Friedrich Fröbel - Helmut Heiland - E-Book

Friedrich Fröbel E-Book

Helmut Heiland

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Beschreibung

Friedrich Fröbel (1782 – 1852) gilt als der Erfinder des Kindergartens. Er war selbst ein Schüler Pestalozzis und gründete mehrere Kinderheime. Zahlreiche erzieherische Methoden und Techniken wurden von ihm erprobt, sogar ein eigenes Spielzeug ("Fröbel-Bausteine") geht auf ihn zurück. Sein zentrales Anliegen war es, sowohl den Spieltrieb als auch die Selbständigkeit und den Gemeinschaftssinn der Kinder zu fördern. In Preußen waren seine Kindergärten von 1851 bis 1860 verboten. Mit seinem Wirken hat Fröbel maßgeblich zur Entwicklung des ganzheitlichen Denkens in der Pädagogik beigetragen, viele seiner Ideen sind noch heute erstaunlich modern. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

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Helmut Heiland

Friedrich Fröbel

Über dieses Buch

Friedrich Fröbel (1782–1852) gilt als der Erfinder des Kindergartens. Er war selbst ein Schüler Pestalozzis und gründete mehrere Kinderheime. Zahlreiche erzieherische Methoden und Techniken wurden von ihm erprobt, sogar ein eigenes Spielzeug («Fröbel-Bausteine») geht auf ihn zurück. Sein zentrales Anliegen war es, sowohl den Spieltrieb als auch die Selbständigkeit und den Gemeinschaftssinn der Kinder zu fördern. In Preußen waren seine Kindergärten von 1851 bis 1860 verboten. Mit seinem Wirken hat Fröbel maßgeblich zur Entwicklung des ganzheitlichen Denkens in der Pädagogik beigetragen, viele seiner Ideen sind noch heute erstaunlich modern.

 

Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Vita

Helmut Heiland, geb. 1937 in Nürtingen, 1956 Abitur, danach Volksschullehrerstudium in Schwäbisch Gmünd; 1958 bis 1960 Lehrer an einer Landschule bei Schwäbisch Hall. 1960 bis 1965 Studium der Pädagogik, Philosophie und Geschichtswissenschaft in Tübingen und München, 1965 Promotion und Staatsexamen, 1969 bis 1972 Dozent, dann bis 1973 Professor an der Pädagogischen Hochschule Ruhr, Abtl. Dortmund. Seit 1974 o. Prof. für Schulpädagogik/Allgemeine Didaktik an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg, jetzt Universität Duisburg-Essen; 2002 Emeritierung.

 

Leiter der «Fröbelforschungsstelle der Universität Duisburg» und Herausgeber der «Duisburger Beiträge zur Fröbelforschung» 1989–1998 (5 Bände), Initiator der «Internationalen Fröbel-Symposien» 1996–2004 (Bad Blankenburg/Duisburg/Dresden und Berlin). Gesamtedition der Briefe Friedrich Fröbels 2008 (Internet und Einführungsband «Friedrich Fröbel in seinen Briefen»).

 

Von 1967 bis 2017 224 Veröffentlichungen (Monographien und Zeitschriftenbeiträge) zur Lehrerausbildung, Schulpädagogik, Allgemeinen Didaktik und zur Didaktik des Pädagogikunterrichts, zur Schultheorie sowie zur Geschichte der Pädagogik und Früherziehung, insbesondere zur Spielpädagogik Friedrich Fröbels und zu deren Wirkungsgeschichte (zur Fröbelforschung insgesamt 22 Monographien und 118 weitere Beiträge). Zuletzt erschienen «Neue Beiträge zur Fröbelforschung» (2017).

 

Die vorliegende Rowohlt-Monographie «Friedrich Fröbel» erschien erstmals 1982, 4. Aufl. 2005. In der Reihe «Rowohlts Monographien» erschien ferner 1991 der Band «Maria Montessori» (13. Aufl. 2018 und als E-Book).

