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Endlich kann sich Iris Buchschatz ihren Traum erfüllen, sie reist nach Kenia. Die Weiten Ostafrikas sind genauso, wie sie es sich vorgestellt hat. Der Himmel traumhaft blau, die Tiere beeindruckend in ihrer freien Wildbahn. Doch während einer Safari bricht Iris plötzlich zusammen. Eine akute Darmerkrankung macht die Traumreise zum Albtraum. Der Safaribegleiter Peter wird zu ihrem rettenden Engel in der Not. Seinem beherzten Eingreifen ist es zu verdanken, dass Iris schnell in ein Krankenhaus gebracht wird. Doch nach einer siebenstündigen Operation und drei Tagen Koma ist nichts mehr wie vorher. Zurück in Deutschland, kreisen Ihre Gedanken jedoch weiterhin um Kenia und Ihren Retter. Sie möchte sich revanchieren, all die Liebe zurückgeben, die sie in der schlimmsten Zeit ihres Lebens empfangen hat und diese Möglichkeit sollte sich ergeben. Iris Buchschatz und Isolde Kakoschky verfassten gemeinsam einen packenden Schicksalsroman über die Grenzen von Ländern und Kulturen hinweg.
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Seitenzahl: 174
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Isolde Kakoschky und Iris Buchschatz
Schicksalsroman
XOXO Verlag
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Print-ISBN: 978-3-96752-041-5
E-Book-ISBN: 978-3-96752-541-0
Copyright (2019) XOXO Verlag
Umschlaggestaltung:
Grit Richter Grafikdesign und mehr
Bildquelle
© Coverbild: Iris Buchschatz
Buchsatz: Alfons Th. Seeboth
E-Book-Erstellung: Grit Richter – Grafikdesign und mehr
Hergestellt in Bremen, Germany (EU)
XOXO Verlag
ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH
Gröpelinger Heerstr. 149
28237 Bremen
Die Geschichte von Iris Buchschatz interessierte mich seit jenem Abend des 26. Januar 2014, als ich im MDR-Fernsehen die Regionalberichte schaute und mir der Bericht über die Hettstedterin Iris und den Kenianer Peter Mutua Muli auf dem Bildschirm entgegenflimmerte.
Durch die Hettstedter Fotogalerie bekamen wir bei Facebook Kontakt und freundeten uns an. Der virtuellen Bekanntschaft folgte bald ein Kennenlernen und eine reale Freundschaft. Als mich Iris vor einem Jahr, nach ihrer zweiten Kenia-Reise, bat, ihr dabei zu helfen, ihre Erinnerungen in einem Buch zu veröffentlichen, sagte ich gerne zu. Dass noch so viel danach geschah, konnten wir nicht ahnen.
Was nun vor Ihnen liegt, liebe Leser, ist eine Geschichte, die das Leben schrieb. Ich habe sie nur in Worte gefasst, in die Worte von Iris. Es ist kein Roman, sondern ein ganz und gar authentischer Bericht, den Sie auch in den erwähnten Medien nachvollziehen können.
In meinen Romanen passieren manchmal solch kleine Wunder. Hier sind gleich mehrere große Wunder geschehen, und die hat sich niemand ausgedacht.
Wie ich gerne sage: Nichts ist so spannend, wie das wahre Leben! In diesem Sinne wünsche ich eine interessante Lesezeit!
Isolde Kakoschky
Isolde Kakoschky, die unter dem Pseudonym ISKA ihre Romane veröffentlicht, ist 1957 in Hettstedt geboren und inzwischen in Gerbstedt wohnhaft. Von Beruf Diplomagraringenieur, begann sie im Jahr 2000 damit, Gedichte und Kurzgeschichten zu verfassen. Zuerst wurden ihre Werke in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. In den Jahren 2004, 2007 und 2016 brachte sie drei kleine Gedichtbände in verschiedenen Verlagen heraus. In den Jahren 2010, 2012, 2013, 2015, 2016 und 2017 erschienen sechs Romane im AAVAA Verlag, denen nun ein biografischer Erfahrungsbericht gemeinsam mit Iris Buchschatz folgt.
Iris Buchschatz, geboren 1965 in Wippra, wohnhaft in Hettstedt, von Beruf Dekorateurin, stellt mit diesem autobiografischen Bericht ihr Debüt als Autorin vor.
Es kommt in der Welt vor allem auf die Helfer an –
und auf die Helfer der Helfer.
