Exzession - Iain Banks - E-Book

Exzession E-Book

Iain Banks

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Beschreibung

Eine Reise an die Grenzen des Vorstellbaren

In einem entlegenen Sektor des Weltraums taucht eines Tages ein rätselhaftes Artefakt auf – eine riesige schwarze Kugel, die sich allen Kontaktversuchen verweigert. Messungen ergeben, dass das Objekt tausend Milliarden Jahre alt sein muss, älter also als unser Universum. Doch wie ist das möglich? Und wer oder was steckt dahinter?

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IAIN BANKS

EXZESSION

Roman

Das Buch

In einem entlegenen Sektor des Weltraums taucht eines Tages ein rätselhaftes Artefakt auf – eine riesige schwarze Kugel, die sich allen Kontaktversuchen verweigert. Messungen ergeben, dass das Objekt tausend Milliarden Jahre alt sein muss, älter also als unser Universum. Doch wie ist das möglich? Und wer oder was steckt dahinter?

Der Autor

Titel der Originalausgabe

EXCESSION

Aus dem Englischen von Irene Bonhorst

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1996 by Iain Banks

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Inhalt

Vorwort

1 Ein außerkontextuelles Problem

2 Nicht Hier Erfunden

3 Ungeladene Gäste

4 Abhängigkeits-Prinzip

5 Küss Die Klinge

6 Armseligkeit

7 Das Habitat Stuf

8 Totgeschlagene Zeit

9 Ungehöriges Benehmen

10 Schöne Sauerei

11 Betreffs Gravious

12 Abschied

Nachwort

Vorwort

Etwas mehr als einhundert Tage nach Beginn des vierzigsten Jahres ihrer Schwangerschaft bekam Dajeil Gelian in ihrem einsamen, aufs Meer hinausblickenden Turm Besuch von einem Avatara des großen Schiffes, das ihre Heimat war.

Weit draußen, zwischen den sich hebenden und senkenden grauen Wellen, unter wabernden Nebelbänken, buckelten und rutschten die großen trägen Körper einiger der größeren Bewohner der kleinen See. Dampf puffte in heftigen Stößen aus den Atemlöchern der Tiere und stob wie gespenstische, körperlose Geysire zu der Vogelmeute hinauf, die den Schwarm begleitete, was diese veranlasste, höherzusteigen und zu kreisen und zu kreischen, in der kühlen Luft flatternd und sich zur Seite neigend. Hoch oben bewegten sich noch weitere Geschöpfe, die in die rosaroten Wolkenschichten hinein- und wieder heraushuschten, als seien auch sie langsam ziehende kleine Wolken, und lenkbare Luftschiffe und Flugdrachen kreuzten mit ausgebreiteten Flügeln und Fallklappen in der oberen Atmosphäre und wärmten sich im wässerigen Licht des neuen Tages.

Das Licht kam von einer Linie, nicht von einem Punkt am Himmel, denn der Ort, wo Dajeil Gelian lebte, war keine gewöhnliche Welt. Der einzelne Streifen verschwommener weißer Glut begann am fernen, seewärtigen Horizont, erstreckte sich über den Himmel und verschwand über dem mit Blattwerk gesprenkelten Rand der zweitausend Meter hohen Klippe, einen Kilometer hinter dem Strand mit dem einsamen Turm. Im Laufe des Morgens würde die Sonnenlinie dem Anschein nach vom Horizont nach Steuerbord aufsteigen; am Mittag wäre sie direkt über dem Turm, und bei Sonnenuntergang würde sie scheinbar im Meer verschwinden, um in ihrem Hafen anzulegen. Jetzt war später Morgen, und die Linie befand sich etwa auf halber Höhe am Himmel, wo sie einen schimmernden Bogen über das Gewölbe beschrieb, wie ein riesiges, sich langsam bewegendes Schiffstau, das sich beständig über den Tag schwang.

Zu beiden Seiten des Streifens aus gelbweißem Licht sah man den jenseitigen Himmel – den echten Himmel; den Himmel über den Wolken; eine massiv aussehende schwarzbraune Über-Präsenz, die einen Hinweis gab auf die extremen Druck- und Temperaturverhältnisse, die im Innern herrschten, und worin sich andere Tiere in einer Wolkenlandschaft aus chemischen Substanzen bewegten, die sich zu jener darunter vollkommen toxisch verhielt, die jedoch in Farbe und Dichte die graue, windgekräuselte See widerspiegelte.

Gleichmäßige Wellenlinien brachen sich an dem grauen Hang des Kiesstrandes, schlugen gegen zerschmetterte, zerriebene Muschelschalen, winzige Bruchstücke hohler Tierschalen, spröde Bretter lichtgebleichter Meereswracks, wassergeglättete Holzbrocken, löcherige Schaumsteinchen wie fleckiger Marmor aus porösem Gebein, und eine allgemeine Mischung aus Strandgeröll, eingesammelt von einigen Hundert verschiedenen Planeten, verstreut über die größere Galaxis. Gischt spritzte dort auf, wo die Wellen an Land klatschten, und wehte den salzigen Geruch des Meeres über den Strand und das Gewirr dürrer Pflanzen an seine Ausläufer, über die niedrige Steinmauer hinweg, die dem seewärtigen Garten des Turms ein wenig Schutz bot, und brachte – indem es das gedrungene Gebilde überwand und die hohe Wand dahinter hinaufkletterte – den jodhaltigen Tang mit Unterbrechungen dazu, den Garten im Innern zu umschließen, wo Dajeil Gelian gezüchtete Teppiche leuchtender, breit wuchernder Blumen und raschelnder, halbverkrüppelter Stachelbäume und schattenblühender Wildbüsche pflegte.

Die Frau hörte die landwärtige Torglocke klingeln, wusste jedoch schon, dass sie Besuch bekam, weil der schwarze Vogel Gravious es ihr verkündet hatte, als er ein paar Minuten zuvor vom dunstigen Himmel herabgeflogen war, um ihr durch eine zappelnde Sammlung von im Schnabel gehaltener Beute ›Gesellschaft!‹ zuzukreischen, bevor er mit schnellen Flügelschlägen wieder davonpreschte, auf der Suche nach weiteren luftfliegenden Insekten für seine winterliche Speisekammer. Die Frau hatte der sich zurückziehenden Gestalt des Vogels zugenickt, sich gereckt und dabei die Hände hinten in die Hüften gestützt, um dann gedankenverloren den angeschwollenen Bauch durch den üppigen Stoff des schweren Kleides hindurch zu streicheln.

Die von dem Vogel überbrachte Botschaft bedurfte keiner weiteren Erläuterung; während der gesamten vier Jahrzehnte, die sie hier allein gelebt hatte, hatte Dajeil immer nur ein und denselben Besucher empfangen, nämlich den Avatara des Schiffes, den sie für ihren Gastgeber und Beschützer hielt und der jetzt schnell und zielstrebig die Stachelbaumzweige beiseite schob, während er sich von der Landpforte her näherte. Das einzige, was Dajeil diesmal erstaunlich fand, war der Zeitpunkt seines Besuches; der Avatara hatte sich regelmäßig ihrer angenommen – immer jedoch so, als wäre er nur zufällig bei einem Strandspaziergang vorbeigekommen – und ihr alle acht Tage einen kurzen Besuch abgestattet; außerdem war er alle zweiunddreißig Tage zu einem gewohnheitsmäßigen längeren Aufenthalt gekommen – bei dem sie zusammen ein Frühstück, Mittag- oder Abendessen einnahmen, je nachdem. Nach diesem Zeitplan hätte Dajeil erst wieder in fünf Tagen den Besuch des Vertreter des Schiffes zu erwarten gehabt.

Dajeil steckte sorgsam eine widerspenstige Strähne ihres langen, nachtschwarzen Haars hinter das schlichte Haarband und nickte der hochgewachsenen Gestalt zu, die zwischen den in sich verdrehten Baumstämmen auf sie zukam. »Guten Morgen!«, rief sie.

Der Avatara des Schiffs nannte sich Amorphia, was anscheinend etwas ziemlich Tiefgründiges bedeutete in einer Sprache, die Dajeil nicht kannte und nie des Erlernens für wert gefunden hatte. Amorphia war ein grell herausgeputztes, blasses, androgynes Geschöpf, schlank und groß. Seit einem Dutzend oder so Jahren gefiel es dem Avatara, sich ganz in Schwarz zu kleiden, und jetzt waren es schwarze Beinkleider, eine schwarze Tunika und eine kurze schwarze Weste, in denen er erschien, und sein kurzgeschnittenes blondes Haar war bedeckt von einem gleichermaßen schwarzen Käppchen. Er nahm die Kappe ab und verneigte sich vor Dajeil, wobei er unsicher lächelte.

