Familie mit Herz 174 - Lotta Carlsen - E-Book

Familie mit Herz 174 E-Book

Lotta Carlsen

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Mehr als zwei Jahrzehnte war Elisabeth immer für alle da. Mit ihrem "Musterstübchen", ihrem kleinen Laden für zauberhafte selbstentworfene Stoffe, hat sie als Witwe ihre drei Kinder ernährt und ihren eine glückliche Kindheit ermöglicht. Seit die Rasselbande aus dem Haus ist, springt Elisabeth ein, wann immer Not am Mann ist, betreut die Enkel, und selbst die Nachbarskinder rufen nach ‚Oma Lisa‘.
Dass ihre eigenen Bedürfnisse bei all der Fürsorge für ihre Lieben auf der Strecke bleiben, bemerkt sie erst, als ihr ein Frühlingssturm den Pianisten Jan nicht nur in den Laden, sondern auch in ihr Leben bläst. Jan ist kein Unbekannter für Elisabeth - einst, in Studententagen, verband sie eine leidenschaftliche Liebe mit ihm. Und jetzt, viele Jahre später, ist Elisabeth entschlossen, ihrem Liebesleben noch eine Chance zu geben. Nun ist ihre Zeit gekommen, und die will sie in vollen Zügen genießen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 121

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Ü 40 – ab jetzt bin ich dran!

Vorschau

Impressum

Ü 40 – ab jetzt bin ich dran!

Gibt es ein (Liebes)‌leben nach der Familie?

Von Lotta Carlsen

Mehr als zwei Jahrzehnte war Elisabeth immer für alle da. Mit ihrem »Musterstübchen«, ihrem kleinen Laden für zauberhafte selbstentworfene Stoffe, hat sie als Witwe ihre drei Kinder ernährt und ihnen eine glückliche Kindheit ermöglicht. Seit die Rasselbande aus dem Haus ist, springt Elisabeth ein, wann immer Not am Mann ist, und betreut die Enkel, selbst die Nachbarskinder rufen nach ›Oma Elli‹.

Dass ihre eigenen Bedürfnisse bei all der Fürsorge für ihre Lieben auf der Strecke bleiben, bemerkt sie erst, als ihr ein Frühlingssturm den Pianisten Jan nicht nur in den Laden, sondern auch in ihr Leben bläst. Jan ist kein Unbekannter für Elisabeth – einst, in Studententagen, verband sie eine leidenschaftliche Liebe mit ihm. Und jetzt, viele Jahre später, ist Elisabeth entschlossen, ihrem Liebesleben noch eine Chance zu geben. Nun ist ihre Zeit gekommen, und die will sie in vollen Zügen genießen ...

»Mama? Mama bist du das?« Die Stimme von Ann-Kathrin, Elisabeth Wenningers jüngster Tochter, drang laut und vor Erregung zitternd aus ihrem Handy. »Hier ist Ann-Kathrin!«

»Das ist mir nicht entgangen«, erwiderte Elisabeth lachend. »Und ja, da du offensichtlich meine Nummer gewählt hast, bin auch ich es, die sich unter diesem Anschluss meldet. Was kann ich denn für dich tun, mein Schatz?«

Ann-Kathrin, ihre »Kleine«, wie Elisabeth sie für sich noch immer gelegentlich nannte, hatte erst vor Kurzem erfolgreich ihr Studium der Psychologie abgeschlossen und in einer Forschungsabteilung der Freien Universität Berlin ihre erste Stellung angetreten. Elisabeth war umso stolzer auf sie, da Ann-Kathrin während des Studiums Mutter geworden war und Sebastian, ihren kleinen Sohn, allein aufzog. Die kurze Beziehung zu einem Studienkollegen hatte der Belastung nicht standgehalten, und ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Mutter hätte Ann-Kathrin ihr Studium nicht fortsetzen können.

Elisabeth aber half ihrer Jüngsten ebenso gern aus wie ihren beiden älteren Kindern. Sie hatte ihr Dreigespann nach dem plötzlichen Unfalltod von Andreas, ihrem Mann, schließlich selbst allein aufziehen müssen, und wusste nur zu gut, wie schwierig das oft war.

