Friedrich Nietzsche - Der Wille zur Macht - Reinhold Widter - E-Book

Friedrich Nietzsche - Der Wille zur Macht E-Book

Reinhold Widter

0,0

Beschreibung

Friedrich Nietzsche zieht den Schluss: Gott ist tot. In Gott ist das Nichts vergöttlicht. Wie kommt Nietzsche zu dieser blasphemischen Erkenntnis? Ein Blick in die Biografie und das Werk Nietzsches zeigt uns die tragische Gestalt eines Menschen, der von frühester Kindheit – buchstäblich von Geburt an – ein Christentum kennenlernt, dem das Fundament der Bibel fehlt. Spricht Nietzsche von Gott, so hat er stets eine Karikatur Gottes vor Augen. Hinter Nietzsches Fragen liegt auch eine persönliche Anfrage an den Leser dieser Biografie: Ist unser Glaube eine wahre Begegnung mit dem lebendigen Gott oder vielleicht doch nur ein mystisches Fantasieprodukt?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 205

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Wille zur Macht

Friedrich Nietzsche

Reinhold Widter

Impressum

© 2014 Folgen Verlag, Wensin

Autor: Reinhold Widter

Cover: Eduard Rempel, Düren

Lektorat: Mark Rehfuss

ISBN: 978-3-944187-16-7

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

Der Wille zur Macht – Friedrich Nietzsche ist früher als Buch im Verlag Schwengeler, Berneck, erschienen.

Dieses eBook darf ausschließlich auf einem Endgerät (Computer, eReader) des jeweiligen Kunden verwendet werden, der das eBook selbst, im von uns autorisierten eBook-Shop, gekauft hat. Jede Weitergabe an andere Personen entspricht nicht mehr der von uns erlaubten Nutzung, ist strafbar und schadet dem Autor und dem Verlagswesen.

Inhalt

Vorwort

Verwendung im Unterricht

Zehn Thesen zur Person und Philosophie Friedrich Nietzsches

Selbstaussagen

Teil I: Der kulturelle Hintergrund

Das 16. und 17. Jahrhundert, eine Anfrage an uns

Das 18. und 19. Jahrhundert, unsere Vorboten

Teil II: Biographischer Überblick

Die Ahnen

Der Vater

Der Vaterlose in den Spuren des Vaters

Die Krise muss kommen

Studentenjahre

Das »freisinnige« Basel

Schaffensperiode und jähes Ende

Teil III: Das Werk Nietzsches

Die »Wahrheit« über das Christentum

Umwertung der Werte

Das philosophische System und seine politischen Folgen

Teil IV: Das Allzumenschliche im Leben Nietzsches

Die Psyche des Philosophen

Mangelnde Sexualbewältigung

Meinen Kindern

Vorwort

Es ist schwer zu sagen, ob Friedrich Nietzsche der Philosophiegeschichte oder doch der Theologiegeschichte zugeordnet werden muss. In ihm begegnen wir einem »Philosophen«, der sich mit einem Generalthema beschäftigt hat: mit Gott. Welches Resultat findet er vor? Er zieht den Schluss: Gott ist tot! In Gott ist das Nichts vergöttlicht!

Wie kommt Nietzsche zu dieser blasphemischen Erkenntnis? Welche objektiven, überprüfbaren Gründe führt er an, um seine Behauptungen zu belegen?

Ein Blick in die Biographie und das Werk Nietzsches zeigt uns die tragische Gestalt eines Menschen, der von frühester Kindheit – buchstäblich von Geburt an – ein Christentum kennenlernt, dem das Fundament der Bibel fehlt. Statt dessen hatte er sich in religiöse Spekulationen verstiegen, das Evangelium zu einer gutbürgerlichen Weltanschauung degradiert und begonnen, an den theologischen Ausbildungsstätten die Autorität und Unfehlbarkeit des Wortes Gottes systematisch in Frage zu stellen. Aus all diesen Fehlentwicklungen zieht Nietzsche den unberechtigten, verhängnisvollen Schluss auf Gott selbst. Was er an Kirche, »christlicher« Gesellschaft, verschwommenen Glaubensinhalten und Infragestellungen der Schrift antrifft, betrachtet er als das wahre Gesicht der christlichen Botschaft. Diesem Zerrbild von Wahrheit, dem er begegnet, hält er seine Wahrheit entgegen. Es ist die »Wahrheit der Gottlosigkeit«, die radikale Konsequenz aus dem, was dem Philosophen an »Christlichem« begegnet. Insofern trifft Nietzsche mit seinem Urteil zielsicher: Er trifft nicht den wahren, lebendigen Gott, auch nicht das Evangelium der Liebe in Jesus Christus. Er schlägt aber folgerichtig die Auswüchse eines unglaubwürdigen Christentums. Spricht er von Gott, so hat er stets eine Karikatur Gottes vor Augen. Sein Urteil schlägt jene, die fromme Einbildung mit schriftbezogenem Glauben verwechseln. Religiöse Phantasie aber kann einem Wahrheitstest nicht standhalten. Sie muss in doppelter Weise scheitern: am Felsen der Bibel und am Scharfblick der Feinde Gottes.

In der vorliegenden Biographie habe ich versucht, die wichtigsten Zusammenhänge aufzuzeigen, wie Nietzsche zum Propheten der Gottlosigkeit wurde. Wie sah sein Elternhaus aus, wie echt war der Glaube? Welche Weichenstellungen sind ihm mit auf den Weg gegeben worden? Welchen Einflüssen hat er sich ausgesetzt? In welche Krisen ist er hineingetrieben? Welche Aussagen hat er als selbsternannter »Antichrist« gemacht? Wo liegen aus biblischer Sicht die Wurzeln, dass es dazu kam? Hinter solchen Fragen liegt auch eine seelsorgerliche Absicht. Denn auch wir müssen uns der Anfrage stellen, ob unser Glaube eine wahre, schriftbezogene Begegnung mit dem dreieinigen Gott darstellt oder vielleicht doch nur ein mystisches Phantasieprodukt ist. Könnte es auch sein, dass wir beides, Schrift und gutmeinende Einbildung, bedenkenlos vermengen? Wie echt sind wir? Das ist die Frage! Wohin der Mangel an Wahrhaftigkeit in Familie, Kirche und Gesellschaft führen kann, zeigt sich am Lebensweg des Philosophen auf erschütternde Weise.

Reinhold Widter

Verwendung im Unterricht

Die vorliegende Biographie stellt eine Einführung aus christlicher Perspektive in das Leben und Werk Friedrich Nietzsches dar. Als solche wurde sie im Besonderen für Gymnasiasten und Studenten verfasst. Für den Unterricht sind die Fragen zum Nachdenken und die Hinweise auf weiterführende Literatur gedacht, die jeweils ein Thema abschließen. In diesem Zusammenhang können auch die einzelnen Themen oder Aspekte aus dem Leben und Werk Nietzsches durch Seminararbeiten ergänzt werden. Die Beschäftigung mit Nietzsche ist nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil sie einen Wendepunkt in der Ethik darstellt. Vom »Willen zur Macht« und der »Umwertung der Werte« lassen sich viele Parallelen von früheren Jahrhunderten bis hin zu unserer Zeit ziehen.

Zehn Thesen zur Person und Philosophie Friedrich Nietzsches

Nietzsches Philosophie ist in hohem Grad von seiner Jugend geprägt, in der subjektive, gefühlsorientierte Religiosität mit den objektiven Glaubensaussagen der Bibel grob verwechselt wurden. Diese Verwechslung bringt Nietzsche dazu, auf inhaltliche Beweisführung kaum Rücksicht zu nehmen und eine antirationalistische Religionsphilosophie aufzubauen, die im Wesentlichen seine persönlichen Erfahrungen verarbeitet.

Nietzsche ist in seiner Jugend unter überstarken weiblichen Einfluss geraten, wird in seinen Wesenszügen feminin geprägt und kompensiert diese Spannung durch verstärkte Aggressivität, Selbstisolierung, Frauenhass und Männlichkeitsparolen. Triebfedern seiner Persönlichkeit waren: seine labile Wesensmitte, unbewältigte zwischenmenschliche Konflikte, seine starken psychosomatischen (?) Störungen, der unbewältigte Sexualtrieb, seine seelische Verarmung und Vereinsamung und wohl auch der okkulte Einfluss.

Nietzsches Philosophie »der Stärke« ist als Reaktion auf seine depressive Lebensstimmung zu verstehen, die er – nach einer Vertiefung durch Schopenhauer – durch eine diametrale Kehrtwendung in das Gegenteil umpolt.

Die historisch-kritische Methode ist der wichtigste Schlüssel für den philosophischen Ansatz Nietzsches. Er lernt sie bereits am humanistischen Gymnasium kennen und ahnt schon als Schüler, dass dem Christentum »große Umwälzungen bevorstehen«, weil es sich auf bloßen »Annahmen gründen« würde.

Durch den Einfluss von David Friedrich Strauß, Franz Overbeck u.v.a. vertieft Nietzsche seinen theologischen Liberalismus auf der Grundlage seiner historisch-kritischen Erkenntnisse – die er absolut setzt – und wirft Christen wie Juden bewusste Geschichtsfälschung vor, die dazu dienen solle, eine priesterliche Machtstruktur gesellschaftspolitisch zu wahren.