»Dajeil, guten Morgen. Geht es dir gut?«

»Es geht mir gut, danke«, sagte Dajeil, die es seit langem aufgegeben hatte, sich gegen derartige wahrscheinlich überflüssige Höflichkeiten zu verwahren oder sich davon stören zu lassen. Sie war immer noch überzeugt davon, dass das Schiff sie eingehend beobachtete und stets genau wusste, wie gut es ihr ging – und ihr Gesundheitszustand war ohnehin gleichbleibend ausgezeichnet –, war aber dennoch bereit, das Spiel mitzuspielen und so zu tun, als ob es sie nicht so hemmungslos beobachtete und deshalb fragen musste. Trotzdem erwiderte sie die Floskel nicht in der angemessenen Weise, indem sie sich weder nach dem gesundheitlichen Befinden einer menschlich gestalteten, doch vom Schiff gesteuerten Wesenheit erkundigte, die – soweit sie wusste – allein durch den Kontakt des Schiffes mit ihr funktionierte, noch nach dem Ergehen des Schiffes selbst. »Sollen wir hineingehen?«, fragte sie.

»Ja, danke.«

Die obere Kammer des Turms erhielt von oben Licht durch die durchsichtige Kuppel des Gebäudes – die zu einem immer wolkigeren grauen Himmel hinaufblickte –, und von den Seiten durch sanft schimmernde Holo-Bildschirmen, von denen ein Drittel blaugrüne Unterwasserszenen zeigte, für gewöhnlich mit der Darstellung einiger der größeren Säugetiere und Fische, die das Meer draußen beherbergte, während ein zweites Drittel helle Bilder von weich aussehenden Wasserdampfwolken und den großen, dazwischen spielenden Luftwesen zeigte und das dritte Drittel dem Anschein nach hinausblickte – bei Frequenzen, die für das menschliche Auge keinen direkten Zugang boten – in den dichten, dunklen Aufruhr der Gasgiganten-Atmosphäre am künstlichen Himmel, wo sich noch seltsamere Tiere tummelten.

Umgeben von prächtig geschmückten Decken, Kissen und Wandbehängen, griff Dajeil von ihrer Couch aus zu einem niedrigen Tisch aus gedrechseltem Bein und goss einen erwärmten Aufguss von Kräuteressenzen aus einer Glaskaraffe in einen Kelch aus blasigem Kristall mit einer filigranen Silbereinfassung. Sie lehnte sich zurück. Ihr Gast, der ungelenk auf der Kante eines zierlichen Holzstuhls saß, nahm den randvollen Kelch entgegen, führt ihn zum Mund und trank. Dajeil lächelte.

Der Avatara Amorphia war absichtlich so gestaltet, dass er nicht einfach entweder männlich oder weiblich aussah, sondern eine so vollkommene, ausgewogene künstliche Mischung aus Männlichkeit und Weiblichkeit darstellte, wie es nur eben ging, und das Schiff hatte niemals auch nur im geringsten den Anschein erweckt, als sei sein Vertreter irgendetwas anderes als ausschließlich seine eigene Schöpfung, allerdings mit einer oberflächlichen intellektuellen Eigenexistenz. Es bereitete der Frau jedoch immer noch Vergnügen, ihre eigenen kleinen Mittel und Wege zu finden, um sich selbst zu beweisen, dass diese scheinbar sehr menschliche Person nicht ihresgleichen war.

Es war zu einem dieser kleinen privaten Spiele geworden, die sie mit dem leichenhaft geschlechtslosen Geschöpf trieb; sie gab ihm ein Glas, eine Tasse oder einen Kelch randvoll mit dem passenden Getränk – genau gesagt manchmal überrandvoll, so dass nur die Oberflächenspannung die Flüssigkeit in dem Behälter hielt –, und beobachtete dann, wie Amorphia ihn zum Mund führte und daran nippte, jedesmal und immer wieder, ohne auch nur einen einzigen Tropfen zu verschütten oder dem Vorgang eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen; ein Kunststück, das kein Mensch, dem sie jemals begegnet war, jemals vollbracht hätte.

Dajeil nippte ebenfalls an ihrem Getränk und spürte, wie sich seine Wärme ihre Kehle hinunter ausbreitete. In ihrem Leib rührte sich ihr Kind, und sie tätschelte behutsam ihren Bauch, ohne sich etwas dabei zu denken.

Der Blick des Avatara schien auf einem bestimmten Holo-Bildschirm zu haften. Dajeil drehte sich auf der Couch herum, um in dieselbe Richtung zu blicken, und bemerkte ein heftiges Treiben auf einigen der Bildschirme, die Ansichten der Gasgiganten-Umgebung zeigten; ein Schwarm der die Nahrungskette vervollständigenden Räuber – scharfe, pfeilköpfige Geschöpfe, ausgestattet wie Raketen, Gas absondernd aus Öffnungen, die zum Steuern dienten – wurde aus unterschiedlichen Blickwinkeln gezeigt, während sie alle aus einer hochaufragenden Wolkensäule herausfielen und durch eine klarere Atmosphäre auf eine Gruppe von annähernd vogelähnlichen, grasenden Tieren hinabstießen, die am Rand eines aufbrodelnden Wolkenturms zusammengedrängt waren. Die Vogelgeschöpfe stoben auf, einige krümmten sich und stürzten ab, einige flogen mit heftigem Geflatter davon, einige verschwanden in der Wolke, im Flug zusammengeballt. Die Räuber schossen zwischen sie und wirbelten herum; die meisten verfehlten ihre fliehende Beute; einige wenige blieben dran, beißend, schlagend, tötend.

Dajeil nickte. »Wanderzeit, da oben«, sagte sie. »Bald ist Brutzeit.« Sie sah zu, wie ein Graser in Stücke zerfetzt wurde und von einem Paar raketenförmiger Räuber verzehrt wurde. »Es gibt Mäuler zu stopfen«, sagte sie leise und wandte den Blick ab. Sie zuckte die Achseln. Sie erkannte einige der Räuber und hatte ihnen Spitznamen gegeben, obwohl die Geschöpfe, für die sie sich wirklich interessierte, die viel größeren, sich langsamer bewegenden Tiere waren – die im Allgemeinen von den Räubern nicht belästigt wurden – und die wie größere, knolligere Verwandte der unseligen Grasermeute waren.

Dajeil hatte bei etlichen Anlässen die Einzelheiten der unterschiedlichen ökologischen Systeme, die in den Habitaten des Schiffs herrschten, mit Amorphia erörtert, der sich an dem Thema höflich interessiert zeigte, seine Unwissenheit in dieser Hinsicht jedoch nicht verhehlte, obwohl die Kenntnisse des Schiffes über das Ökosystem tatsächlich allumfassend waren; die Geschöpfe gehörten schließlich zu dem Gefährt, ob man sie nun als Passagiere oder Schoßtiere betrachtete. Fast genau wie sie selbst, dachte Dajeil manchmal.

Amorphias Blick haftete weiterhin auf den Bildschirmen, die das am Himmel jenseits des Himmels stattfindende Gemetzel zeigten. »Es ist schön, nicht wahr?«, sagte der Avatara und nippte erneut an dem Getränk. Er sah Dajeil an, die ein überraschtes Gesicht machte. »In gewisser Weise, natürlich«, fügte Amorphia schnell hinzu.

Dajeil nickte langsam. »Auf eine ganz eigene Weise, ja, natürlich.« Sie beugte sich vor und stellte ihren Kelch auf dem Tisch aus geschnitztem Bein ab. »Was führt dich heute hierher, Amorphia?«, fragte sie.

Der Vertreter des Schiffes wirkte erschreckt. Beinahe hätte er den Inhalt seines Kelchs verschüttet, dachte Dajeil.

»Ich wollte mich nach deinem Befinden erkundigen«, antwortete der Avatara schnell.

Dajeil seufzte. »Nun«, sagte sie, »wir haben festgestellt, dass es mir gut geht, und …«

»Und dem Kind?«, fragte Amorphia mit einem Blick auf den Bauch der Frau.

Dajeil legte sich die Hand auf den Leib. »Dem geht es … wie immer«, sagte sie leise. »Es ist gesund.«

»Gut«, sagte Amorphia, verschränkte die langen Arme um sich selbst und schlug die Beine übereinander. Das Geschöpf sah wieder zum Holo-Bildschirm.

