Eon - Das letzte Zeitalter, Band 2: Verloren und Gefunden (Science-Fiction) - Sascha Vennemann - E-Book

Eon - Das letzte Zeitalter, Band 2: Verloren und Gefunden (Science-Fiction) E-Book

Sascha Vennemann

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Beschreibung

Vor Jahren ging Misas Schwester Asim in einer anderen Dimension verloren. Noch heute ist sie auf der Suche nach ihr und denkt mit Var Neth, einem sympathischen Privatermittler, den richtigen Partner dafür gefunden zu haben. Als sie ihn in die Aggregation schickt, entdeckt er das Geheimnis, das Cul Varian vor dem Rest der Crew verborgen hat. Der geheimnisvolle Fremde, der die Höhle bewohnt, scheint nicht der zu sein, der er ist. Und er hat mächtige Freunde. Reb erkundet in der Zwischenzeit ein weiteres Tor und gerät auf einer futuristischen Welt, die auf Plasmaenergie setzt, zwischen die Fronten des Widerstandes und des machthabenden Regimes. Wird es ihm gelingen, die wertvolle Technik zu erbeuten? Und auf wessen Seite muss er sich dafür schlagen? ... Weitere Informationen finden sich auf der Website der Reihe und auf Facebook. Die Sience-Fiction-Serie "Eon - Das letzte Zeitalter" erscheint seit August 2013 monatlich als E-Book sowie alle 2 Monate als Taschenbuch. Hinter der Serie stehen Sascha Vennemann (Autor, Exposé-Redaktion), Andreas Suchanek (Herausgebe) und Arndt Drechsler (Cover).

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Seitenzahl: 139

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Inhaltsverzeichnis
Cover
Vor 15 Jahren...
Gegenwart
In der Aggregation
In einer anderen Welt
An Bord der Eon
Nachwort II
Charaktere
Eon - Das letzte Zeitalter
Band 2
„Verloren und Gefunden“
von Sascha Vennemann

Impressum

Cover: Arndt Drechsler Autor: Sascha Vennemann Lektorat: Christian Handel Layout: Andreas Suchanek Logodesign: Daniel Szentes Innenillustrationen: Anja Dreher

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. (C) 2013 Greenlight Press Herausgeber: Andreas Suchanek Herstellung und Verlag: Greenlight Press Andreas Suchanek Leopoldstr. 5b 76133 Karlsruhe E-Mail-Kontakt: [email protected]:

978-3-944652-40-5 (Mobipocket)

978-3-944652-41-2

Vor 15 Jahren…

Misa stockte der Atem, als sie den Tempel vor sich sah. Die gewaltigen Steinsäulen erhoben sich vor ihr aus dem Dschungeldickicht. Natürlich hatte sie Bilder der antiken Bauten schon im Geschichtsunterricht an der Schule gesehen, aber jetzt hier zu stehen, das war noch einmal etwas ganz anderes.

Sie schob die Äste des niedrigen Busches zur Seite, in dem sie sich vor ihrer jüngeren Schwester Asim versteckt hatte – ein Spiel, das sie so oft spielten, wie es nur ging – und trat auf den Vorplatz der Ruine, der aus festgetretener Erde bestand.

Es roch nach vergorenen Früchten und feuchtem Laub. Im Urwald hinter ihr hörte sie zahlreiche Stimmen. Lachen vermischte sich mit dem Klappern von Geschirr und dem an- und abschwellenden Summen von Familiengleitern, die starteten oder landeten. 

Aber das alles war für Misa gerade nicht wichtig. Ihre zu Affenschaukeln geflochtenen braunen Zöpfe fielen über ihre Schultern, als sie staunend den Kopf drehte.

Die gesamte Anlage umfasste drei Arenen, das wusste sie noch. Das große Hauptgebäude, an das sich rechts und links, jeweils perfekt geometrisch ausgerichtet, zwei kleinere anschlossen. Statiker hatten herausgefunden, dass die charakteristischen Säulen überhaupt keine tragende Funktion hatten, sondern als reiner Zierrat an den Gebäuden angebracht worden waren. Die senkrechten Maserungen, die von Hand in sie hinein gemeißelt waren, symbolisierten Sonnenstrahlen, vermutete man. Die Sonnen, die Lebensspender, waren den Vorfahren heilig. Eines der wenigen Dinge, die man überhaupt über die Menschen jener antiken Epoche wusste. 