Als junge Frau hatte Elisabeth voller Begeisterung Kunst studiert und sich auf Design spezialisiert. Als Designerin hätte sie damals jedoch unmöglich eine Anstellung finden können, die sich mit der Betreuung von drei kleinen Kindern vereinbaren ließ. Da sie aber schon immer eine Leidenschaft für fantasievolle Stoffmuster gehegt und dergleichen in ihrer Freizeit kreiert hatte, war sie kurzerhand auf die Idee gekommen, sich mit einem Geschäft für solche Stoffe selbstständig zu machen.

Elisabeths farbenfrohen, verspielten Entwürfe gefielen den Kunden, und schon bald lief ihr »Musterstübchen« so gut, dass es sie alle ernährte.

Mit den Einkünften aus dem Geschäft hatte sie ihren Kindern ein gemütliches Zuhause und materielle Sicherheit geschaffen. Darüber hinaus hatte sie für Leonie, Oliver und Ann-Kathrin da sein können, soweit es als berufstätige Mutter überhaupt möglich war: In der Mittagspause hatte sie für ihre Rasselbande frisch und möglichst gesund gekocht, und wenn im Kindergarten oder in der Schule Schluss war, kamen alle drei in ihren Laden gestürmt. Hinter der Verkaufstheke richtete Elisabeth ihnen einen Platz ein, an dem sie ihre Schularbeiten erledigen, zeichnen oder ruhig spielen konnten, und so hatte sie immer ein Auge auf sie.

Ihre Kunden liebten die drei, und Elisabeth konnte es ihnen nicht verdenken. Für sie waren Leonie, Oliver und Ann-Kathrin die wunderbarsten Kinder auf der Welt. Auch wenn es wahrlich nicht immer leicht gewesen war und sie abends vor Erschöpfung oft kaum noch stehen konnte, hätte sie mit keinem Menschen auf der Welt tauschen wollen.

Für ein eigenes Leben – Freunde, Hobbys, Reisen oder gar eine neue Männerbekanntschaft – hatte sie weder Zeit noch Kraft aufbringen können. Aber ihr hatte auch nichts gefehlt. Schließlich hatte sie ihre Kinder um sich gehabt, und bessere Gesellschaft gab es nicht.

Natürlich hätte sie gelegentlich gern einen anderen Erwachsenen an ihrer Seite gehabt, um über Probleme und Sorgen rund um ihre Kinder zu sprechen oder sich gemeinsam an ihren wundervollen Einfällen zu freuen. Wenn sie ganz ehrlich war, war das aber auch mit Andreas nicht möglich gewesen, denn der hatte sich als Vater wenig engagiert und wollte am Feierabend am liebsten vor dem Fernseher seine Ruhe haben.

Ja, die Jahre waren anstrengend gewesen, aber Elisabeth hatte jedes einzelne von ihnen genossen. Und jetzt, wo Leonie, Oliver und Ann-Kathrin alle drei aus dem Haus waren, kam sie noch lange nicht zur Ruhe oder fand Zeit sich zu langweilen!

Kirstin König, ihre Lieblingskundin, die Elisabeths Stoffentwürfe für ihr kleines, aber feines Musical-Theater nutzte und die eigentlich mehr Freundin als Kundin war, hatte nach Ann-Kathrins Auszug gesagt: »Jetzt wird es aber Zeit, dass du etwas für dich selbst tust, nachdem du jahrelang alles, was du nur aufbringen konntest, deiner Kükenschar gegeben hast. Starte noch mal ganz neu durch, Elli, gönn' dir Sachen, die dir Freude machen, lerne interessante neue Menschen kennen ...«

Elisabeth wusste es zu schätzen, dass die Freundin sich um sie sorgte, aber sie hätte gar nicht gewusst, wie sie ihren Rat in die Tat umsetzen sollte. Außerdem hätte sie auch gar keine Zeit dazu gehabt, denn ihre Kinder brauchten sie jetzt, wo sie erwachsen waren, kaum weniger:

Leonie, die älteste Tochter, baute sich mit ihrem Mann Malte in dem schönen Berliner Bezirk Lichterfelde ein behagliches Eigenheim. Da die beiden sich zusätzlich gerade als junge Architekten selbstständig gemacht hatten, steckten sie ständig bis über beide Ohren in Arbeit, und waren mehr als nur dankbar, wenn Elisabeth an den Wochenenden beim Hausbau mit anpackte.

»Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde, Mama«, hatte Leonie gerade neulich erst wieder gesagt, und Elisabeth war froh, weil sie ihr helfen konnte.

Oliver, ihr Zweitgeborener und einziger Sohn, hatte jung geheiratet. Er und seine liebenswerte Frau Carina hatten sich in der Ausbildung als Koch und Köchin kennengelernt und träumten ebenfalls von einer Selbstständigkeit mit einem kleinen Café. Gern griff Elisabeth ihnen dabei finanziell unter die Arme, wo sie nur konnte, auch wenn das bedeutete, dass sie in ihrem Laden jede Menge Überstunden schieben musste. Als sich mitten in der Aufbauphase des Lokals auch noch die kleine Xenia anmeldete, galt das natürlich umso mehr.

Elisabeth liebte ihre Enkel über alles. Xenia und Sebastian waren beide drei Jahre alt und spielten herrlich zusammen. Zwar musste Elisabeth sie von Zeit zu Zeit bremsen, wenn sie wie zwei Wirbelstürme durch den Laden fegten, aber sie waren deshalb nicht weniger wundervoll. Häufig gesellten sich sogar noch Nick und Nina, die vierjährigen Zwillinge von Elisabeths Nachbarn dazu. Ihre Eltern, Sofia und Denis Melnik kämpften nach Kräften darum, sich hier in Berlin ein neues Leben aufzubauen.

»Sie sind ein Segen für uns, Elli«, hatte ihr Sofia vor ein paar Tagen erst wieder versichert und einen selbstgebackenen Kuchen mitgebracht. Ihre Kinder riefen Elisabeth fröhlich »Oma Elli« und fühlten sich bei ihr rundum wohl.

In Elisabeths Tageslauf gab es somit nicht die kleinste Lücke. Auch heute hatte sie wieder seit sieben Uhr in der Früh gearbeitet, um einen eiligen Auftrag für Kirstins Theater rechtzeitig fertigzugstellen, und einer Stunde musste sie Xenia vom Kindergarten abholen, weil Oliver und Carina den ganzen Tag beim Großhändler waren. Und dass nun auch noch Ann-Kathrin anrief, bedeutete mit größter Wahrscheinlichkeit, dass sie einen weiteren Termin in einen Zeitplan würde quetschen müssen, in dem eigentlich nicht der geringste Platz mehr war.

»Mama, ich bin völlig verzweifelt«, rief Ann-Kathrin nun auch genau, wie Elisabeth es vermutet hatte. »Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Sebastian ist heute zu einem Kindergeburtstag eingeladen, ausgerechnet bei Christopher, dem beliebtesten Jungen in seiner Gruppe, mit dem er doch auch so gern befreundet sein möchte.«

»Ja, davon hat er mir erzählt«, sagte Elisabeth. »Er hat extra für Christopher ein Bild gemalt und freut sich doch schon die ganze Woche auf die Feier.«

»Ich weiß«, kam es kleinlaut von Ann-Kathrin. »Aber jetzt sind hier gerade die neuesten Untersuchungsberichte unserer Studie eingetroffen, auf die wir händeringend gewartet haben, und meine Kollegin ist krank. Ich komme vor heute Abend unmöglich weg, ansonsten kann ich meine Festanstellung hier am Institut gleich ganz vergessen.«

»Mmmh.« Elisabeth überlegte. »Das ist allerdings wirklich schwierig.«

Sie wusste, wie sehr Ann-Kathrin darum bangte, nach der Probezeit fest übernommen zu werden. Sie träumte davon, sich um die Miete für ihre Wohnung endlich keine Sorgen mehr machen zu müssen und mit Sebastian endlich einmal ein paar Tage in den Urlaub zu fahren. Für dieses Ziel gab sie ihr Bestes, und es gab keinen Menschen, der es ihr so sehr wünschte wie Elisabeth.

