Frieda Fricke - einfach unmöglich! - Karen-Susan Fessel - E-Book

Frieda Fricke - einfach unmöglich! E-Book

Karen-Susan Fessel

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Beschreibung

Frieda Fricke ist einfach unmöglich! Findet vor allem Herr Franke, Friedas Lehrer. Aber Frieda findet das gar nicht. Sie sagt einfach nur, was sie denkt. Und sie denkt genauso schnell, wie sie rennen kann! Das ist auch gut so, denn Frieda lebt auf einem großen alten Hof bei ihrer Tante Siggi, zusammen mit sechs Milchkühen, ihrem Hund Lupo und ihrer tüdeligen Großtante Emmi. Der Hof ist so alt, dass sie noch gestampften Lehm als Fußboden haben. Und die Dame vom Jugendamt meint, sie sollen besser mal in eine richtige Wohnung umziehen. Das will Frieda auf gar keinen Fall! Da müssen sie und ihre Freunde sich etwas einfallen lassen. Zur Not auch mit Hilfe der nervigen Nora-Lynn und von Mitja, dem Schnösel aus der Großstadt ...

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Seitenzahl: 147

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Für Lore und für Heidi

Inhaltsverzeichnis

SECHS KÜHE UND EIN DOPPELKINN

KAFFEEKLATSCH IM HUSMANNSHUS

EINE MUTTER IN AMERIKA

DIE DAME VOM AMT

KAZIPÄTEN UND TAPETEN

DIE BESTE IDEE ALLER ZEITEN!

LAUTER GUTE NEUIGKEITEN …

… UND EINE BÖSE ÜBERRASCHUNG

EIN HEIM FÜR ALTE KÜHE UND ANDERE LEUTE

SECHS KÜHE UND EIN DOPPELKINN

„Eigentlich schade, dass du eine Kuh bist!“ Frieda streichelte Vicky über die samtweiche Schnauze. „Sonst könntest du nämlich mit mir zur Schule gehen! Du bist schließlich auch bald 9 Jahre alt.“

Vicky schnaubte und blies Frieda warme Luft über die Hand. Dann kaute sie weiter auf dem Heubüschel herum, das Frieda ihr gerade gereicht hatte. Frieda schloss die Augen. Es war warm im Kuhstall, sie lauschte dem gemütlichen Kauen und Knurpsen der sechs Kühe um sie herum.

„Frieda! Du musst los!“, rief Tante Siggi draußen. „Du kommst wieder zu spät!“

„Och“, murmelte Frieda und schlug die Augen wieder auf. Vickys große braune Augen direkt vor ihr musterten sie, als wollte sie sagen: „Bleib doch noch!“

„Frieda! Beeil dich!“ Tante Siggis Stimme klang jetzt ein bisschen wütend. Aber nur ein winziges kleines bisschen. Bis Tante Siggi wirklich böse wurde, dauerte es eine Weile. „Mensch noch mal, Kind!“

„Tschüss, Vicky!“ Frieda seufzte und strich ihrer Lieblingskuh noch einmal über die Schnauze. Dann drehte sie sich um und winkte den anderen Kühen der Reihe nach zu. „Tschüss, Lotte, tschüss, Penny, tschüss, Ruby, tschüss, Polly, tschüss, Bella!“

„Friiiie-da!“ Okay, jetzt war Tante Siggi wirklich langsam sauer. „Jetzt komm aber mal!“

„Hach“, sagte Frieda. „Man hat aber auch nie seine Ruhe, was?“

Vicky muhte. Wie immer hatte Frieda das Gefühl, dass Vicky jedes Wort verstand.