Zwei Tempelanlagen hatten sie errichtet, identisch in ihrer Ausrichtung und Bauweise; jeweils eine am Nordpol und Südpol, den arten- und pflanzenreichsten Regionen des gesamten Planeten. Die breiten Gürtel der Brachebenen mit den großen Städten wie Rovzath - der Heimatstadt von Misa, ihrer Schwester Asim und ihrer Eltern - mündeten irgendwann in Äquatornähe in ein Eisgebirge, das sich rund um den Globus zog. Man hatte dort keine Tunnel oder Durchlässe gefunden, also mussten die Menschen damals eine andere Möglichkeit gefunden haben, von Pol zu Pol zu reisen. 

Ist doch klar!, dachte Misa. Die Dimensionstore! Es muss eines gegeben haben, das die beiden Tempelanlagen miteinander verbunden hat!

Misa näherte sich langsam dem abgesperrten Gelände. Von außen konnte man die Arenen ohne Probleme betrachten, konnte die Säulen anfassen, wenn man wollte. Alle Menschen sollten die Möglichkeit haben, die großartigen Gebäude berühren zu können, die ihre Vorfahren hier einst errichtet hatten. Im Gegensatz zu dem alten Wissen waren die Tempel immer instand gehalten worden, restauriert und von Pflanzen gereinigt. Die Fassade war zwar nicht vollkommen makellos, aber sie sah aus, als hätte sie vielleicht erst ein Jahrhundert, aber keine Jahrtausende aus dem Buckel. Auch die innenliegenden Bereiche sollten ziemlich gut erhalten sein. Dorthin kam man allerdings nur im Rahmen von Führungen oder wenn man Wissenschaftler war. 

Eine Gänsehaut überlief Misa, als sie aus der warmen Sonne in den Schatten des Gebäudes trat. In der Nähe der Arenen war es erstaunlich kühl, so als ob die Steine selbst Kälte ausstrahlten. Ehrfurchtsvoll streifte sie mit den Fingern über die geriffelten Vertiefungen in einer der Säulen.

Warum waren sie nicht vorher schon einmal hier gewesen? Die ganze Gegend war so toll! Sie und ihre Zwillingsschwester konnten hier toben und spielen, während sich ihre Eltern, so wie viele andere Ausflügler auch, ein ruhiges Plätzchen im Urwald suchten, um dort den Tag zu verbringen. Mit Picknick, Sonnenbaden und frischer Luft. All das war in der Megastadt Rovzath nicht möglich, die mit ihren Hochhausbauten, ihrem hektischen Verkehr und pulsierender Lebensart das genaue Gegenteil darstellte. Die Städte standen für Arbeit, Wirtschaft und finanziellen Wohlstand. Die Erholungsgebiete der Pole dagegen galten als Wiege der Menschheit, symbolisierten Ungezwungenheit und Natürlichkeit.

Nur wenige Städter hielt es in an den freien Tagen in ihrem urbanen Alltagsmilieu. Wenigstens einen der vier Urlaubstage, die auf einen 19-tägigen Arbeitszyklus folgten, wollte man in der Natur sein. Elternteile hatten ihre Zyklen oft halbwegs synchronisiert, um ein paar gemeinsame Tage mit den Kindern verbringen zu können.

Misa löste sich von der Säule, drehte sich um und blinzelte dem von gleißendem Sonnenlicht beschienenen Dschungel zu. Wo steckte Asim nur? Sie war dran mit suchen, und Misa hatte bestimmt schon zehn Minuten in dem dichten Busch gehockt, bevor sie sich tiefer ins Unterholz gewagt und den Tempel entdeckt hatte. Ein breiter Weg führte zu der Lichtung, auf der ihre Eltern vor ihrem Gleiter in der Sonne lagen. Misa konnte die bunten Karossen von hier aus ohne Probleme ausmachen. So weit weg konnte sie also gar nicht sein. Oder hatte Asim keine Lust mehr und war einfach zurückgegangen? 

„Das wäre ziemlich unfair!“, murmelte Misa und presste die Lippen aufeinander. Es würde ihrer Schwester aber ähnlich sehen. Manchmal konnte sie ein richtiges Biest sein – obwohl Asim sicher das Gleiche über sie sagen würde. 

Mit einem schrillen Schrei zuckte sie zusammen, als sich plötzlich zwei kleine kalte Hände von hinten um ihren Hals legten und eine kratzige, verstellte Mädchenstimme krächzte: „Hab ich dich!“

Misa wirbelte herum und sah in das feist grinsende Gesicht ihrer Zwillingsschwester. Sie war so erschrocken, dass sie aus Reflex die Arme hob und den unverhofften Angreifer von sich stieß.