Albert Schweitzer
Manchmal träume ich von Afrika. Doch nicht nur von dem großen Afrikanischen Kontinent, den ich noch immer liebe, sondern von den Menschen, die mir zu Freunden wurden, denen ich wahrscheinlich mein Leben verdanke. Dann sehe ich mich, zuerst glücklich in der Sonne sitzend und Cocktails schlürfend. Später fließt über einen Tropf die dringend benötigte Flüssigkeit in meinen Körper. Zwischen diesen Bildern liegen nur wenige Tage. Stunden, die über Leben und Tod entschieden.
Und manchmal, wenn ich nun, Jahre später, wieder durch den feinen, weißen Sand am Diani Beach laufe, denke ich daran, dass ich das alles gar nicht mehr sehen würde, gar nicht mehr erleben könnte, wenn…
Ja, wenn alles nur ein bisschen anders gekommen wäre, damals im September 2013.
Was mich jetzt noch immer schmerzlich an das Geschehen von damals erinnert, sind die Narben und meine deformierte Bauchdecke und das Bewusstsein, nicht mehr so essen zu können, nicht mehr so leben können wie früher. Mit den Einschränkungen und einem Verzicht an Lebensqualität muss ich klarkommen, das geringste Übel ist wohl der unfreiwillige Verlust von einigen Kilo Gewicht.
Viel wichtiger ist die Erinnerung an die Menschen, die mir im richtigen Moment zur Seite standen. Es gibt einen Spruch:
»Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!« Dieses Lichtlein muss ein ziemlich helles, warmes gewesen sein, ein afrikanisches auf jeden Fall.
Was eigentlich eine gut vorbereitete und organisierte Afrikareise werden sollte, endete im Desaster und beinahe mit meinem Tod. Dabei hatte alles so schön begonnen.
Im Jahr 2013 stand der 50. Geburtstag von meinem Mann Heiko bevor. Schon Monate vorher überlegten wir, wie wir dieses besondere Fest auch besonders begehen könnten. Das wird man schließlich nur einmal, sagten wir uns und beschlossen, das Jubiläum nicht simpel bei Kaffee und Kuchen zu feiern, sondern mit einer Reise nach Afrika. Unser Sohn Oliver war bereits seit Jahren aus dem Haus, sodass wir auf ihn keine Rücksicht nehmen mussten. Hinterher konnten wir uns mit ihm und der restlichen Familie ja noch auf ein Bier zusammensetzen. Es war ein so schöner Gedanke, statt im herbstlichen Deutschland diesen Tag unter Palmen im sonnigen Afrika zu verleben, dass er uns nicht wieder losließ. Reisen waren seit einigen Jahren unsere Leidenschaft, also gingen wir frohgemut an die Planung.
Im Internet sprang uns bei der Suche ein Bericht eines gewissen Ulfert, genannt »Uli«, ins Auge, der ein Hotel am Diani Beach empfahl. Neugierig geworden sahen wir uns nun auch die anderen Reiseberichte auf Ulis Seiten an und stellten fest, dass es bei dem ausgewiesenen Fußballfan etliche Übereinstimmungen mit unseren Reisezielen gab. Über ein soziales Netzwerk im Internet freundeten wir uns mit Uli an. Er hatte wirklich schon viele Orte besucht, die wir ebenfalls bereisten, so vertrauten wir auf sein Urteil, die geplante Afrika-Reise betreffend, und buchten. Auch mit wertvollen praktischen Tipps stand er uns bereits vor Beginn der Reise zur Seite. Schließlich gab es einiges zu bedenken, wie Impfungen, Malariaprophylaxe, Moskitoschutz und sei es nur die Frage, ob »Mann« dort kurze Hosen am Abend zum Dinner tragen konnte.
In Afrika ist vieles anders als in unserem vertrauten Deutschland. Sein wichtigster Tipp für uns war aber Peter Mutua Muli, ein Safari-Mann, mit dem Uli bereits sehr gute Erfahrungen gemacht hatte. Peter sprach unsere Sprache, was wir gut und sehr beruhigend fanden. Nun stand also unserem Abenteuer Afrika nichts mehr im Wege. Während sich in Deutschland der Sommer langsam verabschiedete, freuten wir uns auf die Zeit unter der afrikanischen Sonne.
