Frank Zappa. 100 Seiten - Ingo Meyer - E-Book
SONDERANGEBOT

Frank Zappa. 100 Seiten E-Book

Ingo Meyer

0,0
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Frank Zappa war die wohl facettenreichste Ikone der amerikanischen Musikgeschichte. Der schräge Humor seiner anarchischen Auftritte polarisierte. Immer wieder überschritt er Grenzen – zwischen Gattungen und Musikstilen, zwischen E und U. Während er in Amerika vorrangig als Rockmusiker prominent blieb, verfolgte er in Europa eine Karriere als Komponist und arbeitete etwa mit dem Dirigenten Pierre Boulez oder dem renommierten Ensemble Modern zusammen. Ingo Meyer gelingt das Porträt eines Ausnahmekünstlers, der permanent provozierte, dessen Provokationen aber niemals Selbstzweck waren.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 123

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Ingo Meyer

in Zusammenarbeit mit Wolfgang Cremer

Frank Zappa. 100 Seiten

Reclam

Für mehr Informationen zur 100-Seiten-Reihe:

www.reclam.de/100Seiten

 

2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: zero-media.net

Coverabbildung: FinePic®

Infografik: Infographics Group GmbH

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2018

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961393-2

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-020459-7

www.reclam.de

Inhalt

Opening NumberDie Basics»Music is the best«Komplexität und Bizarrerie: »What’s New in Baltimore?«Pflichtübung: »Conceptual Continuity«GroßprojekteGitarre, Gitarre, GitarreText und Kontext»Ooooh, I’m dancing« / »Make a Sex Noise«All that Jazz?Angriff aufs große Orchester / ComputerspieleUnd heute?LektüretippsBildnachweisZum AutorÜber dieses BuchLeseprobe aus Langeweile. 100 Seiten

Opening Number

Juli 1982, der Sommer war auch in Minden (Westfalen) ganz ordentlich, obwohl nicht, wie der des darauffolgenden Jahres, von geradezu tropischer Qualität. Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien, Torwart Toni Schumacher schlug Patrick Battiston im Halbfinale gegen Frankreich ein paar Zähne aus, doch letztlich holte Italien den Cup. Die Neue Deutsche Welle wurde noch nicht zur Gänze vom Kommerz zugrunde gerichtet, beherrschte aber die Radioprogramme beinahe vollständig; Bilder im Kopf für diese Zeit werden sich mühelos einstellen, wenn ich drei Songs erwähne: SPLIFF, »Carbonara«, SPIDER MURPHY GANG, »Skandal im Sperrbezirk«, und natürlich TRIOs Geniestreich »Da da da«.

Was tat man in der ostwestfälischen Provinz als Teenie mit 13 Jahren? Nicht viel anderes, als hätte man sich in der Metropole befunden: Man lernte heimlich das Rauchen, die sieben Mark für einen »Konti«, zehn kleine Flaschen Herforder Pils im orangen Pappkarton, ließen sich immer auftreiben – und vielleicht kam man auch jetzt schon dahinter, wie sich das andere Geschlecht anfühlt. In dieser Reihenfolge. Wem das nicht reichte, blieb nichts anderes übrig, als sich auf die Kultur zu stürzen, in meinem Fall auf Musik und Literatur (die Kunst kam erst später). Es gab damals Wochen, in denen ich beinahe jeden Tag eine LP erwarb, viel Blödsinn natürlich auch, der sehr bald wieder weggeschenkt werden musste, aber bei Karstadt an der Tränke, einen Steinwurf von der zweimal im Jahr zuverlässig zu Überschwemmungen neigenden Weser entfernt, stand bei den Neuerscheinungen Frank Zappas Album Ship Arriving Too Late to Save a Drowning Witch, ein Monstertitel, aber ansprechend schlicht in Schwarzweiß. Das Cover zierte ein Droodle, der im stilisierten Motiv mit den Insignien des Künstlers und dem Titel des Albums spielte, das war evident. Für zwölf Mark neunzig.