Kindheit und Jugend

Wie Ihr wohl schon wißt, bin ich in einem Bergdorfe eines der höchsten Bergtäler des Thüringer Waldes geboren. Es vergleichet irgendein Deutscher die hohen Türme unserer Kirchen mit Zeigefingern der Erde, der Mutter Erde, die ihren Bewohnern, ihren Kindern die Richtung ihres Lebensweges nach dem Himmel, nach dem Unsichtbaren und uns doch überall umgebenden Höheren deute … Ich habe einmal ein schönes Gemälde gesehen, wo eine sitzende Mutter die kleine Schar ihrer lieben Kinder um ihren Schoß versammelt hat, die Mutter redet zu ihnen und die Kinder nehmen achtsam jedes Wort ihr von den Lippen, um es in ihrem Gemüte zu bewahren und zu bewegen. Der Künstler läßt die rechte Hand der Mutter, um den Sinn und Inhalt ihrer Rede anzudeuten, zum Himmel zeigen, wohin auch der Blick der Kinder folgt; mit diesem lieblichen Bilde und dessen Sinn möchte ich den Punkt der Gebirgsgegend vergleichen, nach welcher ich eben Euern Blick leitete. –

Doch meine Mutter konnte nie so zu mir reden, mir also auch nie so den Sinn ihrer Rede deuten, denn sie starb, sie sank eingeschlafen selbst in den Schoß ihrer, unser aller Mutter, noch ehe ich mein erstes Lebensjahr durchlebt hatte; allein der mit jedem wiederkehrenden Frühling sich von neuem in hoffnungsvolles Grün kleidende Hügel ihrer Ruhestatt mit seinen heiter strahlenden Blumen war mir nun noch mehr als der zum Himmel zeigende Arm: es war mir der seelenvolle, vertrauende Blick nach oben, mit welchem mich hoffnungsvoll die eingeschlafene Mutter höherer Leitung, hohem Schutz übergeben hatte. In diesem frühen Tod meiner Mutter, verbunden besonders auch mit dem von ihr empfangenen Gemüte fand ich frühe und finde ich noch bis jetzt den Mittelpunkt meiner Lebensschicksale; denn meinem Gemüte wurde so frühe die größte Aufgabe gegeben, Leben und Tod, Einigung und Trennung, Unsichtbares und Sichtbares zu einen; mein besonderer Beruf wurde also dadurch: die größten der Gegensätze, der Entgegensetzungen im eigenen Leben und durch das eigene Leben in seine Widerspruchslosigkeit aufzulösen. Um diesen hohen Beruf nun zu erfüllen, um diese große Aufgabe, die Aufgabe für ganzes langes Menschenleben zu lösen, so wurde ich durch den Tod der Mutter zugleich der Natur und der Menschheit zurück gegeben, welche beide jene höchsten Entgegensetzungen und Widersprüche in sich einen und lösen.[1]

Fünfzig Jahre alt war Friedrich Fröbel, als er mit diesem Rückblick sein Leben in einem Brief an ehemalige Zöglinge in Keilhau überschaute; Gedanken eines Mannes in der Mitte des Lebens. Berufliche Schwierigkeiten, Zweifel und existenzielle Erschütterungen veranlassten ihn, in einer Reihe von Selbstzeugnissen, so wie in diesem Brief, über seine Weitsicht und seine Erziehungsphilosophie zu reflektieren. Dies Reflektieren geschieht in der ihm eigenen Art, als ein sprachlich eigenartig kreisendes und naturmystisches Denken, das zu erschließen dem Menschen unseres Jahrhunderts schwerfällt, ihm aber vielleicht auch den Verlust einer totalen Beziehung zum Kosmos zum Bewusstsein bringt.