Gut gelaunt und voller Vorfreude bestiegen wir an einem kühlen Donnerstag in Berlin das Flugzeug, doch in mir grummelte es. Kam das von der Aufregung? Aber es war gar nicht meine erste Flugreise. Ich dachte an die erhaltene Malariaprophylaxe, auf die ich möglicherweise reagierte, und machte mir keine weiteren Sorgen, zumal sich das Grummeln schon wieder verzog. Abgesehen von kleinen Zipperlein war ich noch nie ernsthaft krank gewesen, hatte auch im Vorfeld durch einen Arzt alles abchecken lassen und fühlte mich absolut wohl in meiner Haut. »Alles gut!«, sagte ich zu mir und lehnte mich im Sitz zurück. Der Flieger startete in Richtung Süden.
Nach dem Umsteigen in Istanbul hoben wir endlich ab zum Flug nach Kenia. Wundervolle Tage lagen vor uns und unter uns schon bald der »schwarze« Kontinent, der von oben eher hellbraun aussah, in seiner ganzen Schönheit. Fasziniert sah ich aus dem Fenster des Flugzeuges den schneebedeckten Kilimandscharo liegen. Welch ein phantastischer Anblick!
Eigentlich war gar kein weiterer Stopp vorgesehen gewesen, doch unser Flugzeug steuerte direkt am Kilimandscharo noch einen Flughafen an, was uns zu diesen grandiosen Eindrücken verhalf. Fast tat es mir leid, als das Flugzeug in Mombasa zur Landung ansetzte und uns mitten hinein in das pulsierende Leben einer afrikanischen Großstadt katapultierte. Vom Airport aus fuhren wir durch die City von Mombasa zur Likoni-Fähre. Diese verbindet das Zentrum der Stadt, das auf einer Insel liegt, und die Halbinsel, wo sich auch der Airport befindet, mit der Südküste. Da wir am frühen Morgen ankamen, erlebten wir den Berufsverkehr hautnah. Denn jeder, der in Mombasa arbeitet oder zur Schule geht, muss morgens und abends über die Fähre.
Wenn es etwas wie einen Kulturschock gibt, dann hier. Auf der Fähre ist es heiß, es ist eng und es ist übervoll. Doch es geht alles sehr diszipliniert zu. Zuerst fahren die LKW, Busse und PKW, dann kommen die Menschen in Scharen. Die Autos fahren so dicht darauf, dass es oftmals dem Fahrer nicht mehr möglich ist, auszusteigen. Auch die Busreisenden bleiben auf ihren Plätzen. Es ist ein unglaubliches und eigentlich auch nicht beschreibbares Gewimmel in einer Farbenpracht, die ich so noch nicht erlebt hatte. Wirklich noch nie zuvor hatte ich eine so große, bunte Menschentraube gesehen. Afrikanische Frauen scheinen mit ihren bunten Kleidern ihrer Lebensfreude Ausdruck zu geben, die sie trotz aller Entbehrungen besitzen.
Danach brachte und der Bus über die Fernstraße zum direkt am Indischen Ozean gelegenen Ocean Village Club Hotel, das sich uns inmitten von Palmen und anderen tropischen Pflanzen wunderschön präsentierte und mit den weiß verputzten Wänden und offenen Rundbogenfenstern der Balkone sehr einladend wirkte. Genauso hatte ich mir das vorgestellt. Ich war begeistert.
An der Rezeption kannte uns erst einmal niemand, was ja nicht verwunderlich war, selbst wenn wir es ein kleines Bisschen erwartet hatten. Uli, unser Internet-Freund hatte »Peeter«, wie er genannt wird, informiert, wann wir im Hotel eintreffen würden; so wusste dieser eigentlich Bescheid und wollte uns persönlich willkommen heißen. Allerdings hatten wir uns irgendwie verfehlt. Doch wie sagt man in Kenia so schön: HAKUNA MATATA, was so viel heißt, wie: »Kein Problem!« Wir fragten also nach Peter und saßen uns zehn Minuten später etwas außerhalb des Hotels gegenüber. Ich bin von Natur aus ein eher vorsichtiger Typ und konnte mir darauf anfänglich keinen Reim machen. Erst später erfuhren wir, dass nicht jeder an jeder Stelle des Strandes Safaris anbieten und verkaufen darf und er sich deshalb zurückhalten musste, um keinen Ärger zu riskieren. Aber der großgewachsene, dunkelhäutige Mann, seriös mit einer helle Hose und einem passenden Hemd gekleidet, wirkte vom ersten Moment an sympathisch und schien meine Unsicherheit zu bemerken.