Draußen vorm Stall sprang Lupo ihr entgegen und Frieda bückte sich, um ihn zu streicheln, während sie vorsichtig zu ihrer Tante hochschielte. Tante Siggi stand auf dem Weg und wedelte ungeduldig mit Friedas Brotbox. Sie trug Gummistiefel und einen grauen Overall, der an den Knien ziemlich schmutzig war, und ihre langen blonden Haare hatte sie mit einem Gummiband zusammengebunden. „Frieda! Hier, dein Frühstück! Und jetzt los, du bist wirklich spät dran!“

Frieda steckte ihre Brotbox in den Rucksack. „Danke. Bis nachher!“

„Sieh mal zu, Kind!“, brummte Tante Siggi und griff nach der Mistforke, die sie neben sich in den Boden gesteckt hatte. „Sonst regt sich Herr Franke wieder auf!“

Frieda setzte ihren Rucksack auf. Plötzlich war ein Motorengeräusch zu hören und der schicke Wagen der neuen Nachbarn fuhr langsam an ihnen vorbei. Lupo bellte, der Fahrer winkte und hinter ihm drückte sich sein Sohn die Nase an der Fensterscheibe platt. Frieda konnte nicht anders, sie musste ihm einfach die Zunge rausstrecken.

„Frieda! Unmöglich!“, sagte Tante Siggi tadelnd, aber Frieda sah genau, dass sie grinsen musste. „Sei nicht so unfreundlich zum neuen Nachbarsjungen. Du kennst ihn doch gar nicht.“

„Pöh, du findest die neuen Nachbarn doch selber doof“, sagte Frieda.

„Ach was, das stimmt doch gar nicht!“

„Doch“, sagte Frieda. „Hast du selber gesagt! Diese Hamburger Schnösel, bilden sich sonst was ein auf ihr vieles Geld! Kommen hierher und kaufen alles auf!“

Tante Siggi lief rot an. „Frieda! Also wirklich. Das soll ich gesagt haben?“

„Am Freitag!“, sagte Frieda und nickte kräftig. „Als die da drüben eingezogen sind. Da hast du das zur alten Berta, Herrn Schröder und Wäsche-Lore gesagt. Beim Kaffeeklatsch!“

„Na, so was!“, murmelte Tante Siggi. „Also dann … jetzt aber los!“

Lupo kam wie immer mit bis unten zur Straßenecke. Frieda musste grinsen, als sie seinen gepunkteten Hintern vor sich herwackeln sah. Lupo war mittelgroß und eigentlich mittelbraun, aber er hatte ganz viele schwarze Punkte auf dem Hinterteil und dunkle Schlappohren und zwei große Flecken auf jeder Seite, ein bisschen wie eine Kuh. Das fand Frieda sehr süß und die meisten anderen Leute auch. An der Straßenecke blieb Lupo stehen und sah Frieda wedelnd hinterher, bis sie hinter der nächsten Baumreihe verschwunden war.

Wenn Frieda schnell ging, brauchte sie zehn Minuten bis zur Schule. Wenn sie ganz langsam schlenderte, zwanzig. Und wenn sie rannte, dann nur acht. Heute ging sie ganz gemütlich an der großen Wiese vorm Deich entlang und dann an der ersten Kuhweide von Bauer Schade vorbei und durch die Unterführung.

Dahinter kam der Bauernhof von Nora-Lynns Eltern. Frieda betrachtete das große Haus mit den weißen Säulen davor. Bauer Schade hatte die größten Ländereien und die meisten Kühe im Ort und noch dazu die Apfelplantage auf der anderen Straßenseite.

Und mit Abstand die doofste Tochter der Welt!

Frieda bog gerade um die Ecke, als es zum zweiten Mal klingelte. Gemeinsam mit ein paar anderen Nachzüglern rannte sie die Schultreppe hoch, warf ihre Jacke über den Haken, riss die Tür auf und stürmte ins Klassenzimmer. Die anderen saßen alle schon auf ihren Plätzen und Herr Franke hatte sich vor der Tafel aufgebaut. Neben ihm stand ein Junge mit kurzen, braunen Haaren.

„Guten Morgen allerseits!“, sagte Herr Franke und warf Frieda einen blitzenden Blick zu. „Und guten Morgen, Frieda Fricke. Das hat ja wohl gerade noch so geklappt, was?“

Frieda grinste und ließ sich neben Jannis auf ihren Stuhl fallen.

„Klappt doch immer!“, rief sie vergnügt.

