wut über seinen Peiniger in dem Song »Brain Damage« Luft machte.