»Wir können auch in Büro gehen!«, schlug er uns vor.
Aber wir lehnten ab und vertrauten ihm ein erstes Mal. Wie wichtig das Vertrauen in Peter noch werden würde, konnte keiner von uns voraussehen. Doch wenn es da ein anfänglich vorhandenes Misstrauen in der fremden Umgebung gab, verflog es spätestens in dem Moment, als wir auf Peters Ordner mit den Safari-Fotos ein blau-weißes, deutsches Fußball-Logo entdeckten, eindeutig ein Zeichen, dass Uli hier gewesen war. Damit war das Eis endgültig gebrochen und wir kamen ins Gespräch. Als Freunde von seinem Freund Uli waren wir nun auch seine Freunde. So einfach funktioniert das in Afrika.
Natürlich hätten wir auch im Hotel bleiben und einen reinen Badeurlaub machen können, für Unterhaltung war ständig gesorgt. Wenn man allerdings schon einmal in Afrika ist, dann sollte es doch auch eine Safari sein. Dafür wollten wir Peter schließlich buchen. Ich fragte ihn Löcher in den Bauch, aber gebucht haben wir trotzdem nicht sofort. Peter hatte schon erkannt, dass ich ein vorsichtiger Mensch bin und respektierte das. Er glaubt grundsätzlich an das Gute und betet dafür, was wir später noch erfahren sollen.
»Wenn ihr noch andere Safari-Gäste findet, mache ich einen guten Preis!«, ließ er uns wissen. Und das war es schließlich, was wir auch wollten, einen guten Preis. Wir verabredeten uns für den nächsten Tag.
Mit Cocktails in der Hand prosteten wir uns am Strand zu. Es fühlte sich so wunderbar an, hier zu sein. Das Hotel empfing uns innen so einladend, wie es von außen wirkte. Die Zimmer boten genau die richtige Mischung aus europäischem Luxus und afrikanischem Flair. Ein nostalgisch anmutendes Badezimmer mit Wanne und zwei Waschbecken konkurrierte mit der Dusche auf dem Balkon. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Das riesige Bett mit dem großen Moskitonetz versprach wunderbare Nächte. So herrlich hoch und weich war die Matratze, ich kam mir vor wie die märchenhafte Prinzessin auf der Erbse.
Jeden Abend wurde das Netz vom Zimmerboy geschlossen, nachdem er alles vorher nach Tierchen abgesucht hatte. Das war eine beruhigende Geste, denn so ganz wohl war uns nicht, schließlich hatte ich vorher viel über Afrika gelesen und so einige Horrorgeschichten blieben im Kopf haften. Wir beherzigten daher auch noch den Tipp von Uli und sprühten uns am Abend mit Anti Brumm Forte ein. Der Duft nach Zitrone wetteiferte mit dem Aroma der Pflanzen, die vor den Fenstern rankten.
Vom Indischen Ozean wehte eine leichte Brise über den Balkon ins Zimmer und trug das Rauschen des Meeres zu uns. Wir waren angekommen, in unserem Paradies am Diani Beach.
Das nahmen wir an den folgenden Tagen genauer unter die Lupe. Direkt am Hotel breitete sich ein herrlicher, weiter Strand aus, dessen Sand sich wie Puderzucker anfühlte. Über dem türkisfarbenen Ozean wölbte sich ein tiefblauer Himmel mit kleinen, weißen Wölkchen. Schöner hätte es kein Künstler malen können.
Bei Ebbe liebten wir es, kilometerweit am Ufer entlangzugehen, begleitet von den Massai oder den Strandboys, die liebevoll gebastelte Souvenirs für kleines Geld an die Touristen verkauften und damit ihre Familien ernähren. Mit ihrer gut erlernten deutschen Sprache versuchten sie, mit uns zu kommunizieren. Sie waren stets freundlich, selbst wenn man ihre Angebote, Souvenirs zu kaufen, ablehnte. Auch sie versuchten, uns Safari-Reisen zu vermitteln, doch wir hatten uns bereits entschieden, die Tour sollte mit Peter stattfinden.
Am Wochenende genossen wir einfach nur die schöne Zeit. Wir schwammen im Pool, der inmitten von herrlichen Blumenrabatten und Palmen lag, saßen an der Bar und ließen es uns gut gehen in diesem kleinen Garten Eden. Farbenfrohe Blüten versprühten eine Magie, an der ich mich kaum sattsehen konnte. Die endlosen Wurzeln der Mangrovenbäume eigneten sich wunderbar als Blickfang für einige Fotoerinnerungen.