Herr Franke seufzte und legte dann eine Hand auf die Schulter des Jungen neben ihm. „So, Kinder, ich möchte euch hier euren neuen Mitschüler vorstellen. Das ist Mitja Husemann und er ist aus Hamburg zugezogen und wohnt … Mitja, wo genau wohnst du?“

„Außendeich 3“, sagte Mitja mit so leiser Stimme, dass man ihn kaum verstehen konnte. Er schielte verlegen auf seine Schuhspitzen hinunter, und seine Ohren, die etwas abstanden, leuchteten knallrot.

Frieda starrte ihn an. Erst jetzt erkannte sie ihn – das war doch der neue Nachbarsjunge!

„Außendeich 3?“, flüsterte Jannis. „Wohnt der etwa neben dir?“

„Leider ja“, sagte Frieda grimmig. Das war ja wohl die Höhe! Erst zog dieser Mitja mit seiner Schnöselfamilie ausgerechnet nebenan ein und dann war er auch noch in ihrer Klasse!

„Seid bitte freundlich zu Mitja und zeigt ihm alles, was er wissen muss“, sagte Herr Franke und klopfte Mitja auf die Schulter. „Und du, Mitja, du setzt dich jetzt erst mal neben …“ Er überlegte, während er sich umsah. „Vielleicht neben … genau, neben Nora-Lynn. Und Lara, du rückst bitte rüber zu Niklas, ja?“

Lara verdrehte die Augen und setzte sich neben Niklas, der sofort an einem ihrer Zöpfe zog. Lara kreischte auf und schubste seine Federmappe vom Tisch.

Mitja trottete zu Nora-Lynns Tisch und setzte sich still neben sie, während Lara murrend ihre Federtasche aufhob. Nora-Lynn schenkte ihrem neuen Tischnachbarn nur einen kurzen, hochnäsigen Blick.

Frieda stützte die Ellbogen auf den Tisch und betrachtete Mitja und seine roten Ohren von hinten. Sie beugte sich vor. „Pssst!“

Mitja drehte sich zu ihr um. „Ja?“

„Du musst aufpassen. Nora-Lynn liebt Segelohren. Nachher beißt sie dir noch in deine rein.“

Nora-Lynn fuhr herum und funkelte Frieda böse an. „Du spinnst ja“, zischte sie.

„Nora-Lynn, Frieda! Ruhe jetzt!“ Herr Franke wedelte mit einer Hand und zeigte dann auf die Tafel. „So, jetzt seht mal her! Hier seht ihr drei Endungen: -isch, -lich und -bar. Nennt mir bitte Adjektive, also Wiewörter, mit diesen Endungen. Immer der Reihe nach. Malte, du fängst an! Ein Adjektiv mit -isch am Ende, bitte!“

„Äh, was? Ach so!“, rief Malte. „Stürmisch!“

Herr Franke nickte säuerlich. „Merle? Ein Adjektiv mit -lich?“

„Heimlich!“

„Jannis? Am Ende mit -bar?“

Jannis neben Frieda kratzte sich am Kopf. „Äh … Nachbar?“

Die ganze Klasse fing an zu lachen und Herr Franke schüttelte seufzend den Kopf.

„Das ist doch kein Adjektiv, Jannis! Überleg noch mal!“

Jannis starrte ratlos vor sich hin. Nora-Lynn vor ihm schnippte mit den Fingern und Herr Franke runzelte die Stirn. „Jannis? Fällt dir denn gar nichts ein?“

„Wunderbar“, flüsterte Frieda und Jannis’ Miene hellte sich auf.

„Wunderbar!“, rief er.

„Wunderbar vorgesagt, Frieda“, sagte Herr Franke trocken. „Dann bist du jetzt dran, Nora-Lynn!“

„Regnerisch“, sagte Nora-Lynn mit gezierter Stimme.

„Mitja?“

„Ich … äh …“ Mitja hatte offenbar nicht richtig aufgepasst, denn er sah sich verwirrt um.

„Hässlich“, flüsterte Frieda von hinten.

„Hässlich“, sagte Mitja, drehte sich halb um und warf Frieda einen dankbaren Blick zu.

Herr Franke seufzte erneut. „Nun denn, das klappt ja so einigermaßen. Jetzt mal schnell ein paar kurze Reimworte. Das nennt man auch Gehirnjogging. Also, ich sage ein Wort und ihr ein Reimwort dazu! Lara, du fängst an: Wecker!“

„Lecker!“

„Niklas: Schule!“

„Öh … Rule?“

„Rule?“ Herr Franke stemmte die Arme in die Seite. „Was soll das denn sein, Rule?“

Niklas zuckte mit den Schultern und einige fingen an zu lachen.

„Weiß nicht“, sagte er. „Gibt es das nicht?“

„Nicht dass ich wüsste“, sagte Herr Franke trocken. „Nun, Nora-Lynn?“

„Doppelkinn!“, flüsterte Frieda schnell und Jannis fing an zu kichern.

Nora-Lynn verzog das Gesicht und hob die Hand. „Herr Franke! Frieda hat gesagt, dass ich ein Doppelkinn hab!“

„Hab ich gar nicht“, sagte Frieda. „Ich habe nur Nora-Lynn Doppelkinn gesagt! Reimt sich doch, oder?“

Jetzt fing die gesamte Klasse an zu lachen. Herr Franke seufzte noch einmal, hob die verschränkten Hände in Richtung Decke und verdrehte die Augen. „Frieda, du bist einfach unmöglich!“ Dann sah er wieder zu Nora-Lynn. „Nora-Lynn, du hast kein Doppelkinn. Aber du bist jetzt dran. Was reimt sich auf Mühe?“

„Kühe“, sagte Nora-Lynn und lächelte zufrieden.

„Eine Kuh macht Muh“, rief Frieda, „und viele Kühe machen Mühe!“

Wieder fing die Klasse zu lachen an und Herr Franke hob die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen.

„Ganz genau, Frieda!“, sagte er. „Und weil du das so fein gesagt hast, schreibst du mir das freundlicherweise heute noch hundertmal auf und legst es mir morgen vor. Vielleicht erinnerst du dich dann ja in Zukunft daran, dass du nicht ständig dazwischenreden sollst!“

In der letzten Stunde war freies Lesen dran, aber Frieda konnte sich diesmal einfach nicht auf ihr Buch konzentrieren. Immer wieder guckte sie zu Mitja, der sich ein dickes Buch ausgesucht hatte und nicht ein einziges Mal davon hochsah, nicht mal, als Jack neben ihm einen fahren ließ und sämtliche Mädchen kreischend aufsprangen. Schließlich stieß sie Jannis an. „Guck mal, der Neue!“

Jannis warf nur einen Blick zu Mitja, dann zuckte er mit den Schultern. „Streber!“, murmelte er und beugte sich wieder seufzend über sein Buch. „Wie kann man sich nur freiwillig so einen dicken Wälzer aussuchen!“ Genau das dachte Frieda auch. Warum kam so ein Großstadt-Schnösel-Superleser eigentlich überhaupt hier aufs Dorf? Der passte hier doch gar nicht hin.

Und Ahnung von Kühen hatte er bestimmt auch keine.

Merle musste heute nach der Schule gleich nach Hause, weil sie mit ihrer Mutter zum Schuhekaufen in die Stadt fahren sollte, und so spielten Frieda und Jannis noch mit Niklas, Leopold und Lara Verstecken auf dem Schulhof.

„He, willst du mitmachen?“, rief Leopold zu Mitja hinüber, der sich am Schultor hingestellt hatte, seinen Rucksack zwischen den Beinen.

Frieda runzelte die Stirn, aber bevor sie etwas sagen konnte, schüttelte Mitja den Kopf. „Nee, ich werde gleich abgeholt!“

In diesem Moment hielt auch schon der schicke neue Wagen vor ihm am Straßenrand und Mitjas Vater beugte sich über den Beifahrersitz und stieß die Tür auf. „Komm, steig heute mal vorn ein! Will noch jemand mitfahren?“, rief er. „In Richtung Außendeich? Drei Plätze hätte ich noch!“

Mitja lief rot an, während er seinen Rucksack in den Fußraum hievte.

