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Dies ist Carolyns Geschichte. Sie ist Anfang 50 und mit ihren beiden Söhnen schon viel zu lange allein. Beruf, Erziehungsarbeit und Karriere waren in den vergangenen Jahren tages- und abendfüllend. Doch das kann es noch nicht gewesen sein. Irgendwo, halb verborgen, ist da auch noch die Frau Carolyn, die es jetzt noch einmal wissen will. Auf der Suche nach Sex, Liebe, Partnerschaft? So genau weiß sie das selbst noch nicht, als sie beginnt, sich in den Online-Dating-Dschungel zu begeben. Wie es ihre Art ist, macht sie sich offen, vorurteilsfrei und anfangs auch etwas unbedarft auf den Weg. Im Laufe von fünf Jahren macht Carolyn mit ca. 300 Männern Chat-Bekanntschaft und datet ca. 70 von ihnen. Dabei trifft sie auf alles, was wir aus eigener Erfahrung oder den Erzählungen von Freundinnen kennen: Da wird gelogen, geghosted, geposed und auch mal derbe zur Sache gegangen. Vom einsamen Wolf, dem verheirateten Gelegenheitsfremdgänger bis zum verklemmten Schöngeist – Carolyn begegnet Männern, die sie im "richtigen Leben" nie kennengelernt hätte. Trotz vieler schräger Situationen und auch der einen oder anderen Enttäuschung sind da plötzlich wieder Schmetterlinge, zarte Gefühle und ja, Carolyn hat endlich wieder Sex. Und der ist manchmal auch richtig gut. Doch was macht das mit ihr? Was will sie wirklich und was bekommt sie? Mit großer Ehrlichkeit und Reflexionsbereitschaft und in stetem Austausch mit ihren engen Freundinnen erlebt Carolyn in diesen Datingjahren eine Entwicklung zu einem Selbst, das bisher verborgen war. Freier, selbstbewusster, unbekümmerter – die Frau Carolyn verändert sich. Und dann begegnet sie dem einen, mit dem es auch mehr sein könnte. Bei dem und für den sich Gefühle regen, die aufregend, schön und auch schmerzhaft sind. Denn, wie im richtigen Leben eben, ist es nicht so einfach. Wie diese Liebesgeschichte ausgeht, ist ungewiss. Gewiss ist jedoch: Carolyns Liebesgeschichte zu sich selbst geht weiter!
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Seitenzahl: 203
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Feed my Büx ... and don't forget my heart
von Carolyn Wissmer
Liebe Leser*innen,
nach gefühlt 100 Jahren Abstinenz auf der Bühne Sex, Männer oder gar Liebe will ich es noch einmal wissen. Zwar meint meine gute Freundin Mara, dass Männer nicht auf übergewichtige Frauen über 50 stehen, aber so einfach will ich nicht aufgeben, was mal für mich mit 20 das schönste Hobby der Welt war ... die Verführung, das Prickeln vor dem ersten Kuss bzw. Sex, die Hingabe, wenn alles passte. Doch bis ich vielleicht endlich dünn wäre oder mich chirurgisch jünger gemacht habe, bin ich wahrscheinlich 60! So lange kann und will ich nicht mehr warten. Jetzt ist der Zeitpunkt und vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Wenn ich gewusst hätte, wohin das alles führt ...
Eure Carolyn
Dieses Buch nähert sich humorvoll und provokant meinen Datingerfahrungen und na klar, es geht dabei manchmal um Sex – allerdings nicht nur, denn für Frauen geht es ja oft nicht nur um Sex, wie wahrscheinlich viele Leserinnen bestätigen können. Und da eine große Unterhose, eine Büx [umgangssprachl. norddt. für Hose], ja wenigstens bis zum Bauchnabel gehen kann oder als Bauch-weg-Hose schon fast in die Herzregion hinaufreicht, werden davon auch Gefühle wie Bauchkribbeln, Schmetterlinge und Herzschmerz halbwegs mit abgedeckt.