In Jesus Christus sieht Nietzsche einen politischen Verbrecher, der auf Grund seines »angezettelten Aufstandes« gegenüber der herrschenden Priesterkaste gestorben sein soll. Aus dieser Überlegung zieht er den Schluss: Jesus Christus starb für seine eigene Schuld. Gottessohnschaft, das Erlösungswerk, seine Wiederkunft und das kommende Gericht seien ihm nachträglich angedichtet worden. Die Jünger hätten sich auf diese Weise gerächt, die Priester durch »göttliche Strafandrohungen« unter dem Volk in Verruf gebracht und dadurch nicht nur die geschichtlichen Fakten, sondern auch das eigentliche Urevangelium Jesu der »absolut widerstandslosen, d.h. dekadenten Liebe« auf den Kopf gestellt.

Aus dieser Sicht, dass christlicher Glaube mit geschichtlicher Wahrheit nichts zu tun hätte, sondern sich – unter scheinheiliger Berufung auf »Wahrheit« – vorsätzlicher Verfälschung historischer Tatbestände bedienen würde, folgert Nietzsche, dass alle christlichen Moralkriterien erfunden worden seien, genauso wie Gott (»dieses hybride Verfallsgebilde aus Null«), damit der Priestertypus als Mittler zwischen Sünde und Vergebung seine Erwerbsquelle hat (AT: Opfer; NT: kirchliches Amt). Von diesen »erniedrigenden Machenschaften« sagt sich Nietzsche los und erklärt sich zum ersten »Immoralisten«.

Sein Programm der »Umwertung aller Werte« beruht: a) auf verzerrten Vorstellungen über den tatsächlichen Inhalt der Bibel, wahre Nachfolge Jesu und biblisches Denken, b) auf dem Absolutheitsanspruch der Bibelkritik, der er jene uneingeschränkte Zuverlässigkeit im Urteil zuerkennt, die nur dem Wort Gottes zusteht, c) auf dem Grundsatz, dass der Mensch an die Stelle Gottes treten müsse und durch den Willen zur Macht selbst über sein Schicksal bestimmt, d) auf dem konsequent durchgezogenen System, die christlichen Wertmaßstäbe jeweils in das exakte Gegenteil zu übertragen.

Das tragische Ende Friedrich Nietzsches in geistiger Umnachtung (progressive Paralyse) ist wahrscheinlich durch mehrere Faktoren bedingt: a) durch genetische Vererbung, b) durch stetige Rauschgifteinnahme, c) durch Dämonisierung, d) als Folge der seelischen Verarmung durch seine Philosophie der »Fernsten-Liebe«, e) als Folge seines Realitätsschwundes, seiner abstrakten Illusionswelt, die stets den Wahn als dionysischen Rauschzustand positiv wertet. e) Die Möglichkeit einer Syphilisinfektion wäre denkbar, scheint jedoch im Blick auf die gehemmte, neurotische Persönlichkeitsstruktur des Philosophen eher nicht zuzutreffen.

Die Auswirkungen der Philosophie Nietzsches begrenzen sich nicht auf die Ideologie des Nationalsozialismus bzw. Faschismus. Ihr Grundkonzept vom »Willen zur Macht« oder von der »Umwertung aller Werte« bestimmten die Wertmaßstäbe unserer heutigen Gesellschaft. An Stelle der Gebote Gottes ist das allgemeine Bewusstsein getreten, dass ethische Wertmaßstäbe relativ, veränderbar seien. Durch den Einfluss der »Frankfurter Schule« wurde der »Wille zur Macht« dem Kollektiv übertragen. Dadurch stellt sich unsere Gesellschaft als gesamte in den Aufstand gegen Gott, indem sie es sich anmaßt, selbst das Urteil über »gut und böse« zu fällen.

Selbstaussagen

»Ich erst habe den Maßstab für „Wahrheiten“ in der Hand, ich kann erst entscheiden. Wie als ob in mir ein zweites Bewusstsein gewachsen wäre ...«

»Und allen Ernstes, niemand wusste vor mir den rechten Weg, den Weg aufwärts: erst von mir an gibt es wieder Hoffnung, Aufgaben, vorzuschreibende Wege der Kultur - ich bin deren froher Botschafter ... Eben damit bin ich ein Schicksal.«

»Ich bin kein Mensch, ich bin Dynamit.«

»Ich bin bei weitem der furchtbarste Mensch, den es bisher gegeben hat.«

»Ich verurteile das Christentum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat ... Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist - ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit ...«

»Hat man mich verstanden?«

»... ich bin, auf griechisch und nicht nur auf griechisch, der Antichrist.«

»Hat man mich verstanden? – Dionysos gegen den Gekreuzigten ...«1

Friedrich Nietzsche, geboren am 15. Oktober 1844, »der« Maßstab für Wahrheit? Friedrich Nietzsche, gestorben am 25. August 1900, in geistiger Umnachtung, »der« frohe Botschafter für neue Hoffnung? Schicksal, Dynamit, Ankläger des Christentums? Der Antichrist, Zarathustra, Dionysos gegen den Gekreuzigten? Wer war Friedrich Nietzsche? Welche Philosophie hat er entwickelt? Was sind die Ursachen für sein vehementes „Nein!“ gegenüber dem christlichen Glauben?

1 Friedrich Nietzsche: verschiedene Selbstaussagen aus seinen Werken. Zitiert nach No Frenzel (Hrg.): Friedrich Nietzsche, Werke in zwei Bänden. (Nach der Ausgabe von Karl Schlechta). Zürich 1977.

Teil I: Der kulturelle Hintergrund

Jedes Jahrhundert weist bestimmte Entwicklungen auf, die sich erst im Denken der folgenden Generationen nachhaltig auszuwirken beginnen. Es werden Weichen gestellt, die den künftigen Kurs bestimmen. Auch das Leben und Werk Friedrich Nietzsches ist in solche Weichenstellungen eingebettet; er ist im wahrsten Sinn des Wortes »ein Kind seiner Zeit«, das konsequente Produkt seiner Vorgänger und der Prophet einer materialistischen, gottlosen Zukunft.

Doch ehe wir uns seiner Zeit zuwenden, sollten wir einen Blick auf jene Epochen werfen, als deren Abschluss sich Nietzsche verstand.

Das 16. und 17. Jahrhundert, eine Anfrage an uns

Zurück zur Reformation!

Geprägt von den Denkansätzen des 18. Jahrhunderts sah Friedrich Nietzsche sein Lebenswerk darin, das 16. zu überwinden. Was ist im 16. Jahrhundert geschehen? Es war die Zeit der Reformation. Eine Umbruchszeit wie auch das 19. Jahrhundert; doch während im letzteren alles nach Auflösung strebte, führte die Reformation zur festgefugten Ordnung des Wortes Gottes zurück. Es verhielt sich damals ähnlich wie bei der Josianischen Reform des Alten Testamentes (2. Kön. 22-23,30) oder wie nach der Babylonischen Gefangenschaft: Die in Verfall geratene Kirche wurde wieder erneuert. Auch die Reformation war die Antwort auf eine Weichenstellung, die ihr durch die früheren Jahrhunderte vorgegeben war; doch sie war eigentlich nicht die Antwort genialer Menschen, sondern die des lebendigen Gottes, der mit seinem Evangelium in die Menschheitsgeschichte eingriff. Die Vorboten der Reformationszeit waren Sittenverfall, eine immer verhängnisvollere Entfremdung von den Lehraussagen der Heiligen Schrift, die einbrechende Säkularisierung unter den gebildeten Kreisen und die Verrohung breiter Gesellschaftsschichten. Diese Weichenstellung gab den Kurs »Chaos«, »Untergang des christlichen Abendlandes« an. Es war dieselbe Weichenstellung, wie wir sie heute - viel schärfer ausgeprägt - vorfinden.

Und doch führte es nicht zur Katastrophe, weil Gott Männer erweckte, die das Steuer im letzten Moment herumrissen. Durch das Studium des Wortes Gottes hatten sie erkannt, dass die Gesellschaft und Kirche nur dann aus ihrer Krise herauskommen würde, wenn die Botschaft des Evangeliums wieder zum Zug käme. Sie bemühten sich, den Willen Gottes in dem Maß wieder aufzurichten, wie es die komplizierten, kirchenpolitischen Umstände zuließen. Ihr Einsatz wuchs zu einem erbitterten Kampf aus, denn die Feinde des Evangeliums antworteten mit Verfolgung, Scheiterhaufen und politischer Intrige. Hatten die Gegner auch nicht die geistigen Mittel zur Hand, um den Vormarsch des Evangeliums zu stoppen, so versuchten sie, mit roher Gewalt die alte Vormachtstellung zurückzuerobern. Diese Formen herrschsüchtiger, kirchenpolitischer Machtansprüche überschatteten in der Gestalt der Gegenreformation das 16. Jahrhundert und tobten sich erst so recht im 17. während des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) aus.

Nietzsches Anfrage an das 16. Jahrhundert war: Wozu all diese Kämpfe? Was hat uns Luther, dieses Verhängnis von Mönch, gebracht? Nichts! Nur Rückschritt, verquälte Bibelmoral und das Erlösungsangebot eines Gottes, den es nicht gibt. Das kranke Phantasieprodukt geistig versklavter Menschen!

