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Unser erstes Etappenziel, Keetmanshoop und die gemütliche Pension dort haben wir hinter uns gelassen und streben weiter nach Süden, einem der touristischen Höhepunkte Namibias entgegen: dem Fish River Canyon. Von der Ferne grüßen die Groot Karasberge mit ihrer beeindruckenden Kulisse, dahinter liegt Südafrika.
Als wir nach Grünau von der asphaltierten B1 auf die C12 abbiegen, beginnt das richtige namibische Autofahrgefühl: hier, auf der berühmt-berüchtigten Gravel Road. Über derartige Waschbrettpisten werden wir die nächste Zeit fahren müssen. Über Hunderte von Kilometern wird sie uns kräftig durchrütteln und harte Anforderungen an Wagen und Insassen stellen. Die Gravel Road wird uns manch unliebsame Überraschung bereiten.
- neu überarbeitete Ausgabe -
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Veröffentlichungsjahr: 2018
Bisher ging es uns recht gut. Wir fuhren über die vergleichsweise komfortable B1 von Windhoek aus, entlang der Kalahari, zum Köcherbaumwald und weiter bis Keetmanshoop. Nun lernen wir ein neues Fahrgefühl kennen: das Fahren auf der Gravel Road. Wir werden durchgerüttelt und durchgeschüttelt. Wir tun gut daran, uns nur Tagesetappen vorzunehmen. Vor Einbruch der Dunkelheit müssen wir das Etappenziel, die nächste Lodge, erreicht haben. Im voraus, noch in Windhoek bei unserer Gesamtplanung, haben wir uns per Internet eingemietet und nun von der Strecke aus telefonisch unser Eintreffen im Laufe des Tages angekündigt.
In der Farblosigkeit der sandigen Umgebung ist es schwer, das verstaubte Schild auszumachen, das die Abfahrt zur Lodge ankündigt. Was wird uns dort erwarten, an unserem zweiten Etappenziel, auf dem Weg zum touristischen Höhepunkt des Südens, dem Fish River Canyon....?
Wir sitzen drinnen bei Tisch und hätten unter der trüben Funsel der Tischlampe beinahe die Sensation Namibias nicht mitbekommen! Gut, dass wir unser Essen unterbrechen und ins Freie gehen, sonst hätten wir den spektakulärsten Sonnenuntergang unseres bisherigen Lebens versäumt !
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Nachdem wir Keetmanshoop hinter uns gelassen haben, führt uns der Weg über die B1 weiter Richtung Süden. Dieser Streckenabschnitt ist noch weniger frequentiert als die bisher befahrenen Routen. In der Ferne grüßen die Groot Karasberge, die mit ihren über 2.200 m Höhe beeindrucken. Dahinter liegt Südafrika.
Als wir hinter Grünau in die C12 abbiegen, beginnt das richtige namibische Autofahrgefühl: Die Asphaltstraße ist hier zu Ende und man hat ein völlig neues Fahrerlebnis. Hier ist sie, die Gravel Road, die berühmt berüchtigte Rüttelpiste, steinig-felsig-sandig, je nach Beschaffenheit vor Ort. Alles in einem fahlen Beige-Grau. Die Fahrbahnränder sind nicht richtig erkennbar, es geht alles Ton in Ton ineinander über. Manchmal ist die Piste derart ruppig, dass es einen ordentlich durchrüttelt. Hinzu kommt als Besonderheit das Rivier, d.h. die Fahrbahn senkt sich plötzlich in ein Flusstal. Ein entsprechendes Schild warnt. Wenn man Glück hat, ist der Untergrund betoniert. Genau so gut kann aber sein, dass alles mit Sand überdeckt ist, man nicht weiß, wie tiefgründig diese Stelle ist und was sich darunter verbirgt. Jede Senke ist eine Herausforderung, keine gleicht der anderen. Diese Riviers sind Flussläufe, bei Trockenzeiten staubig; nun aber, da es bereits einigen Regen gab, kann es auch durchaus der Fall sein, dass sie Wasser führen. In den Flussläufen sind wild aufgetürmte Felsen oder entwurzelte Bäume. Es sieht so aus, als hätten tosende Wassermassen dies angerichtet, ähnlich, wie wir dies bei uns in den Alpen kennen.
In Reiseführern wird angeraten, eine maximale Geschwindigkeit von 80km/h zu fahren. Mitunter fühlt man sich motiviert, angesichts der momentanen Überschaubarkeit der Strecke, ein wenig mehr aufs Gaspedal zu drücken. Wie solle man sonst diese langen Distanzen bewältigen? Wie soll man eine Senke überwinden, wenn die gegenüberliegende Seite ein Steilufer ist? Da braucht es schon gewissen Schub, um hochzukommen. Alles erweist sich als fahrtechnische Herausforderung. Nach vielen Kilometern Fahrleistung ist man ausgepowert. Sogar ich, obwohl nur Beifahrerin, im Fond des Wagens zwischen aufgetürmten Sporttaschen und Rucksäcken sitzend, bin erschöpft. Mein Beitrag ist, dass ich im Bedarfsfall den vor mir Sitzenden unseren Trockenproviant (Biltong-Stücke, die würzige namibianische Spezialität, oder meine selbstgebackenen Dinkelkekse oder Früchtebrot) und die Wasserflasche zureiche, auch mal die Sonnenbrille aus der Anoraktasche herauskrame. Typisch mütterliche Aufgaben eben. Nebenbei bin ich bemüht, durch die Seitenfenster die Landschaft zu betrachten und fotografiere aus dem fahrenden Auto heraus, so gut es möglich ist. Sehr wichtig ist, auf der Landkarte die Strecke zu verfolgen, nicht ganz einfach bei unruhiger Fahrt. Unserer in München im einschlägigen Fachgeschäft erstandenen Landkarte sieht man den häufigen Gebrauch an, so zerfleddert wie sie am Ende unserer Reise sein wird.
Man fährt irgendwie immer Berg und Tal. Oft sind die Kuppen derart hoch, dass man nicht überblicken kann, wie es dahinter weitergeht. Befindet man sich auf einer Kuppe, kann man mitunter kilometerweit sehen. Sieht man in der Ferne eine Staubwolke, kündigt sie ein anderes Fahrzeug an. Sollte man hinter einem anderen Fahrzeug fahren, empfiehlt es sich, großen Abstand zu halten, erstens wegen des Steinschlags, zweitens wegen der Staubwolke, die die Sicht vernebelt.
Ständig ergeben sich neue Landschaftseindrücke. Keine Gegend gleicht der anderen. Die Berge am Horizont variieren im Aussehen, mal zusammenhängende Bergketten, mal pyramidenartig aufgetürmte Steinhaufen, mal rötlich, mal sandig-grau, keinerlei hohe Vegetation, etwas Strauch- und Buschwerk, keine Bäume, kein Grün. Und nirgends menschliche Behausungen, niemand!Eine farblich abgesetzte Begrenzungslinie zur Markierung des Randes der Piste ist nicht vorhanden.
Die Undefinierbarkeit des Fahrbahnrandes läßt es nicht als ratsam erscheinen, zu weit von der Mitte der Piste abzukommen.