Friedrich Wilhelm August Fröbel wurde am 21. April 1782 in Oberweißbach bei Rudolstadt (Thüringen) geboren. Seine Kindheit wird geprägt vom frühen Verlust der Mutter. Diese stirbt neun Monate nach seiner Geburt im Februar 1783. So wuchs das sechste und jüngste Kind des Pfarrers Johann Jacob Fröbel weitgehend unbeaufsichtigt im Kreise der wesentlich älteren Geschwister August (geb. 1766), Christoph (geb. 1768), Christian (geb. 1770), Juliane (geb. 1774) und Traugott (geb. 1778) heran. Von diesen dürfte wohl nur Traugott ein altersgemäßer Spielkamerad gewesen sein. Mit Christoph verband Friedrich Fröbel später eine enge Freundschaft. Der Großvater Friedrichs, Johannes Fröbel, war Förster in Neuhaus am Rennsteig gewesen, die Großmutter stammte aus Oberweißbach. Eltern und Großeltern des Großvaters Johannes lebten als Bauern im Thüringer Raum (Großgölitz und Leutnitz). Mütterlicherseits wurde Friedrich beeinflusst durch die Patrizierfamilie der Hoffmanns, die in Stadt-Ilm ansässig war und dort die Ämter des Bürgermeisters und Pfarrers innehatte. Ein Bruder seiner Mutter, der Superintendent Hoffmann in Stadt-Ilm, hat sich später des zehnjährigen Friedrich angenommen.

1785 heiratete der Vater erneut. Die wesentlich jüngere Friederike Sophie, geb. Otto, begegnete dem ihr vertrauensvoll entgegenkommenden, ihre Mutterliebe erwartenden kleinen Friedrich zunächst mit herzlicher Zuneigung. Doch zog sie sich bald zugunsten ihrer eigenen Kinder Karl Popo (geb. 1786) und Johanna Sophie (geb. 1792) zurück und verweigerte ihm sogar das «Du». Friedrich blieb wieder sich selbst überlassen; er gewinnt ein inniges, betrachtendes und gestaltendes Verhältnis zur Natur: 1811 heißt es in den Tageblättern: Erinnerung aus der Jugend: Mit unsäglicher Wonne Betrachtung der Tulpen. Innigste Freude an ihrer Regularität. Auffallendheit der sechs Blumenblätter, der dreischneidigen Samenkapsel. Innigste Freude über die kleinen Blümchen Geran. robert; dies als allererstes, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog; auch die Bellis. Innigste Freude beim Anblick geometrischer Figuren und Körper. Sehnsucht des Herzens, den Grund dieser Freude zu finden. Freude über die weibliche Blüte der Haselnuß; ihre herrlichen Farben; Freude über Lindensamen. Alles Sorgende, Liebende daran erfüllte mich mit Achtung. Zergliederung von Bohnenkernen in Oberweißbach, in der Hoffnung, Aufschluß zu finden … Als Kind Bauen von Bächen, Mühlgräben, Teichen; Schnitzen, Zimmern.[2]