Mit einem Aufkreischen plumpste Asim nach hinten, sichtlich schockiert über die Reaktion ihrer Schwester. „Hey, was sollte das denn?“, maulte sie, während sie sich wieder aufrichtete und sich den Sand vom Rock klopfte. „Das hat ein bisschen wehgetan!“

Misa schnaufte aufgeregt. „Ach ja? Ich hab‘ mir fast in die Hose gemacht vor Angst! Warum schleichst du dich auch so an? Du hättest ja sonst wer sein können!“

Asim stemmte die Fäuste in die Hüften und grinste schelmisch. „Hast du gedacht, Emith ist dir gefolgt?“, stichelte sie. „Vier Tage ohne seine beste Freundin… Das hält der doch nie aus!“

Misa schluckte ihren Ärger hinunter. Emith war der neue Junge in ihrer Klasse und erst seit ein paar Tagen in der Stadt. Aus irgendeinem Grund hatte er einen Narren an ihr gefressen und lief ihr ständig hinterher, auch wenn sie ihm deutlich zu verstehen gegeben hatte, was sie davon hielt: Sie hatte ihn tatsächlich angespuckt! Aber auch das schien ihn nicht einzuschüchtern. Er sagte nicht viel, stand einfach nur immer in ihrer Nähe und lächelte sie an. Ein gefundenes Fressen für ihre Zwillingsschwester, die nicht aufhörte, sich darüber lustig zu machen. Wie es ihm überhaupt so schnell gelungen, sie und Asim auseinanderzuhalten, war ihr ein Rätsel. Ihre Freundinnen hatten Wochen dafür gebraucht.

„Das fehlte noch!“ Misa sah zum Picknickplatz hinüber und entdeckte ein paar Menschen, die gerade auf dem Weg zurück dorthin waren. Wahrscheinlich hatten sie einen Spaziergang um die historische Anlage herum gemacht. Für die bessere Verdauung!, sagte ihre Mutter immer. Wie oft hatte sie darauf bestanden, dass sie bei ihren Ausflügen noch eine Runde durch den Wald drehten, bevor es zurück nach Rovzath ging? 

„Emith kann mir gestohlen bleiben.“

„Das sah aber neulich ganz anders aus! Ihn anzuspucken, das ist fast sowas wie Küssen. Das hat ja auch mit Spucke zu tun!“ 

Asim fand sich selbst total witzig und lachte sie aus. „Na warte!“ Misa stürmte vor, aber ihre Schwester hatte natürlich damit gerechnet, dass sie auf sie losgehen würde. Sie rannte an Rand des Gebäudes entlang und setzte sich mit einem leichten Vorsprung ab.

Aber Misa gab nicht auf. Die Rundung der Arena war nur leicht, so dass sie Asim im Blick behalten konnte, auch wenn sie ein ganzes Stück hinter ihr lief. Sie würde sie schon noch kriegen und dann würde sie am eigenen Leib erfahren, wie angenehm es war, angespuckt zu werden! Sie sparte ihre Kräfte für einen letzten Spurt, den sie einlegen wollte, wenn Asim sich nicht mehr alle paar Sekunden umwandte und sich in Sicherheit wähnte.

Doch plötzlich war Asim nicht mehr da! Misa hatte nur kurz zurückgeblickt, um abschätzen zu können, wie weit sie sich inzwischen vom Weg zum Picknickplatz entfernt hatten, und als sie wieder nach vorne sah, war ihre Zwillingsschwester verschwunden.

Sie verlangsamte ihren Schritt und sah sich irritiert um. Zum Waldrand konnte Asim nicht gelaufen sein, dafür war die Distanz zu groß. Aber vielleicht hatte sie sich zwischen zwei Säulen zurückgezogen und wartete, bis Misa an ihr vorbeizog, nur um dann in ihrem Rücken in die andere Richtung zurück zu fliehen? Ja, das sah ihr ähnlich!

Misa lächelte wissend, während sie wieder zu rennen begann, als wäre nichts geschehen. Sie tat so, als sähe sie angestrengt geradeaus, dabei spähte sie immer wieder zur Seite an die Tempelmauer, wo sie Asim irgendwann auf den nächsten Metern vermutete. 