War es das wirklich? Warum hatten sich die Reformatoren nicht einschüchtern lassen? Warum nahmen ganze Generationen bis heute alle Formen der Verleumdung, Verachtung und Verfolgung auf sich? Die Antwort ist: Weil es um alles geht. Hat diese Antwort auch unser Leben erfasst: »Weil es um alles geht?« Um alles! Um Leben und Tod, um rechtes Leben und rechtes Sterben. Das haben die Reformatoren erkannt: Mit der Botschaft Jesu Christi haben wir alles, ohne sie haben wir nichts. Mit dieser Botschaft wird der Mensch zum Menschen nach dem Ebenbild Gottes geformt, ohne sie bleibt er seine eigene Karikatur. Es geht um Wahrheit, um absolute Wahrheit; nicht um das, was sich Menschen als »Wahrheit« zusammendichten, sondern um göttliche Wahrheit. Diese unumstößliche Wahrheit, jene letzte Wahrheit, die uns Gott offenbart hat, liegt im Evangelium vor. Wer sie verwirft, schadet sich selbst. Wer ihre Verbreitung verhindert oder ihren Inhalt öffentlich entstellt, lädt unermessliche Schuld auf sich.

Hätten die Reformatoren geschwiegen, so wären sie mitschuldig geworden. Schweigen wir, so sind wir schuldig. Aber sie schwiegen nicht. Und wir? Sie suchten Gottes Ehre und ließen sich bereitwillig zu Ketzern, Sektierern, Irrlehrern und zu Spaltpilzen der Kirche aburteilen. Doch was sollten sie auch tun? Sollten sie es zulassen, dass das Wort Gottes bedenkenlos in einen stillen Winkel gekehrt wird? War doch gerade dieses Wort die Quelle aller Gotteserkenntnis! Besaß es doch als göttliche Offenbarung die höchste, allerletzte Autorität! Sollten sie ungerührt zusehen, wie die Christenheit trotz aller Kirchlichkeit unerlöst zugrunde ging? Fehlte es nicht überall an der Grunderkenntnis, dass der Mensch abgrundtief in seinem Wesen verdorben ist, vollkommen blind, unfähig, Gott aus eigenem Antrieb zu suchen und zu finden, durch und durch in seinem Willen zum Bösen geneigt? So war auch der Weg zur Gnade Gottes verschlossen, die sich nur dem anbieten kann, der sich seine völlige Hilflosigkeit eingesteht. Das war und ist die Botschaft Christi: Was der Mensch nicht kann, das will Gott an seiner Stelle tun. Deshalb kam Christus, um unsere Schuld auf sich zu nehmen und uns mit Gott zu versöhnen. Deshalb ruft uns der Herr selbst durch sein Wort in die Umkehr, dass wir Jesus Christus unser Leben anvertrauen. War es nicht dieses Vertrauen allein, das unverdienbare Geschenk der göttlichen Gnade, dass wir Frieden mit Gott finden können? Ja, das haben die Reformatoren erkannt. Dafür kämpften sie, wie die Apostel und Propheten vor ihnen. Dafür hatte der Herr sein Leben gelassen.

Religiöse und atheistische »Übermenschen«

Indem Nietzsche über das 16. Jahrhundert den Stab brach, sprach er über alle Reformationsprozesse sein gnadenloses Urteil. Alles, was reinigend zur Schrift zurückführt, wurde ihm zum Brechmittel. So galt sein Widerwille allen Erneuerungsbewegungen, die das biblische Ethos nach dem Vorbild der Reformatoren neu aufzurichten suchten. Mit welchem Hass hasste er die englischen Puritaner, deren höchstes Ziel es war, zur Ehre Gottes zu leben! Mit kalter Verachtung stellte Nietzsche fest, dass die Reformation kein bloß geschichtliches Ereignis darstellt, das sich »damals« im 16. Jahrhundert ereignet hat. Jedem Anflug einer Rückbesinnung auf die Schrift wollte er die Grundlage entziehen: seien es Luther oder Calvin, die Erweckungsbewegungen seiner eigenen Epoche oder reformatorische Aufbrüche im kommenden 20. Jahrhundert. Während jene kirchlichen Kräfte, die gegenreformatorisch gesinnt waren, durch die Jahrhunderte hindurch stets mit monopolträchtigen Machtansprüchen hervortraten, leitete auch Nietzsche eine Art Gegenreformation ein; jedoch auf intellektueller Ebene, durch radikale Gottesverneinung, durch den Willen zur Macht, indem sich der Übermensch mit hemmungsloser Gewalt aller frommen Ansprüche - und ihrer Vertreter - entledigt. Das ist das Spannungsfeld, in dem wir heute leben. Es sind zwei Ebenen, die uns mit dem Wiedererwachen der Gegenreformation konfrontieren: Einerseits verschärft sich der Konflikt zwischen den bekennenden Christen und jenen schriftentfremdeten Kirchen, die unüberhörbar ihre synkretistisch-ökumenischen Thesen und Monopolansprüche verkünden; andererseits geraten wir immer mehr in die Mühle jener gesellschaftspolitischen Grundstimmung, die Gott entthront hat, sich selbst autonom zum Maßstab setzt und kein absolutes Ethos über sich anerkennen will. Beide Bewegungen tragen den Keim der Gewaltanwendung in sich, den Willen zur Macht.

»Ich bin bei euch alle Tage ...«

Das soll uns jedoch nicht bestürzen. Solange Gott seine Gemeinde auf Erden erhält, leben wir aus der Verheißung des Herrn, die all jenen gilt, die ihm die Treue halten: »Du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und meinen Namen nicht verleugnet ... Weil du das Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren von der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Erdkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen« (Offb. 3,8.10). Wenn wir auch gegenreformatorischen Querschlägen ausgesetzt sind, ob religiöser oder ideologischer Natur, so hindert uns das nicht, am Auftrag Christi festzuhalten. Sind wir in unserem Gott geborgen, warum sollten wir uns dann vor kommenden Nöten fürchten? Hat nicht der Apostel Paulus vorausgesagt: »Alle, die gottesfürchtig leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden« (2. Tim 2,12)? Haben nicht unsere Glaubensväter dasselbe durchlitten? Was sollte uns dann hindern, dass wir uns ihnen anschließen und unbeirrbar wie sie an der Erneuerung unserer Gesellschaft und Kirchen arbeiten?

Gerade das, was Nietzsche so sehr hasst, ist so vordringlich geworden wie zu Luthers Zeiten: Reformation.

Deshalb schreibt Os Guinness in seinem Buch Asche des Abendlandes:

»Wir brauchen wirklich eine Reformation und Erweckung, eine Neuentdeckung der Wahrheit Gottes. Die Realität Gottes muss in unserem Leben sichtbar werden. Hier ist unsere große Not, als einzelne sowie auch als Gemeinschaft. Eine Kultur, die Rom an Unmenschlichkeit gleichkommt, deren Grausamkeitskatalog die Assyrer in den Schatten stellt, deren Perversität selbst in Sodom und Gomorra Schamgefühle wecken könnte, kann es nicht wagen, um Gerechtigkeit zu bitten. Gerecht wäre nur das Schweigen Gottes, das Urteil, den Konsequenzen der selbstgetroffenen Wahl überlassen zu werden. Alle Szenarien der Futurologie sprechen gegen die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit einer Erweckung – glücklicherweise hängt die Zukunft der Gemeinde Jesu Christi nicht von Berechnungen ab. Wenn eine Reformation, eine Erweckung, ausbleiben sollte, dann muss die christliche Gemeinschaft ihre Integrität wiedererlangen und beweisen und sich klar als der treue Rest präsentierten. Ob als Vorhut einer neuen Reformation oder als Überrest in einer nachchristlichen Kultur: keiner sollte sich darüber täuschen, was von ihm verlangt wird. Es gibt eine Tendenz, sich nach Erweckung als Abkürzung zur „Rückkehr zu den Vorteilen und der Freude in einer christlichen Gesellschaft“ zu sehnen, ein im Grunde selbstsüchtiges Verlangen. Für den wahren Christen kommt das goldene Zeitalter bei Christi Wiederkunft; mit irgendeinem großartigen Zeitalter in der christlichen Geschichte, sei es in der Vergangenheit oder Zukunft, darf das nicht verwechselt werden. Es gibt auch die merkwürdige Tendenz, Verfolgung zu romantisieren; man vergisst leicht, dass nur Gottes Barmherzigkeit verhinderte, dass aus der Verfolgung ein Völkermord wurde, so dass lediglich eine Läuterung, nicht aber eine Vernichtung der Christen bewirkt wurde. Aber ob wir dazu berufen werden, ein treuer Überrest oder ein Zeuge der Erweckung zu sein: es ist stets eine strenge Praktizierung von Wahrheit und Liebe notwendig.«2

Was bedeutet Reformation für uns?

Sie hat ja nicht nur mit den bekannten Reformatoren zu tun. Es gibt viel mehr Namen und Bewegungen, mit denen sie sich durch alle Geschichtsepochen hindurch verbindet: Reformation fand in jedem Jahrhundert statt, in jedem Jahrzehnt, jedes Jahr aufs Neue, auch heute. Sie ist kein statischer Begriff, sondern ein Prozess, der zwangsläufig immer neu einsetzen muss, wenn Kirchen, Glaubenswerke oder einzelne Gemeinden ihre Bindung an das Wort Gottes preisgegeben haben. Sie hat nicht nur die Reformationskirchen unter der Führung eines Luther oder Calvin ins Leben gerufen, sondern auch zahlreiche nachfolgende ähnliche Aufbrüche in vielen Ländern der Welt. Reformation stellt jene Kraft dar, die der Herr seiner weltweiten Kirche durch das Wort gegeben hat: Es ist der Mut, die alten reformatorischen Schriftwahrheiten und die Ehre Gottes wieder bekenntnishaft aufzurichten, denn der Gott der Schrift ist ein heiliger Gott! Es ist der Mut, Konflikte auf sich zu nehmen und allem Widerspruch mit der Autorität des Wortes Gottes entgegenzutreten.