Ich habe mit dem Schreiben angefangen, weil ich das Gefühl hatte, ich muss meine Erlebnisse der letzten Jahre mal aus der Erinnerung holen, um eventuell meine Entwicklung besser zu verstehen – und ehrlich gesagt, weil ich mal wieder in einer emotional ausweglosen Situation gefangen war und mir erhoffte, Erkenntnisse über mich selbst zu bekommen, die mir weiterhelfen könnten. Und ja, das hat geklappt ... aber seht selbst, was das Lesen mit euch macht!
Ich bin zu Beginn meiner Datingexperimente Anfang 50 und lebe schon lange in meiner Großstadt im Süden Deutschlands. Ich bin alleinerziehend, habe studiert, arbeite in Vollzeit.
Ich bin ein offener Mensch, halte mich für relativ vorurteilsfrei, bin eher kopfgesteuert und pragmatisch, kann aber sehr herzlich sein, wenn man mich lässt.
Ich versuche, mich und mein Leben nicht immer zu ernst zu nehmen. Und ... ich lache gern. Von meinem Lachen wollte in der Schulzeit schon mein Mathelehrer Junge haben ...
Vielleicht bringt dieses Buch auch die ein oder andere Leserin zum Lachen, das würde mich freuen!
Ich beschreibe im Folgenden die fünf Jahre meiner Online-Datingerfahrungen, dabei versuche ich immer zwischen dem reinen Geschehen und dem, was das bei mir auslöst bzw. ausgelöst hat, zu unterscheiden.
Ich habe mich mit über 300 Männern per Chat ausgetauscht, also Nachrichten geschrieben, mich mit über 70 von ihnen zu einem ersten Date getroffen – meist zu einem Kaffee auf neutralem Boden, seltener zu einem Essen oder Spaziergang verabredet und bin sehr selten auch direkt zu mir oder ihm gegangen.
Ich bin zwar sehr kopfgesteuert, habe aber auch eine körperliche, sehr sinnliche Seite an mir. Ich liebe es beispielsweise mit den Händen zu arbeiten und ich empfand sexuelle Aktivität schon immer als eine Form der Kommunikation, die zu einer erfüllenden Beziehung dazugehört wie das Atmen, die ich aber auch mit Menschen, die ich erst kurz kenne und die ein ähnliches Sinnesleben oder "Körperlichkeit" aufweisen, teilen kann – ohne dass ich deswegen in eine moralische Hölle gerate.
Sicher nicht im klassischen Sinn.
Ich habe ein paar Punkte auf der Plusseite, mein Übergewicht und meine Gene sorgen für eine relativ faltenfreie Haut, ich habe lockige Haare, das kann frei mit wild, animalisch assoziiert werden und ich lache gern.
Ich bin aber ziemlich übergewichtig, habe inzwischen Krampfadern, bin auch nicht mehr so gelenkig wie früher. Ich habe fast immer Pickel durch eingewachsene Barthaare (die ich natürlich akribisch vor allen Treffen entferne, wenn ich sie denn sehe mit meiner Brille), Orangenhaut an Po und Oberschenkeln und einen sehr dicken Bauch.
Aber: Interessieren diese "Makel" irgendwen von den Männern, die sich mit mir einlassen wollen oder im Laufe der Zeit eingelassen haben? Nein. Keinen einzigen. Ich bekomme stattdessen Komplimente für meinen Busen, den ich aufgrund meines Jugendtraumas (Danke dafür, lieber Exmann) immer für viel zu klein gehalten habe, und insgesamt meine weiblichen Rundungen. Besonders meinen wirklich mächtigen Arsch finden viele Männer total geil (ihre Wortwahl, nicht meine).
Ich würde mich gut anfassen, gut riechen, tolle Haut haben, sehr begehrenswert sein.