Aber sie konnte sie nicht entdecken. Nach ein paar weiteren schnellen Schritten wandte sie den Kopf ganz offensiv in die Richtung der Säulen und lief dabei weiter. 

Mit einem Mal trat sie ins Leere und schlug der Länge nach hin. Mit dem Oberkörper voran rollte sie in feuchtes Erdreich, drehte sich um sich selbst, wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war. Sie war so verblüfft, dass sie nicht einmal schreien konnte.

Ihr Sturz endete nach ein paar Sekunden, als sie sich schmerzhaft den Kopf stieß. Für einen Moment war sie benommen. Ihr war schwindelig. Vor ihren Augen drehte sich alles in einem seltsamen Dämmerlicht. Die Welt bestand nur noch aus Grautönen, es roch wie in einem muffigen Keller.

Misa schloss die Augen und schluckte die Übelkeit, die sie ergriff, hinunter. Sie versuchte ruhig zu atmen und als sie die Lider wieder hob, tanzten nur noch ein paar helle Flecke vor ihren Augen, sonst ging es ihr gut. Mit den Fingern tastete sie an ihrem Hinterkopf herum und fühlte eine beginnende Schwellung, dort, wo sie sich gestoßen hatte. Das würde eine ordentliche Beule geben!

Während sie sich hinkniete und versuchte zu erkennen, wo sie sich befand, hörte sie ein Geräusch. Es klang wie ein leises Stöhnen. „Asim?“, flüsterte sie leise, wobei sie gar nicht so recht wusste, warum sie es eigentlich nicht laut sagte. „Bist du das?“

Das Stöhnen wurde lauter, dann regte sich etwas neben Misa im Zwielicht. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Lichtverhältnisse und sie erkannte, dass sie in einem flachen Geröllhaufen lag. Durch die Öffnung über ihr drang helles Tageslicht in den Hohlraum, der sich offenbar unter den Mauern des Tempels befand.

Misa hörte das Platschen von Wassertropfen, irgendwo vor sich in der Dunkelheit. Es war ihr unmöglich zu sagen, wie groß die unterirdische Kammer war. Sie stand langsam auf und sah an sich herab.

„Oh nein!“, stöhnte sie, als sie erkannte, dass ihr Rock nicht nur völlig verdeckt, sondern der Stoff auch an mehreren Stellen gerissen war. Das würde ihrer Mutter gar nicht gefallen. Sie war doch immer so sehr darauf bedacht, dass sie auf sich und ihre Kleidung achtgaben.

„Was… was ist passiert?“, hörte sie Asims Stimme und gleich darauf richtete sich auch Misas Schwester auf. Sie sah nicht viel besser aus: Auch sie war fast am ganzen Körper von einer schmutzigen Lehmkruste überzogen. „Ich bin hingefallen und dann war plötzlich alles dunkel!“

Misa bückte sich, wobei ihr Kopf schmerzhaft zu pochen begann. Ihr wurde wieder übel und sie setzte sich hin, bevor sie umfiel. Das Erdreich unter ihr war feucht, wahrscheinlich hatte es deswegen nachgegeben, als Asim darüber hinweg gelaufen war.

„Da war ein Loch im Boden…“ Misa sah sich um. Der schmale Streifen Tageslicht, der von oben kam, beleuchtete nur einen kleine Teil der Höhle, aber es war deutlich zu sehen, dass sie von Menschenhand geschaffen worden war. Nicht weit von ihr entfernt sah sie so etwas wie eine gemauerte Säule. Sie glich den Ziersäulen an der Außenseite des Tempels, aber wies nicht die Sonnenstrahl-Maserung auf. „Ich habe es auch zu spät gesehen und bin direkt hinter dir runtergefallen. Bist du in Ordnung?“

Asim klopfte sich ab und wiegte den Kopf. „Denke schon.“ Sie rieb sich die Nase, wobei sie mit ihrer schmutzigen Hand unabsichtlich ein wildes Muster auf ihr Gesicht malte. „Wo sind wir hier?“

Misa spürte, wie erneut Wut in ihr aufstieg. „Mir geht’s auch gut, danke der Nachfrage!“ Sie wollte sich nicht die Blöße geben, zugeben zu müssen, dass sie sich wehgetan hatte. Alles nur, weil Asim sie geärgert hatte! Wäre sie nicht weggelaufen, säßen sie jetzt nicht hier unten fest.