An den Abenden wurden uns abwechslungsreiche Shows geboten, in denen die exotische Tierwelt nicht fehlen durfte. Ich musste allen Mut zusammen nehmen, mir eine Schlange um die Schulter legen zu lassen und sie auf meiner Haut zu spüren. Das hier war nicht nur ansehen, wie daheim im Zoo, das war anfassen und fühlen. Wir amüsierten uns über die diebischen Affen, sie hatten es auf unsere Cocktails und auf die kleinen Zuckertütchen, die an den Kaffeetassen beilagen, abgesehen. Vor der im Hotel eigens angestellte »Affenpolizei« hatten die kleinen Diebe Respekt, dachten sich wohl aber, mit uns »Weißen« können sie es ja machen.
Am Dienstag blickten wir gemeinsam in den Sonnenaufgang über dem türkisfarben leuchtenden Wasser des Indischen Ozeans. Noch ein Tag bis zu Heikos großer Feier, noch ein Tag bis zu unserer Safari.
Bereits am ersten Tag hatten wir uns mit einem netten, jungen Pärchen angefreundet, mit denen wir viel Zeit verbrachten. Wir saßen am Tisch zusammen, besuchten die gleichen Shows und fühlten eine gegenseitige Sympathie, die bis heute anhält. Auch die beiden waren an einer Safari interessiert. So buchten wir gemeinsam mit Marcel und Stephanie eine Dreitagestour mit Peter, der wir voller Vorfreude entgegen sahen.
An Heikos Geburtstag sollte es zeitig losgehen zum Tsavo Nationalpark, der einige Autostunden entfernt lag. Sekt für die Feier, die wir für den Abend mit unseren Begleitern planten, hatten wir in einem vom Hotel recht abgelegenen Einkaufsmarkt besorgt. Wir fuhren dorthin mit einem Tuk Tuk, so nennt man die dreirädrigen, überdachten Motorräder, so genannte Motorradrikschas. Fünf Personen einschließlich Fahrer haben darin tatsächlich bequem Platz, nur der Fahrtwind ist etwas gewöhnungsbedürftig.
Bereits vor der Safari begleitete uns Peter auf all unseren Wegen, ob zum Geld tauschen oder Einkaufen, denn außerhalb der Hotelanlage kann es sehr gefährlich sein. Erst wenige Tage vorher hatte es einen Überfall auf Touristen gegeben, wir waren also sehr dankbar für diesen persönlichen Bodyguard. Auch die Geburtstagstorte hatte Peter in einer Lodge bestellt, die wir unterwegs ansteuern wollten.
Peter ist zwar der Organisator der Safaris, bräuchte aber gar nicht mit raus fahren. Wenn er es macht, muss er seine Unterkunft und sein Essen aus der eigenen Tasche bezahlen. Dennoch sah er es als seine Pflicht an, uns zu beschützen.
Am Abend zuvor kam das Bauchweh wieder, verbunden mit heftigem Durchfall. Wieder gab ich der Malariaprophylaxe die Schuld, auf dem Beipackzettel hatte ich genug Nebenwirkungen gelesen, und griff zu den bisher immer bewährten Hausmitteln. Ich hoffte, dass es am Morgen besser wäre.
Nun saß ich beim Frühstück und wollte lieber nichts essen, nur einen Tee nahm ich zu mir. Ich hatte eher ein paar Kilo zu viel als zu wenig auf den Rippen und dachte mir, dass ich eine Mahlzeit schon mal ausfallen lassen konnte, wenn ich nur genug trank. Und irgendwie schienen sich die Beschwerden zu bessern. Trotzdem sprach ich mit Peter über mein Problem, als er uns vom Hoteleingang abholte.
Er beruhigte mich. »Komm bitte mit, vertrau mir«, sagte er zu mir. »Wir haben Ärzte vor Ort.« Diese Worte werde ich wohl niemals vergessen. Ich vertraute ihm. Denn obwohl Peter ja nur der Vermittler der Safari war, fühlte er sich verantwortlich und hielt es für eine Ehrensache, uns und den Fahrer zu begleiten. Und immerhin war die Salt Lick Lodge, wo wir die erste Übernachtung gebucht hatten, zwar mitten im Nationalpark gelegen, aber keine Buschhütte, sondern ein schönes 4-Sterne Resort. Zünftig ausgestattet, sogar mit neuen Safari-Hüten, brachen wir frohgemut auf.