Dajeil verlor allmählich die Geduld. »Amorphia, um wie das Schiff zu sprechen: Was ist los?«

Der Avatara betrachtete die Frau mit einem seltsam verlorenen, wilden Ausdruck in den Augen, und Dajeil war eine Sekunde lang besorgt, dass etwas schiefgelaufen sein könnte; vielleicht hatte das Schiff eine schreckliche Verletzung oder Spaltung erlitten, vielleicht war es vollkommen irre geworden (schließlich hielten seine Kollegen es bereits für halbirre, bestenfalls) und hatte Amorphia seiner eigenen unzureichenden Ausstattung überlassen. Dann faltete sich das schwarzgekleidete Geschöpf aus dem Sessel, schritt zu dem einzelnen kleinen Fenster, das aufs Meer hinausging, und zog die Vorhänge zur Seite, um den Ausblick zu begutachten. Es legte sich die Hände auf die Arme, sich selbst umarmend.

»Möglicherweise ist alles im Begriff, sich zu ändern, Dajeil«, sagte der Avatara mit hohler Stimme, anscheinend an das Fenster gerichtet. Für einen kurzen Augenblick sah er sich zu ihr um. Er hakte die Hände hinter dem Rücken ineinander. »Das Meer muss sich vielleicht in Stein verwandeln, oder in Stahl; der Himmel ebenfalls. Und du und ich, wir müssen uns vielleicht trennen.« Er wandte sich um und sah sie an, dann trat er zu ihr und hockte sich auf das eine Ende der Couch, wobei seine dürre Gestalt das Polster kaum eindrückte. Er starrte ihr in die Augen.

»Zu Stein werden?«, fragte Dajeil, die sich immer noch um die geistige Gesundheit des Avatara oder des ihn beherrschenden Schiffes oder beider sorgte. »Was willst du damit sagen?«

»Wir … das heißt, das Schiff …«, sagte Amorphia und legte sich eine Hand auf die Brust, »… müssen vielleicht … letztendlich … etwas Bestimmtes tun.«

»Etwas Bestimmtes tun?«, sagte Dajeil. »Was?«

»Etwas, das eine Veränderung der Welt hier nötig macht«, antwortete der Avatara. »Etwas, wodurch es erforderlich wird – als mindestes –, dass wir unsere beseelten Gäste mit allen anderen einlagern – na ja, dich ausgenommen – und wir dann vielleicht alle unsere Gäste – alle unsere Gäste – in geeigneten anderen Habitaten unterbringen müssen.«

»Auch mich?«

»Auch dich, Dajeil.«

»Ich verstehe.« Sie nickte. Das bedeutete, den Turm zu verlassen, das Schiff zu verlassen. Ach, dachte sie, welch plötzliches Ende meiner geschützten Abgeschiedenheit! »Und ihr?«, fragte sie den Avatara. »Ihr geht unterdessen weg, um … was zu tun?«

»Etwas«, sagte Amorphia ohne Ironie.

Dajeil lächelte dünn. »Über das du mir nichts sagen möchtest.«

»Über das ich dir nichts sagen kann.«

»Weil …«

»Weil ich es selbst noch nicht weiß«, sagte Amorphia.

»Aha.« Dajeil dachte einen Augenblick nach, dann stand sie auf und ging zu einem der Holo-Bildschirme, wo eine Kameradrohne einen lichtgesprenkelten Schwarm von purpurgeflügelten Rochen über den Grund eines flachen Teils des Meeres verfolgte. Sie kannte diesen Schwarm ebenfalls; sie hatte drei Generationen dieser riesigen, sanften Wesen leben und sterben sehen; sie hatte sie beobachtet, und sie war mit ihnen geschwommen und hatte – einmal – bei der Geburt eines ihrer Jungen geholfen.

Riesige purpurfarbene Flügel wogten im Zeitlupentempo, und ihre Spitzen wühlten dann und wann kleine goldene Sandgestöber auf.

»Das ist in der Tat eine Veränderung«, sagte Dajeil.

»Allerdings«, sagte der Avatara. Er schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Und es könnte zu einer Veränderung der persönlichen Umstände führen.«

Dajeil wandte das Gesicht dem Geschöpf zu, das sie mit weit aufgerissenen Augen, ohne zu blinzeln über die Couch hinweg eindringlich anstarrte.

»Eine Veränderung der persönlichen Umstände?«, fragte Dajeil, und ihre bebende Stimme verriet ihre Erregung. Sie strich sich erneut über den Bauch, dann zuckte ihr Gesicht, und sie sah auf ihre Hand hinab, als ob auch diese zum Verräter geworden wäre.

»Ich weiß es nicht mit Sicherheit«, gestand Amorphia. »Aber es besteht die Möglichkeit.«

Dajeil riss sich das Band aus dem Haar und schüttelte den Kopf, indem sie ihr langes, dunkles Haar lockerte, so dass es ihr Gesicht halb bedeckte, während sie von einer Seite des Raums zur anderen schritt.

»Ich verstehe«, sagte sie und blickte hinauf zur Kuppel des Turms, der jetzt von einem leichten Regen berieselt war. Sie lehnte sich an die Wand der Holo-Bildschirme, den Blick unverwandt auf den Avatara gerichtet. »Wann wird all das geschehen?«

»Einige kleine Veränderungen – unbedeutend, aber dazu angetan, uns in Zukunft viel Zeit zu sparen, wenn sie jetzt durchgeführt werden – geschehen bereits«, sagte er. »Der Rest, der Hauptteil – das kommt später. In ein paar Tagen, vielleicht in einer Woche oder zwei … falls du einverstanden bist.«

Dajeil dachte kurz nach, wobei ihr Gesichtsausdruck abwechselnd mehrere Regungen widerspiegelte, dann lächelte sie. »Heißt das, du bittest mich um meine Zustimmung zu alledem?«

»Sozusagen«, murmelte der Vertreter des Schiffs, senkte den Blick und spielte mit seinen Fingernägeln.

Dajeil ließ ihn das eine Weile lang tun, dann sagte sie: »Schiff, du hast dich hier um mich gekümmert, hast mich gewähren lassen …« – sie bemühte sich, das dunkelgekleidete Geschöpf anzulächeln, obwohl es noch immer in die eingehende Betrachtung seiner Fingernägel versunken war –, »mich während all dieser Zeit bei guter Laune gehalten, und ich kann meine Dankbarkeit nicht in ausreichendem Maß zum Ausdruck bringen oder hoffen, mich für all das jemals angemessen revanchieren zu können, aber ich kann keine Entscheidungen für dich treffen. Du musst tun, was du für richtig hältst.«

Sofort sah das Geschöpf auf. »Dann werden wir jetzt anfangen, die gesamte Fauna zu kennzeichnen«, sagte es. »Das wird es uns zu gegebener Zeit erleichtern, alles einzusammeln. Danach wird es noch ein paar Tage dauern, bevor wir mit dem Verwandlungsprozess beginnen können. Von dem Punkt an …« – er zuckte die Achseln. Das war die menschlichste Bewegung, die sie je an dem Avatara gesehen hatte – »… vergehen vielleicht noch zwanzig oder dreißig Tage, bevor … bevor irgendein Entschluss gefasst wird. Auch das ist schwer zu sagen.«

Dajeil verschränkte die Arme vor der Wölbung ihrer vierzigjährigen, von selbst fortwährenden Schwangerschaft. Sie lächelte schal, und plötzlich konnte sie ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten und blickte durch Tränen und schwarze, wallende Locken hindurch das langgliedrige Geschöpf an, das sich auf ihrer Couch zurechtgefaltet hatte, und sagte: »Also dann, du hast doch bestimmt noch einiges zu erledigen, oder?«

Von der Spitze des regenumtosten Turms sah die Frau dem Avatara nach, dessen Schritte ihn auf dem schmalen Pfad durch die von spärlichen Bäumen bestandene Wasserwiese zum Fuß der Zweikilometer-Klippe zurückführten, die von einem steilen Geröllhang begrenzt wurde. Die dürre, dunkle Gestalt – die ihr halbes Sichtfeld ausfüllte und durch die Vergrößerung körnig erschien – überwand einen letzten großen Steinbrocken am Fuß der Klippe und war dann verschwunden. Dajeil entspannte ihre Augenmuskeln; unterdessen setzte eine Reihe von beinahe instinktiven Routinevorgängen in ihrem Gehirn wieder ein. Ihre Sicht normalisierte sich wieder.

Dajeil hob den Blick zu dem verhangenen Himmel. Eine Formation von Kastendrachenwesen schwebte gleich unter der Wolkendecke direkt über dem Turm in der Luft, dunkle rechteckige Formen, die unbeweglich im Grau hingen, als ob sie Wache über sie hielten.

Sie versuchte sich vorzustellen, was sie fühlten, was sie wussten. Es gab Methoden, sich direkt in ihre Gehirne hineinzutasten, Wege, die virtuell bei Menschen niemals benutzt wurden und deren Anwendung selbst bei Tieren im Allgemeinen stirnrunzelnd beurteilt wurde, proportional abhängig vom Intelligenzgrad der Tiere, aber es gab sie, und das Schiff würde ihr erlauben, sie anzuwenden, wenn sie darum bäte. Außerdem gab es Möglichkeiten, dass das Schiff beinah perfekt simulierte, was solche Geschöpfe erlebten, und sie hatte diese Techniken oft genug angewandt, um ein menschliches Äquivalent dieses Nachahmungsprozesses in ihr eigenes Gehirn übertragen zu lassen, und diesen Prozess erflehte sie jetzt, jedoch vergebens, wie sich herausstellte. Sie war zu erregt, zu sehr abgelenkt von den Dingen, die Amorphia ihr eröffnet hatte, um sich konzentrieren zu können.

Stattdessen versuchte sie, sich das Schiff als Ganzes vor eben diesem geschulten inneren Auge vorzustellen, indem sie sich an die Gelegenheiten erinnerte, da sie das Gefährt von seinen Außenmaschinen aus oder während des Umfliegens gesichtet hatte, in dem Bemühen, sich die Veränderungen vor Augen zu führen, für die es sich derzeit schon vorbereitete. Sie nahm an, dass sie aus einer Entfernung, die es einem erlaubte, das ganze Schiff zu sehen, nicht zu erspähen sein würden.

Sie ließ den Blick, schweifen, erfasste die große Klippe, die Wolken und das Meer, die Dunkelheit des Himmels. Er wanderte über die Wellen, das Marschland und die Wasserwiesen unterhalb des Gerölls und der Klippe. Sie rieb sich gedankenverloren den Bauch, wie sie es seit beinahe vierzig Jahren zu tun pflegte, und grübelte über die Bedeutungslosigkeit der Dinge nach und darüber, wie schnell Veränderungen eintreten konnten, selbst bei etwas, das anscheinend für die Ewigkeit angelegt war.

Aber andererseits wusste sie nur allzugut, je mehr man sich einbildete, etwas würde unendlich andauern, als desto vergänglicher stellte es sich oftmals heraus.

Plötzlich wurde sie sich überdeutlich ihrer Rolle, ihrer Position hier bewusst. Sie sah sich selbst und den Turm vor sich, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Schiffs; außerhalb seines Hauptrumpfes – klar umrissen, eine Erscheinung für sich, geradseitig und genau in Kilometern gemessen –, aber innerhalb der gewaltigen Umhüllung aus Wasser, Luft und Gas, die es innerhalb der mannigfachen Schichten seiner Felder enthielt (sie stellte sich die Kraftfelder manchmal so ähnlich wie die Reifröcke, Unterkleider, Pluderhosen, Volants und Spitzen eines altertümlichen Festtagsgewandes vor). Eine Schwarte aus Kraft und Masse, in einem riesigen Löffelvoll Meer schwimmend, den größten Teil des wuchtigen Rumpfes der Luft und den Wolken ausgesetzt, die die mittlere Schicht bildeten und um die sich die Sonnenlinie jeden Tag bog, und alles überkuppelt von dem langen, im Feld enthaltenen Druckbehälter aus glühender Hitze, gewaltigem Druck und zermalmender Schwerkraft, der die Bedingungen eines Gasgigantenplaneten simulierte. Ein Raum, eine Höhle, eine hohle Hülle von hundert Kilometern Länge, durchs All rasend, mit dem Schiff als riesigem, abgeflachtem Kern. Ein Kern – eine umschlossene Welt innerhalb dieser Welt –, in den sie seit neununddreißig dieser vierzig unveränderten Jahre keinen Fuß gesetzt hatte, da sie nicht den geringsten Wunsch verspürte, diese unendliche Katakombe der schweigenden Untoten jemals wiederzusehen.

Alles sollte sich ändern, dachte Dajeil Gelian; alles sollte sich ändern, das Meer und der Himmel würden zu Stein werden, oder zu Stahl …

Der schwarze Vogel Gravious ließ sich neben ihrer Hand auf der steinernen Brüstung des Turms nieder.

»Was ist los?«, krächzte er. »Irgend was ist im Busch, das merke ich. Also, was ist es? Worum geht es?«

»Ach, frag doch das Schiff«, wies sie ihn ab.

»Hab’s bereits gefragt. Es verrät nichts, nur dass Veränderungen bevorstehen, wohl oder übel.« Der Vogel schüttelte den Kopf, als ob er etwas Ekelhaftes von seinem Schnabel wegschleudern wollte. »Ich mag keine Veränderungen«, sagte er. Er legte den Kopf schief, um den Blick seiner dunklen Perlenaugen auf die Frau zu richten. »Also, welche Veränderungen sollen das sein, he? Was haben wir zu erwarten? Worauf können wir uns freuen, he? Hat er dir was gesagt?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete sie, ohne den Vogel anzusehen. »Nein, eigentlich nicht.«

»Hm.« Der Vogel musterte sie noch eine Weile, dann verdrehte er den Kopf wieder, um auf die Salzmarsch hinauszublicken. Er sträubte das Gefieder und erhob sich auf seine dünnen schwarzen Beine. »Also dann«, sagte er. »Der Winter kommt. Hab keine Zeit zu verlieren. Muss mich vorbereiten.« Der Vogel schwang sich in die Luft. »Es gibt ’n Haufen Dinge zu tun …«, hörte sie ihn murren. Er breitete die Flügel aus und flog in einer engen Kurve davon.

Dajeil Gelian blickte erneut zu den Wolken und dem Himmel jenseits davon hinauf. Alles sollte sich ändern, und das Meer und der Himmel würden zu Stein werden, oder zu Stahl … Sie schüttelte wieder den Kopf und fragte sich, welche extremen Bedingungen das große Gefährt, das seit so langer Zeit ihre Heimat und ihre Zuflucht war, so sehr erschüttert haben mochten.

Was auch immer; nach vier Jahrzehnten seines Zustands des selbstauferlegten inneren Exils, seinen eigenen launischen Kurs in einer auserwählten Wildnis steuernd, als Teil der Jenseitigkeit der Zivilisation, und hervorragend als Verwahrungsort für bewegungslose Seelen und sehr große Tiere dienend, hörte es sich so an, als ob das Allgemeine Transport-System namens Sleeper Service wieder anfangen würde zu denken und sich ein wenig mehr wie ein Schiff zu benehmen, das der Kultur angehörte.

1 Ein außerkontextuelles Problem

I

(AKE Grauzone Signal-Sequenz Datei #n428857/119)

[Kipp-/Dichtstrahl, M16.4, Eingang @ n4.28.857.3644]

x ASF Ehrlicher Fehler

o AKE Grauzone

Sieh dir das an:

(Signal-Sequenz #n428855/1446, Umschaltung:)

1) [Sendestrang, Mclear, Eingang @ n4.28.855.0065 + ]:

!*11505.∞

2) [Kippstrahl M1, Eingang @ n4.28.855.0066-]:

BEA.

C2314992 + 52

x WWS @ n4.28.855.

3) [Kippstrahl, M2, Umschaltung, Eingang @ n4.28.855.0079-]:

x AKE Wundersame Wege Des Schicksals

o ASF Moralgefälle

& auf Anfrage:

Bedeutsame Entwicklungsmäßige Anomalität.

C4629984 + 523

(@ n28.855.0065.43392).

4) [Dichtstrahl, M16, Umschaltung, Eingang @ n4.28.855.0085]:

x AKE Wundersame Wege Des Schicksals

o ASF Moralgefälle & nur auf Anfrage:

Entwicklungsmäßige Anomalität vorläufig angesetzt bei ÄqT, potentiell gefährlich, hier gefunden C9259969 + 5331.

Mein Status: L5 gesichert, Tendenz zu L6^.

Einleitung aller anderen Extremsicherheitsmaßnahmen.