„Mensch, Papa“, sagte er. „Das … äh …“

Niklas und Leopold sahen sich an, warfen einen Blick auf den schicken Wagen und schüttelten bedauernd die Köpfe.

„Nee, wir wohnen gleich hier um die Ecke!“, rief Niklas und Lara setzte hinzu: „Und ich bin mit dem Fahrrad!“

„Na, dann vielleicht ein andermal“, sagte Mitjas Vater, winkte fröhlich und gab Gas, sobald Mitja die Tür zugezogen hatte. Der Wagen röhrte auf und brauste davon.

„Cool! Warum bist du nicht mitgefahren, Frieda?“, sagte Leopold und starrte ihm versonnen hinterher.

„In so einer ollen Schnösel-Karre will ich gar nicht fahren“, sagte Frieda und wusste selbst nicht, warum sie auf einmal so böse war.

„Los jetzt, wer ist dran?“

„Na ja, alt ist das Auto nicht gerade“, sagte Niklas. „Und Achtung, ich fang jetzt an zu zählen! Eins, zwei …“

KAFFEEKLATSCH IM HUSMANNSHUS

Lupo kam Frieda an der Ecke zur Einfahrt entgegen und wedelte wie wild, und da bekam sie gleich wieder so richtig gute Laune. „Du willst wenigstens nicht mit ollen Schnösel-Karren fahren, was, Lupo?“, sagte sie zufrieden und streichelte ihm über den Kopf.

Lupo schloss behaglich die Augen und drängte sich an ihre Beine, dann lief er zur Hofanlage voraus, die dicht neben dem Deich, der den Fluss vom Land trennte, lag.

Die Hofanlage bestand aus zwei sehr großen, sehr hohen und sehr alten Häusern, die einander gegenüberstanden und von einer dichten Reihe von Bäumen umgeben waren. Sie hatten sogar einen richtigen Namen: Husmannshäuser nannte man sie. Oder, auf Plattdeutsch: Husmannshus.

Die Häuser waren so groß, weil man früher alles darin gemacht hatte: das Vieh unterbringen, Getreide dreschen und lagern und wohnen. Getreide wurde hier schon lange nicht mehr gedroschen, aber gewohnt und gearbeitet schon: Die sechs Kühe standen in der kalten Jahreszeit im Stall gleich rechts vom Eingang. Man konnte ihn von außen betreten, aber auch von der Tenne, der großen Eingangshalle, gab es einen Zugang, genau wie zu den beiden weiteren Ställen, die aber schon lange leer standen. Auf dem hohen Dachboden wurden das Heu und das Viehfutter gelagert und in den drei ehemaligen Schlafkammern für die Knechte weiter vorn wohnten Frieda, Tante Siggi und Tante Emmi. Dann gab es noch die Küche, das Bad und, etwas erhöht, sodass man drei steile Stufen hinaufsteigen musste, die Alltagsstube und die gute Stube, in der sie nur zu Weihnachten saßen und aßen.

Früher hatte es viele Husmannshäuser in der Gegend gegeben, aber jetzt nicht mehr. Die meisten waren schon längst zusammengefallen oder abgebrannt. Aber Friedas Haus stand schon seit über zweihundertfünfzig Jahren hier!

Frieda sah, dass Tante Emmi, auf ihren Stock gestützt, mitten im Hof zwischen den beiden Häusern stand. Aber nicht allein, sondern mit einer anderen Frau, die Frieda noch nie gesehen hatte. Sie trug dunkle Jeans, eine Bluse und Turnschuhe und hielt sich an so einem Gehgerät mit vier Rollen fest.

Die fremde Frau und Tante Emmi unterhielten sich so angeregt miteinander, dass sie Frieda nicht einmal bemerkten.