»Könntest du ihn vielleicht zu der Geburtstagsfeier bringen, Mama?«, fragte Ann-Kathrin. »Carina hat gesagt, du holst heute sowieso Xenia ab, da könntest du Sebastian doch gleich mitnehmen. Abgeholt werden müsste er erst um sechs, da ist Xenia ja sicher schon wieder zu Hause. Und ich komme dann, sobald ich hier Feierabend machen kann, bei dir vorbei und hole ihn ab.«

»Und was mache ich mit meinem Laden?«, fragte Elisabeth ein wenig perplex.

So sehr sie ihre Kinder auch liebte und so gern sie ihnen unter die Arme griff, verblüffte es sie doch gelegentlich, mit welcher Selbstverständlichkeit sie alle drei von ihr erwarteten, dass sie das Unmögliche möglich machte und sich praktisch verdoppelte.

»Kannst du nicht, solange du Basti wegbringst, das Geschlossen-Schild an die Tür hängen?«, fragte Ann-Kathrin mit zuckersüßer Stimme. »Bitte, Mamichen – ich weiß mir sonst einfach keinen Rat.«

Dieses Schild mit der Aufschrift Geschlossen hatte in der Kindheit ihrer drei Lieblinge für Notfälle herhalten müssen. War eines ihrer Kinder krank, gab es einen Notfall in der Schule oder ließ sich sonst etwas einfach nicht aufschieben, war Elisabeth nichts anderes übrig geblieben, als dieses Schild an die Tür zu hängen.

Gut fürs Geschäft war das natürlich nicht. Laufkundschaft war äußerst wichtig, und wenn Leute, die vorbeikamen, feststellen mussten, dass das »Musterstübchen« zu den angegebenen Öffnungszeiten gar nicht geöffnet hatte, kamen sie höchstwahrscheinlich nicht wieder. »Die Konkurrenz schläft nicht«, hatte Elisabeths lebenskluge Großmutter immer gesagt, und begabte Stoffdesigner gab es in Berlin nun einmal mehr als genug.

Heute war die Situation sogar noch verzwickter, weil sie Kirstin fest versprochen hatte, die Entwürfe für das Musical Cabaret, das in den Spielplan des Theaters eingeschoben worden war, bis heute Abend fertigzumachen. Kirstin wollte die gesamte Bühne mit Elisabeths Stoffen dekorieren, was eine wunderbare Werbung für ihr Geschäft war. Auf keinen Fall wollte sie ihre Stammkundin enttäuschen, und die Zeit war wirklich mehr als knapp.

Trotzdem – die Familie ging vor.

Zur Not würde sie die fehlenden Muster eben heute Nacht gestalten und sie Kirstin morgen früh im Theater vorbeibringen, ehe sie ihren Laden öffnete.

Alles war besser, als ihren kleinen Liebling zu enttäuschen, der sich so sehr auf die Geburtstagsfeier bei dem beliebten Jungen freute. Christopher Groning war der Sohn eines wohlhabenden Unternehmer-Ehepaars, und Elisabeth erinnerte sich nur zu gut, wie sie selbst als Alleinerziehende immer darum gezittert hatte, dass ihre Kinder aus solchen Elternhäusern nicht ausgeschlossen blieben.

»Geht in Ordnung, meine Süße«, sagte sie zu Ann-Kathrin. »Du konzentrier' dich auf deine Arbeit, die du sicher ganz ausgezeichnet machen wirst, und ich kümmere mich darum, dass unserem Basti der Geburtstagskuchen nicht entgeht. Hol ihn dann einfach ab, wann es dir passt. Abendessen wird er bei den Gronings ja bekommen. Und wenn nicht, mache ich ihm hier schnell ein Käsebrot mit Gürkchen und Paprika, das isst er doch so gern.«

»Mama, du bist ein Schatz!«, rief Ann-Kathrin erleichtert aus. »Was würden wir alle nur machen, wenn wir dich nicht hätten?«

»Tja. Wenn ihr mich und die kleinen Kartoffeln nicht hättet, müsstet ihr immer die großen essen«, zitierte Elisabeth lachend einen weiteren Lieblingsausspruch ihrer Großmutter. »Mach dir keine Sorgen. Wir schaffen das schon.«

»Danke, Mama«, murmelte ihre jüngste Tochter eilig. Im nächsten Augenblick hatte sie bereits aufgelegt.