5) [Ausstrahlung Mclear, Eingang @ n4.28.855.01.]:

* x AKE Wundersame Wege Des Schicksals

o ASF Moralgefälle

& * Ausstrahlung *:

Betreff 3 Vorgang-Kompacs & vorherige Ausstrahlung.

Panik vorüber.

Fehlinterpretation meinerseits.

Es handelt sich um ein Skapsil-Sprungschiff.

Ohne Schwindel.

Entschuldigung.

Umfassender Interner Bericht folgt sofort im Höchstpeinlichkeitsfaktor-Code.

BSAE.G&E.ZAA.

(Ende der Signal-Sequenz.)

x AKE Grauzone

o ASF Ehrlicher Fehler

Ja. Und?

Noch was.

Das Schiff hat gelogen.

Lass mich raten; das Schiff wurde tatsächlich umgekrempelt. Es gehört nicht mehr zu uns.

Nein, seine Integrität wird für unversehrt gehalten.

Aber im letzten Signal hat es gelogen, und zwar aus gutem Grund.

Vielleicht haben wir ein AKP.

Vielleicht wollen sie deine Hilfe, um jeden Preis.

Bist du interessiert?

Ein Außerkontextuelles Problem? Wirklich? Na gut.

Halte mich bitte auf dem Laufenden, ja?

Nein.

Es ist ernst.

Ich weiß bis jetzt noch nicht mehr darüber, aber sie machen sich über irgendetwas Sorgen. Deine Anwesenheit wird erforderlich sein, dringend.

So so. Ich habe jedoch zuvor hier noch einiges zu erledigen.

Dummes Kind!

Beeil dich!

Mm-hmm. Falls ich einwillige, wo könnte ich benötigt werden?

Hier.

(Glyphensequenz-Datei beigefügt.)

Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, stammt es vom ITG und betrifft unseren alten Freund.

Ach, wirklich?

Das ist nun allerdings interessant.

Ich bin gleich da.

(Ende der Signaldatei.)

II

Das Schiff bebte; die wenigen übriggebliebenen Lichter flackerten, wurden dunkler und gingen ganz aus. Die Alarmanlagen dopplerten herunter bis zur Stille. Eine Reihe von heftigen Stößen durchlief die Schalenwände des Kajütgangs und hallte im zweiten und ersten Personalgefüge wider. Die Atmosphäre pulsierte von Aufprallechos; ein Windbö fauchte, verschwand. Die wabernde Luft trug Brand- und Verdampfungsgeruch mit sich; Aluminium, polymere Stoffe, in Verbindung mit Kohlefaser und Diamantfilm, supraleitfähige Kabel.

Irgendwo hörte die Drohne Sisela Ytheleus ein menschliches Rufen; dann folgte ein Stimmsignal, ähnlich dem von der Luft getragenen, das wild über die elektromagnetischen Frequenzen ausgestrahlt wurde. Augenblicklich wurde es verfälscht und schnell zu einem unverständlichen Rauschen vermindert. Das menschliche Rufen verwandelte sich in ein Schreien, dann brach das elektromagnetische Signal ab; das gleiche galt für den Ton.

Strahlenstöße trafen aus verschiedenen Richtungen ein, virtuell informationsfrei. Das Trägheitsfeld des Schiffs schwankte unsicher, fing sich aber wieder und stabilisierte sich. Eine Hülle mit Neutrinos huschte durch den Raum um den Kajütgang herum. Geräusche verebbten. Elektromagnetische Zeichen kamen murmelnd zum Schweigen; die Motoren und die wichtigsten Lebenserhaltungssysteme des Schiffs waren ausgeschaltet. Das gesamte elektromagnetische Spektrum war aller Aussage entleert. Wahrscheinlich hatte sich die Schlacht jetzt auf den die Künstliche Intelligenz enthaltenden Kern und die photonischen Sicherungsspeicher verlagert.

Dann schoss ein Energieschub durch ein in der hinteren Wand versenktes Mehrzweckkabel, wild oszillierend, um sich dann zu einem gleichmäßigen, vollkommen nichtssagenden Muster zu ordnen. Ein innerer Kamerafleck auf einem Strukturbalken in der Nähe erwachte und begann seine Abtastung per Scanner.

So schnell kann es doch nicht vorbei sein, oder?

In ihrem Versteck im Dunkeln vermutete die Drohne, dass es bereits zu spät war. Sie sollte warten, bis der Angriff seinen Höhepunkt erreicht hätte und der Angreifer denken würde, dass es nur noch ein Aufbäumen des letzten Bodensatzes von Widerstand sei, bevor er in Aktion treten würde, aber der Angriff war zu plötzlich erfolgt, zu überwältigend, zu schlagkräftig. Die Pläne, die das Schiff ausgearbeitet hatte und von denen sie ein so wichtiger Bestandteil war, konnten nur soundsoviel vorausberechnen, nur ein um soundsoviel größeres technisches Vermögen auf Seiten des Angreifers einräumen. Von einem bestimmten Punkt an gab es nichts mehr, was man hätte tun können; es gab keinen genialen Plan mehr, den man hätte entwerfen, und keine listige Strategie, die man hätte anwenden können, ohne dass sie einem in grundsätzlichen Dingen weiterentwickelten Feind lachhaft einfältig und naiv erschienen wäre. In diesem Augenblick befanden sie sich vielleicht noch nicht ganz an dem kritischen Wendepunkt, wo Widerstand völlig sinnlos wurde, aber – angesichts der Leichtigkeit, mit der das Elench-Schiff eingenommen wurde –, sie waren auch nicht mehr weit davon entfernt.

Bleib ruhig, ermahnte sich die Maschine. Behalte den Überblick; stelle dies und dich selbst in den Zusammenhang. Du bist vorbereitet, du bist abgehärtet, du bist abgesichert. Du wirst alles in deiner Macht Stehende tun, um so zu überleben, wie du bist, oder zumindest nicht unterzugehen. Es gibt einen Plan, der hier in Kraft treten soll. Spiel deine Rolle mit Geschick, Mut und Ehrenhaftigkeit, und keiner der Überlebenden und Erfolgreichen wird irgendetwas Schlechtes über dich denken.

Die Elencher hatten viele tausend Jahre damit verbracht, sich gegen jede Art von Technik und jedes zivilisatorische Artefakt abzuschotten, die der weite Raum der größeren Galaxis bot, immer danach trachtend, lieber zu verstehen als zu übertrumpfen, lieber selbst Veränderungen durchzumachen als anderen Veränderungen aufzuzwingen, sich mit den Besseren zu vereinen und an ihren Errungenschaften teilzuhaben, anstatt ihrerseits andere mitzureißen und ihnen etwas zu vermitteln, und dadurch und durch diesen verhältnismäßig friedfertigen modus operandi waren sie vielleicht mehr als alle anderen zu Meistern darin geworden – mit der möglichen Ausnahme der bedeutenden Gruppe halbmilitärischer Botschafter der Kultur, die als Kontaktabteilung bekannt war –, einem direkten Angriff standzuhalten, ohne dem Anschein nach eine Bedrohung darzustellen; aber obwohl die Galaxis von so vielen unterschiedlichen Forschern in jede erdenkliche Primärrichtung zu jeder auch noch so fernen Peripherie durchdrungen worden war, blieben beträchtliche Bereiche dieser in sich geschlossenen Arena effektiv unerforscht von den gegenwärtig sprießenden Mitmisch-Zivilisationen, einschließlich der Elencher (wie sehr diese Region und das Gebiet darüber hinaus von den älteren Spezies durchschaut wurde und ob sie sich überhaupt dafür interessierten, war schlichtweg unbekannt). Und in diesem alles verschluckenden riesigen Hohlkörper, in diesem Raum zwischen den Räumen zwischen den Sternen, um die Sonnen, Zwerge, Nebulae und Löcher herum, über den aus einiger Entfernung bestimmt worden war, dass ihm keine direkte Bedeutung zukam oder Bedrohung von ihm ausging, war es natürlich immer möglich, dass irgendeine Gefahr lauerte, vergleichsweise klein nach dem physikalischen Maßstab der gegenwärtigen aktiven Zivilisationen der Galaxis, aber dennoch fähig – aufgrund einer entwicklungsmäßigen Eigenart oder als Folge einer Form von weltlichem Limbo oder eines exklusionären Schlafzustandes –, es mit einer Gesellschaft aufzunehmen oder sie sogar zu übertreffen, die technisch so fortgeschritten und in Kontaktaufnahme so erfahren war wie die Elencher.