Na dann, ich nehme das inzwischen so hin und merke, wie sich mein Selbstwertgefühl nicht nur stabilisiert hat, sondern ich das auch ausstrahle. Ich weiß, es gibt Menschen, die finden mich toll – warum soll ich dann weiter an mir rumkritteln. Ich lasse es inzwischen, betone meine Stärken und belächle meine Schwachstellen. Danke euch Männern dafür!
Ich hatte mich vor zehn Jahren von meinem damaligen Mann getrennt und eingebunden in meinen Alltag als vollzeitarbeitende Single-Mum war es mir leider nicht vergönnt, einen Mann bei beruflichen oder privaten Events kennenzulernen.
Das hätte ich mir gewünscht, denn ich bin der Meinung, jemanden aus dem Umfeld kennenzulernen, kann den Vorteil haben, dass allzu wahnsinnige Charakterzüge schon im Vorfeld durch die Freunde oder Kollegen ausgeschlossen werden können.
Doch da ist niemand, kein einziger Mann, den ich interessant finde oder der Interesse an mir zeigt. Ich bin beruflich viel unterwegs, aber auch dort scheine ich eine frauliche Nullnummer zu sein, hinsichtlich meiner Arbeit sehr geschätzt, aber ansonsten nicht relevant.
Und natürlich habe ich auch eher romantische Vorstellungen, was ein erstes, persönliches Kennenlernen angeht. Man trifft sich zufällig, findet sich sympathisch, tauscht Blicke und erste Worte, es fängt an zu knistern, man spürt, dass es dem anderen auch so geht. Und dann entwickelt sich langsam, aber sicher mehr daraus.
Doch ich merke nach so langer männerloser Zeit, in der ich mit vielen anderen Dingen mehr als ausreichend beschäftigt bin, ich möchte nicht mehr allein sein, ich würde gern wieder eine Beziehung haben. Einen Mann, der sich für mich interessiert, der mit mir Teile des Alltags teilt, mit mir lacht, mich begehrenswert findet – auch wenn ich mich selbst grad eher langweilig, gestresst und alles andere als einen Volltreffer finde.
Und dann ist da das andere, was mir zunehmend fehlt: körperliche Zuwendung. Ich würde gern mal wieder jemand anderen in den Arm nehmen als meine Kinder oder meine lieben Freundinnen, möchte mit erotischen Hintergedanken in den Arm genommen werden, leidenschaftlich geküsst werden, sexuell aktiv sein.
Und das muss nicht unbedingt erst geschehen, nachdem ich jemanden fünf Monate lang kennengelernt habe, sondern eventuell kann das auch so sein wie früher: Man sieht sich, findet sich sexy, verbringt eine Nacht miteinander und schaut dann weiter. Da haben sich doch früher langjährige Beziehungen, sogar Ehen aus solchen Geschichten entwickelt, warum sollte das heute anders sein?
Ich kann mich noch erinnern, wie ich das mit Anfang 20 genießen konnte, aber es erscheint mir heute zunehmend surreal, als könnten die Frau Anfang 50 und die damalige junge sexy Frau unmöglich ein und dieselbe Person sein ...
Nach diversen Diskussionen mit meinen Freundinnen ist die grundsätzliche Entscheidung für mich gefallen: Ich stecke jetzt ein bisschen Zeit und Energie in die Suche nach einem Mann. Also versuche ich es zuerst bei den Münchner Singles, den Müsis, einer Plattform für Singles und zur Freizeitgestaltung, die im Großraum München sehr beliebt ist. Angeblich kann man da Männer anlächeln, Nachrichten schicken und jemanden fürs Herz finden. Jedenfalls behaupten das einige, wenn man sie fragt ... Jemand kennt jemanden, der da schon wen kennengelernt hat.
Ich registriere mich, lege ein Profil an, beantworte viele Profilfragen offen, ehrlich und halbwegs ausführlich, damit sich Interessierte ein Bild von mir machen können. Da ich es nicht so mit Selfies habe, kommen nur zwei nette, aber zugegeben etwas langweilige Schnappschüsse ins Profil. Doch ich denke mir, ich bin eine vielseitige Frau, ich suche ja auch eher nach einem intellektuellen, zu mir passenden Mann und Äußerlichkeiten sollten da zwar nicht nebensächlich, aber doch nicht die Hauptsache sein.