Zappa? Der Name wie ein Blitzschlag – und doch mit Obertönen von Unsinn, man wusste wohl, ein Spinner, »Bobby Brown« schien mir mäßig komisch, eher etwas zum Schunkeln; in der Bravo wurden höchstens Tour-Daten vermeldet (Zappa war gerade, oftmals seltsam schlecht gelaunt, aber mit exzellenter Band, auf Europa-Tournee), im Musikexpress gelegentlich eine Besprechung, selten ein Interview.

Also los. »No Not Now«, okay, eine Disco-Parodie mit gepitchten Stimmen, das ging wohl gegen die BEE GEES und Konsorten, aber warum fast sechs Minuten lang, immer und immer wieder? »Valley Girl«, mit dem berühmten Monolog von Moon, Zappas älterer Tochter, der den amerikanischen Wortschatz dauerhaft um einige Phrasen wie »gag me with a spoon« oder »grody to the max!« bereichert hat, zugleich sein größter Hit in den USA. Was ich damals für einen ungemein breiten, vulgären Dialekt hielt, war, so weiß ich heute, derjenige verzogener Töchter aus der Upperclass des San Fernando Valley. »I Come from Nowhere«, eine harte Rocknummer mit befremdlich schrägem, zwar rhythmisch, doch nicht melodisch treffendem Gesang und irrwitzigen Breaks, bis nach einigen Minuten offenbar der Chef ein ungeheuer aggressives und temporeiches Gitarren-Solo intoniert, das fetzt und dröhnt und mich atemlos in den Sessel prügelte, bis ich mich darauf besann, dass noch eine zweite Seite zu hören war.

Das Titelstück von über zwölf Minuten wiegte mich zunächst in sanften Groove, es setzt jedoch sehr bald zu bizarren Exkursionen an, mit denen man jede Party sprengen kann. Darin gleich zwei ausufernde Turnübungen auf der Gitarre, aber seltsam zwingend, zum Ende sogar swingend, es wird ohne Pause zu »Envelopes« übergeleitet, einem Stück buchstäblich zum Davonlaufen, weil es, wie ich sehr viel später lernte, in seiner vagierenden Harmonik alle abendländischen Hörgewohnheiten torpediert. Zum Schluss noch »Teen-Age Prostitute«, in der eine Opernsängerin darüber klagt, wie schlecht sie doch ihr Zuhälter behandele. Verhaltener Applaus im Abspann – war das etwa ein Live-Album? Ende.

Ich stand wie versteinert, bis meine Mutter mit dem Kommentar »Junge, was hörst du für Musik?« zum Abendessen rief. An CREAM, DEEP PURPLE und AC/DC hatte sie sich gerade gewöhnt, aber das hier war noch mal etwas deutlich anderes. Heute kann man mit ihr, hochbetagt, die Sheik Yerbouti oder Apostrophe (’) auflegen, denn gegen lange Gitarren-Soli (»Yo’ Mama«) oder Napoleon Murphy Brocks Kaspereien hat sie nichts einzuwenden.

In Momenten besonderer Verwerflichkeit musste ich mir dann immer wieder diese Gitarren-Soli geben, bis ich es im Frühjahr 1986 genauer wissen wollte. Die Kommentare meiner – jetzt – Kifferkumpel schwankten zwischen ›abgefuckter, geldgeiler Typ‹, ›Freak‹ und ›Hexenmeister‹, aber in den Plattensammlungen ihrer Mentoren, allesamt gut zehn Jahre älter und mit den einschlägigen Karrieren behaftet, fand sich nicht selten schweres Vinyl mit Titeln wie Uncle Meat, Hot Rats, Roxy & Elsewhere oder Zappa in New York. Ein Kosmos ward eröffnet. Doch in Zeiten vor dem Internet geriet die Informations- und Materialbeschaffung außerordentlich schwierig, im Plattenladen standen stets nur die drei, vier letzten Alben dieses ungeheuer produktiven Geistes, in der Stadtbibliothek fand ich lediglich eine unkluge, doch als Buch erschienene Diplomarbeit zur Sozialkritik in der Rockmusik am Beispiel Frank Zappa von 1985 und eine veraltete, dazu euphorisch-distanzlose und nur bis 1975 reichende Monographie aus der Feder eines französischen Autors. Es brauchte damals Jahre, um selteneren Exemplaren aus Zappas umfänglicher Liste an Veröffentlichungen auch nur zu begegnen; begieriges Staunen, als ich in Vorwendezeiten auf dem Westberliner Touristen-Flohmarkt an der Straße des 17. Juni unverhofft die Burnt Weenie Sandwich in den Händen hielt. Bongo Fury, mit Captain Beefheart, endlich. Das Debüt Freak out! war schon damals ziemlich kostspielig. Ich wusste ja nicht einmal, wie diese Scheiben aussahen, nur, dass es sie geben musste.

In den späten Achtzigern hatte ich sie bald komplett, aber von den damals in kurzer Folge erscheinenden Doppel-CDs mit Live-Aufnahmen aus zwanzig Jahren Bühnenkarriere dauerhaft auf Trab gehalten, versuchte ich, meine Mitschüler zu missionieren, mit bescheidenem Erfolg. Leider habe ich nur ein einziges Zappa-Konzert besucht, am 5. Mai 1988 mit seiner Bigband in Dortmund, wohl nicht das beste der Tour, aber doch beeindruckend. Im Nachklapp handelte ich mir meinen ersten und bisher letzten Tripper ein, eine Anekdote, die dem Meister gefallen hätte (»Why Does It Hurt When I Pee?«, Joe’s Garage, Act I).

Entgegen einem zählebigen Mythos hat Zappa niemals auf die Bühne defäziert, weder allein noch gemeinsam mit Captain Beefheart, und erst recht nicht anschließend eine Geschmacksprobe genommen. Wohl aber habe er einmal hinter der Bühne »Scheiße gegessen«, und zwar »am Buffett des Holiday Inn in Fayetteville, North Carolina, im Jahr 1973«.

Zappa hat mich, wie zahllose andere, zum Jazz gebracht, ein unschätzbarer Dienst. Thank you, Frank. Heute habe ich, ebenfalls wie viele andere, Phasen, in denen ich ihn wochenlang höre, dann wieder geraume Zeit gar nicht. Setzt er aber zum Solo an, meist ekstatisch, gelegentlich auch kontemplativ, doch stets von seltsamen Geschichten kündend, könnte ich endlos zuhören, daran hat sich nichts geändert. Aber da ist noch viel mehr. Der Reihe nach.

Die Basics

»Beschäftigte ich mich nicht selbst, hätte ich keinen Job.«

Zappa im Interview mit Don Menn, 1992

Francis Vincent Zappa II. wurde in Baltimore am 21. Dezember 1940 in eine Einwandererfamilie griechisch-arabisch-sizilianisch-französischer Herkunft geboren. Das kränkliche Kind litt unter den vielen berufsbedingten Umzügen, die die Tätigkeit seines Vaters in der Rüstungsindustrie mit sich brachte; die zahlreichen Ortswechsel führten dazu, dass sich Zappa bald als Außenseiter ohne stabile Freundschaften fühlte. Früh entwickelte er Interesse am Zeichnen, Basteln und an Musik, besonders SPIKE JONES AND HIS CITY SLICKERS, virtuose Comedy-Musiker, die auch große Mengen an Alltagsgeräten als Geräuscherzeuger zum Einsatz brachten, faszinierten ihn schon seit der Kindheit. Während der Highschool spielte er zunächst Schlagzeug in den üblichen Tanzmusikkapellen, vermochte aber nie, seine Extremitäten zu verschiedenen Rhythmen hinreichend zu koordinieren. Ein Drummer, so viel war klar, wurde er nicht. Der Horizont weitete sich, neben dem angesagten Doo Wop liebte Zappa den ungeschliffeneren Rhythm ’n’ Blues, etwa von Eddie ›Guitar Slim‹ Jones, Howlin’ Wolf und Johnny ›Guitar‹ Watson. Mit achtzehn begann er selbst, Gitarre zu spielen, Jones’ Einfluss ist wenigstens bis 1970 deutlich zu hören. Mit Rock ’n’ Roll hingegen konnte Zappa nichts anfangen. Daneben aber entdeckte er in einem von Hochkultur Lichtjahre entfernten Milieu (das eine Semester Musik am Chaffey Junior College in Alta Loma fiel kaum ins Gewicht und wurde angeblich nur absolviert, »um Mädchen kennenzulernen«) über Igor Strawinsky und Anton Webern die Klassische Moderne auf eigene Faust, bis er zudem in einem Magazin über die ›schreckliche‹ Musik von Edgar Varèse las – Anlass genug, nicht ohne Mühen eine erste LP des Avantgarde-Komponisten zu erwerben. Ein Erweckungserlebnis: Nicht nur glich das Foto auf dem Cover einem verrückten Wissenschaftler, das berühmte Stück Ionisation für einundvierzig Schlaginstrumente und zwei Sirenen war ihm das ultimative Mittel, seine Umwelt zu schocken, und zugleich initial für die prinzipiell starke Betonung des rhythmisch-perkussiven Aspekts in seinen eigenen Stücken. Wer – wie ich – von Zappa zu Varèse kommt, bemerkt sofort, wie viel er ihm verdankt. Allerdings wäre der frankoamerikanische Pionier ohne Zappas ständiges Werben heute allenfalls halb so bekannt.

Die Familie Zappa verschlug es nach Lancaster, nördlich von Los Angeles, im letzten Highschool-Jahr lernte Zappa Don van Vliet, den späteren Captain Beefheart, über beider Liebe zum Rhythm ’n’ Blues kennen. Beefheart hatte ein Auto, also frönten sie abends einem uramerikanischen Ritual der Adoleszenz, »Cruising for Burgers«, wie es auf Uncle Meat heißt, natürlich auch auf der Suche nach Mädchen. George Lucas’ zweiter Spielfilm American Graffiti von 1973 vermittelt einen guten Eindruck von dieser Tradition.

Fest stand schon jetzt, dass die Musik Zappas Lebensinhalt sein musste, er gründete Bands und spielte am Wochenende für ein paar Dollars in Spelunken und Cocktailbars. Von dem Soundtüftler Paul Buff in Cucamonga übernahm er ein Studio, konnte – wenngleich in primitiver Form – ›overdubben‹ (mehrere Tonspuren übereinanderlegen) und geriet prompt wegen einer fingierten ›pornographischen‹ Auftragsarbeit, Sexgeräusche auf Band, mit dem Gesetz in Konflikt. Zappa bekam ein halbes Jahr Knast auf Bewährung, von dem zehn Tage abgesessen werden mussten – eine traumatische Erfahrung, die sein Vertrauen in den Rechtsstaat und den American Way of Life überhaupt nachhaltig erschütterte. Ansonsten schlug er sich mit Gelegenheitsjobs durch, eine überstürzte und bald wieder geschiedene erste Ehe sowie einige Hungerjahre in Los Angeles’ Peripherie, während derer er manche seiner späteren Bandmitglieder kennenlernte. In der Steve Allen Show führte er 1963 zur allgemeinen Gaudi Kostproben einer Komposition für zwei Fahrräder (!) auf; er wusste, dass er vorgeführt wurde, nutzte aber diese Chance erster medialer Präsenz.

