Eon - Das letzte Zeitalter, Band 3: Zeit-Gezeiten (Science-Fiction) - Sascha Vennemann - E-Book

Eon - Das letzte Zeitalter, Band 3: Zeit-Gezeiten (Science-Fiction) E-Book

Sascha Vennemann

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Beschreibung

Große Veränderungen für die EON werfen ihre Schatten voraus: Cul Varian hat sich für eine andere, ganz eigene Zukunft entschieden, abseits seiner alten Kollegen. Und auch Misa Constant gerät ins Grübeln, als sie eine mysteriöse Nachricht von Var Neth erhält, der angeblich ihre Schwester gefunden hat. Wer sind die seltsamen Männer, die sie am Ende der Nachricht zu erkennen glaubt? Ihre Nachforschungen bringen Unglaubliches ans Licht - Auch Misa steht plötzlich vor der Entscheidung, ob sie den Digger verlassen oder bleiben soll. Doch noch bevor diese wichtigen Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden, schlägt die Natur gnadenlos zu. Eine der berüchtigten Evolutionsverschiebungen hat den Planeten erfasst und schleudert die Zivilisation in ein prä-elektronisches Zeitalter zurück. Bar und Reb haben alle Hände voll zu tun, die nun rein mechanisch funktionierende EON in Betrieb zu halten. Können sie sich ein letztes Mal auf die helfenden Hände ihres scheidenden Ingenieurs verlassen? Dies ist der dritte Roman aus der Reihe "Eon - Das letzte Zeitalter" Weitere Informationen finden sich auf der Website der Reihe und auf Facebook. Die Sience-Fiction-Serie "Eon - Das letzte Zeitalter" erscheint seit August 2013 als E-Book sowie als Taschenbuch. Hinter der Serie stehen Sascha Vennemann (Autor, Exposé-Redaktion), Andreas Suchanek (Herausgebe), Arndt Drechsler (Cover) und Anja Dyck (Innenillustrationen).

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Eon - Das letzte Zeitalter

Band 3

„Zeit-Gezeiten“

Sascha Vennemann

&

Ansgar Back

Der Lärm war ohrenbetäubend.

Cul Varian wischte sich den Schweiß von der Stirn und zwängte sich weiter durch die engen Rohrsysteme, die im Inneren der EON für deren Antrieb sorgten. Normalerweise kannte er sich in den Eingeweiden der Digger-Plattform aus wie in seiner Westentasche. Als Ingenieur und Seismologe der Crew oblag es seiner Pflicht, den funktionstüchtigen Zustand der EON zu bewahren.

Normalerweise!, dachte er mit zusammengebissenen Zähnen, während er sich unter zwei glühend heißen Zuleitungen durch bückte. Dabei musste er aufpassen, sich nicht das Gesicht zu verbrühen.

Normalerweise wäre das meine Aufgabe! Eigentlich arbeite ich gar nicht mehr hier!

Kürzlich war es zum Streit mit den Eons, den Betreibern des Diggers, gekommen. Mit der Entdeckung der Aggregation - einer riesigen unterirdischen Höhle mit unzähligen Dimensionstoren - hatten sie alle ausgesorgt. Als Descender-Unternehmen lebten sie davon, Artefakte und Gegenstände aus anderen Dimensionen und Welten zu erbeuten und sie dann auf ihrer Heimatwelt zu verkaufen. Sie hatten ihren Claim abgesteckt und damit rechtlich klar gemacht, dass dieses Territorium ihnen gehörte.

Noch wusste niemand etwas von dem Schatz, der hier, weit draußen im Niemandsland, unter der steppenartigen Landschaft schlummerte. Aber als Cul die Höhle mit den Sonden erforscht hatte, war er auf Geheimnisse gestoßen, die bisher nur ihm bekannt waren. Geheimnisse, die ihm persönlich mehr Reichtum versprachen als ihm als Mitglied dieser ganzen Unternehmung ohnehin zustehen würde. Vorausgesetzt, er würde es in den nächsten Minuten schaffen, die Plattform in Bewegung zu setzen. Wenn er scheiterte, dann waren alle Pläne dahin. Nicht nur für ihn...

Der Gang, in den er sich vom Antriebsraum aus gequetscht hatte, gabelte sich nach rechts und links.