Die Resonanz nach einigen Tagen ist mäßig. Ich habe anfangs relativ viel Traffic auf meinem Profil (ich kann sehen, wer sich alles mein Profil anschaut), erhalte auch einige Smileys, auf die ich brav zurückschreibe, dass ich mich über den Smiley freue. Darauf erhalte ich dann meist keine Antwort und auch ansonsten – die Männerwelt hat wohl nicht auf mich gewartet.
Hallo, ich bin der XY
Hi, hier ist Carolyn
Wie gehts Dir so?
Gut und selber?
Was machts denn grad?
mit Dir schreiben
Hast Du Bock, mir ein Foto von Deiner Muschi zu schicken?
Nein
Lieber XY, ich glaube, wir haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was wir hier suchen
Ok, schade
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Hallo, hier ist XYZ
ich suche eine Frau, die mir jeden Donnerstagabend einen bläst. Würde Dir dafür 50€ geben. Hast Du Interesse?
NEIN
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Hallo Süße
Du bizt eine schönner Frau
Hallo XYY, ich glaub nicht, dass es mit uns beiden passt. Viel Erfolg
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Folgende Konversation ca. 20mal:
Hallo Carolyn, was suchst Du denn?
Ich suche einen netten Mann, denn in meinem Leben sind Männer ein bisschen wenig vorhanden. Und Du?
Ich möchte nur was fürs Bett. Könntest Du damit leben?
Ich möchte zwar auch was fürs Bett, aber nicht nur. Könntest Du damit leben?
Habe ich schon (im Profil steht Single), brauch ich nicht doppelt.
Danke für Deine ehrliche Antwort, dann passt es wohl nicht.
Solltest Du es Dir anders überlegen, kannst Du Dich jederzeit bei mir melden.
Von mir darauf keine Antwort mehr. Gedacht habe ich mir je nach Wetter und Stimmung: Warum sollte ich; na klar, mach ich sicher; fick Dich doch; was ein Arschloch – aber eigentlich passt es doch und es ist das, was frau immer fordert. Da schreibt ein Mann ganz klar, was er will. Was will frau eigentlich mehr? Na ja, in meinem Fall möchte ich einen Mann, der keine Frau zuhause hat, der mich erst mal kennenlernen will, bei dem es prickelt, wenn man sich trifft. Alles das, was sich fast jede Frau, die ich so kenne, vorstellt.
Oberon und ich lächeln uns an, dann schreibt er mir. Wir führen ein paar Tage eine nette Unterhaltung im Chat, die sehr literarisch geprägt ist.
Oberon heißt eigentlich Christoph, sucht angeblich eine Frau für eine feste Beziehung, er hat zwar kein Profilbild, wirkt aber seriös. Wir verabreden uns also für einen Spaziergang in einem der großen Parks in unserer Stadt. Ich bin sehr aufgeregt, endlich mal ein Mann, der sich für mich interessiert!
Das Wetter ist durchwachsen, das heißt, es geht mehr darum, Gesicht und Haare vorteilhaft zu präsentieren, als viel Aufwand auf die Kleidung zu legen, denn darüber muss eine Regenjacke. Ich schminke mich ein bisschen (was ich sonst nur bei wirklich besonderen Gelegenheiten tue), style meine Locken und fahre geduscht, parfümiert und mit Herzklopfen zum Treffpunkt.
Oberon-Christoph erscheint im Lodenmantel, ist groß, hager, hat ein markantes Gesicht und wohnt in einem eher schrecklichen Außenbereich der Stadt. Wir laufen und laufen durch den Park, er geht immer ein bisschen zu schnell für mich, ich muss mich anstrengen, beim Gehen auch noch gescheit mitzureden, dann merke ich nach ca. einer Stunde, dass er wohl eigentlich verheiratet ist und Kinder hat, mit denen er täglich irgendwas macht.