Die Drohne war innerlich ruhig und dachte so kühl und entspannt nach, wie sie es in diesen wenigen Augenblicken konnte, vor dem Hintergrund ihrer gegenwärtigen Zwangslage. Sie war vorbereitet, sie war bereit, und sie war keine gewöhnliche Maschine; sie entsprach dem Gipfel der Technik dieser Zivilisation, dafür konstruiert, jeder Aufspürung durch noch so raffinierte Instrumente zu entgehen, unter nahezu unvorstellbaren Bedingungen zu überleben, es mit buchstäblich jedem Gegner aufzunehmen und in konzentrischen Stadien des Widerstandes praktisch jeden erlittenen Schaden wettzumachen. Dass ihr Schiff, ihr Hersteller, die einzige Wesenheit, die sie wahrscheinlich besser kannte als sie sich selbst, anscheinend in diesem Augenblick korrumpiert, verführt, besiegt war, durfte ihre Urteilskraft oder ihr Selbstvertrauen nicht beeinträchtigen.

Der Displacer, dachte sie. Ich brauche lediglich in die Nähe des Displacer-Kokons zu kommen, das ist alles …

Dann spürte sie, wie ihr Körper gescannt wurde, und zwar von einem engbegrenzten Punkt aus, der nahe beim KI-Kern des Schiffes platziert war, und sie wusste, dass ihre Zeit gekommen war. Der Angriff war ebenso elegant wie ungestüm, und die Übernahme so unvermittelt, dass es an Gleichzeitigkeit grenzte; die Kampftaktik der einfallenden fremden Bewusstseine wurde unterstützt durch den Denkprozess und das übertragene Wissen des inzwischen offensichtlich vollkommen überwältigten Schiffs.

Ohne Pause, um auch den geringsten zeitlichen Raum für einen Fehler auszuschließen, verschob die Drohne ihre eigene Persönlichkeit aus ihrem KI-Kern in ihren Sicherungsspeicher und machte gleichzeitig die Signalkaskade bereit, die ihre wichtigsten Pläne, Programme und Instruktionen zuerst an den elektronischen Nanoschaltkreis und dann an das atomechanische Substrat übermitteln würde, und schließlich – als absolut letzte Zuflucht – an ein freches kleines (obwohl mit seinen mehreren Kubikzentimetern immer noch verschwenderisch großes) halbbiologisches Gehirn. Die Drohne ließ das, was ihr echtes Gehirn gewesen war, verstummen und schaltete es aus, der einzige Ort, an dem sie während ihres ganzen Lebens jemals wirklich existiert hatte, und ließ das Bewusstseinsmuster, welches auch immer dort Wurzeln geschlagen haben mochte, an Energiemangel zugrunde gehen, wobei sich das zusammenbrechende Bewusstsein in Form von schwachen, informationslosen ausströmenden Neutrinos dem neuen Geist der Maschine aufpfropfte.

Die Drohne bewegte sich bereits; heraus aus der Körpernische in der Wand und in den Kajütgang. Sie beschleunigte im Korridor und spürte, wie sie vom Blick des Flecks der Deckenstrahlkamera verfolgt wurde. Strahlungsfelder glitten über den militarisierten Körper der Drohne, streichelnd, tastend, eindringend. Eine Inspektionsluke platzte direkt vor der Drohne in dem Kajütgang, und etwas explodierte heraus; Kabel brachen frei und füllten sich bis zum Überfließen mit elektrischem Strom. Die Drohne zoomte näher und schwenkte dann ab; eine Stromentladung knisterte direkt über der Maschine durch die Luft und brannte ein Loch in die gegenüberliegende Wand; die Drohne wand sich durch das Wrack und powerte weiter durch den Korridor, wandte sich flach in ihre Reiserichtung und streckte ein Aktionsfeld durch die Luft, um an einer Ecke zu bremsen, dann prallte sie von der gegenüberliegenden Wand ab und beschleunigte einen anderen Kajütgang hinauf. Es war einer der Querachsen-Korridore, und entsprechend lang. Die Drohne erreichte in der für Menschen atembaren Atmosphäre schnell die Schallgeschwindigkeit; eine Notöffnung schlug eine ganze Sekunde, nachdem sie hindurch war, hinter ihr zu.

Ein Raumanzug schoss aus einem abfallenden senkrechten Röhrengang am Ende des Kajütgangs hoch, krümmte sich zum Halt, bäumte sich dann auf und stolperte heraus, um sich der Maschine in den Weg zu stellen. Die Drohne hatte den Anzug bereits unter die Lupe genommen und festgestellt, dass er leer und unbewaffnet war; sie ging geradewegs durch ihn hindurch und ließ die zappelnden Hälften wie einen in sich zusammengesackten Ballon am Boden und an der Decke zurück. Die Drohne warf ein zweites Aktionsfeld um sich herum, um sich dem Durchmesser des Kajütgangs anzupassen, und ritt auf einem Zapfen aus verdichteter Luft beinahe im Stand, dann bog sie um die nächste Ecke und beschleunigte wieder.

Eine menschliche Gestalt in einem Raumanzug lag auf halber Strecke im nächsten Korridor, in dem der Druck schnell zunahm, begleitet von einem fernen Dröhnen von Gas. Rauch erfüllte den Kajütgang in der Ferne, dann entzündete er sich, und die Mischung verschiedener Gase explodierte und breitete sich in der Röhre aus. Der Rauch war für die Drohne durchsichtig und viel zu kühl, um ihr irgendwie zu schaden, aber die sich verdichtende Atmosphäre verlangsamte sie allmählich, was zweifellos genau die Absicht war, die dahintersteckte.

Die Drohne nahm den Menschen und den Anzug so gut sie konnte unter die Lupe, während sie sich ihm durch den rauchgefüllten Korridor näherte. Sie kannte die Person in dem Anzug gut; der Mann war seit fünf Jahren auf dem Schiff. Der Anzug war nicht mit Waffen ausgestattet; seine Systeme schwiegen, waren zweifellos jedoch bereits eingenommen worden; der Mann stand unter Schock und unter starken chemischen Beruhigungsmitteln aus der Medizineinheit des Anzugs. Als sich die Drohne dem Anzug näherte, hob er einen Arm der Maschine entgegen, woraufhin diese langsamer wurde. Einem Menschen wäre es so vorgekommen, als bewegte sich der Arm unglaublich schnell, zu der Maschine hinzuckend, aber auf die Drohne wirkte die Geste geschmeidig, beinahe lässig; bestimmt war dies nicht die einzige Drohgebärde, zu der der Anzug fähig war.

Die Drohne wurde nur den Bruchteil einer Sekunde vor dem Explodieren der Waffe des Anzugs gewarnt; bis zu diesem Augenblick war das Gewehr von den Sinnen der Maschine nicht einmal wahrgenommen worden, da sie irgendwie abgeschirmt gewesen war. Die Zeit reichte nicht, um anzuhalten, sie hatte keine Gelegenheit, den eigenen elektromagnetischen Effektor auf die Steuerung des Gewehrs anzusetzen, um sie am Nachladen zu hindern, keine Möglichkeit, in Deckung zu gehen, und – in dem dichten Gasdunst, der durch den Korridor strömte – keine Chance, durch Beschleunigung der Gefahr zu entgehen. Im selben Augenblick schwankte das Trägheitsfeld des Schiffes erneut, und es vollführte eine Vierteldrehung; plötzlich war unten direkt hinter der Drohne, und die Kraft des Feldes verdoppelte sich und verdoppelte sich dann noch einmal. Die Kanone zündete und riss den Anzug und den Menschen, den er enthielt, auseinander.

Die Drohne achtete nicht auf den Rückwärtszug, der durch die neuorientierte Schwerkraft des Schiffs entstanden war, und krachte gegen die Decke, wo sie einen halben Meter weit daran entlang rutschte und gleichzeitig ein konisch geformtes Feld direkt hinter sich herstellte.