Überall um Cul herum zischte und rauschte es. Zwischen den Rohrleitungen erblickte der Ingenieur sich drehende Antriebswellen und zahlreiche riesige Zahnräder, die knackend ineinander griffen. Mit roter Farbe markierte Drehräder und Hebel taten sich an einem Wandpanel vor ihm auf. Kryptische Beschriftungen, welche Einstellung welche Auswirkung haben würde, waren in das bronzefarbene Metall gestanzt.

Cul wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und schüttelte die salzige Flüssigkeit von sich. Zischend traf sie auf eine kesselartige Ausbeulung, von der aus sich mehrere Leitungen nach oben und unten wanden.

Von unten, dort, wo Cul den Boden unter der auf die umlaufenden Wulste niedergelassenen Plattform wusste, drang schummeriges Licht nach oben. Normalerweise bestand der Boden hier aus festen Metallplatten. Aber nun befanden sich dort lediglich engmaschige, luftige Gittermatten.

„Scheiße! Warum sieht hier eigentlich alles anders aus als sonst?“, fluchte er und wandte sich wieder der Wandanzeige zu. Er verglich die Abbildung mit den Hebelstellungen rechts neben ihm. Ein weiterer Pfeil wies hinab, wo eine Leiter noch tiefer unter die EON führte. Auf die tiefste Ebene, dorthin, wohin er sonst nie gehen musste. Die Wartung der Ventilationssysteme übernahmen eigentlich die Werkstätten in Rovzath. Cul war eher der Mann fürs Feine und Elektronische.

Hier, wo sonst alles voll mit Displays und Kabeln war, war nichts mehr elektronisch oder fein. Alles war voll mit Schmiere, erfüllt von metallischem Rasseln und Hitze.

Resignierend zog Cul einen Schraubenschlüssel aus seinem Gürtel, befestigte den Karabiner der Sicherheitsleine, die an seinem Overallgewand befestigt war, an einem der Haken und stieg hastig die Leiter hinab. „Ich hasse diese Epoche!“, knurrte er dabei, während ein weiterer Schwall heißer Luft aus einem der Überdruckventile neben ihm entwich und ihm beinahe die Hand grillte. „Ein Hoch auf den Fortschritt! Vielleicht sollte ich doch auswandern. Eine schöne, kleine Welt in einer anderen Dimension, wo man sich keine Sorgen darüber machen muss, von einem Moment auf den anderen im verdammten Mittelalter...!“

Ein Knall brachte die Antriebssektion der EON zum Beben. Er war so laut gewesen, dass er selbst den Lärm der Wellen und Zahnräder übertönte.

Cul schrak zusammen und hielt inne. Sekunden später erfolgte ein weiterer Einschlag, dann Geräusche wie von fernen Gewehrschüssen. Aber Cul wusste, dass sie gar nicht so fern waren. Sie waren über ihm, neben ihm, auf und neben der EON.

Cul kletterte schneller und zerbiss einen weiteren Fluch zwischen den Zähnen. Das Halteseil rollte sich weiter ab. Die letzten Meter zur unteren Plattform sprang er einfach, um Zeit zu gewinnen.

Wenn er die Angaben richtig verstanden hatte, musste er nur ein paar Ventile öffnen und die EON würde wieder einsatzbereit sein.

Der Ingenieur legte den Kopf in den Nacken und sah ein Meer aus Ventilatoren, Schrauben und Metall. Dort, wo eigentlich Ansaugstutzen und Düsen zu sehen waren, erblickte er seltsame Strukturen aus Gittern und ineinander verzahnten Rädern. Auch ein paar bronzene Gastanks erkannte er.

Culs Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Na großartig!“ So wie es aussah, wurde das Gas in die Wulste der EON geleitet, um die Plattform im Falle eines Transports anzuheben. Kein Wunder, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnten. Dieses System war ziemlich abwegig, aber was hatte er schon erwartet?

Er versuchte, sich zu orientieren und meinte schließlich die richtigen Ventile entdeckt zu haben. Mit schnellen Schritten setzte er sich in Bewegung.

Eine neue Erschütterung erfasste den Digger, fegte Cul fast von den Beinen. Der Schraubenschlüssel fiel ihm aus der Hand und rutschte in eine Nische zwischen zwei Rohrleitungen.