Christoph sucht offensichtlich eher eine Affäre denn eine Beziehung. Darüber sprechen wir aber nicht, sondern wir versuchen uns gegenseitig mit immer weiteren intellektuellen Geistesblitzen zu beeindrucken. Es fängt irgendwann glücklicherweise an zu regnen und ich fahre ihn – freundlich wie ich bin – zur nächsten Straßenbahnstation. Ich höre nie wieder etwas von ihm. Was ein Idiot, denke ich und fühle mich unendlich dämlich.
Dann lächelt mich Karl an, ich lächle zurück, er schreibt Hi. Ich lese sein Profil nochmal. Karl ist wohl Malermeister, ist 1,90 groß, geschieden, wirkt auf seinem Bildern sehr muskulös, Typ Rambo, hat einen rasierten Kopf. Mara findet ihn zum Totlachen. Egal, was sie sagt, ich will es endlich mal handfest in meinem Leben, nicht nur funktionieren als Mama und intellektuelles Arbeitstier und ja, ich mag nun mal auch diesen Typ Mann.
Karl wird gleich nach dem üblichen Smalltalk (wie gehts Dir, Du bist ja ne Hübsche, was suchst Du denn hier?) sehr direkt. Er würde mich gern vögeln, dass mir die Luft wegbleibt, ob ich eine Bluse anhaben könnte ohne BH, darauf würde er stehen. Puh denke ich mir, das ist jetzt aber sehr handfest, aber ich wollte es ja so – die zweite Option neben einer ernsthaften Beziehung war ja auch der Wunsch nach mehr Körperlichkeit.
Wir schreiben tagelang hin und her, tauschen sexuelle Fantasien aus, alles recht harmlos, aber nach der langen Zeit ohne Sex ist das für mich alles sehr aufregend. Kann ich wirklich einem fremden Mann schreiben, was ich gern beim Sex hätte? Ich merke, ich habe mir nie Gedanken gemacht, wie ich Geschlechtsteile nennen soll. Glied? Penis? Schwanz? Bestes Stück?
Kann ich meine Brüste als Titten bezeichnen oder verbiegt sich da die Feministin in mir? Geht diesen Mann wirklich an, an was ich denke, wenn ich masturbiere (allein dieses Wort), es mir selbst mache. Na ja, ich kann nicht sagen, dass ich anfangs wirklich enthemmt bin, aber offensichtlich reicht es für Karl, um ihn heiß zu machen. Wir planen uns zu treffen, erstmal außerhalb meiner Wohnung, wenn es dann passen sollte auch hier, um zu schauen, ob wir uns wirklich sexy finden.
Am Tag des Treffens bin ich sehr aufgeregt und drücke mich um die Kleiderwahl. Welche Bluse denn nur? Alle Blusen, die ich habe, sehen auf einmal mega langweilig aus, Mara muss zur Stilberatung vorbeikommen, wir einigen uns auf eine weiße leicht durchsichtige Bluse, die ohne BH, aber mit was drüber, ein bisschen Schwung bekommt. Karl und ich schreiben hin und her, machen uns heiß ... Ich dusche, bin aufgeregt, habe Herzklopfen.
Endlich ist es gleich halb drei, Karl ist auf einer Baustelle bei mir in der Gegend, er will auf der Fahrt nach Hause hier an der Ecke halten und wir werden uns sehen.
Ab kurz nach zwei schreibt Karl keine Nachrichten mehr, ich denke, na ja, er wird sich beeilen müssen, ich laufe aus dem Haus zum Treffpunkt und warte ... Doch wer nicht erscheint ... ist Karl. Ich warte 20 Minuten, schreibe ihm mehrere Nachrichten. Er antwortet gegen drei, leider musste er woanders hin.
Scheiße, ich steh hier frisch geduscht und leicht erregt – ohne BH mit weißer Bluse ...