♥♥♥

»Hallo, Elli! Schau mal, was ich habe!«

Kirstin König riss die Tür des hübsch gestalteten kleinen Ladengeschäfts auf und schwenkte verheißungsvoll die beiden Eintrittskarten für den Live-Musik-Abend im Ü40, ihrem liebsten Tanzlokal für junggebliebene Menschen ihrer Generation. Kirstin ging seit Jahren dorthin, um zu tanzen, zu lachen, nette Leute kennenzulernen und zu flirten. Sie hatte ihren festen Freundeskreis dort, doch sie hatte sich felsenfest vorgenommen, Elisabeth Wenninger, die geniale Designerin, die seit mehr als zwanzig Jahren Stoffe für ihr Theater entwarf, in diesen fröhlichen Kreis mit hineinzuziehen.

Elli musste einfach mal aus dem Haus! Sie war eine so tolle Frau und gehörte genau wie Kirstin mit Anfang fünfzig auch wirklich noch nicht zum alten Eisen. Aber sie ließ sich von ihrer Familie mit Haut und Haar vereinnahmen und hatte es nie gelernt, auch einmal an sich selbst zu denken.

Kirstin, die selbst keine Kinder hatte, mochte Elisabeths Dreigespann von Herzen gern. Es war nur allzu verständlich, dass ihre Freundin stolz auf sie war, aber trotzdem ließ sich nicht leugnen, dass Leonie, Oliver und Ann-Kathrin sich ihrer Mutter gegenüber als die reinsten Egoisten betrugen.

Im Grunde war Elisabeth daran selbst schuld: Sie hatte die drei eben nach Strich und Faden verwöhnt, hatte eigene Bedürfnisse immer hintangestellt und sich gegeben, als bräuchte sie neben Kindern und Enkel kein eigenes Leben. Kirstin aber war überzeugt, dass jede Frau ein solches Leben brauchte und dass es auch jeder Frau zustand. Und dafür, dass Elisabeth es bekam, ehe es zu spät war, würde sie von heute an sorgen!

»Ich sehe mir jetzt an, was du wieder Umwerfendes für mich gezaubert hast, und dann werfen wir dich in Schale und ziehen um die Häuser.«

»Oh ... Kirstin«, murmelte Elisabeth betreten und blickte von ihrer Beschäftigung auf. »Es tut mir leid, mir ist etwas dazwischengekommen. Ich bin mit deinen Entwürfen leider noch nicht ganz fertig.«

Erst jetzt sah Kirstin, dass hinter dem Verkaufstresen der kleine Sebastian, Elisabeths Enkelsohn, an einem Kindertisch saß und genüsslich ein Käsebrot mampfte. Neben dem Tisch stand Elisabeth, beugte sich liebevoll zu dem kleinen Jungen herunter und schenkte ihm Apfelschorle in seinen mit Paw Patrol-Figuren bedruckten Kinderbecher.

Kirstin unterdrückte ein Stöhnen. Mit ihrem dichten Haar, das noch seine kräftige Naturfarbe hatte, der beneidenswert schlanken Figur und den lebhaften, hellen Augen, war Elisabeth auch jetzt noch eine ausgesprochen attraktive Frau. Oder besser: Sie wäre es gewesen, wenn sie etwas aus sich gemacht hätte.

Bei der Gestaltung von Stoffen bewies sie ein untrügliches Gespür und einen wunderbaren Geschmack. Ihre eigene Kleidung bestand hingegen grundsätzlich aus alten Jeans, Sneakern und einem schlabberigen Sweatshirt mit irgendeinem Aufdruck.

Inzwischen war aus dem Mutti-Look zwar der Omi-Look geworden, aber das machte keinesfalls etwas besser. Und der achtlos am Hinterkopf zusammengesteckte Knoten, den sie aus ihrem schönen Haar gemacht hatte, schlug dem Fass den Boden aus.