Cul schloss die Augen und atmete einmal tief durch. So viel Zeit musste sein.Was mache ich eigentlich noch hier?, fragte er sich.Ich sollte längst fort von hier sein.

Wieder erklang Schlusslärm.

Stattdessen versuche ich dieser Crew ihr armseliges Leben zu retten. Und mir natürlich. Deswegen bin ich hier unten.

Seufzend versuchte er, mit den Fingern an das Werkzeug zu gelangen. Der Kampflärm machte ihm eines noch einmal ganz deutlich klar: Sie waren hier draußen nicht mehr allein!

Cul hatte ja schon ein paar Evolutionsverschiebungen mitgemacht – aber diese hier war eindeutig die übelste...

*

Diggerplattform EON, Niemandsland

Wenige Stunden zuvor

Misa Constant war in einer seltsamen Stimmung, als sie ihre Kabine betrat. Nach dem fürchterlichen Streit zwischen Bar, Reb und Cul war sie noch lange mit den beiden Eons in der Zentrale geblieben und hatte mit ihnen über die Zukunft gesprochen. Was würde nun werden, da Cul sie verließ, um seinen eigenen Unternehmungen nachzugehen? Würde er das Geheimnis der Aggregation wahren oder sich als Konkurrenz zu ihnen positionieren? Und wer würde seine Aufgaben übernehmen, wenn er nicht mehr da war?

Immerhin hatte Cul mit seinen nicht gerade freundlich formulierten Aussagen, er fühle sich an Bord der EON nicht genug respektiert und gefordert, alle Brücken hinter sich abgebrochen. Insbesondere, weil er die EON einen zweitklassigen Digger genannt hatte, war Bar vor Wut fast explodiert.

Misa konnte das gut verstehen. Der Alte hatte sein ganzes Leben auf diese Plattform ausgerichtet, hatte erst hart dafür gearbeitet, sie sich bauen zu lassen und dann noch härter, um sie behalten und betreiben zu können. Es nötigte ihr einigen Respekt ab, wie es Bar gelungen war, auch noch Reb zu erziehen und aus ihm einen sympathischen, klugen Mann zu machen. Einen Mann, den sie, wie sie zugeben musste, nicht nur als Kollegen mochte, sondern auch sehr attraktiv fand.

Aber diesen Gedanken erlaubte sie sich nicht. Eben gerade, weil sie Kollegen waren. Das würde nicht funktionieren. Zudem müsste sie jedes Mal darum bangen, ob Reb aus den fremden Welten wieder auftauchte, die er aufgrund seines Jobs besuchen musste.

Dinge gehen verloren, dachte sie traurig.Dinge... oder Menschen.

Misa verriegelte die Tür zum Gang und ließ sich mit dem Rücken dagegen fallen. Sie seufzte tief und fuhr sich mit den Fingern durch die kurzen, braunen Haare. Wie beinahe jeden Tag spürte sie das Gewicht des Geheimnisses, das auf ihren Schultern lastete. Dass sie nicht nur die junge Anthropologin und Xeno-Biologin war, die an Bord der EON ihre Sporen verdiente, sondern eine Frau mit Vergangenheit. Einer Vergangenheit, in der es einmal ein Gegenstück zu ihr gegeben hatte, das verloren gegangen war: ihre Zwillingsschwester Asim.

Vor 15 Jahren war Asim in der Tempelanlage unter dem Nordpol in einem Dimensionstor verschwunden. Misa war dabei gewesen. Sie hatte mit angesehen, wie der grelle Lichtblitz das Mädchen verschluckt hatte und ein weiteres Kind – sie selbst – zitternd vor Angst zurückgelassen hatte. Bis heute träumte Misa davon. Zwar nicht jede Nacht. Aber jede Woche mindestens einmal.

Sie konnte einfach nicht akzeptieren, dass Asim verloren war. Irgendwo, in einer der unzähligen Dimensionen, musste sie sein. Sie musste überlebt haben. Misa spürte es, wie es nur eine Zwillingsschwester spüren konnte.

Es war mehr als der reine Glaube an ein Wiedersehen, der sie antrieb. Ihr war klar, dass die Chancen verschwindend gering standen, dass man Asim irgendwann einmal fand. Dazu hätte es eines ganzen Heers an Suchern bedurft. Nicht einmal die Cave Miner Cooperation hatte so viele Descender, wie es gebraucht hätte, alle bekannten Tore des Planeten zu durchsuchen. Vielleicht war es naiv anzunehmen, dass der eine Mann, den sie mit ihrem Gehalt dafür bezahlte, nach Asim zu suchen, einen Unterschied machte. Aber dass Var Neth nach ihrer Schwester suchte, gab Misa zumindest das Gefühl, nicht vollkommen untätig zu sein. Und dann war da auch noch die Hoffnung, dass Asim selbst alles daran setzen würde, wieder zu ihr zurückzukehren. Wenn nur noch ein kleines bisschen des Mädchens in ihr steckte, das damals verschwunden war, würde sie ihr Leben lang nicht aufgeben, einen Weg zu finden, der sie wieder nach Hause führte. Das spürte Misa mit jeder Faser ihres Körpers.

Gedankenverloren schälte sie sich aus ihren Kleidern und ließ sie achtlos zu Boden fallen. Sie zog ein langes, verwaschenes T-Shirt über und setzte sich vor ihre Konsole, um noch ein bisschen zu lesen. Aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zurück zu den Szenen in der Zentrale:

Cul, wie er davon gestürmt war und das Schott zur Werkstatt hinter sich zuknallte.

Reb, der die erbeuteten Koffer aus der Plasma-Welt öffnete und darin zwei Funkgeräte fand, die offenbar von der CMC stammten und über Dimensionen hinweg eine Kommunikation in Echtzeit ermöglichten. Eine technische Sensation, wenn diese Entdeckung auch einen ganzen Rattenschwanz an Überlegungen nach sich gezogen hatte, an denen die Eons und Misa sich die Zähne ausbissen.

Wie kam diese Technologie, die mit dem CMC-Logo versehen war, in die andere Dimension? Gab es außer dem Tor in der Aggregation, das ja bisher unentdeckt gewesen war, noch ein anderes, das in die Plasma-Welt führte? Hatte die CMC diese Welt für sich erschlossen, oder waren die Geräte nur ein Überbleibsel von einem Besuch? Steckte gar das Konsortium hinter den ominösen „Herren“, die auf dieser Welt vor einiger Zeit die Macht an sich gerissen hatten und in einer Militärdiktatur alles und jeden kontrollierten?

Sie wussten einfach viel zu wenig. Vorerst würden sie die Geräte abgeschaltet lassen. Vielleicht hatte die CMC sie mit Peilsendern ausgestattet. Besser, sie riskierten nicht, entdeckt zu werden - nach all dem Chaos, das Reb zusammen mit dem organisierten Widerstand auf der Plasma-Welt hinterlassen hatte.

Falls sie irgendwann herausbekamen, dass die Dinger ungefährlich waren, hatte Bar angekündigt, das Gerät mit den Kommunikationssystemen der EON zu koppeln und den hereinkommenden Funkverkehr aufzuzeichnen und analysieren zu wollen. Vielleicht konnten sie so mehr darüber erfahren, was die CMC trieb – und wo und weswegen. Aber das musste wohl warten, bis ein neuer Ingenieur an Bord kam. Die Kollektionsmaklerin Duci Warfa, die die Verkäufe der erbeuteten Artefakte von Eon & Eon übernahm, war bereits dabei, sich nach passendem Ersatz umzusehen. Cul wollten sie von ihrer Entdeckung nichts verraten, und bisher hatte er auch noch nicht danach gefragt, obwohl ihm eigentlich ein Anteil an der Verkaufssumme zustand. Nur dass sie die Funkgeräte nicht verkaufen würden, selbst wenn sie es gekonnt hätten.

Sie wollte die Konsole schon wieder abschalten und sich ein wenig hinlegen, als ein Signal erklang. An der Klangabfolge erkannte Misa, dass es neu eingegangene Nachrichten waren und warf einen Blick auf das entsprechende Programmsymbol.

Zwei neue Nachrichten, stand da. Eingegangen im Abstand von wenigen Stunden.