Neben dem Verlust der Mutter und der Liebe zur Natur wird Fröbels Kindheit durch die dogmatische christliche Gläubigkeit seines Vaters bestimmt. Tägliche Morgen- und Abendandachten sowie der sonntägliche Besuch des Gottesdienstes, dem Friedrich allein in der Sakristei beiwohnen musste, banden ihn an ein christliches Selbstverständnis, das von Sünde und Strafe bestimmt war und das Kind ängstigte. Mein Vater gehörte zu den alten orthodoxen Theologen; darum herrschte, wie im Liede so im Vortrag die bekannte starke Bilder-Anschauungssprache, eine Sprache, die ich in mehrfacher Beziehung eine Steinsprache nennen möchte, weil es eine gewaltige auflösende Kraft kostet, das darin enthaltene innere Leben aus der äußeren Hülle zu befreien.[3] Zugleich aber übten bestimmte Schriftstellen und Lieder auf den kleinen Friedrich eine große Faszination aus: Es sind besonders zwei Lieder, welche wie zwei helle Sterne in die dunkle und schauerliche Morgendämmerung meines ersten Lebens herniederleuchteten: 1. Schwing dich auf mein Herz und Geist 2. Es kostet viel ein Christ zu sein. Diese Lieder wurden mir Lebenslieder; ich fand darin mein kleines Leben gezeichnet, und der Inhalt derselben griff so in mein Leben ein, daß ich in dem späteren Leben mich oft an demjenigen gestärkt und erholt habe, was dort dem Gemüt gereicht wurde.[4] Mit dieser christlichen Orthodoxie kontrastiert Fröbels Taufbrief seiner Patin Johanna Christina Friederika Kämpfin aus Neuhaus, der durchdrungen ist von pietistischer, gefühlvoller Frömmigkeit und den Fröbel noch in den letzten Tagen seines Lebens als sein «Creditiv»[5], als sein Glaubensbekenntnis bezeichnete. Dieser Patenbrief lautet: «Sollte mein Herz nicht ganz Freude sein, an dem heutigen Tag ein Solches verrichten zu dürfen, welches Dich, liebenswürdiges Patgen zum himmlischen Segen und mich zu vorzüglichen Ehren setzet? So stehe doch auf, mein Freund! Mein Schöner, komme her und ruhe auf meinen Armen, auf welchen ich Dich bei dem geheiligten Taufstein Jesus Vorhalte; von nun an wird sich dieser unser Heiland mit Dir vertrauen in Gerechtigkeit, Gnade und Barmherzigkeit. Höre, Sohn! Schaue darauf und halte Dich mit unbeweglicher Treue an Deinen besten Seelenfreund, der nun Dein ist, bis er Dich am Abend Deiner Tage zu seiner ewigen Ruhe rufen wird. Folge der treuen und wohlgemeinten Vermahnung Deiner Dich zärtlich liebenden Patin.»[6]

Der sich selbst überlassene, über den Sinn von Bibelworten und die Rätsel der Natur nachgrübelnde Friedrich Fröbel, der noch 1831 schmerzerfüllt den frühen Verlust der Mutter als erste Wunde[7], als frühe Verletzung ursprünglicher Seelen-, der Herzens- und Gemüts-, der Geisteseinigung[8] beklagt, wird durch seine Einsamkeit dazu gezwungen, über sich selbst nachzudenken: Unausgesetzte Selbstbeobachtung, Selbstbetrachtung und Selbsterziehung ist der Grundcharakter meines Lebens von frühe an gewesen …[9] – Hier klingt der Zug zur Selbsterhellung, Eigen-Analyse, zur Selbstbestimmung, zum Autodidaktischen an, der Fröbels Leben und Werk geprägt hat. Die Situation Friedrichs im Vaterhaus verschlechterte sich zunehmend. Sein egozentrisches, eigenbrötlerisches Verhalten wurde als Trotz, als Bosheit ausgelegt. Ich galt frühe als bös.[10] Die Geschwister waren nicht mehr im elterlichen Hause, Christoph studierte Theologie und nahm sich nur in den Semesterferien seines Bruders an. Fröbels Leben änderte sich jedoch wesentlich 1792. Den beinahe elfjährigen Fröbel nahm sein Onkel Superintendent Johann Christoph Hoffmann nach Stadt-Ilm. Ein neues, dem bisherigen entgegengesetztes Leben begann für mich jetzt.[11] Hier schloss sich Friedrich den Altersspielgruppen an, zeigte aber in den oberen Klassen der Stadtschule (Elementarschule) außer in Mathematik keine hervorragenden Leistungen, sodass er nach der ihn sehr beeindruckenden Konfirmationsfeier in Stadt-Ilm zu einem praktischen Beruf bestimmt wurde. Diese Zurücksetzung gegenüber den studierenden Brüdern Christoph und Traugott sowie dem ebenfalls zum Studium bestimmten Halbbruder Karl Popo ertrug der junge Friedrich zunächst ohne Widerspruch.