Ja, ich vertraute Peter und ich hoffte auch, dass die Bauchschmerzen vergehen würden. Immerhin überstand ich den ersten Teil des Tages ganz gut. Wir sangen im Auto gemeinsam ein »Happy Birthday« für Heiko und freuten uns auf die Party am Abend. Dann kamen die Schmerzen zurück.
Peter telefonierte mit der Lodge, wo wir auch unser Mittagessen einnehmen wollten, und bestellte einen Arzt dorthin. An das Essen wagte ich keinen Gedanken zu verschwenden. Der Arzt kümmerte sich um mich und gab mir eine Medizin, die auch in Deutschland bei Magen-Darm-Beschwerden geläufig ist.
»Soll ich bei dir bleiben?«, fragte mich Heiko. Aber ich wollte das nicht. Nur, weil es mir nicht so gut ging, sollte er nicht auf seine Safari verzichten. Es war schließlich sein Geburtstag.
»Wahrscheinlich schlafe ich sowieso und danach geht es bestimmt wieder«, versuchte ich ihn zu beruhigen. Ich hoffte es ja selbst.
Während die anderen also auf Safari fuhren, blieb ich im Zimmer in der Lodge und wartete auf eine Besserung meines Zustandes. Ich bemerkte nicht die Elefanten, die ganz dicht an die auf Pfählen errichteten Bauten herankamen. Ich hatte keine Augen für die bunten Vögel und die Natur um mich herum. Ich war krank.
Als Peter vor dem Abendessen nach mir sah, entschied er, mich zu einem anderen Arzt zu bringen. Wir irrten eine ganze Weile durch den Busch, denn dort gibt es weder Wege, die in einem Navi gespeichert sind, noch überhaupt ein Navi im Auto oder eine Adresse. Und es steht auch nicht an jeder Ecke jemand, den wir fragen konnten.
Schließlich erreichte Peter aber doch mit mir unser Ziel. Es war der Dorfarzt der in der Nähe gelegenen Siedlung. Sicherlich versuchte der sein Bestes, mir zu helfen. Immerhin war er nicht nur ein Heilkundiger, sondern mit medizinischen Behandlungen durchaus vertraut. Er legte mir eine Infusion, doch ich hatte das Gefühl, dass auch diese nicht helfen würde. Über Durchfall musste ich längst nicht mehr nachdenken, da ging gar nichts mehr. Doch selbst das konnte ich nicht als gutes Zeichen werten.
Beim Abendessen saß ich nur teilnahmslos mit den anderen am Tisch. Das also war nun der 50. Geburtstag von Heiko. So lange hatten wir alles akribisch geplant, hatten für diese Reise gespart, Vorbereitungen getroffen, und nun das. Feierstimmung kam nicht auf. Zutiefst traurig und enttäuscht legte ich mich ins Bett, wieder in der Hoffnung, alles wird gut.
Doch nichts wurde gut. Ich duschte und quälte mich mit den Bauchschmerzen, die ich kaum noch ertragen konnte, der Ohnmacht nahe. Heiko beobachtete mit Marcel und Stephanie die Elefanten am Wasserloch. Allein im Zimmer kroch die Angst in mir hoch. Wir saßen hier, alleine mitten im Nationalpark. Ich wusste nicht mehr ein noch aus. Eins wurde immer klarer, ich brauchte dringend professionelle Hilfe.
Mein ganzes Vertrauen setzte ich auf Peter. Doch der war mit dem dritten Pärchen unserer kleinen Reisegruppe zur Nachtsafari aufgebrochen. Schließlich kam Heiko zurück und wusste sich auch keinen Rat mehr. Er rief Peter an.
Ich kann die Enttäuschung der beiden Mitreisenden gut verstehen, doch Peter handelte instinktiv richtig und nahm deren Unmut in Kauf. »Ich komme!«, sagte er nur. Er brach den Ausflug ab und kehrte zur Lodge zurück.
Inzwischen konnte ich mich kaum noch auf den Beinen halten. Mir wurde vor Schmerzen abwechselnd heiß und kalt und schwarz vor den Augen. Mein Kleid klebte mir am Körper, es ging mir richtig schlecht.