„Hallo!“, rief Frieda, als sie ganz nahe herangekommen war. „Hallo, Tante Emmi!“

Tante Emmi und die fremde Frau zuckten zusammen. Jetzt, so von Nahem, konnte Frieda sehen, dass die fremde Frau gar nicht so jung war, wie sie von Weitem gedacht hatte. Sie hatte ganz viele Falten in ihrem freundlichen Gesicht und war bestimmt mindestens so alt wie Tante Emmi, und die war ja schon uralt!

„Hallo, Frieda!“, sagte Tante Emmi erfreut und drückte Frieda kurz an sich. „Da bist du ja! Guck mal, das ist unsere neue Nachbarin, Frau … Mensch, wie heißt du noch mal?“ Tante Emmi duzte immer alle Leute, das regte Tante Siggi manchmal auf. Aber Frieda fand das nicht schlimm, sie duzte auch die meisten Leute! Und in manchen Ländern war das ganz normal, zum Beispiel in Schweden, das hatte sie vom Pastor gehört, da duzten sich alle Leute, ob alt oder jung.

Die Nachbarin lächelte Frieda an. „Margot Husemann“, sagte sie. „Aber du kannst auch Oma Margot zu mir sagen!“

„Husemann? Ist ja cool!“, sagte Frieda. „Wo wir doch im Husmannshaus wohnen! Und ihr auch!“

Oma Margot nickte. „Ja, ich wohne hier gleich nebenan! Mit meinem Mann und unseren Kindern!“

Tante Emmi runzelte die Stirn. „Mit deinem Mann? Hast du nicht gerade erzählt, dass dein Mann schon lange tot ist?“

Die Nachbarin sah Emmi verdutzt an, dann runzelte sie die Stirn. „Ach ja, richtig … stimmt ja, mein Mann ist schon lange tot.“ Sie schüttelte den Kopf, dann zuckte sie mit den Schultern. „Nein, richtig, ich wohne hier mit meinen Kindern, also mit meinem Sohn und seiner Frau und … und meinem Enkel … wie heißt der noch mal …“ „Mitja“, sagte Frieda.

Die Nachbarin lächelte. „Oh ja, Mitja heißt er! Und wer bist du?“

„Na, hat Tante Emmi doch gerade gesagt, ich bin Frieda!“ Aber die Nachbarin lächelte so freundlich, dass Frieda zurücklächeln musste. „Ich geh rein, Tante Emmi, und mach mir einen Kakao!“

„Mach das, mein Kind, mach das ruhig“, sagte Tante Emmi und strich Lupo noch einmal über den Kopf. „Ich komme auch gleich, ich hab aber noch was mit Margot zu bereden.“

Die Küche war leer und Frieda machte sich erst mal in aller Ruhe einen Kakao, mit so viel Pulver, dass er richtig schön dunkelbraun aussah. Gerade als sie den letzten Schluck trank, kam Tante Siggi herein und schleuderte ihre Holzclogs von den Füßen.

„Na, da bist du ja!“, sagte sie und hielt die Hände unter den Wasserhahn. Ihr Gesicht war gerötet und grimmig zugleich, so wie immer, wenn sie sich über etwas ärgerte. Und in letzter Zeit ärgerte sich Tante Siggi ziemlich oft – zum Beispiel darüber, dass die Geschirrspülmaschine kaputtgegangen war und kein Geld für eine neue da war. Und für ein neues Fahrrad auch nicht, denn das war auch kaputtgegangen. Das Geld, das die Kuhmilch einbrachte, war bei ihnen schon immer knapp gewesen, aber in letzter Zeit reichte es hinten und vorne nicht. Obwohl Tante Siggi ja schon jeden Vormittag zusätzlich im Gemeindehaus und im Alkoholikerheim putzen ging. „Weißt du was, Frieda, geh doch mal gleich raus und hol Emmi rein, sonst steht die da noch bis morgen früh und redet und redet … Und dann auch noch mit der Schnöseloma von nebenan!“ Tante Siggi ließ heißes Wasser ins Spülbecken und spritzte ein paar Tropfen Spüli rein.

„Die ist aber ganz nett, die Schnöseloma“, sagte Frieda und schlürfte noch rasch den letzten Rest Kakao aus dem Becher.