Ihre Zwillingsschwester ignorierte Misas Bemerkung und ging langsam auf die Säule zu. „Wir sind im Keller des Tempels“, stellte nun auch sie fest. „Das ist ja total aufregend!“ 

„Wir dürften gar nicht hier sein! Es ist verboten, ohne Führer in den Tempel zu gehen. Das weißt du genauso gut wie ich.“

Asim wandte sich um. „Ich hab’s mir nicht ausgesucht, hier runterzufallen. Und irgendwie müssen wir zurück zu Mama und Papa kommen. Durch das Loch kommen wir jedenfalls nicht mehr zurück.“

Sie hatte Recht. Auch Misa war es nach einem prüfenden Blick klar, dass das Loch zu weit oben an der Decke des unterirdischen Raums gelegen war. Unter ihm lag zwar ein kleiner Haufen Dreck, aber das würde kaum genügen, dass sie sich dort hinaufziehen konnten. Es sah aus, als habe das Wasser den Rest des Erdreichs weggespült. Auf dem Boden waren deutlich die Spuren fließenden Wassers zu sehen.

„Meinst du, es gibt noch einen anderen Weg hier raus?“, fragte sie zweifelnd. „Wir haben keine Lampe dabei. Wie sollen wir denn vorwärts kommen?“

Asim grinste, sodass man ihre weißen Zähne im Dämmerlicht leuchten sah. „Guck mal hier!“ Sie griff in eine der Seitentaschen ihrer Jacke und zog einen kleinen, stabförmigen Gegenstand hervor.

Misas Augen wurden groß. „Papas Taschenlampe! Wieso hast du die denn?“

Asim zuckte mit den Achseln. „Ich hatte sie mir geliehen, weil ich neulich etwas unter dem Bett gesucht habe. Möglicherweise habe ich vergessen, sie zurückzugeben…“, flötete sie. Sie drückte auf den Schalter und ein heller Lichtstrahl durchschnitt die Dunkelheit.

Misa war wieder soweit klar, dass sie aufstehen konnte. Sie vergaß sogar, Asim für ihre Dreistigkeit zu schelten, Papa die Lampe gestohlen zu haben, als sie die wahren Ausmaße der Höhle erkannte.

Der Raum war rund, so wie die Tempel-Arena. Die Decke wurde von zahlreichen schmucklosen Säulen gestützt. In etwa fünfzig Metern Entfernung fiel der Stahl der Taschenlampe auf die gegenüberliegende Wand, an der sich drei Zugänge befanden: halbrunde Tore von vielleicht drei oder vier Metern Höhe. 

So schmucklos die Säulen waren, so reich verziert waren die Wände. Große Zeichnungen von Menschen und Landschaften waren dort zu sehen. Sie waren sehr detailreich und vor langer Zeit vermutlich einmal bunt gewesen, denn sie sahen aus, als wären sie nach und nach verblasst.

Asim hielt es nicht mehr neben der Säule. Langsam ging sie weiter auf die Mitte des Raumes zu, wobei sie den Lichtstrahl umherwandern ließ.

Misa folgte ihr atemlos. Ihr Blick lag immer auf den Bereich, den Asim gerade beleuchtete. Sie sahen Menschenmengen, die sich durch enge Straßen zwängten. Seltsame Tiere mit sechs Beinen auf einer großen, grünen Wiese, die teilweise unter Wasser zu stehen schien. Maschinen, die fast komplett aus Zahnrädern und Metallteilen bestanden. Jedes dieser Bilder war so genau gezeichnet, das sie fast wie Fotografien aussahen.

„Das ist ja der Wahnsinn!“, hauchte Asim. „Davon haben sie uns im Geschichtsunterricht nie etwas erzählt.“

„Vielleicht, weil sie es nicht wussten“, antwortete Misa ebenso ehrfürchtig. Der Ärger auf ihre Schwester, das Versteckspiel, ihre Eltern – all das hatte sie in diesem Augenblick völlig vergessen. „Vielleicht sind wir die ersten Menschen, die diesen Raum wiederentdecken, seit… Keine Ahnung, wie lang er verborgen lag …“

Konnte das wirklich sein? So unwahrscheinlich es auch sein mochte, dass dieser Teil des Tempels noch nie entdeckt oder erforscht worden war… Aber sonst hätte man doch von so etwas schon gehört.

„Das müssen wir Mama und Papa zeigen!“, sagte sie.

„Wenn wir hier wieder rauskommen“, gab Asim zu bedenken und leuchtete in Richtung der drei Durchgänge. „Immerhin haben wir erst einmal drei Möglichkeiten, die wir ausprobieren können.“