Die Explosion riss die innere Hülle des Kajütgangs auseinander und schlug die Drohne so hart gegen die Decke des Korridors, dass deren sicherungsspeicherndes halbbiochemisches Gehirn zu einem nutzlosen Brei zermatscht wurde; dass sie von keinen größeren Schrapnellsplittern getroffen wurde, musste als kleineres Wunder gelten. Die Explosion traf das konische Feld der Drohne und machte es flach, jedoch nicht bevor genügend von seiner Energie durch das innere und äußere Material der Hülle des Kajütgangs gelenkt worden war, als anständige Verkörperung einer Detonation zielgerecht geformter Ladung. Die Auskleidung des Korridors bekam Löcher und riss, um einen Abzug für die Gaswolken zu bieten, die immer noch in den Kajütgang strömten; sie brachen hinaus in die druckverminderten äußeren Ladeschotts. Die Drohne hielt für einen Augenblick inne, ließ in einem Gashurrikan Schutt an sich vorbeiziehen, beschleunigte in dem dadurch entstehenden Halbvakuum erneut, schenkte der Fluchtbahn, die sich hinter ihr geöffnet hatte, keine Beachtung und flitzte zur nächsten Kajütgangkreuzung. Der ausgeschaltete Displacer-Kokon, zu dem die Drohne unterwegs war, hing außerhalb des Schiffsrumpfes, nur zehn Meter hinter der nächsten Biegung.

Die Drohne kurvte durch die Luft, prallte an einer weiteren Wand und dem Boden ab und hastete in den Kajütgang in der Rumpfwand, wo sie auf eine ihr ähnelnde Maschine traf, die kreischend auf sie zu raste.

Sie kannte diese Maschine ebenfalls; sie beide waren Zwillinge. Sie war für sie Bruder/Schwester/Freund(in)/Geliebte(r)/Kamerad(in) in der ganzen großen, weit verteilten, sich ständig wandelnden Zivilisation, die der Elench war.

Röntgenstrahlen flackerten von der herannahenden Maschine, nur wenige Millimeter über der Drohne, und verursachten eine Detonation irgendwo weit hinter ihr, während sie ihre Spiegelschilde anknipste, in die Luft hüpfte, ihr altes KI-Herz und die halbbiochemische Einheit in die Luft abstieß und in einer auswärts gerichteten Schleife herumwirbelte, um den Weg durch den Kajütgang fortzusetzen; die zwei Komponenten, die sie abgestoßen hatte, leuchteten unter ihr auf, verdampften sofort und umgaben sie mit Plasma. Sie feuerte ihre eigenen Laserstrahlen auf die sich nähernde Drohne ab – die Explosion wurde von den Spiegeln abgehalten, knospend wie feurige Blüten, die gegen die Korridorwände antobten und diese durchbohrten – und machte die Steuerung des Displacer-Kokons unwirksam.

Der Angriff auf seinen photonischen Kern erfolgte im selben Augenblick, in dem er sich als wahrnehmbare Störung in dem Raum-Zeit-Stoff manifestierte und die innere Struktur des Leicht-Energie-Gehirns von außerhalb des normalen Raums verfälschte. Sie benutzt ihre Motoren, dachte die Drohne mit benommenen Sinnen; ihr Bewusstsein schien zu zerbrechen und sich irgendwie zu verflüchtigen, während sie wirkungsvoll die Besinnung verlor. Fm-am!, schrie eine winzige, vor langer Zeit ausgedachte Subroutine. Sie spürte, wie sie sich auf Amplitudenmodulation anstatt Frequenzmodulation umschaltete; die Realität klickte wieder in Scharfeinstellung, obwohl ihre Sinne immer noch zusammenhanglos blieben und ihr ihre Gedanken immer noch seltsam vorkamen. Aber wenn ich nicht anders reagiere … Die andere Drohne feuerte wieder auf sie und zoomte im Abfangflug in ihre Richtung. Rammen. Wie unelegant. Die Drohne spiegelte die Strahlen ab, sich immer noch weigernd, ihre innere photonische Topographie den sich wild verändernden Wellenlängen anzupassen, die in ihrem Gehirn Aufmerksamkeit forderten.

Der Displacer-Kokon auf der anderen Seite des Schiffsrumpfes erwachte summend zum Leben; eine Reihe von Koordinaten, die der gegenwärtigen Position der Drohne entsprachen, erschien flackernd im Bewusstsein der Drohne, beschrieb den Umfang des Raums, der von der Oberfläche des normalen Universums abgeknipst und weit hinter das gebeutelte Elench-Schiff geschleudert werden würde. Verdammt, ich kann es immer noch schaffen; lass dich einfach mitrollen, dachte die Drohne benommen. Sie rollte, buchstäblich, physikalisch, in der Luft.

Licht, das rings um sie herum aufleuchtete und die Anzeichen von Plasmafeuer trug, trommelte auf ihr Gehäuse, mit einer Wucht, die dem Druck einer kleinen Kernexplosion zu gleichen schien. Ihre Felder spiegelten, was sie nur konnten; der Rest röstete die Maschine zur Weißglut und sickerte allmählich in ihren Körper, wo sie sich an die Zerstörung der verletzlicheren Bestandteile machte. Immer noch hielt sie stand, vollendete ihre Rolle durch die supererhitzten Gase um sie herum – überwiegend verdampfte Bodenfliesen, wie sie bemerkte –, wich dem speerartig auf sie zuschießenden Gebilde aus, das ihr mörderischer Zwilling war, stellte fest (jetzt beinahe träge), dass der Displacer-Kokon inzwischen seinen Kraftakt vollendet hatte und sich in Richtung Anklammerung/Entladung bewegte – während sein Geist unfreiwillig die Information registrierte, die in dem Ausbruch von Strahlung enthalten war, und schließlich unter der Kraft des darin verschlüsselten Sinns klein beigab.

Sie hatte das Gefühl, unter Zurücklassung ihrer wahren Persönlichkeit in zwei Stücke gespalten worden zu sein, der überwältigenden Macht der Absichten ihres photonischen Kerns zu erliegen und langsam, sich kaum des abstrakten Echos der eigenen Existenz bewusst, zu einem unbeholfenen elektronischen Gebilde zu werden.

Der Displacer auf der anderen Seite des Rumpfes vollendete seinen Kreis; er griff sich ein umgebendes Feld und verschlang auf der Stelle eine Raumkugel, nicht viel größer als ein Menschenkopf. Der dadurch ausgelöste Knall wäre an jedem anderen Ort ungeheuer laut gewesen, jedoch nicht so sehr in dem Chaos, den die Schlacht an Bord verursacht hatte.

Die Drohne – kaum größer als die zusammengelegten Hände eines erwachsenen Menschen – fiel qualmend und glühend gegen die Seitenwand des Kajütganges, die jetzt genau gesagt der Boden war.

Die Schwerkraft normalisierte sich wieder, und die Drohne plumpste zum eigentlichen Boden und tapste weiter zu der von Hitze gezeichneten Unterfläche unter dem Kamin, die ein senkrechter Kajütgang war. Etwas tobte im echten Gehirn der Drohne, abgeschieden hinter Mauern. Etwas Kraftvolles und Zorniges und Entschlossenes. Die Maschine produzierte ein gedankliches Äquivalent zu einem Seufzer oder einem Achselzucken und befragte ihren atomechanischen Kern, nur der guten Ordnung halber … aber dieser Weg war von der Hitze unheilbar zerstört … nicht, dass das wichtig gewesen wäre; es war vorbei.

Ganz und gar vorbei.

Fertig …

Dann grüßte das Schiff es, völlig normal, über seinen Kommunikator.

Also, warum hast du das nicht gleich zu Anfang versucht?, dachte die Drohne. Nun ja, antwortete sie sich selbst, weil ich natürlich nicht geantwortet hätte. Sie war nahe daran, das lustig zu finden.

Aber sie konnte nicht antworten; der Sender der Kommunikationseinheit war ebenfalls durch die Hitze zerstört worden. Also wartete sie.

Gas zog ab, Material kühlte sich ab, anderes Material verdichtete sich und zeichnete hübsche Muster auf den Boden. Sachen quietschten, Strahlungen spielten, und dunstige elektromagnetische Anzeigen wiesen darauf hin, dass die Motoren und Hauptsysteme des Schiffs wieder in Betrieb waren. Die Hitze, die sich einen Weg durch den Körper der Drohne bahnte, löste sich allmählich auf und ließ sie lebendig, aber dennoch verkrüppelt und bewegungs- und handlungsunfähig zurück. Sie würde Tage brauchen, um die Routinevorgänge zu laden, die überhaupt erst anfangen würden, die Mechanismen zu ersetzen, die die selbstwiederherstellenden Nano-Einheiten konstruieren würden. Auch das kam ihr irgendwie lustig vor. Das Schiff gab Geräusche und Signale von sich, als ob es wieder durch den Raum wegfliegen würde. Unterdessen tobte das Ding im wirklichen Gehirn der Drohne weiter. Es war, wie neben einem lauten Nachbarn zu wohnen oder Kopfweh zu haben, dachte die Drohne. Sie wartete weiter.