Nietzsche, der lutherische Pastorensohn, wollte das biblische Erbe seiner Väter zerstören, wir aber wollen es aufrichten. Er hasste die Reformation, wir verdanken ihr zum großen Teil die Wiederentdeckung des Evangeliums. Er wertete das 16. Jahrhundert für eine Epoche tiefster Finsternis, wir sehnen uns danach, dass das Licht jener Zeit auch in unserer hell zu strahlen beginnt.

Orthodoxie und Anbruch des Pietismus

Doch wie sah die weitere Entwicklung aus? Das 17. Jahrhundert stand ganz im Zeichen der Religionskriege und der nachfolgenden Festigung der Konfessionskirchen. Das Zeitalter der Orthodoxie brach an; was in seinen Anfängen der Glaubensfestigung dienen sollte, entwickelte sich in dieser Zeit mehr und mehr zu einem intellektuellen Bekennertum, indem der lebendige Glaube des Christen mit der bloß verstandesmäßigen Zustimmung zu bestimmten Lehraussagen verwechselt wurde. Eine Gegenbewegung zu dieser Entwicklung leitete Philipp Jakob Spener (1635-1705) mit seiner Programmschrift »Pia Desideria« ein, die insbesondere August Hermann Francke (1663-1727) durch seine pädagogische und weltweite missionarische Tätigkeit in die Praxis umsetzte. Das Anliegen dieser pietistischen Pioniere war, dass das reformatorische Dogma mit der persönlichen Glaubenserfahrung verbunden sein muss, oder wie es der reformierte Heidelberger Katechismus von 1563 in Frage 21 ausdrückt, dass die schriftbezogene »Erkenntnis« auch in ein »herzliches Vertrauen« zu Jesus Christus einmünden muss. Die bewusste Heilsaneignung und Heiligung des Lebens vor Gott wurde neu betont.

Weiterführende Literatur:

Georg Huntemann: Die verratene Reformation. Verlag für Reformatorisches Christentum, Bremen 1983.

Fragen zum Nachdenken:

Was hatten die Reformatoren erkannt?

Welche vorbildhaften Reformationsbewegungen gibt es im Alten Testament?

Ist die Reformation ein einmaliges Ereignis gewesen oder stellt sie einen Prozess dar, der auch heute noch stattfindet?

Welche gegenreformatorischen Kräfte treten heute auf?

Welchen Keim tragen gegenreformatorische Kräfte in sich?

Sind wir bereit, die Kosten zu tragen, die unsere Treue zu Jesus Christus und zu seinem Wort möglicherweise von uns abfordern wird?

Wo lagen die Schwerpunkte im 17. Jahrhundert?

Welche beiden Faktoren gehören zusammen, damit ein gesunder, lebendiger Glaube vorliegt? Sind beide in meinem Leben Wirklichkeit?

2 Os Guiness: Asche des Abendlandes. Neuhausen-Stuttgart 1976, Seite 336.

Das 18. und 19. Jahrhundert, unsere Vorboten

Der folgende Überblick soll dazu verhelfen, dass wir Nietzsche ein wenig besser einordnen können. Es handelt sich dabei, durch den begrenzten Rahmen dieses Buches, nur um einen kurzen Aufriss, der die verschiedenen Strömungen und Positionen bloß andeutet, und dabei vieles unerwähnt lassen muss. Dennoch ist es wichtig, dass wir uns in den Zeitgeist der beiden Jahrhunderte hineinversetzen.

Geistliche Aufbrüche als Kontrapunkt zu Nietzsche

Die Erneuerungsbewegung des Pietismus einerseits und das Aufkommen der Aufklärung andererseits prägen das 18. Jahrhundert. In Deutschland trat Nikolaus von Zinzendorf (1700-1760) mit der Gründung seiner lutherischen »Herren-huter Bruderunität« auf, in England erweckte Gott den Begründer der Methodistenkirche, John Wesley (1707-1788), der durch seine unermüdliche Missionstätigkeit eine sich anbahnende Revolution entschärfte, und George Whitefield (1714-1770), den wohl gewaltigsten Prediger aller Zeiten, der in England und Nordamerika alle Gesellschaftsschichten auf das Nachhaltigste beeinflusste. Parallel dazu brach z. B. in Wales (England) die erste »Great Evangelical Awakening« unter der Führung von Daniel Rowland (1711-1790) auf.3

Das nachfolgende 19. Jahrhundert zählt ebenfalls zahlreiche geistliche Aufbrüche, Persönlichkeiten, Kirchen- und Gemeinschaftsbewegungen, die sich alle irgendwie untereinander beeinflussten. Zu Beginn dieses Jahrhunderts entstanden von England aus die verschiedenen »Bibelgesellschaften«, die missionarische Verantwortung wurde in Verbindung mit der Kolonialisierung Afrikas und des Fernen Ostens neu erkannt. Zahlreiche internationale Missionsgesellschaften wurden ins Leben gerufen. Durch die Auseinandersetzung mit der liberalen Entwicklung innerhalb der Volkskirchen fanden auch neue kirchliche Reformationsprozesse statt, wie schon im 18. Jahrhundert. So tritt in Schottland Thomas Chalmers (1780-1847) auf, der eine reformierte Freikirche begründet. In den Niederlanden erfolgt im Jahr 1834 eine erste »Afscheiding« (= Trennung) zahlreicher Gemeinden von der »hervormden Kerk«, der reformierten Volkskirche. Sie stellen den Anfang einer Entwicklung dar, die zur Bildung der »Reformierten Kirchen (gereformeerde Kerken) in den Niederlanden« geführt hat, wobei der Begründer der »Freien Universität Amsterdam«, Abraham Kuyper (1837-1920), einen gewaltigen Exodus aus der liberalen Volkskirche auslöste.

Diesen bekenntnisorientierten, reformatorischen Impuls haben seit 1944/45 die »vrijgemaakte(n)« Reformierten mit ihrer Theologischen Universität in Kampen aufgegriffen. In Deutschland gewannen die ersten Freikirchen an Boden, wie die Methodisten oder Baptisten; insbesondere die Gemeinschaftsbewegung (Gnadauer Verband). Solche an der Heiligen Schrift orientierten Bewegungen bildeten den Kontrapunkt zur theologischen Verflachung der damaligen Zeit. Dieses Spannungsfeld war auch Nietzsche bekannt. Es war die Zeit, in der die Erweckungspredigten Ludwig Hofackers (1798-1828) nachwirkten, in der Konstantin von Tischendorf (1815-1874) tätig war, dessen Lebenswerk darin bestand, die ältesten Handschriften der Bibel zusammenzustellen. Dabei machte er sensationelle Funde, wie den des »Codex Sinaiticus« im Katharinenkloster am Sinai (eine griechische Abschrift des Alten und Neuen Testaments aus dem 4. Jahrhundert), um am Ende seines Lebens festzustellen: »Es gibt in der gesamten Literatur des Altertums wenig Beispiele einer so großartigen, historischen Beglaubigung, wie sie unsere Evangelien besitzen.«

Die Philosophie in den Ketten der »Vernunft«

Bereits ein Jahrhundert früher trat Immanuel Kant (1724-1804) auf, der an den englischen Philosophen David Hume (1711-1776) anknüpfte, wonach der Mensch nur das erkennen könne, was durch seinen Verstand zu fassen sei. Die Konsequenz einer solchen Sicht führte zu dem Trugschluss, dass einem rationalen Erkenntnisprozess religiöse, transzendentale Einsichten nicht zugänglich seien. Der Konflikt, den die bibelkritische Theologie unserer Zeit behauptet, hat hier seine Wurzeln: Zwischen Glaube und Denken bestünde eine unüberbrückbare Kluft. Kant sah sich nun dazu gedrängt, von dieser Position aus die Möglichkeit zu untersuchen, inwieweit der Mensch durch das Mittel der Vernunft Glaubenswahrheiten erkennen könne. So kam er zum Schluss, dass es keine absolute Gotteserkenntnis gäbe, dass wohl aber die Vernunft zum sittlich Guten führen würde. Lässt sich Gott selbst rational nicht wahrnehmen, so bleibt nach Kant nichts anderes übrig, als das Gute anstelle des lebendigen Gottes zum obersten Prinzip zu erheben. Das von ihm geforderte Prinzip, nach dem Guten zu trachten, erhebt Kant in der Folge zur allgemeingültigen Pflicht, zum »göttlichen Gebot«: Handle so, dass die Maxime (= subjektive Richtschnur) deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.

Doch was ist das sogenannte »Gute«? In unserer pluralistischen Zeit - mit ihrem fatalen Schwund an ethischen Grundwerten - könnte niemand mehr so unbekümmert positivistische Regeln aufstellen. Was Gut oder Böse ist, kann der Mensch doch nicht aus sich selbst heraus ableiten! Deshalb ist er doch auf einen objektiven Maßstab angewiesen, an dem er sein Verhalten messen kann. Solange ein solcher Maßstab jedoch vom Menschen selbst erdacht wird, bleibt er im höchsten Grad subjektiv, der willkürlichen Privatanschauung unterworfen. Deshalb musste sich der lebendige Gott auf besondere Weise durch sein Wort offenbaren, damit für uns objektive Kriterien zur Unterscheidung von Gut und Böse feststehen.