Im Juni 1797 trat er eine Feldmesser-Lehre bei Förster Witz in dessen Försterei nahe Hirschberg/Saale an. Da der Förster häufig in Floßgeschäften tätig war, blieb sich Friedrich auch hier wieder weitgehend selbst überlassen. Er beschäftigte sich mit mathematischen und botanischen Büchern. Witz erkannte diese Tätigkeiten nicht an und entließ Fröbel 1799 mit einem völlig ungenügenden Zeugnisse[12]. Der Vater ist ratlos, was aus diesem jungen Menschen noch werden kann. Friedrichs Besuch bei Traugott, der in Jena Medizin studierte, lässt den Wunsch, ebenso wie die Brüder studieren zu können, entstehen. Der Vater willigte nach längerem Zögern ein und akzeptierte auch den Anspruch Friedrichs auf sein mütterliches Erbteil. Aus Jena schreibt Friedrich dem Vater, mit seinen jetzigen mathematischen und botanischen Kenntnissen als Feldmesser könne er bloß die Zahl des größten Haufens vermehren, aber keiner von solchen Männern werden, als ich einer zu werden mich entschloß. Wenn ich dann zurück auf diese Zeit sehe, wo es noch in meinen Händen stund, mir gründliche mathematische und ökonomische Kenntnis zu verschaffen; niemand würde ich dann die Schuld, als mir selbsten geben können, wenn ich dann beschämt der Welt vor Augen stehe, und anstatt, daß es in meinen Händen stehet, Achtung zu ernten, dann Verachtung mein Los sein wird.[13]

Im Wintersemester 1799/1800 begann er das Studium der Naturwissenschaften und wurde Mitglied der Naturforschenden Gesellschaft in Jena, der auch Goethe angehörte. Sein Streben nach Selbstbestimmung durch intensives Studium der naturwissenschaftlichen Grundlagen, insbesondere der Botanik bei Prof. Batsch und der Chemie bei Prof. Göttling, hatte eine erste Erfüllung gefunden. Im 4. Semester musste er das Studium abbrechen und eine Karzerstrafe wegen seiner Schulden absitzen. Der Vater reagierte zunächst gemäß seinen strengen Prinzipien nicht auf die Bittbriefe Friedrichs. Erst als dieser auf sein väterliches Erbteil verzichtet hatte, löste ihn der Vater aus. Erneut gedemütigt kehrte Friedrich 1801 ins Elternhaus zurück. Ein dreimonatiger Aufenthalt bei Verwandten in Weitersroda bei Hildburghausen befriedigte beide Seiten nicht. Da ruft ihn der Vater nach Oberweißbach zurück. Er war schwer erkrankt. Friedrich soll ihm bei den Amtsgeschäften helfen. Der Vater stirbt am 10. Februar 1802. Mit den dankbarsten Gesinnungen eines wahren, echten Sohnes begleitete ich im gewaltigsten Wintersturm seine Hülle zur Erde.[14] Möge sein verklärter Geist jetzt, wo ich dieses schreibe, beruhigt und segnend auf mich herab sehen; möge er nun mit dem Sohne, der ihn so sehr liebte, zufrieden sein.[15] Die Zeit der Demütigungen, nicht aber die Zeit der Suche nach der eigenen beruflichen Existenz war zu Ende.