Misa blies die Backen auf. „Wenn das wieder dieser Schnösel von der CMC ist, dann lasse ich diesen Account wohl besser bald sperren!“, knurrte sie. Dam Ruot, der Human Resources Manager des Konsortiums, wurde nicht müde, sie zu umwerben. Mit persönlichen Anrufen hielt er sich inzwischen zurück, aber trotzdem fand Misa immer wieder kleine „Erinnerungen“ in ihrem Nachrichtenordner. Sie wurden zunehmend drängender und unverschämter, aber sie ignorierte sie weiter.

Die CMC würde sie nie in die Finger bekommen. Niemand, der durch Bar und Rebs Schule gegangen und bei klarem Verstand war, würde diesen Schritt tun. Selbst Cul würde sich nicht dazu herablassen, da war Misa sich sicher. Als Mitarbeiter freier Descender lebte es sich vielleicht nicht so komfortabel, aber zumindest selbstbestimmt.

Sie überlegte tatsächlich, die beiden Nachrichten ungesehen zu löschen, aber als sie das Programm öffnete, wurden ihr zwei Videobotschaften angezeigt, die von einem unbekannten Absender kamen.

Misa legte die Stirn in Falten. Das war nicht die CMC! Das Konsortium verschickte immer mit eindeutiger Kennung. Eigentlich gab es nur einen, der darauf bedacht war, seine Identität über Funk nicht preiszugeben – und von dem sie genau das auch verlangte.

Sie aktivierte die erste Videobotschaft – und tatsächlich: auf dem Bildschirm erschien das Konterfei von Var Neth, dem Mann, den sie für die Suche nach Asim bezahlte und der sich gerade auf ihr Geheiß hin in der Aggregation befand. Es wunderte sie daher nicht, dass sich hinter ihm eine im Zwielicht liegende Felswand abzeichnete.

Var sah müde aus, aber er lächelte, als er zu sprechen begann. „Ich grüße Sie! Es wird Sie sicher freuen zu erfahren, dass bisher alles ohne Probleme abgelaufen ist. Ich habe das von Ihnen genannte Ziel erreicht und konnte mir einen ersten Überblick verschaffen.“

Es war ihm also gelungen, unbemerkt in die Aggregation hinabzusteigen. Gut. Sie hatte nichts anderes erwartet. Falls sein Auftauchen an Bord der EON registriert worden wäre, hätte sie das sicher mitbekommen.

Das Lächeln des Mannes, das ohnehin ein wenig künstlich gewirkt hatte, fiel in sich zusammen. Jetzt sah Misa, wie er sich wirklich fühlte: erschöpft und genervt.

„Wie Sie sich denken können, werde ich hier eine ganze Weile zu tun haben, da sich ja, wie Sie sagten, an meinem ursprünglichen Auftrag nichts geändert hat.“

Diese Aufgabe, die Suche nach Asim, musste für Var extrem frustrierend sein. Misa fragte sich, wann es dem Mann zu viel werden würde. Wann würde er alles hinschmeißen und sagen, es täte ihm Leid, aber er wolle sein Leben nicht damit verschwenden, einem Phantom nachzujagen, egal wie gut die Bezahlung dafür sei? Wenn sie sich seinen Gesichtsausdruck so betrachtete, konnte es nicht mehr lange dauern.

Var fuhr fort: „Erste strichprobenartige Versuche waren jedoch – wie zu erwarten – nicht von Erfolg gekrönt. Aber ich dachte, Sie würden sich vielleicht freuen, mein Gesicht zu sehen!“

Misa rollte mit den Augen. Noch immer zog er sie damit auf, dass sie sich bei einem One-Night-Stand kennengelernt hatten, sie die Beziehung danach aber sofort auf eine professionelle Ebene verlagert hatte. Das war reiner Selbstschutz gewesen. Var wollte damals ebenfalls Descender werden, und sie verbot sich tiefere Gefühle für ihn aus den selben Gründen, aus denen sie sich nicht näher an Reb Eon herantraute. Ihre Verlustängste machten es ihr schwer, sich auf jemanden einzulassen.

Var Neth zwinkerte in die Kamera. „Bis zum nächsten Mal.“

Ende der ersten Nachricht, meldete das Programm.

„Und ein paar Stunden später hattest du schon wieder Sehnsucht nach mir?“, lachte Misa leise und startete das Abspielen der zweiten Botschaft. Der Zeitindex der Datei gab an, dass sie sehr viel kürzer war als die erste. Vielleicht nur ein kurzes Statusupdate?