Kant aber fehlte eine solche reformatorische Grunderkenntnis. Sein philosophischer Ansatz war im tiefsten Grund gegenreformatorisch geprägt, weil er davon ausging, dass der menschliche Wille, von seiner Vernunft geleitet, gut sein kann. Die Schrift, und mit ihr die Reformatoren, bezeugen jedoch, dass unser Wille ohne die Wiedergeburt, die sich im Vertrauen auf die Vergebung durch Jesus Christus im Menschen ereignet, abgrundtief verkommen und zum Bösen geneigt ist. Ja, selbst die sittlich hervorragendsten Taten eines Menschen sind »böse vor Gott«, wenn sie nicht aus einer Haltung der Umkehr und Liebe zu Jesus Christus entspringen. Für Kant waren solche »Glaubenszumutungen« derart unerträglich, dass er – seiner Vernunft zufolge – auch nie eine Kirche betrat. So hat er den Menschen Gott gegenüber autonom gemacht, intellektuell auf sich selbst geworfen und hinter die Gefängnisgitter seiner begrenzten Verstandeskraft gesperrt. Dass ein lebendiger Gott wohl in der Lage sein müsste, sich durch Selbstoffenbarung dem Menschen zu bezeugen, war für den Philosophen, der das Geschöpf zum Maßstab gemacht hatte, nicht mehr fassbar. Nietzsche wird ein halbes Jahrhundert später diesen Impuls Kants aufgreifen und wie dieser von einem autonomen Menschenbild ausgehen, das übrige Gedankengebäude jedoch, das von »sittlichen Pflichten« spricht, folgerichtig und schonungslos zertrümmern.

Es ist eine traurige Begebenheit, dass z.B. der Vorgänger Kants, David Hume, durchaus die Botschaft des Evangeliums kannte. Von Gott vor die Weichenstellung gerufen, die Umkehr zu Jesus Christus zu suchen oder gottverlassene Wege weiterzugehen, hat er seiner Nachwelt zum Schaden das zweite gewählt. Ob Gott nicht auch zu Kant gesprochen haben wird? Wie viele wählten den Fluch, während Gott sie doch zum Segen berufen wollte! Otto Riecker berichtet in seiner vorzüglichen Biographie über George Whitefield von einer Begegnung zwischen dem reformierten Evangelisten und dem auf seine begrenzte Vernunft eingeschworenen Philosophen aus dem Jahr 1748:

Einer der Zuhörer war gelegentlich auch der große Philosoph David Hume. Er war kürzlich voll Trauer darüber aus Italien zurückgekehrt, dass die Bevölkerung Englands von seinen »Untersuchungen über den menschlichen Verstand« keine Notiz genommen hatte. Hume bezeichnete Whitefield als den größten Prediger, den er je gehört habe; zwanzig Meilen dürften einem nicht zu weit sein, ihn zu hören.

»Einmal«, erzählte der große Rationalist, »wandte sich Whitefield nach einer feierlichen Pause an seine Hörerschaft: „Der diensttuende Engel ist im Begriff, die Schwelle dieses Heiligtums zu verlassen und zum Himmel emporzusteigen. Soll er hinaufschweben und nicht die Nachricht von einem einzigen Sünder aus dieser großen Menge mit sich bringen, der vom Irrtum seines Weges fortgerufen wurde?“ Whitefield stampfte mit dem Fuße auf, erhob seine Hände und Augen zum Himmel und rief laut: „Halt, Gabriel, halt. Gehe nicht durch die heiligen Pforten, ehe du nicht die Nachricht von einem Sünder mit dir bringst, der sich zu Gott bekehrte!“ Diese Anrede war von einer so beseelten und doch wieder ganz natürlichen Gebärde begleitet, dass sie alles übertraf, was ich je bei einem anderen Prediger sah oder hörte.«4

»Aufbruchsstimmung« in Theologie und Gesellschaft

Hand in Hand mit den neuen Denkansätzen in der Philosophie entwickelten sich in derselben Zeitepoche die ersten folgenschweren Weichenstellungen hin zur Bibelkritik. Wie auch schon in der Philosophie wurde zwischen Glaube und Denken ein unerbittlicher Gegensatz konstruiert, wobei der menschliche Verstand mit seiner Urteilskraft über die göttliche Offenbarung Richter sein sollte. Wollte sich der Mensch die Autorität Gottes anmaßen, so musste zunächst einmal tüchtig an der Autorität der Heiligen Schrift gerüttelt werden!

Aus dieser Haltung heraus wurde die nahezu »harmlos« wirkende Behauptung aufgestellt, dass das 1. Buch Mose von verschiedenen Verfassern stammen würde. Die Folgen waren verheerend, denn auf eine These folgte die nächste, indem – bis in unser Jahrhundert hinein – unaufhörlich sich ergänzende oder völlig widersprechende Erklärungsmodelle vorgelegt wurden, um zu belegen, dass die biblischen Bücher nicht göttlichen, sondern menschlichen Ursprungs wären. Wäre Gott nicht mehr der Urheber seines Wortes, der Inhalt der biblischen Bücher das Produkt verschiedenster Verfasser, Quellen, theologischer Strömungen und Zeitabschnitte, ja selbst der Geschichtsablauf, wie ihn die Schrift darstellt, schlichtweg falsch, welche Autorität könnte dann ein solches Machwerk für sich in Anspruch nehmen?

Die Entwicklung solcher bibelkritischer Überlegungen hatte bereits im 18. Jahrhundert derart bedauerliche Fortschritte gemacht, dass schon im Jahr 1805 der Theologe De Wette (1780-1849) unverfroren behauptete, die Verfasser des Alten Testaments hätten bewusste Geschichtsfälschung betrieben, um ihre religiösen Überzeugungen durchzusetzen. Dabei hatte er die These entwickelt, dass das Gesetzbuch, das zur Zeit des Königs Josia (641/40-609 v Chr.) gefunden wurde und zur Reformation der alttestamentlichen Kirche geführt hatte (2. Kö. 22, 8-13), nicht gefunden, sondern erfunden worden sei. So hätte man erst damals eine Kultuszentralisation in Jerusalem ins Leben gerufen, und, um diesen Plan besser durchsetzen zu können, hätte man im 5. Buch Mose 12, 5 eine Prophetie erfunden, die eine alte Verheißung vortäuschen oder dadurch den Jerusalemer Tempelkult legitimieren würde. Unter dem »erfundenen« Gesetzbuch verstand De Wette übrigens nur das 5. Buch Mose (Deuteronomium).

Für Friedrich Nietzsche sollte diese Art und Weise des Umgangs mit der Heiligen Schrift wegweisend werden; denn er zog – wiederum völlig konsequent – den Schluss, dass eine Religion, die sich der Geschichtsfälschung bedient, weniger als nichts wert sei.

Was De Wette vorgezeichnet hatte, fand bald weitere Weggenossen, die sich unter dem Vorwand seriöser Wissenschaft und leidenschaftlicher Wahrheitssuche eifrig ans Werk machten, die Zuverlässigkeit der göttlichen Offenbarung in Zweifel zu ziehen. Es setzte eine Entwicklung ein, die keine Seite der Heiligen Schrift, ob im Alten oder Neuen Testament, unangetastet ließ und die Heilsgeschichte Gottes als »Märchen, Legenden, Mythen« usw. erklärte. Solche zersetzenden Hypothesen mussten die Vertrauenswürdigkeit der Schrift erschüttern.

Es war wie ein Erdbeben, das nach und nach das 19. und 20. Jahrhundert erfasste und mit dem Wort Gottes auch die Glaubwürdigkeit Gottes selbst in Frage stellte.

Für die philosophische Entwicklung Nietzsches ist es von großer Bedeutung, dass sich der entscheidende Umbruch zur Bibelkritik unmittelbar vor und während seinen Lebzeiten vollzog. Die Theologen waren in das Fangnetz der Aufklärung geraten. Während die Reformatoren unter dem Ruf »zurück zu den Quellen« die Autorität der Heiligen Schrift wiederentdeckt hatten, sah man sich nun dazu berufen, kräftig an der unanfechtbaren Schriftautorität zu rütteln. Nicht nur die Theologen, die ganze Epoche befand sich im Aufbruch zu neuen Erkenntnissen. Schon der Großvater Nietzsches, Friedrich August Ludwig Nietzsche, befand sich im Sog dieser Strömung. Er verteidigte zwar noch als lutherischer Superintendent die Grundwahrheiten des Evangeliums, war jedoch schon ins Lager der Bibelkritik übergewechselt. So schrieb er bereits 1796:

»Der menschliche Geist ist kein Phlegmatikus, der den ganzen Tag in träger Ruhe auf seinem gepolsterten Sofa sitzt und träumt und schläft, und auch selbst alsdann, wenn er gleich von außen einen ziemlich ernstlichen und unangenehmen Stoß bekommt, nur halb aufwacht, mit den Augen blinzelt, eine noch behaglichere Lage sucht, gähnt und von neuem wieder einschläft. Der menschliche Geist ist vielmehr immer tätig und wirksam wie Gott, sein Vater und Urbild. Er denkt unaufhörlich fort, bearbeitet seine schon vorhandenen Begriffe, ändert seine Vorstellungen um, bildet sie von Zeit zu Zeit immer mehr aus, vermehrt die Masse seiner Kenntnisse, schmachtet nach einem immer helleren und erquickenderen Licht und zerbricht unwillig und mit Kraft und Mut die ehrlosen Fesseln, womit man ihn festhalten und ihn in seinem Fortschreiten und Fortstreben nach Wahrheit hindern will.«5

Das war es doch, was Kant bereits 1784 programmatisch geschrieben hatte:

»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen ... Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung ... Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; und zwar die unschädlichste unter allem, was nur Freiheit heißen mag, nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen.«6

Aufbruchsstimmung! Das war das Stichwort. Hatte man nicht im 18. Jahrhundert die menschliche Vernunft wieder entdeckt? Der Drang nach Freiheit knisterte im morschen Gebälk althergebrachter, überlebter Autorität. So entwickelte sich das 19. Jahrhundert zu einer Zeit des geistigen Umbruchs. Das Traditionelle wurde von den Wurzeln her in Frage gestellt, sei es kirchlicher, politischer oder naturwissenschaftlicher Natur. Es war ein Jahrhundert, das zu sich selbst in Spannung stand. Eine seltsame Mischung von bürgerlicher Beschaulichkeit und revolutionärer Aufbruchsstimmung herrschte vor.