Seine erste berufliche Stelle in seinem Fach fand Fröbel im Frühjahr 1802 in Baunach bei Bamberg als Forstamtsaktuar (Feldmesser) am dortigen Rent-, Forst- und Zehntenamt. Mit dem Hauslehrer seines Vorgesetzten, Kulisch, verband ihn bald eine herzliche Freundschaft. Aber Fröbel interessierte sich noch nicht für die beruflichen Aufgaben Kulischs. Da ihm die ewige Schreiberei[16] nicht zusagte und er mehr das praktische Feldmessen ausüben wollte, ging Fröbel 1803 nach Bamberg. Durch den Reichsdeputationshauptschluss (1803) wurden die deutschen Fürsten von Napoleon für ihre linksrheinischen Verluste auf Kosten geistlicher Territorien und kleinerer Reichsstädte entschädigt. Das Bistum Bamberg fiel an Bayern. Umfangreiche Vermessungsarbeiten waren notwendig, und Fröbel fand rasch eine Anstellung. So hatte er auch ein kleines Landgut zu vermessen, dessen Mitbesitzer Fröbel aus seiner Jenaer Studienzeit kannte. Dieser Dr. Reibel gab Fröbel auch Schriften Schellings zu lesen. Eine gründliche Lektüre kann dies freilich nicht gewesen sein, verband Fröbel doch in der Erinnerung später zwei Schriften Schellings zu einer: So mochte es auch gekommen sein, daß er mir Schellings «Bruno oder über die Weltseele» zu lesen gab. Was ich in diesem Buche las, regte mich gewaltig auf; ich glaubte es zu verstehen.[17] (Schellings «Von der Weltseele» erschien 1798, «Bruno oder über das natürliche und göttliche Prinzip der Dinge» 1802.) Immerhin hatte Fröbel damit einen über Mathematik und Naturwissenschaften hinausweisenden ersten Eindruck philosophischer Existenzerhellung erhalten. Aber er verstand sich zu dieser Zeit noch als Ökonom[18] und begründete dies Ideal eines Landmannes[19] mit seiner Kindheit und Jugend. 1807 erkennt er schon deutlich diese Zusammenhänge: … ich lebte, durch äußeren Zwang genötigt, ein Leben in mir, bildete und entwickelte mein Gemüt in mir, soviel es der kleine Raum erlaubte, in welchem es sich um sich selbst bewegte … So in mir selbst verschlossen, lebte ich auch mein künftiges Leben; denn obgleich später, als nicht mehr der Himmel, unter dem ich geboren ward, sich über mir wölbte, der äußere Zwang zum inneren Leben und das Zurückdrängen in mich selbst aufhörte, so lebte ich dennoch fortwährend mein Leben in mir, mein inneres Leben; denn die Hauptveränderung, die jetzt mit mir vorgegangen war, war bloß: daß mein Leben in mir nicht mehr durch feindliche Einwirkungen von außen gestört wurde.[20] So lag unbewußt in mir ein Maßstab, nach dem ich unbewußt die wenigen und noch dazu mir nur oberflächlich bekannten bürgerlichen Verhältnisse prüfte und endlich unbewußt darnach wählte. Dieser Maßstab forderte: Ein fortwährendes stilles, ruhiges Leben in mir, wo ich ungestört durch Einwirkungen von außen meinem innern Leben in mir leben, die Welt in mir sich gestalten, sie nach meiner eigenen Ansicht in mir aufnehmen, und so nun selbst ungestört und in Ruhe von innen heraus ausbilden könnte … Ich wollte ein auf dem Lande: in Feld, Wiese und Wald lebender Mann werden … ich wollte alles dasjenige in mir vereinigt darstellen, was ich an allen denjenigen einzeln wahrnahm, die auf dem Lande (Feld, Wiese, Wald) lebten: Bauer, Verwalter, als dieser Berechner, Jäger, Förster, Feldmesser … Dieses war das Ideal meines Landmanns, was sich in meinem Innern bewegte, als ich gegen 15 Jahre alt war …[21]

Fröbel beurteilt im Rückblick 1807 bereits seine Tätigkeit bei Förster Witz als erstes Erahnen der Natur als Einheit in und hinter allem Seienden von Wiese, Feld und Wald. Er interpretiert sein naturphilosophisches Selbstverständnis als latent seit der Kindheit vorhanden – ein Selbstverständnis, das aber noch nicht, auch nicht durch die Lektüre Schellings, zum Bewusstsein vorgedrungen war. Auch die Baunacher und Bamberger Zeit wird ähnlich beurteilt: So lebte ich jetzt wieder viel in und mit der Natur.[22] Ich führte hier mehr ein großes, d.h. für mich dortmals großes allgemeines Naturleben, ohne in das Einzelne derselben, Steine, Pflanzen, Tiere, einzugehen; nur die Gegend, die Landschaft war es eigentlich, in der ich ruhte.[23] Ahnungshaft fühlt sich Fröbel eins mit dem Ganzen der Natur, vereint in der Stimmung. Die im Verlust der Mutter und im Autismus seiner Kindheit begründete Naturverbundenheit Friedrich Fröbels drängt jedoch nach Bewusstwerdung. Die über die biblische Steinsprache[24] und den Taufbrief der Patin, den Fröbel im Nachlass des Vaters fand und an sich nahm, erfahrene Lebensperspektive christlicher Gläubigkeit hingegen bleibt zunächst weitgehend unwirksam.