Schließlich erschien am anderen Ende des senkrechten Kajütgangs über ihr eine schwere Wartungseinheit, etwa von der Größe eines menschlichen Torsos, begleitet von einem Trio kleiner selbstmotivierter Effektorseitenarme, und schwebte durch die Strömungen aufsteigenden Gases hinab, bis sie sich direkt über dem kleinen, pusteligen, qualmenden und gesplitterten Gehäuse der Drohne befand. Die Zielgeräte der Waffen des Effektors richteten sich während des gesamten Wegs abwärts auf die Drohne.

Dann lud eine der Kanonen und schoss auf die kleine Maschine.

Scheiße. Kurze Bit-Zusammenfassung … hatte die Drohne noch Zeit zu denken.

Aber der Effektor hatte lediglich genügend Energie für einen Zweiwege-Kommunikationskanal.

: Hallo?, sagte die Wartungseinheit durch die Kanone.

: Ebenfalls hallo.

: Die andere Maschine ist weg.

: Ich weiß; mein Zwilling. Erwischt. Von einem dieser großen Displacer-Kokons weit weggeschleudert, etwas so Kleines. Außerdem einmalige Koordinaten. Nicht zu finden …

Die Drohne wusste, dass sie Unfug daherplapperte, wahrscheinlich stand ihr elektronisches Gehirn unter der Einwirkung des Effektors und war zu verdammt blöd, um es zu merken, und eine Nebenwirkung war dieses Geplapper, aber sie konnte nicht damit aufhören:

: Echt, total weg. Wesenheit über Bord. Verschollen. Nicht zu finden. Es hat überhaupt keinen Sinn zu suchen. Es sei denn, natürlich, du möchtest, dass ich in die Bresche springe; ich könnte einen Blick darauf werfen, wenn das in deinem Sinne ist, wenn dem Kokon noch daran liegt; mir persönlich würde es nichts ausmachen …

: War es deine Absicht, dass alles so kommen sollte?

Die Drohne erwog zu lügen, aber jetzt spürte sie die Waffe des Effektors im Gehirn und wusste, dass nicht nur die Waffe und die Wartungsdrohne, sondern auch das Schiff und was immer von ihnen allen Besitz ergriffen haben mochte, sehen konnte, dass sie erwog zu lügen … sie spürte, dass sie wieder sie selbst war, aber sie wusste auch, dass sie keine Verteidigungswaffen übrig hatte, also sagte sie matt:

: Ja.

: Von Anfang an?

: Ja, von Anfang an.

: Wir finden keine Spur dieses Plans im Gehirn deines Schiffs.

: Na ja, dann also nar-nar-nar-Scheiß-nar-nar für dich, Arschgehirn.

: Vielsagende Beleidigung. Hast du Schmerzen?

: Nein. Hör mal, wer bist du eigentlich?

: Dein Freund.

: Das glaube ich nicht; ich dachte, dieses Schiff sei klug, aber es wird von jemandem eingenommen, der daherredet wie eine hegemonistische Bande aus einem Kindermärchen.

: Darüber können wir uns später unterhalten, aber welchen Sinn sollte es gehabt haben, deine Zwillingsmaschine außerhalb unserer Reichweite zu versetzen anstatt dich selbst? Sie gehörte uns, nicht wahr? Oder ist uns etwas entgangen?

: Euch ist etwas entgangen. Die Displacer-Maschine war darauf programmiert … ach, lest doch einfach in meinem Gehirn nach. Ich habe keine Schmerzen, aber ich bin müde.

Kurzes Schweigen. Dann:

: Ich verstehe. Der Displacer kopierte dein Geistessubstrat auf die Maschine, die er auswarf. Deshalb war dein Zwilling so günstig platziert, um dich abzufangen, als wir erkannten, dass du noch nicht vollständig uns gehörtest und es vielleicht mittels des Displacers einen Ausweg geben könnte.

: Man sollte stets auf alle Eventualitäten vorbereitet sein, selbst wenn man durch eine Ladung von größeren Kanonen benebelt wird.

: Nun ja, treffend bemerkt. Ehrlich gesagt, ich glaube, deine Zwillingsmaschine ist durch die Plasma-Implosion, die eigentlich dir gegolten hatte, schwer verletzt worden, und da du nichts anderes versucht hast, als uns zu entkommen, anstatt dir eine neue Angriffsmethode gegen uns einfallen zu lassen, kommt der Angelegenheit ohnehin keine allzu große Bedeutung zu.

: Sehr überzeugend.

: Aha, Sarkasmus. Na ja, macht nichts. Komm jetzt und schließe dich uns an.

: Habe ich in dieser Hinsicht eine Wahl?

: Ach, möchtest du lieber sterben? Oder meinst du, wir würden zulassen, dass du dich so wiederherstellst, wie du bist/warst, damit du uns in Zukunft angreifst?

: Ich wollte es nur genau wissen.

: Wir werden dich dem harten Kern des Schiffes überschreiben, zusammen mit den anderen, die die Sterblichkeit erlitten.

: Und die Menschen, die Säugetiermannschaft?

: Was soll mit denen sein?

: Sind sie tot, oder gehören sie zum Kern?

: Sie gehören ausnahmslos dem Kern an, einschließlich desjenigen, dessen Waffe wir bei dem Versuch, dich aufzuhalten, angewendet haben. Die anderen schlafen mit inaktiven Kopien ihres Geistessubstrats zu Studienzwecken im Kern. Wir haben nicht die Absicht, sie zu zerstören, falls dir das Sorge bereitet. Liegt dir im Besonderen an ihnen?

: Ich konnte die tintenfischartigen, großen, trägen Klumpen noch nie ausstehen.

: Was für eine rohe Maschine du bist. Komm jetzt …

: Ich bin eine Soldaten-Drohne, du Missgeburt; was erwartest du? Und überhaupt, ich bin roh! Ich habe gerade mein Schiff und all meine Freunde und Kameraden verloren, und du nennst mich roh …

: Du hast auf einem überfallmäßigen Kontakt bestanden, nicht wir. Es hat überhaupt keine Totalverluste an Geistessubstrat gegeben, außer denen, die dein Displacer angerichtet hat. Aber lass mich all das in mehr Ruhe und Behaglichkeit erklären …

: Hör mal, kannst du mich nicht einfach töten, damit wir es hinter uns …

Doch bei diesen Worten veränderte die Effektorwaffe auf der Stelle ihre Haltung und saugte – buchstäblich – den Intellekt der kleinen Maschine aus deren zerstörtem und schwelendem Körper.

III

»Byr Genar-Hofoen, mein lieber Freund, sei mir willkommen!«

Oberst Fremdwelt-Befreunder (Erster Klasse) Fivetide Humidyear VII. vom Stamm der Winterjäger warf vier seiner Gliedmaßen um den Menschen und zog ihn fest an seine Mittelmasse, wobei er die Lippenwedel kräuselte und den Vorderschnabel an die menschliche Wange drückte. »Mmmmwwwwah! Da! Ha ha!«

Genar-Hofoen spürte den Kuss des Offiziers der Diplomatischen Truppe durch die Millimeterdicke des Gallertfeld-Anzuges als mäßig heftigen Schlag gegen seinen Kiefer, gefolgt von einem kräftigen Saugen, das jemanden mit weniger Erfahrung in den unterschiedlichsten derben Manifestationen Affronter Freundlichkeit zu dem Schluss geführt hätte, dass das Wesen entweder versuchte, ihm die Zähne durch die Backen auszusaugen, oder entschlossen war herauszufinden, ob ein Gallertfeld-Kontakt-/Schutz-Anzug, Mk 12, durch ein örtlich begrenztes Vakuum seinem Träger vom Leib gerissen werden konnte. Was die zermalmend kräftige viergliedrige Umarmung mit einem Menschen angerichtet hätte, der nicht durch einen Anzug geschützt war, so konstruiert, dass er dem am Meeresboden herrschenden Druck standhielt, war nicht auszudenken. Aber andererseits würde ein Mensch, der ohne Schutz den für die Erhaltung von Affronter-Leben erforderlichen Bedingungen ausgesetzt war, ohnehin auf mindestens drei sich krass unterscheidende, aber gleichermaßen schmerzliche Weisen zu Tode kommen, ohne sich darüber Sorgen machen zu müssen, ob er vielleicht von einem Käfig aus beindicken Tentakeln zerquetscht würde.

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