Der Mythos will es, dass Zappa am Muttertag 1964 mit »Project/Object« die Grundzüge seines Konzepts von Band, Werkverständnis und Karriere beisammen hatte: die berüchtigte »Conceptual Continuity« (worüber noch zu reden sein wird). Fakt ist, dass ihm die Gunst von Ort und Stunde zuteilwurde; die Musikindustrie, zunächst eher überrascht von der Einsicht, dass sich mit Pop viele Millionen verdienen ließen, war einen kurzen, historischen Moment bereit, auch in abseitigere Erscheinungen zu investieren. Herb Cohen, Zappas erster Manager, verschaffte ihm und seiner mittlerweile konstituierten, buntscheckigen Truppe MOTHERS OF INVENTION die ersten Gigs, nicht selten zur heftigen Irritation des Publikums. »Über Nacht«, so Zappa rückblickend, »schafften wir den Sprung vom Hunger zur Armut.« Cohen weckte das Interesse des Erfolgsproduzenten Tom Wilson, der bereits für Simon & Garfunkel und einige von Bob Dylans wichtigsten Frühwerken verantwortlich zeichnete; es gab einen Plattenvertrag bei MGM/Verve, einem Jazzlabel, bescheidene Vorschüsse, aber ein für Newcomer damals ungewöhnlich hohes Budget von 21 000 Dollar, mit dem 1966 in – damals ungewöhnlich langen – drei Wochen Zappas Debüt Freak out!, die erste Doppel-LP der Rockgeschichte, eingespielt wurde. Zwar noch kein Konzeptalbum, aber doch ein kohärentes Statement. Zappa verstand sich zu dieser Zeit als Teil und Sprachrohr der Freak-Szene von Los Angeles, die sich von den Hippies in San Francisco abzugrenzen mühte: Anti-Establishment auf der Suche nach Bewusstseinserweiterung auch hier, aber eher ätzend-satirisch als mit Hang zu Flower Power und Love & Peace ausgerichtet, ebenfalls langhaarig, aber eher in Lumpen denn Batikklamotten gehüllt und auf einem strikt individualistischen Kurs ohne Glauben an die Befreiung durch das ›Kollektiv‹ (das Zappa in San Francisco bereits wieder ärgerlich uniform erschien), ohne Hang zu fernöstlicher Mystik und Drogen, sondern in seinem Fall mit Interesse am Dadaismus und der Neuen Musik. Typisch schon für sein erstes Album ist das Überangebot von Information auf dem Cover, »biographical trivia« und eine penible Definition dessen, was es heißt, auszuflippen, knapp zweihundert (auch absurde) Danksagungen, Erläuterungen der Stücke – und doch signalisieren eingefügte »Blah blahs«, »Hotchas!« usw., dass alles wohl nicht ganz so ernst gemeint ist. Als weiteres Moment der Distanzierung wird noch ein fiktiver Brief von Suzy Creamcheese aus Salt Lake City, dem prototypischen Normalo-Teenager, präsentiert, die darüber klagt, wie irre diese Band gekleidet ist und wie übel sie riecht: »None of the kids at my school like these Mothers …« Die eigentümliche Ambivalenz dieses Programms, die Zappa durchhalten wird, ist damit bereits offengelegt. Einerseits soll niemand daran zweifeln, wessen Musik das ist (»all selections composed, arranged, orchestrated, and conducted by Frank Zappa«), zumal er auch auf der Bühne mit längeren Ansagen und den berühmten Handzeichen, mit denen er seine Band dirigierte, an seinem Status als absoluter Chef keinerlei Zweifel ließ, andererseits neigte er schon bei seinem ersten Großprojekt dazu, ihm einen selbstironischen Tritt zu verpassen.

Die Mothers of Invention in London, 1967

Der Zeit mit der Ursprungsbesetzung der MOTHERS OF INVENTION verdankt Zappa seinen Ruhm bis heute, manche Fans lassen noch immer nur diese kurze Phase von 1966 bis 1969 gelten, seine Erfindung konzeptioneller Underground-Musik, die er beständig ausbauen wird: Im Rahmen einer Ästhetik des Hässlichen und des Bruchs parodierte Zappas wüste Truppe gnadenlos den American Way of Life, destruierte die dazugehörige Populärmusik, verfremdete Mozart und zitierte Strawinsky, bot lange Kabarett-Einlagen, die ins Absurde mündeten und in den Live-Shows nicht selten das Publikum unmittelbar einbezogen, dann wieder erging man sich in ausgiebigen Jams. Mit Bier und Rasierschaum gefüllte Gummihühner wurden massakriert, überdimensionierte Giraffen-Puppen masturbierten, große Mengen an verfaultem Gemüse gelangten als Wurfgeschosse zum Einsatz. Doch erst mit den legendären Shows Pigs & Repugnant im New Yorker Garrick Theater ab Ostern 1967, bei welcher Gelegenheit Zappa Bekanntschaft mit Größen wie Eric Clapton, Jimi Hendrix und Joni Mitchell machte, erhielt er die Aufmerksamkeit der Kritiker; dem Big Apple fühlte er sich auch deshalb zeitlebens verbunden, hier schien man ihn zu verstehen.