Fröbel annoncierte im «Allgemeinen Anzeiger der Deutschen» ein «Dienstgesuch» – er bewarb sich also um eine Stelle – und bekam verschiedene Angebote. Er entschied sich für die Anstellung als Privatsekretär bei Geheimrat von Dewitz auf dessen Gut Groß-Miltzow bei Neubrandenburg. Der Bewerbung hatte er eine geometrische und eine architektonische Arbeit (Plan eines Landschlösschens) beigefügt. Er wollte nun im Baufach tätig werden. Zwei Monate arbeitete Fröbel auf einem Gut nahe Bayreuth als Verwalter. Im Februar reist er nach Mecklenburg ab. Die Tätigkeit als Privatsekretär sagt ihm zu, nicht zuletzt, weil sie ihm viel Freiraum zum Selbststudium lässt. In dieser Zeit beschäftigte er sich mit Architektur, aber auch mit Literatur. Vorzüglich anregend wirkten folgende Werke auf mich: Pörschkes Anthropologische Fragmente, ein unbedeutendes, kleines Büchelchen, Novalis Schriften und Arndts Germania und Europa.[25] Pörschkes Buch erschien 1801, die Schriften von Hardenberg-Novalis in der Tieck-Ausgabe von 1802 und Arndts «Germanien und Europa» 1803.

Rückblickend gesteht Fröbel, Pörschke habe ihm sein Person-Sein eröffnet, Novalis die innersten, verborgensten Regungen, Empfindungen und Anschauungen meines Geistes[26], während «Germanien und Europa» Fröbel aufschloss für den Menschen in seinen großen geschichtlichen Verhältnissen und ihn mit meinem Volke, mit Vor- und mit Mitwelt verband.[27] Die geistigen Strömungen und politischen Veränderungen, die mit der Französischen Revolution verbunden waren, gingen jedoch spurlos an Fröbel vorbei und wurden nicht reflektiert. Der Drang zur Ausübung des Baufachs verstärkte sich. Fröbel korrespondierte mit seinem Freund Kulisch in Frankfurt am Main. Dieser sagte zu, ihm bei der Suche nach einer Anstellung in Frankfurt behilflich zu sein. Im April 1805 verlässt Fröbel Groß-Miltzow und verbringt noch einige Tage bei seinem Freund Meyer auf dessen Gut Krumbeck in der Uckermark, bevor er zu Fuß nach Frankfurt weiterwandert. Fröbel steht noch ganz unter dem aufwühlenden Eindruck von Novalis: Dies Buch ergriff mich, erregte mich so stark, daß ich es besonders in diesen Sätzen (gemeint sind die Fragmente), nachdem ich es einmal durchlesen hatte, in vielen Jahren kaum wieder öffnen, noch weniger ganz durchlesen konnte, weil ich immer fürchtete, von dem in mir dadurch erregten Feuer verzehrt zu werden.[28] Entsprechend ausgeprägt ist während des Aufenthaltes in Krumbeck auch sein Naturempfinden: Himmel und Erde floß mir in dieser glücklichen Zeit grenzenlos zusammen und aus der Natur strahlte mir wie aus einem klaren See verschönt mein eigenes Leben zurück.[29]

Hinzu kam eine erste Liebesbeziehung, die, in Groß-Miltzow begonnen, noch nachwirkte. Die Verbindung zu dieser uralten Jugendgespielin und Seelenverwandten, die Auguste hieß, führte dazu, dass Fröbel bis 1815 nur noch mit August Fröbel unterschrieb. So wollte ich auch nicht länger meinen alten Namen führen, an welchen sich so viel widrige Erinnerungen besonders meiner ersten Jugend anknüpften.[30] Wie wenig in sich ruhend Fröbel sich in dieser Zeit fühlte, zeigt die Eintragung ins Stammbuch des Freundes Meyer: Dir gebe das gütige Geschick eine ruhige ländliche Wohnung, ein biederes treues Weib, stets heiteren Sinn und inneren Frieden; mich treibe es rastlos durch die Welt, und nur so viel Zeit zur Ruhe und Erholung vergönne es mir, als nötig ist, um meinen Standpunkt zu der Welt und den Menschen erkennen zu können. Du gib den Menschen Brot; mein Streben sei, die Menschen ihnen (sich) selbst zu geben.[31]