Zu Beginn der Jahrhundertwende hatten noch die Parolen der französischen Revolution die politische Landschaft Europas erschüttert, dann folgte nach der Niederlage Napoleons und dem Wiener Kongress (1814-1815) eine Zeit der Restauration und Rückkehr zu den »alten, bewährten Werten«. Doch lange sollte diese »Biedermeierzeit« nicht andauern, denn das Zeitalter der Nationalstaaten brach mit zahlreichen revolutionären Erhebungen auf. Parallel dazu entwickelte sich unter dem Einfluss der Geschichtsphilosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770-1831) die Idee eines sozialistischen Klassenkampfes. Mit seinem »Kommunistischen Manifest« von 1848 gab Karl Marx (1818-1883) den Startschuss für die folgenschweren politischen und weltanschaulichen Umwälzungen des nachfolgenden 20. Jahrhunderts. Der junge Nietzsche, der sich später zum erklärten Feind sowohl des Sozialismus als auch der Demokratie entwickeln wird, hatte in seiner spannungsgeladenen Zeit auch miterlebt, wie Preußen unter Bismarck mit eiserner Faust und unbeugsamem Willen die deutsche Einheit anstrebte. Mit zwiespältiger Bewunderung empfing er einen ersten Anschauungsunterricht, wie sich »der Wille zur Macht« auf politischer Ebene durchsetzen lässt.

Aufbruchsstimmung! Das war das Stichwort! Befreiung vom Joch jener Autoritäten, die über ein Jahrtausend hinaus als unantastbar galten. War Galilei (1564-1642) noch im Jahre 1633 von der römischen Inquisition gezwungen worden, die Entdeckung des heliozentrischen Weltsystems zu widerrufen, wonach die Sonne – und nicht die Erde – der Mittelpunkt unseres Planetensystems sei, so wurde das aristotelische Weltbild nun endgültig abgeschüttelt. Die Tragik jedoch bestand darin, dass naturwissenschaftliche, philosophische und politische Überzeugungen, wie auch das Erscheinungsbild der damaligen Kirche, mit derselben absoluten Autorität versehen wurden, die eigentlich nur dem Wort Gottes zusteht. Das Denken der Zeit wollte dem Wort Gottes keine Sonderstellung zuerkennen. Das war die Ursache dafür, dass mit dem allgemeinen Autoritätsschwund und einer durchaus berechtigten Skepsis gegenüber dem Althergebrachten wie selbstverständlich auch die göttliche Offenbarung zum alten Eisen gekehrt wurde. Wie verheerend sollte sich das auswirken!

So konnte ein fortschrittlicher Geist wie Charles Darwin (1809-1882) den Schöpfungsbericht in den Bereich der Mythen und Legendendichtung verweisen und stattdessen den Ursprung des Menschen als einen Evolutionsprozess darstellen. Das war es, was den jungen Nietzsche schon in frühen Jahren in seinen Bann zog. Aufbruchsstimmung! Umbruch! Ein neues, naturwissenschaftliches Weltbild! Ein neues Geschichtsbild der Bibel! Unter diesen Leitgedanken traten führende Theologen mit ihren zersetzenden Hypothesen an die Öffentlichkeit. Unter ihnen befand sich z. B. David Friedrich Strauß (1808-1874) mit seinem Buch »Leben Jesu« (1835), in dem er die geschichtliche Realität des Heilswerkes Jesu Christi verwarf und die Berichte über ihn als Mythen, als unbewusst erzeugte Phantasieprodukte der Gemeinde erklärte. Als 17-jähriger hatte Nietzsche an dem atheistischen Religionsphilosophen Ludwig Feuerbach (1804-1872) derart Feuer gefangen, dass er sich dessen Bücher »Das Wesen des Christentums« und »Gedanken über Tod und Unsterblichkeit« sogar zum Geburtstag wünschte. Feuerbach vertrat die Ansicht, dass Gott und das Jenseits lediglich der religiösen Einbildung entspringen würden: »Gott schuf sich nicht den Menschen zu seinem Bilde, sondern der Mensch schuf sich Gott zu seinem Bilde.« In der Theologie des Alten Testaments tat sich Julius Wellhausen (1844-1914) hervor, der in seiner »Geschichte Israels« (1878) den in der Heiligen Schrift dargestellten Geschichtsablauf – ähnlich wie De Wette, doch viel radikaler – verwarf und völlig verfremdet darstellte.

Für die bibelkritischen Theologen unserer Zeit (und das sind die meisten!) sind Wellhausen und Strauß so etwas wie historisch-kritische »Kirchenväter« geworden. Zunächst lernte auch Nietzsche von derartigen Theologen und empfing das Rüstzeug zu seiner hemmungslosen Kritik am Wort Gottes. Später wurden solche »Kirchenväter« für ihn zum Inbegriff unehrlicher Taktiker, die – historisch-kritisch gesehen – ein korruptes Religionssystem, wenn auch inhaltlich umgedeutet, widernatürlich am Leben erhalten würden.

Für Nietzsche war jedoch auch Franz Overbeck (1837-1905) von Bedeutung, der als Freund des Philosophen zur Überzeugung kam, dass »Theologie nur der Totengräber des Glaubens sein könne«. Ihm war der Versuch seiner theologisierenden liberalen oder konservativen Zeitgenossen bis zum äußersten widerlich, ein Christentum zu verteidigen, das inhaltlich längst ausgehöhlt und als mystischer Aberglaube entlarvt worden sei. Overbeck, der seltsamerweise der Wahrheitssuche seiner pietistischen Zeitgenossen Respekt zollte, galt als der erste »atheistische Theologe«, der gleichzeitig den Lehrstuhl für Kirchengeschichte und NT an der Universität Basel innehatte. Dort begründeten Overbeck und Nietzsche ihre lebenslange Freundschaft. Auch im Bereich der Musik erfuhr das 19. Jahrhundert einen Umbruch, der im Werk Richard Wagners (1813-1883) zum Ausdruck kam. Auch diese Entwicklung erfuhr bei Nietzsche ein lebhaftes Echo.

Mit diesen Streiflichtern durch die bewegte Geistesgeschichte von vierhundert Jahren lässt sich die Stimmungslage ein wenig erahnen, in der sich das Leben und Denken des Philosophen abgespielt hat. Im Folgenden werden wir einen Blick auf den Lebenslauf Nietzsches werfen, um dann auf sein Werk einzugehen.

Weiterführende Literatur

Zur Philosophiegeschichte:

Alfred E. Stückelberger: Menschliches Wissen - Gottes Weisheit. Verlag und Schriftenmission der ev. Gesellschaft für Deutschland, Wuppertal 1980 (?).

Zum Thema Bibelkritik:

Gerhard Bergmann: Alarm um die Bibel. Schriftenmissions-Verlag Gladbeck 1974.

Armin Sierszyn: Die Bibel im Griff. Wuppertal 1978. Besonders hilfreich ist der Abschnitt über die Entstehungsgeschichte der historisch-kritischen Methode.

Zur Theologie- und Kulturgeschichte:

Francis Schaeffer: Wie können wir denn leben? Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur. Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1985, (Paperback).

Os Guiness: Asche des Abendlandes. Hänssler Verlag, Neuhausen-Stuttgart 1976.

Fragen zum Nachdenken:

Welche geistlichen Aufbrüche gab es im 18. und 19. Jahrhundert?

Hat Gott auch Philosophen in die Umkehr gerufen?

Was hat Kant anstelle Gottes zum obersten Prinzip erhoben? Worin liegt sein gegenreformatorischer Ansatz?

Mit welchen Behauptungen hat die Bibelkritik Eingang gefunden?

In welcher Aufbruchsstimmung lebte die Aufklärung?

Besteht zwischen »Glauben und Denken« ein unüberbrückbares Spannungsfeld? Hat die menschliche Vernunft Grenzen?

Wurde dem Wort Gottes seine besondere, unantastbare Autorität zuerkannt?

Welche Personen waren u. a. am ideologischen Umbruch des 19. Jahrhunderts maßgeblich beteiligt?

3 Über diese unerhört mutmachenden Ereignisse in Wales berichtet die Biographie von Eifion Evens: Daniel Rowland and the Great Evangelical Awakening in Wales. The Banner of Truth Trust, Edinburgh 1985.

4 Otto Riecker: Ruf an alle – Georg Whitefield, Brockhaus Verlag Wuppertal 1984, Seite 129.

5 Friedrich August Ludwig Nietzsche: Gamaliel, oder die immerwährende Dauer des Christentums, zur Belehrung und Beruhigung bei der gegenwärtigen Gärung in der theologischen Welt. Leipzig 1976. Zitiert nach Curt P. Janz, Band I, Seite 33f.

6 Immanuel Kant: Was ist Aufklärung, 1784. Zitiert nach Schuster/ Ringhausen/Tebbe (Hrg.): Quellenbuch zur Kirchengeschichte I/II. Frankfurt 1976, Seite 152.

Teil II: Biographischer Überblick

Die Ahnen

Georg Brandes, ein bedeutender skandinavischer Kenner der deutschen Literatur, ist der erste, der an einer Universität (Kopenhagen) die Philosophie Nietzsches in seinen Vorlesungen behandeln will. Doch wer ist Nietzsche? Woher kommt er eigentlich? Weil der philosophierende »Einsiedler« wenig näher bekannt ist, bittet ihn Brandes um einen Lebenslauf. »Ich bin am 25. Oktober 1844 geboren auf dem Schlachtfeld von Lützen ...«, antwortet Nietzsche im Jahr 1888. »Meine Vorfahren waren polnische Edelleute (Niëtzky); es scheint, dass der Typus gut erhalten ist, trotz dreier deutscher „Mütter“. Im Ausland gelte ich gewöhnlich als Pole ...« Dann führt er weiter aus, dass er in späteren Jahren wegen seiner Berufung an die Universität Basel genötigt gewesen sei, sein »deutsches Heimatrecht aufzugeben«, da er »als Offizier (reitender Artillerist) zu oft einberufen« und in seinen »akademischen Funktionen gestört worden wäre«. Vielsagend fügt er dem hinzu: »Ich verstehe mich nichts desto weniger auf zwei Waffen: Säbel und Kanonen ...«

Doch die Darstellung weist ein paar Schönheitsfehler auf, die für das Selbstverständnis des Philosophen und für sein Werk typisch sind. Denn er wird auf keinem »Schlachtfeld« geboren, sondern in der bürgerlichen Geborgenheit eines lutherischen Pfarrhauses. Von seiner Herkunft ist er weder »Pole noch Edelmann«, doch fühlt er sich als aristokratischer Intellektueller und beruft sich dabei wohl auf eine der häufigen Stammbaumfälschungen oder auf hochfliegende Gerüchte aus dem Verwandtenkreis. Er ist auch nie in seinem Leben »Offizier«, sondern wird vielmehr auf Grund eines Unfalls vom Militärdienst ausgemustert. Ob er sich wirklich auf »Säbel und Kanonen« versteht? Was wirklich stimmt, ist für Nietzsche nicht entscheidend. Was bedeuten schon Fakten, wenn er sie ganz anders liest?

Je einsamer Nietzsche gegen das Ende seiner Schaffensperiode wird, je mehr wird ihm sein Leben zum Schlachtfeld. Das ist die Wirklichkeit für ihn. Wer hätte ihm das auch bestreiten können? Ist ihm der Kampf mit geistigen Säbeln und Kanonen nicht bereits von Geburt an mitgegeben? Liegt nicht eine »Bestimmung« auf seinem Ahnenerbe, ein evolutionäres, selektives Ziel, das in ihm zum Ausdruck kommt? Deshalb kann Nietzsche sagen: »Für das, was einer ist, haben seine Vorfahren bezahlt.« Ja, so sieht er sich, als den Höhepunkt seiner Ahnenkette. Ausgerüstet mit einer Kraft – wie sie kein anderer vor ihm zu haben schien – um die Welt mit all ihren Wertmaßstäben aus den Angeln zu heben.

Deshalb kann er diesen Spiegel vor sich stellen: »Alle Tugend und Tüchtigkeit am Leib und an der Seele ist mühsam und im kleinen erworben worden, durch viel Fleiß, Selbstbezwingung, Beschränkung auf weniges, durch viel zähe, treue Wiederholung der gleichen Arbeiten, der gleichen Entsagungen: aber es gibt Menschen, welche die Erben und Herren dieses langsam erworbenen, vielfachen Reichtums an Tugenden und Tüchtigkeiten sind - weil ... die erworbenen und gehäuften Kräfte vieler Geschlechter nicht verschleudert und versplittert, sondern durch einen festen Ring und Willen zusammengebunden sind. Am Ende nämlich erscheint ein Mensch, ein Ungeheuer an Kraft, welches nach einem Ungeheuer von Aufgabe verlangt.«

Und doch ist es nicht nur Einbildung, wenn sich Nietzsche so sehr auf sein genetisches Erbe beruft. Ein Blick auf die Ahnenliste der väterlichen und mütterlichen Linie weist nach, dass im Stammbaum neben bürgerlichen Berufen bis zum Jahre 1600 über zahlreiche Generationen hin immer wieder Pastorenfamilien vertreten sind. Der Nietzsche-Biograph C. P. Janz bewertet diesen Umstand zu Recht als »Übergang aus dem Bürgertum in die humanistisch-pastorale Intelligenz«. Durch die Jahrhunderte hatte sich tatsächlich unter Nietzsches Vorfahren eine Art »Begabtenzüchtung« eingestellt.

Dazu schreibt Ernst Kretschmer: »Da der Bedarf an studierten Juristen und Medizinern in frühen Jahrhunderten sehr klein war, so bildeten die gleichzeitig auch das höhere Lehramt besetzenden Theologen die zahlenmäßig ganz überwiegende Masse der studierten Berufe ... Die Zulassung zu diesem Studium regulierte sich schon im Schüleralter durch eine Reihe recht schwieriger Prüfungen. Es wurde auch eine beständige Begabtenauslese geschaffen, die sowohl die bereits standeszugehörigen Kinder wie die aus anderen Ständen neu hinzukommenden betraf. Und zwar erfolgte diese Begabtenauslese jahrhundertelang fast lediglich unter humanistischen Gesichtspunkten. Das heißt, nur die sprachlichen und logisch-abstraktiven Fähigkeiten gaben den Ausschlag ... Die nach diesem humanistischen Begabtentest ausgesuchten Familien heirateten innerhalb desselben engen landesherrlichen Territoriums ganz vorwiegend untereinander ... Es ist kein Wunder, wenn nun aus dieser im 16. Jahrhundert begonnenen Züchtung im 18. und 19. Jahrhundert eine ganze Reihe berühmter Namen hervorgehen, und zwar von Hochbegabungen, die fast ausschließlich diese einheitliche Prägung des ausgesprochenen Sprachlich-Logischen haben, das heißt, die als Dichter oder als Mischbegabung aus beiden in die deutsche Geistesgeschichte übergehen.«7

Theologenauslese

Abgesehen davon, dass die neutestamentlichen Gemeinden stets von mehreren Ältesten geleitet wurden, hat sich diese vergeistigte Theologenauslese auf die deutschen Reformationskirchen in keiner Weise positiv ausgewirkt. Während im Neuen Testament einfache Fischer wie die Apostel Petrus und Johannes durchaus gleichwertig neben dem akademisch geschulten Theologen Paulus oder dem Mediziner Lukas im Dienst des Herrn stehen, galt nach der Reformation das Ideal, dass ein Pfarrer ein »Gelehrter« sein sollte. Es waren nicht die geistlichen Kriterien, die für die Ausbildung ausschlaggebend waren, sondern die intellektuelle Selektion. So wurde der Glauben mehr und mehr zu einer Denkleistung, verschult durch die Konstruktion komplizierter Lehrsätze im Zeitalter der Orthodoxie.

Als dann im 19. Jahrhundert die Bibelkritik massiv aufzutreten begann, lag es im System der Dinge, dass der »bibeltreue« Rationalismus vom »historisch-kritischen« Rationalismus zunächst überlagert und schließlich ersetzt wurde. Indem neue, liberale Denkvoraussetzungen in die Theologenausbildung einbrachen und das universitäre Schulungssystem aufrecht erhalten blieb, war der Niedergang reformatorischer Positionen und die Säkularisierung der Kirche eine beschlossene Sache. Wo lag die Schuld für eine solche Entwicklung? Der Theologe Tholuk hatte in dem Urteil schon recht, wenn er im Rationalismus der Orthodoxie im 17. und 18. Jahrhundert die Ursache dafür sah. War nicht Glaube zu einem technischen Wissen über Gott abgesunken? Sollte die Lehre über Christus nicht wesentlich mehr sein, als bloß eine Art Strichliste, in der Glaubensaussagen abgehakt oder gestrichen werden, damit die »reine Lehre« zum Vorschein kommt? Die Heilige Schrift spricht zwar durchaus von der »gesunden Lehre« (1. Tim. 4, 16, 2. Tim. 1, 13 u.v.a.), aber diese Lehre muss auch in der erfahrbaren Begegnung mit Jesus Christus verankert sein.

Was bringt denn sogenannte Rechtgläubigkeit, wenn der Glaube nicht als Ausdruck eines herzlichen Vertrauens zu Jesus gelebt wird? Wenn wir nicht in unserer täglichen Begegnung durch das Wort Gottes und das Gebet seine Wiederkunft erwarten? Ohne das Gegengewicht einer lebendigen Glaubensbeziehung zu Jesus Christus verkümmert alle Rechtgläubigkeit bloß zu einer religiösen Weltanschauung: eine fromme Ideologie als Degenerationsprodukt. Es ist eine traurige Tatsache, unzählbar in der Kirchengeschichte in tausend Spielarten wiederholt: Wo Jesus Christus nicht in das Leben eines Menschen getreten ist, wo die Kraft seiner Auferstehung nicht erlebnishaft wirksam geworden ist, da bleibt »Glaube« ein abstraktes, leeres Gebilde, das Phantasieprodukt des religiösen Menschen.

Das Elternhaus von Friedrich Nietzsche kann in keiner Weise als »orthodox« eingestuft werden, es befand sich auf kirchlich-konservativen Wegen im gewohnten Umbruch zu »freieren« Glaubensanschauungen. Es herrschten keine extremen Positionen vor, die Lutherbibel wurde fleißig gelesen, die kirchlichen Dogmen wurden wertgeschätzt, und doch gewinnt man den Eindruck, dass das Glaubensgebäude im Hause Nietzsche eher einem Kartenhaus glich, das zusammenbrechen musste. Sowohl der Vater, die Mutter, die Tanten, als auch die Schwester Nietzsches verkörpern eine vordergründige Kirchlichkeit, die berechtigte Zweifel aufkommen lässt, ob sie das Evangelium je wirklich erkannt haben.

Horst Althaus schreibt in seiner Nietzsche-Biographie: »Das Kennzeichen von Nietzsches christlicher Herkunft ist ihre völlige Makellosigkeit. Die Summe der allerbesten Eigenschaften, wie sie das lutherische Pfarrhaus durch drei Jahrhunderte kultiviert hatte: in Nietzsches Elternhaus ist sie gezogen. Bürgerliche Grundanständigkeit, Rechtschaffenheit, Wahrheitsliebe, Respekt vor der Vergangenheit haben sich hier von der väterlichen und mütterlichen Seite her noch einmal zusammengefunden.« Doch diese »Makellosigkeit« war nur der Schein nach außen, ein standesbewusstes Rollenspiel. Die »christliche Herkunft« jedoch – gemessen an der Heiligen Schrift – war mehr als fragwürdig.

Ein Blick auf das Elternhaus und die religiöse Erziehung wird zeigen, wie brüchig der Glaubensansatz war.

7 zitiert nach Curt P. Janz: Friedrich Nietzsche Biographie. München/ Wien 1979, Band I, Seite 29f.

Der Vater

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Der Vaterlose in den Spuren des Vaters

Frauenregiment

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Die Krise muss kommen

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Studentenjahre

Gescheiterte Glaubensrettung

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Das »freisinnige« Basel

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Schaffensperiode und jähes Ende

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Teil III: Das Werk Nietzsches

Die »Wahrheit« über das Christentum

Seiner Zeit und jedem »Neuen Glauben« voraus

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Umwertung der Werte

Die verhängnisvolle Weichenstellung

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Das philosophische System und seine politischen Folgen

Die »Methode« heißt: Nein!

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Teil IV: Das Allzumenschliche im Leben Nietzsches

Die Psyche des Philosophen

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Mangelnde Sexualbewältigung

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Okkulte Einflüsse

Bewusstseinserweiterung durch Rauschgift

Zum Weiterlesen HIER klicken!

Nachwort

Nietzsche ist nur auf dem Hintergrund der Reformation denkbar. An ihm vollzieht sich kirchen- und geistesgeschichtlich das, was Jesus nach dem Matthäusevangelium vorausgesagt hatte: »Wenn der unreine Geist von einem Menschen ausgefahren ist, so durchstreift er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet sie nicht. Dann spricht er: Ich will wieder zurückkehren in mein Haus, aus dem ich fortgegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er's leer, gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt mit sich sieben andere Geister, die böser sind als er selbst; und wenn sie hineinkommen, wohnen sie darin; und es wird mit diesem Menschen hernach ärger, als er vorher war. So wird's auch diesem bösen Geschlecht ergehen« (12, 43-45).

Hatte der Protestantismus nicht durch Gottes Barmherzigkeit seine »Babylonische Gefangenschaft« durch die Reformation abgeschüttelt? Ist er damals nicht zur Schrift als Quelle aller Gotteserkenntnis durchgebrochen? Wie lange blieb die von Gott erweckte evangelische Christenheit »gekehrt und geschmückt«? In dem Maß, in dem außerbiblische Einflüsse das reformatorische Schriftverständnis zu verdunkeln begannen, in dem Maß kamen auch die Dämonen der Gottlosigkeit zurück. Das sagte Jesus zum Bundesvolk des Alten Testamentes. Dasselbe gilt auch für das Bundesvolk des Neuen Testamentes. Der einzige Besitz der echten Christenheit ist die Heilige Schrift. In ihr gründet sich alle Gotteserkenntnis. Wird ihre Autorität, ihre irrtumslose Zuverlässigkeit, systematisch in Zweifel gezogen und unterhöhlt – wie es in den vergangenen zweihundert Jahren geschehen ist – so bleibt nur mehr der gegenreformatorische Niedergang. Die römisch-katholische Kirche kennt dieses Problem nicht, denn sie lebt nicht aus dem Zeugnis der Schrift und ist ihrem Wesen nach – ob konservativ oder liberal – gegenreformatorisch geeicht. In ihr hätte sich ein Nietzsche nicht auf diese Weise antithetisch zur Schrift entfalten können. Das war nur im Gegenzug zu erkannter Wahrheit möglich, wie es die Apostel angedeutet haben: »So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde ... Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen« (Apg. 20, 28-30).

Und es »sind nun schon viele Antichristen gekommen ... Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wenn sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber es sollte offenbar werden, dass sie nicht alle von uns sind« (1. Joh. 2, 18-19). Deshalb trifft die evangelische Christenheit eine doppelte Schande: Sie hatte zwar durch Gottes Gnade seine Offenbarung erkannt, hat aber sein Wort durch die Jahrhunderte doch nicht bewahrt, so dass nun über unsere Gesellschaft hereingebrochen ist, was der Herr warnend angekündigt hat: »es wird mit diesem Geschlecht ärger, als es vorher war.«

Deshalb ist gerade das, was Nietzsche so sehr hasst, vordringlich geworden wie zu Luthers Zeiten: Reformation. Zurück zur unfehlbaren Schrift, zur souveränen Gnade Gottes, zum Glauben an Jesus Christus allein.

Weiterführende Literatur:

Georg Huntemann: Der Himmel ist nicht auf Erden. Vom Elend des Protestantismus. Busse Seewald Verlag Herford 1986.

Unsere Empfehlungen

Gottfried Mai: Wladimir Iljitsch Lenin - Die pervertierte Moral

Folgen Verlag, 978-3-944187-25-9

Im Ostblock nimmt die Abneigung gegen Lenin zu und obwohl sich sogar die chinesischen Kommunisten als Realpolitiker von der unbrauchbaren Doktrin des Leninismus abwenden, erfreut sich im freien Westen die Lehre Lenins einer vorhandenen Beliebtheit und Verharmlosung. Im Vergleich zu Stalin mag Lenin harmloser erscheinen, doch er ist als Urheber für eine in der Geschichte nie zuvor dagewesene Häufung von schlimmsten Verbrechen hauptverantwortlich. Wenn linke Träumer uns, die wir unter der Diktatur des Kommunismus in Ostdeutschland aufgewachsen sind, mit einer positiven Wertung des Leninismus überzeugen wollen, so ist das genauso absurd, wie wenn ein Spätgeborener einem Überlebenden von Ausschwitz erklären würde, es habe niemals Konzentrations- oder Massenvernichtungslager gegeben.

Wer Lenin kritisch liest, wird erschrecken, wie offen dieser den Terror und die Diktatur nicht nur bejaht, sonder auch praktiziert hat.

Der frühe Gollwitzer stellte fest: Wer die Menschen hindert, sich mit dem Marxismus—Leninismus rechtzeitig auseinanderzusetzen, trägt dazu bei, dass sie ihm wehrlos verfallen, sobald er über sie herrscht.

Jost Müller-Bohn: Spurgeon — ein Mensch von Gott gesandt

Folgen Verlag, 978-3-944187-06-8

Mehr als 100 Jahre nach seinem Tod, gehört Charles Had­don Spur­geon auch heute noch zu den gachtet­sten Predi­gern in der Geschichte der Gemeinde Jesu. Dreißig Jahre lang predigte Spur­geon unun­ter­brochen von der­sel­ben Kanzel, ohne dass seine kraftvolle Verkündi­gung je abgenom­men oder er sich in irgen­deiner Weise leergepredigt hätte. In dieser gut recher­chierten Biografie wird etwas von dem her­rlichen Geist spür­bar, der in diesem Mann wohnte.

Die Bibel, übersetzt von Hermann Menge

Folgen Verlag, 978-3-944187-12-9

Die Menge-Bibel ist textgetreu und gut verständlich. Fast 40 Jahre arbeitete Hermann Menge an dieser Übersetzung. Das Ergebnis ist eine literarisch hochwertige und genaue Übersetzung. Die ausführlichen Überschriften erleichtern das Bibelstudium und bieten Orientierung. Diese eBook-Ausgabe enthält den unveränderten Text von 1939.

Dieses eBook ist optimiert für digitales Lesen und bietet eine einfache und schnelle Navigation zu jedem Buch und Kapitel. Aus jedem Kapitel gelangt man mit einem Klick wieder zurück zur Kapitel-Navigation und dann zur Inhaltsübersicht.