Mist, Mist, Mist, ich schreib ihm, dass er mich mal kreuzweise kann ... Weiter geht's. So einfach ist es wohl doch nicht, einen Mann sogar "nur" für ein Sexdate kennenzulernen.
Markus hat tolle Fotos eingestellt, er sieht ganz gut aus, ist groß, wirkt sportlich, wir schreiben kurz und verabreden uns zum Spazieren, um uns besser kennenzulernen – doch beim Treffen ist für mich schon nach drei Minuten ist klar, Markus ist nicht mein Typ.
Er ist nett, interessant, lustig – aber Markus schwäbelt ziemlich. Und – da bin ich einfach empfindlich – für mich norddeutsche akzentfreie Pflanze sind einige Dialekte einfach ein Abtörner. Wir schwafeln zwei Stunden vor uns hin, erzählen uns viel aus unserem Leben und sind (glaub ich) beide froh, als wir uns wieder trennen können. Jedenfalls schlägt Markus kein Folgetreffen vor und wir hören auch nichts mehr voneinander.
Allerdings treffe ich Markus zwei Jahre später wieder bei den Müsis, weil er eine Badmintongruppe in meiner Nähe gründet und ich melde mich bei ihm. Wir haben uns inzwischen herzlich gern, teilen einen Spotify-Account, er ist ein totaler Schatz und jemand, mit dem ich ganz offen über meine Sexaffären reden kann. Wer hätte das gedacht, Zuneigung auf den zweiten Blick!
Karl meldet sich immer wieder mal, er entschuldigt sich, findet mich irgendwann echt zickig, dass ich ihm nicht doch noch eine Chance gebe. Je nach Notgeilheitszustand schreib ich mal kurz mit ihm, denke aber immer wieder, nö, versetzt ist versetzt.
Dann – ich bin kurz davor, ihn doch wirklich nochmal treffen zu wollen – fängt er mit Analkussfantasien an und ich merke, nee, ich bin raus. Soll er doch seine Zunge sonstwem in den Arsch schieben, mir nicht. Und dann will er in der nächsten Nachricht, dass ich ihm die Zunge in seinen Anus stecke, denn das wäre ja nur gerecht – als ich das lese, kotze ich fast ... NEIN!!!
Immer wieder kommt bei einem geplanten Treffen etwas dazwischen, und zwar von seiner Seite. Zum Schluss beschimpfen wir uns beide wütend: Du kannst dann immer nicht, Deine Kinder sind dann immer krank, nein Du meldest Dich nicht, wenn es ernst wird …
Ich verschiebe unseren Threat ins Archiv. Ich habe hier das erste und für lange Zeit einzige Mal eine Art Nacktfoto (eine sehr keusche Brust im Halbdunkeln) verschickt (und natürlich auf meiner Seite auch wieder gelöscht).
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Nach einem Jahr Mitgliedschaft trete ich bei den Müsis aus ... Was war ich naiv ... fünf Kontakte, davon zweimal spazieren gegangen, einmal versetzt worden ... Nicht wenigstens einmal Sex, geschweige denn eine Beziehung hat sich ergeben. Der einzige Pluspunkt: Ich habe bei einem Stammtisch eine nette Frau kennengelernt, eine neue Freundin gewonnen, wenigstens etwas.
Ich überlege, ob ich stattdessen mal Tinder ausprobieren soll. Angeblich geht da ja viel mit Sex, aber halt wohl auch nur Sex ... will ich das? Irgendwann entscheide ich, selbst wenn es auch nur Sex ist, aber das große Ziel ja doch irgendwie irgendwann eine echte Beziehung ist: Ja ich will das, so geht es nicht weiter ...
Ein Profil anzulegen ist schon eine Herausforderung – ist ja immerhin Tinder mit seinem Schmuddelimage, da will ich nicht wirklich erkannt werden, also welche Bilder denn nur? Ich entscheide mich für einen unscharfen Schnappschuss aus dem Garten und ein Bewerbungsfoto, das ich popartmäßig verfremde.
An Beschreibung kommt nur mein wahres Alter und meine Größe rein, außerdem die Beschreibung "Lebensweise lustig" – soll sich doch jeder denken, was er will.
Ich entscheide, ich will Leute kennenlernen, die im Umkreis von 100 Kilometern wohnen, zwischen 40 und 60 sind und los gehts.
Ich werde innerhalb von Stunden von Matches überrannt – das hatte ich nicht erwartet ... das artet ja in Stress aus! Brav antworte ich jedem Match, frage, was er sucht etc., ändere die typischen Floskeln ab, versuche mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen, schreibe, schreibe, schreibe. Hier die besten Episoden aus der Anfangszeit:
Bernd schreibt mich gleich am ersten Abend an, er findet mich schön (danke, das geht mir runter wie Butter), ihn macht an, dass ich offensichtlich etwas fülliger bin (siehst du, Mara, es gibt doch Männer, die nicht auf dünne Frauen stehen!), dann will er wissen, welchen Umfang mein Busen hat (was weiß denn ich, habe nicht gemessen), ob ich gern gefüttert werde ... was soll ich darauf antworten?
Ich schreibe, kommt drauf an mit was ..., vielleicht will er mich ja mit Erdbeeren füttern und mir dabei tief in die Augen schauen, das fände ich ganz schön!
Dann will er wissen, ob ich FFF kenne und nein, das ist nicht Fridays for future, es stellt sich raus, dass es einen fat feed fetish gibt, er möchte mich gern noch fetter füttern. Nein danke lieber Bernd, das möchte ich nicht. Bernd entmatcht mich umgehend, der Chat und das Match sind verschwunden.
George schreibt auf Englisch, ist dabei sehr liebenswürdig. Er ist US-Amerikaner mit griechischer Abstammung, hat ein sexy Profilbild eines muskulösen gebräunten Mannes, der unter der Dusche steht und den Kopf in den Nacken legt. Die typische Konversation mit George geht in etwa so "good morning", "how was your day, love", "I am on a business trip, we will meet when I am back in town". So vergehen Wochen, George ist sehr behutsam, schreibt keine plumpen Anzüglichkeiten.
Inzwischen hat sich eine Fake-Beziehung zu George entwickelt, man schreibt sich Belanglosigkeiten über den Alltag – ohne sich auch nur einmal gesehen zu haben. Bei jedem Versuch, sich zu treffen, kommt etwas dazwischen, aber es sind glaubwürdige Gründe, die Tochter taucht überraschend auf, Businessmeetings außerhalb, wir haben Corona, ich bin krank, bekomme die Kids nicht wegorganisiert.
Dann muss George beruflich nach Zypern, er arbeitet für eine Firma, die auf den Vertrieb von chemischen Kampfstoffen spezialisiert ist. Die Firma gibt es wirklich.
Wir schreiben täglich mehrfach, George ist sehr herzlich. Er will am nächsten Morgen zurückfliegen, doch dann bekommt er die Möglichkeit, seine Produkte auf einem Stützpunkt zu präsentieren. Er ist total happy und ich freue mich für ihn.
Morgens um 6 kommt dann die Frage, ob er mir seinen Koffer schicken könnte, den darf er nicht mit auf den Stützpunkt nehmen und er weiß nicht, wo er ihn lassen soll. Er hätte auch ein Geschenk für mich gekauft, das wäre darin enthalten. Ich zögere ... ein wildfremder Mann, von dem ich bisher nicht mehr weiß, als dass er nett unter der Dusche aussieht und der deutschen Sprache nicht ganz mächtig ist, will mir aus Zypern einen Koffer schicken?
Er ist ungeduldig, wir kennen uns doch nun schon mehrere Wochen, er kommt ihn direkt nach seiner Rückkehr abholen. Seine Erklärung: Er handelt mit Kampfgas und hätte Proben dabei – WHAT??? Und ich soll den Koffer hier in meiner Wohnung lagern??
Da ich ablehne, höre ich nie wieder was von George, schade eigentlich ...
Später erfahre ich, dass Drogenkuriere so arbeiten ... nochmal Glück gehabt ... George ist wohl ein klassisches Fake-Profil, auf das ich reingefallen bin ... Ein halbes Jahr später ist sein attraktives griechisches Profilbild eine südländisch aussehende Frau.
Ich schreibe mit einem Wiener, der in meiner Stadt wohnt, er ist sehr nett, schreibt etwas anzüglich, aber nie zu viel, wirkt smart und belesen. Es ist Corona-Hochzeit, Andreas wohnt nicht weit weg, ist Single (wie wunderbar), wir verabreden uns im Park. Er steht auf Frauen in schönen Strümpfen, da habe ich ein wenig Angst vor, ich habe weder schöne Strümpfe noch lange, gut geformte Beine, aber vielleicht kommt es ja auch gar nicht dazu.
Andreas ist optisch nach den netten Bildern auf Tinder eine Enttäuschung, er scheint deutlich älter, er hat zugenommen und wirkt ein bisschen aufgedunsen als trinke er zu viel. Wir reden und reden, leider relativ schnell über Politisches, was ja immer ein Abtörner ist, denn da gibt es einfach zu viele Fettnäpfchen, wenn man nicht der gleichen Meinung ist – und das sind wir nicht.
Dann stellt sich raus, dass Andreas hier in der Stadt lebt, weil er als arbeitsloser Mensch hier einfach wesentlich mehr finanzielle Unterstützung bekommt als in Österreich. Er ist auf sein Sozialschmarotzertum stolz und meint, er kann jeden verstehen, der den deutschen Staat ausnutzt. Na danke auch, du Pflaume!
Leicht befremdet verabschiede ich mich und melde mich nicht mehr. Andreas schreibt noch mehrfach, ich antworte immer nur kurz und einsilbig. Er findet mich zwei Jahre später bei den Müsis wieder, trotz anderem Namen, und macht mir Komplimente. Die nehme ich zwar gern an, aber ein erneutes Treffen lehne ich dankend ab.
Nach drei Wochen meldet sich Sebastian, er ist in meinem Alter, kommt aus meiner Nachbarschaft, er ist verheiratet und sucht jemanden für eine Affäre. Auf seinen Bildern sieht man sein Gesicht, er lacht und sieht sehr freundlich aus. Er fragt mich, ob ich auch sicher verstanden habe, dass er keine Beziehung sucht. Ja, schreibe ich zurück, habe ich. Er schlägt vor, dann könnten wir doch im Park nebenan spazieren gehen. Ja, gute Idee.
Ich bin aufgeregt, mein erstes Bewerbungsgespräch als Affäre! Es ist noch Winter, also ziehe ich einen Rock, Stiefel und meine Winterjacke an und schminke mich ein bisschen.
Mit etwas Herzklopfen komme ich am Treffpunkt an, Sebastian ist gut aussehend, so groß wie ich, wirkt gepflegt, würde mir in der Menge allerdings nicht auffallen. Er sagt als erstes, na das ist ja mal ein flotter Käfer. So sehe ich mich zwar nicht, aber ich bin ja auch hier, um was neues auszuprobieren ...
Wir kaufen uns einen Kaffee to go und laufen ein bisschen durch den Park, schauen uns genauer an. Sebastian redet mehr als ich, er ist da offensichtlicher erfahrener, was man in so einer Situation macht. Nach einer guten Stunde verabreden wir, wir sehen uns wieder. Beim Abschiedskuss auf die Wange denke ich, mmmh, der riecht aber gut.
Am Tag des nächsten Treffens fühle ich mich nicht ganz wohl, ich werde offenbar krank oder bekomme doch schwache Nerven, so genau kann ich das gar nicht sagen, jedenfalls schreibe ich Sebastian und sage ab.