Dieser Ausbruch innerer Ungeklärtheit und rastlosen Suchens nach Selbstbewusstsein enthält zugleich die erste pädagogische Äußerung Fröbels und verweist so in ersten Andeutungen auf sein Erziehungskonzept der Lebenseinigung[32], das er dann 1806 ahnungshaft so formuliert: Ich will Menschen bilden, die mit ihren Füßen in Gottes Erde, in die Natur eingewurzelt stehen, deren Haupt bis in den Himmel ragt, und in dem selben schauend liest, deren Herz beides, Erde und Himmel, das gestaltenreiche Leben der Erde und Natur und die Klarheit und den Frieden des Himmels, Gottes Erde und Gottes Himmel eint.[33] Hier klingt auch schon Fröbels Einheitsphilosophie der Sphäre an.

Die Frankfurter Zeit

In Frankfurt findet Fröbel Zugang zum pädagogischen Beruf. Er wird Lehrer an einer Schule, später Hauslehrer. Zugleich beginnt eine intensive Beziehung zu einer Frau, die ihn noch in den dreißiger Jahren beunruhigt: zu Caroline von Holzhausen, der Mutter seiner Zöglinge. Diese Beziehung führt zum Aufbau einer eigenständigen Weitsicht, zur Konzeption der «Sphäre». Diese wird zwar erst in Göttingen (1811), aber in stetem bewussten Bezug zu Caroline von Holzhausen entwickelt. In Frankfurt kommt Fröbel außerdem mit der Erziehungstheorie Pestalozzis, mit dessen Elementarmethode in Berührung. Auch dies ein Motiv, das Fröbel nicht mehr loslassen wird. Erzieherische Verpflichtung, Polarität der Geschlechter und das Elementare stellen die Trias der Frankfurter Zeit dar.

Als Fröbel im Juni 1805 in Frankfurt eintraf, unterstützte ihn Kulisch bei der Suche nach einer Stelle im Baufach. Kulisch stellte Fröbel auch seinem Bekannten Grüner vor, dem Leiter der Frankfurter «Musterschule», in der nach Pestalozzis pädagogischen Prinzipien unterrichtet wurde. Grüner hatte in Salzmanns Erziehungsanstalt Schnepfenthal gearbeitet und war auch bei Pestalozzi in Iferten gewesen. Seinen eigenen Idealismus glaubte er in Fröbel wiederzuerkennen. Er lud ihn ein, an seiner Schule Lehrer zu werden. Fröbel nahm zunächst nur zögernd an. Als er aber erfuhr, dass alle Dokumente, die Nachweise seiner bisherigen Tätigkeiten auf dem Postweg verlorengegangen seien, sah er darin eine Bestätigung seiner neuen Verpflichtung. Seinem Bruder Christoph teilt er mit: Ich muß Dir aufrichtig sagen, daß es auffallend ist, wie wohl ich mich in meinem Geschäfte befinde … es war mir, als wäre ich schon längst Lehrer gewesen und eigentlich zu diesem Geschäfte geboren; es schien mir, als hätte ich nie in einem andern Verhältnisse als diesem leben wollen.[34]

Grüner war es, der Fröbel zur Beschäftigung mit Pestalozzis Schriften anregte. Fröbel war fasziniert und wollte in den Herbstferien nach Iferten reisen. Aber seine finanziellen Mittel reichten nicht aus. Kulisch war Hauslehrer bei der Familie von Holzhausen, eines begüterten und angesehenen Frankfurter Adelsgeschlechts, gewesen und führt nun auch Fröbel dort ein. 1807 schreibt dieser dem Bruder: