Früher war mehr Verbrechen - Katharina Kolvenbach - E-Book

Früher war mehr Verbrechen E-Book

Katharina Kolvenbach

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Früher war mehr Verbrechen - DER ERFOLGREICHE TRUE-CRIME-PODCAST JETZT ALS BUCH Perfide Mord-Komplotte, grausame Hexen-Verfolgung oder blutige Dienstmädchen-Morde: Die Prähistorikerinnen Nina Batram und Katharina Kolvenbach versammeln in ihrem ersten True-Crime-Buch spektakuläre Fälle, darunter sowohl die besten Folgen aus dem Podcast als auch exklusive historische Kriminalfälle, die noch nicht im Podcast diskutiert wurden. Die Autorinnen berichten von spannenden historischen Verbrechen und deren Hintergründen, skizzieren mögliche Lösungen weit zurückliegender Cold Cases und die Relevanz der Fälle für die heutige Zeit - stets respektvoll, mit viel Empathie und Sachverstand - und immer auch mit einer Prise (Selbst-) Ironie. Die einzelnen Fälle wurden gründlich recherchiert. Die Leserinnen und Leser werden stets mit neuen Einblicken in längst vergangene Gräueltaten und Schicksalsschläge und in die jeweilige Epoche überrascht. Wohlbekannte, aber auch nicht geläufige Kriminalfälle werden bei diesem detailreichen Streifzug durch die Jahrhunderte unter die Lupe genommen.  Der Blick in die Vergangenheit lohnt sich, um heutige Kriminalfälle und die Psychologie der Täter besser zu verstehen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 349

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Katharina Kolvenbach / Nina Batram

Früher war mehr Verbrechen

Historische Kriminalfälle aus dem erfolgreichen Podcast

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Die beiden Prähistorikerinnen Nina Batram und Katharina Kolvenbach entführen uns in die Vergangenheit und berichten von spannenden historischen Kriminalfällen. Wie in ihrem Podcast Früher war mehr Verbrechen skizzieren sie mögliche Lösungen weit zurückliegender Fälle und Cold Cases und deren Relevanz für die heutige Zeit – dabei stets respektvoll, mit viel Empathie und Sachverstand.

Sie beleuchten z. B. eine mordende Familie, eine Giftmörderin, eine falsche Ehefrau, einen intriganten Adelsmörder und den vielleicht bekanntesten Serienmörder der Geschichte: Jack the Ripper.

Alle Fälle sind gründlich recherchiert und überraschen die Leser*innen mit bisher nicht im Podcast veröffentlichten Details. Abstecher in die jeweilige Epoche liefern zusätzliche Hintergrundinformationen.

Der Blick in die Vergangenheit lohnt sich, um heutige Kriminalfälle und die Psychologie der Täter*innen besser zu verstehen.

Inhaltsübersicht

Widmung

Vorwort

Der Tod des Sir Thomas Overbury 1613

Deutschlands letzte Hexe: Anna Maria Schwegelin 1775

Die Serienmörderin Gesche Gottfried 1831

Der Fall Grace Marks 1843

Das Schicksal der Donner-Party 1846

Das Geheimnis von Road Hill House 1860

Die Morde des Hugo Schenk 1884

Die vielen Opfer Jack the Rippers – Teil 1 1888

Die vielen Opfer Jack the Rippers – Teil 2 1888

Die Tragödie von Gatton 1898

Der Fall Grete Beier 1907

Wer tötete Hazel Drew? 1908

Der Mord an Ocey Snead 1909

Danksagung

Literatur

Bildnachweis

Der Liebe, dem Langmut und der Unterstützung unserer Familien gewidmet.

Vorwort

Was ist ein Verbrechen, was ist Unrecht? Auf diese vermeintlich leicht zu beantwortende Frage haben schon die Menschen in vergangenen Zeiten stets eigene Antworten gefunden. Unrecht wie auch Verbrechen finden sich nicht allein im Offensichtlichen, sondern auch versteckt in den Abgründen gesellschaftlicher Normen und im Dunkel der Geschichte. So wie uns in der Gegenwart häufig der Graubereich zwischen moralischer und juristischer Beurteilung umtreibt, lassen sich auch in der Vergangenheit Fälle finden, die früher wie heute faszinieren und die wir je nach Gesetzeslage und moralischer Einstellung immer wieder neu betrachten. So erlauben uns die zeitgenössischen Antworten auf diese Fragen einen Einblick in die Weltsicht unserer Vorfahren – und in unsere eigenen Kultur- und Moralvorstellungen.

 

Deshalb haben wir bei der Auswahl der Fälle in diesem Buch darauf geachtet, die in diesem Sinne vielfältigen Sichtweisen auf Verbrechen und Schuld darzustellen, aber auch die jeweiligen historischen Hintergründe und Biografien von Täter*innen wie – leider meist vernachlässigten – Opfern zu beleuchten. Bei den ausgewählten Geschichten handelt es sich um die beliebtesten aus unserem gleichnamigen Podcast, ergänzt um drei neue Fälle, zu denen wir häufig befragt worden sind.

 

Wir haben dazu auf Basis der wichtigen Arbeit vorangegangener Autor*innen und Historiker*innen die vorliegenden Fälle recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen sowohl aufbereitet als auch eingeordnet. Zudem haben wir uns in historische Quellen wie etwa Dokumente oder Presseberichterstattung vertieft, die jedoch immer im Hinblick auf ihre Intention und ihren Kontext – möglicherweise auch skeptisch – zu bewerten sind. Unser Buch soll auch als Anregung dienen, sich näher mit der jeweiligen Literatur auseinanderzusetzen, und Anreiz sein, immer weiter in die jeweilige Zeit, ihre Hinter- und Abgründe einzutauchen.

 

Die folgenden Schilderungen geben die Geschehnisse so wieder, wie sie uns am realistischsten scheinen. Da es sich um ein Buch über wahre Verbrechen handelt, möchten wir an dieser Stelle auch explizit darauf hinweisen, dass auf den folgenden Seiten die verschiedensten Formen von Gewalt, Missbrauch und Verlust thematisiert werden.

 

Fanø, August 2022

Der Tod des Sir Thomas Overbury 1613

Die Geschichte des Todes von Sir Thomas Overbury ereignete sich vor mehr als 400 Jahren, doch die Motive aller Beteiligten sind zeitlos spannend, gerade weil uns der Fall heute so politisch und menschlich zugleich erscheint. Es ist eine Geschichte über junge Liebe, körperliche Leidenschaft und tiefe Freundschaft, die jedoch, wie so oft, in einem unübersichtlichen Netz aus Eifersucht, Missgunst und verletzten Gefühlen enden sollte.

Schon vor seinem Tod im Jahre 1613 war Sir Thomas Overbury in einen gewaltigen Skandal verwickelt, der die sicher nicht leicht zu erschütternden Höflinge am Hofe von König James I. von England für Jahre beschäftigte und in den Verwicklungen um sein viel zu frühes Ende seinen Höhepunkt fand. Es geht um ein Komplott, für das viele Menschen teuer bezahlen mussten – wobei allerdings am Ende die Frage offenbleibt, wessen Verschwörung hier eigentlich erfolgreich war.

 

Die Geschichte beginnt mit einem Ende: Am 15. September 1613 verstirbt der Poet und Staatsmann Sir Thomas Overbury im Alter von nur 32 Jahren im Tower of London, wo er bereits seit fünf Monaten wegen Hochverrates einsitzt. Es ist jedoch keine politische Intrige und auch kein Attentat auf den Monarchen, das ihn in diese Lage gebracht hat. Vielmehr büßt er für seine Weigerung, einem Befehl des Königs Folge zu leisten. Wir sehen hier also nicht das unglückliche Ende einer Verschwörung, die Thomas Overbury angezettelt hätte. Tatsächlich ist es Overbury selbst, der zum Opfer einer Verschwörung wird.

Aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Adelsstand ist Thomas bis zu seinem Tode im Tower keinesfalls in ein dunkles Kellerverlies eingesperrt. Ein Gefangener seines Standes genießt zahlreiche Privilegien, wie etwa den Zugang zu Literatur und Schreibmaterial, Hygiene – im Rahmen der damaligen Möglichkeiten, versteht sich – und bessere Verpflegung. Und genau diese bevorzugte Behandlung ist es, die wahrscheinlich sein Schicksal besiegelt. Denn bereits einige Zeit vor seinem Tode beginnt Thomas Overbury, sich über Unwohlsein, Magenkrämpfe und Erbrechen zu beklagen. Eine monatelange Inhaftierung im Tower ist zweifellos eine sowohl seelische als auch körperliche Belastung, selbst dann, wenn man zu den privilegierten Gefangenen gehört. Und so kommt es leider, wie es kommen muss, und Overburys Zustand verschlechtert sich, bis er schließlich verstirbt. Da er ja tatsächlich seit Längerem über sich verschlimmernde körperliche Beschwerden klagte, vermutet niemand eine Straftat. Man bescheinigt daher den natürlichen Tod des Gefangenen und bestattet ihn bald darauf auf dem Friedhof der Chapel of Saint Peter ad Vincula in London. Hinter vorgehaltener Hand fragen sich jedoch manche bei Hofe, ob Overbury tatsächlich ohne das Zutun anderer den Tod gefunden hat. Steckt wirklich nicht mehr dahinter? Thomas Overbury ist nämlich in einen Skandal involviert, der den Höflingen einfach zu bekannt ist, um nicht zu Spekulationen anzuregen.

Gehen wir also zunächst noch ein wenig weiter zurück in der Zeit und sehen, wie die Geschichte ihren Anfang nimmt und wie Thomas Overbury in diese missliche Lage gerät.

 

Thomas Overbury wird im Jahre 1581 in Bourton-on-the-Hill in Gloucestershire, England, geboren. Er entstammt einer gut situierten Familie und hat so die Möglichkeit, die Schule und schließlich die Universität in Oxford zu besuchen, welche er 1598 mit dem Bachelor of Arts verlässt. Mit dem Abschluss in der Tasche macht sich Thomas auf nach London. Er ist ein ambitionierter junger Mann und hegt den unbedingten Wunsch, eine politische Karriere einzuschlagen. Zunächst zieht er dazu in die Unterkünfte der Honourable Society of the Middle Temple, einer Institution für Rechtsgelehrte, die im 14. Jahrhundert in London gegründet wurde und die auch heute noch als eine der vier britischen Anwaltskammern – voller Stolz auf ihre lange Tradition – Ausbildung, Unterstützung und Unterkunft für britische Juristen anbietet. Im 17. Jahrhundert befindet sich der Middle Temple im Besitz der Krone und ist eine Kaderschmiede. Hier wird die Elite der Zukunft ausgebildet. Begabte junge Männer aus gutem Hause leben zusammen, arbeiten an ihrer jeweiligen Karriere in unterschiedlichen Disziplinen und knüpfen Beziehungen.

1 Sir Thomas Overbury

 

Auch Thomas Overbury beginnt, sich einen Namen zu machen, er schreibt Gedichte und Theaterstücke und hat damit bereits einigen Erfolg. Er ist talentiert im Umgang mit Worten, hat eine scharfe Auffassungsgabe und ist außerdem ein ausgezeichneter Beobachter sowohl zwischenmenschlicher als auch politischer Situationen. Eine gute Voraussetzung für die von ihm angestrebte politische Karriere.

Seine Gelegenheit kommt, als er das Angebot erhält, in den Dienst des Lord Treasurer, des Schatzmeisters der amtierenden Königin Elizabeth I., zu treten. In dieser Position reist Overbury 1601 im Auftrag Ihrer Majestät nach Edinburgh, wo er bei seinem Aufenthalt am Hofe des schottischen Königs James VI. den 14-jährigen Pagen Robert Kerr kennenlernt. Eine schicksalhafte Begegnung, denn zwischen Overbury und Kerr entsteht schnell eine tiefe, möglicherweise auch romantische Verbundenheit. Schließlich kehren sie gemeinsam zurück nach London und sind fortan unzertrennlich. Die beiden ergänzen sich optimal. Kerr, der sich durch ein unbeschwertes, unkompliziertes Wesen auszeichnet, kann sehr gut mit Menschen umgehen und ist schnell überall beliebt. Dabei ist sicherlich nicht unerheblich, dass er in den Augen der Zeit ein äußerst attraktiver junger Mann gewesen sein muss. In zeitgenössischen Berichten wird stets auf sein lockiges Haar, seine schlanke Figur und sein bartloses Gesicht hingewiesen – ein Schönheitsideal im England des beginnenden 17. Jahrhunderts. Allerdings fehlt es Robert Kerr an formeller Bildung, was ihm tiefgründigere Konversation auf dem höfischen Parkett erschwert. Und nicht nur das. Auch an anderen Talenten, die hingegen Thomas Overbury auszeichnen, mangelt es Robert. So wird Overbury schnell zum Mentor des jüngeren Mannes, unterweist ihn in Recht und Politik und führt ihn in die Nuancen des höfischen Intrigenspieles ein.

Gleichzeitig kämpft Thomas Overbury mit eigenen Schwächen. Er hat Schwierigkeiten, mit Menschen umzugehen, ist überheblich und urteilt schnell über andere. Das führt dazu, dass man sich nicht gerne mit ihm umgibt. Insofern kann er von Robert Kerrs Anziehungskraft profitieren, dem es so leichtfällt, überall Freunde und Bewunderer zu finden. Eine Eigenschaft, die vor allem zur damaligen Zeit unbedingte Voraussetzung ist, um bei Hofe Anerkennung zu finden und sich im Ränkespiel der Mächtigen behaupten zu können. Und das wiederum ist die einzige Möglichkeit, im Schatten der Monarchin Karriere zu machen.

So manövrieren Thomas Overbury und Robert Kerr sich gemeinsam einige Jahre erfolgreich bei Hofe voran und erleben schließlich, wie Königin Elizabeth I. im Jahre 1603 kinderlos verstirbt. Ihr Erbe wird James VI. von Schottland, nicht nur der Sohn von Elizabeths berühmter Rivalin Maria Stuart, sondern nun als James I. von England auch der erste König, der die Krone von England und Schottland vereint. Mit seiner Thronbesteigung endet die Tudor-Dynastie, und die Zeit der Stuarts auf dem englischen Thron beginnt.

Thomas Overbury und Robert Carr, wie er sich nun nennt, um den englischen Gemütern den schottischen Klang seines Namens zu ersparen, bleiben trotz aller politischen Umbrüche auch unter dem neuen König recht erfolgreiche Höflinge. Größeren Einfluss erlangen sie jedoch nicht; ein Umstand, an dem sich im Jahre 1607 durch eine weitere schicksalhafte Begegnung schlagartig etwas ändern sollte.

 

Zur Feier seines vierten Jahrestages auf dem englischen Thron lässt James I. ein großes Turnier veranstalten, ein riesiges Spektakel, bei dem die Menschen zwischen bunten Marktständen flanieren, den Vorträgen von Barden lauschen oder sich an spannenden Ritterkämpfen erfreuen können. Der Tradition folgend, wird bei Letzteren auch der König selbst seine Kampfeskraft unter Beweis stellen. Unter allen Höflingen wird Robert Carr dazu auserwählt, dem König den Schild zu überreichen – eine Funktion, die höchst begehrt und mit großem Prestige verbunden ist. Denn der Auserwählte kommt in direkte Berührung mit dem Monarchen und erhält so die Gelegenheit, dessen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Doch als Carr sich hoch zu Ross aufmacht, um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen, kommt es zu einem Unfall. Er stürzt vom Pferd und bricht sich das Bein. Natürlich ist das potenziell nicht nur eine unrühmlich verpasste Gelegenheit, sondern auch eine ernste Gefahr für die Gesundheit. Allerdings birgt der Vorfall für Robert auch eine riesige Chance: James I. wird auf den attraktiven jungen Mann aufmerksam und entsendet prompt seinen eigenen Leibarzt zur Versorgung des Verletzten. Auch verbringt der König höchstpersönlich viel Zeit am Krankenlager, wo er Carr Unterricht in Latein gegeben haben soll – damals keineswegs alltägliche Gesten. In der Folge dieses Unfalles kommen sich die beiden Männer also näher, und Robert Carr wird zum Favoriten des Königs, was in der Tat vieles bedeuten kann.

Heute wissen wir, dass James I. im Laufe seines Lebens mindestens drei langjährige männliche Favoriten hatte, mit denen er sehr viel Zeit verbrachte, innige, teilweise sehr romantische Briefe austauschte und die gelegentlich sogar bei ihm im Schlafgemach auf einer eigenen Bettstatt übernachteten. In der Forschung gehen daher inzwischen viele davon aus, dass James I. homosexuell oder bisexuell war und dass die Beziehungen zu seinen Favoriten romantischer Natur gewesen waren. Es war damals durchaus auch bei anderen Herrschern gang und gäbe, enge männliche Vertraute zu haben. Ein zärtlicher Umgang unter Männern sowie die Verwendung liebevoller Gesten und Worte waren nicht ungewöhnlich für die frühe Neuzeit und gesellschaftlich vollkommen akzeptiert. Die überaus innigen Beziehungen, die der König mit seinen Favoriten lebte, führten jedoch schon unter den Zeitgenossen zu Spekulationen über die Vorgänge hinter verschlossenen Türen. James I. hatte dabei sicherlich ein starkes Interesse daran, dass diese Gerüchte nicht bestätigt werden konnten. Schließlich ist ein körperliches Ausleben der Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern in den Augen der Kirche jener Zeit Sünde, wird mit sexualisierter Gewalt gleichgesetzt und steht unter Strafe.

Selbstverständlich wagt es niemand, den König offiziell der Sünde zu bezichtigen, letzten Endes ist es ja auch für Zeitgenossen schwer zu beurteilen, wie weit die Beziehung zu seinen Favoriten geht. James I. ist sehr gläubig und verurteilt zeitlebens jegliche Sünde scharf, was sich unter anderem auch in seiner unbarmherzigen Verfolgung vermeintlicher Hexen, für die er sich in der englischen Geschichte einen unrühmlichen Namen machen sollte, zeigt. Daher ist es unmöglich, abzuschätzen, wie er die Vermutungen über ein Ausleben seiner Gefühle vor seinem religiösen Hintergrund selbst eingeschätzt hätte. Sicher ist jedoch, dass die Beziehungen, zumindest vonseiten des Königs, auf echter Zuneigung zu beruhen scheinen, was in seinem Verhalten gegenüber den Favoriten zum Ausdruck kommt und wovon die bereits erwähnten Briefe erzählen.

Wie intensiv ihre Beziehung auch gewesen sein mag, erhält Robert Carr in der Folge die Möglichkeit, großen politischen Einfluss auszuüben, und in seinem Fahrwasser wird auch Thomas Overbury bei Hofe immer einflussreicher. Beide werden in den Adelsstand erhoben. Overbury erhält schon 1608 den Ritterschlag, während Carr von James I. nicht nur Anteile an den Einnahmen der Krone, sondern auch Ländereien und 1611 schließlich den Titel des Viscount von Rochester verliehen bekommt.

Für Robert Carr und Thomas Overbury könnte sich die Sache kaum besser entwickeln – auch wenn der englische Adel und die Höflinge das Ganze erwartungsgemäß mit wenig Begeisterung beobachten. Zwar ist man es durchaus gewohnt, dass die Monarchen ihre Favoriten reich beschenken, darin waren auch schon die Herrschenden der Tudor-Dynastie groß gewesen. Jedoch meint man zu beobachten, dass es unter der Herrschaft von James I. eher schottische als englische Untertanen sind, die der König mit Titeln, Ländereien und Geld bedenkt – kein unbegründeter Verdacht, wie wir heute wissen.

Robert Carr und Thomas Overbury kümmert dies jedoch noch wenig. Gemeinsam gelingt es ihnen, alle Probleme zu umschiffen, die das Leben bei Hofe ihnen stellt, und sie genießen ihren Status samt allen Vorteilen, die ihnen eingeräumt werden.

Das geht über vier Jahre gut. Dann aber macht Robert 1611 bei Hofe die Bekanntschaft einer jungen Dame: Frances Howard ist zu diesem Zeitpunkt 21 Jahre alt und mit ihrem Leben weniger zufrieden. Sie stammt aus einer Familie, die einst zu den einflussreichsten am englischen Hof gehörte. So entstammten sowohl Anne Boleyn als auch Katherine Howard, beide bekanntlich unter den Ehefrauen Heinrichs VIII., dem Geschlecht der Howards. Sicher auch aufgrund dieser Verbindungen nimmt der Einfluss der Howards bereits unter Elizabeth I. stark ab, und dank weiterer politischer Verwicklungen ist die Familie Anfang des 17. Jahrhunderts weit von ihrem ehemaligen Glanz entfernt. Ein Umstand, den man zu ändern gedenkt. Thomas Howard, Earl von Suffolk, gelingt es aufgrund seiner herausragenden militärischen Leistungen unter Königin Elizabeth, großen Einfluss zu erlangen. Um nun die Macht und das Ansehen der Familie zu alter Größe zurückzuführen, plant man – ganz im Geiste der Zeit – die Heirat einer Tochter Thomas Howards, besagter Lady Frances Howard, mit einem jungen Mann aus einer anderen der alten, einflussreichen Familien des Landes. Ein passender Kandidat ist schnell gefunden: Robert Devereux, der 14-jährige 3. Earl von Essex soll Frances’ Bräutigam werden.

Die Feier anlässlich der Hochzeit am 5. Januar 1606 erregt nicht nur großes Aufsehen, sondern versammelt auch die Einflussreichen des Landes. Tatsächlich ist es niemand Geringerer als König James I., der die 15-jährige Braut an Vaters statt an Robert Devereux übergibt. Bei dieser Gelegenheit werden weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Status des Paares und der Familien unmissverständlich zu unterstreichen. Die jungen Brautleute allerdings sind einander von Beginn an nicht sonderlich zugetan. Zu ihrem Glück wird von Lady Frances Howard und Robert Devereux nicht erwartet, ihre Ehe sofort zu vollziehen. Tatsächlich hält man in Teilen der aristokratischen Oberschicht – entgegen der heute gängigen Erwartung – sexuelle Aktivität in einem so jungen Alter für gesundheitsschädlich. Man fürchtet, dass die körperliche Entwicklung der Jungen negativ beeinträchtigt werde und dass das Risiko von Komplikationen bei einer Schwangerschaft für junge Mädchen erhöht sei.

So begibt sich Robert Devereux bereits kurz nach der Vermählung zunächst auf eine mehrere Jahre dauernde Kavaliersreise durch Europa, während Lady Frances weiterhin im Kreise ihrer Familie lebt. Schließlich wird sie, wie für junge Adelige üblich, bei Hofe eingeführt, wo sie wegen ihrer Intelligenz, der Fähigkeit zur gepflegten Konversation und ihrer viel beschworenen Schönheit schnell große Bekanntheit unter den Höflingen erlangt.

Als ihr Ehemann von seiner Reise zurückkehrt, wird schnell deutlich, dass die Ehe alles andere als gut funktioniert. Was genau sich zwischen den beiden zugetragen haben mag, werden wir nie erfahren. Was belegt ist: Die Beziehung zwischen den beiden bleibt kühl und distanziert. Trotz aller Bemühungen wächst die gegenseitige Abneigung stetig.

Lady Frances beginnt, immer mehr Zeit bei Hofe zu verbringen, wo sie die ihr entgegengebrachte Aufmerksamkeit genießt. Sie bewegt sich gekonnt und mit großem Vergnügen in der höfischen Gesellschaft, unterhält zahlreiche Bekanntschaften und ist auch dem ein oder anderen Flirt nicht abgeneigt, was 1611 unweigerlich dazu führt, dass sie auch den Favoriten des Königs, Robert Carr, näher kennenlernt.

Vom ersten Augenblick an sind die beiden voneinander fasziniert, und was wohl als delikater Flirt beginnt, entwickelt sich zu einer leidenschaftlichen Affäre. Thomas Overbury jedoch reagiert empfindlich auf Roberts Interesse an Lady Frances. Er verabscheut die Howards und deren politische Agenda und hält Frances für eine flatterhafte Verführerin, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist. Wieder und wieder beschwört er Robert, von ihr zu lassen.

Doch sein Protest trifft auf taube Ohren. Anstatt sich zu trennen, fassen Lady Frances und Robert Carr den Entschluss, ihre Beziehung durch Heirat offiziell zu machen. Nun dürfte uns allen im Gedächtnis geblieben sein, dass Lady Frances bereits verheiratet ist. Also muss ein Plan her, um ihren Ehemann, Robert Devereux, loszuwerden. Auch der König ist allem Anschein nach nicht nur mit der Ehe seines Favoriten einverstanden, sondern unterstützt sogar die Bemühungen. Hierbei spielt sicher eine Rolle, dass eine politisch günstige Ehe von allen Mitgliedern der höfischen Gesellschaft nicht nur erwartet wird, sondern nicht unerhebliche Vorteile mit sich bringt. Auch der König selbst ist aus eher politischen Erwägungen mit Anna von Dänemark vermählt. Vermutlich war auch Lady Frances’ Familie für die Eheschließung. Man verspricht sich möglicherweise von der Verbindung mit dem überaus einflussreichen Carr einen weiteren Machtzuwachs. Lady Frances, die als Frau den Prozess nicht selbst anstoßen kann, bittet daher ihren Vater und ihren Onkel als ihre Vertreter, eine Annullierung der Ehe anzustrengen. Was für ein gefundenes Fressen für die zum Klatsch neigende Gesellschaft bei Hofe! Als Begründung behauptet Lady Frances nämlich, die Ehe sei niemals vollzogen worden. Ein Umstand, so gibt sie an, der in der Impotenz ihres Ehemannes begründet sei.

 

Die Nachricht über den Prozess und seine angeblichen Hintergründe verbreitet sich natürlich wie ein Lauffeuer, zumal in dessen Zuge sämtliche privaten Details der Ehe zwischen Lady Frances und Robert Devereux an die Öffentlichkeit gezerrt werden – ein Skandal, der die Höflinge hervorragend unterhält. Im Prozess leugnet Devereux tatsächlich nicht, dass die Ehe nie vollzogen wurde. Die alleinige Schuld trage aber seine Frau, denn sie lasse in ihm jeden Liebeseifer versiegen. Zur Klärung dieser Frage werden im Laufe des Verfahrens mehrere unterhaltsame Zeugenaussagen gehört, die belegen sollen, dass Robert durchaus zu einer Erektion imstande sei. Frances indes muss sich einem Jungfräulichkeitstest unterziehen. Anhand einer körperlichen Untersuchung durch Hebammen soll ihre sexuelle Unberührtheit nachgewiesen werden. Zu diesem Anlass erscheint Lady Frances mit einem langen schwarzen Schleier, der ihr Gesicht so vollständig verdeckt, dass sich die Zeitgenossen fragen, ob es auch tatsächlich Lady Frances Howard ist, deren Unberührtheit von den Hebammen bestätigt wird. Auch wenn uns heute völlig klar sein sollte, dass eine solche Untersuchung jeglicher medizinischen Grundlage geschweige denn wissenschaftlicher Validität entbehrt, gilt sie doch für die Menschen des 17. Jahrhunderts als eine zuverlässige Untersuchungsmethode. Auch eine Einmischung des Königs im Interesse Robert Carrs ist nicht auszuschließen.

Wie auch immer es zu diesem Ergebnis gekommen sein mag, am Ende hat Lady Frances Erfolg, und die Ehe mit Robert Devereux wird annulliert. Nun ist der Weg frei, und Lady Frances und Robert Carr können heiraten. Thomas Overbury hält sich indes den gesamten Prozess über mit seiner schlechten Meinung über Lady Frances nicht zurück. Und auch nach dem Urteil versucht er weiterhin vehement, Carr davon zu überzeugen, die Beziehung zu beenden.

Zu dieser Zeit verfasst Overbury sein bis heute bekanntestes Gedicht »A Wife«, zu Deutsch »Die Frau«, in welchem er detailliert beschreibt, welche Eigenschaften ein Mann bei seiner zukünftigen Partnerin suchen solle – die ideale Frau des 17. Jahrhunderts also. Wir können uns vorstellen, dass das nicht gerade eine Beschreibung der selbstbewussten, lebenslustigen und eigensinnigen Lady Frances Howard ist. Diese versteht die Anspielung allerdings und fühlt sich durch den öffentlichen Angriff und die damit verbundene Bloßstellung provoziert. Die Spannungen zwischen ihr und Thomas sind bei Hofe ein offenes Geheimnis, und so amüsiert sich nach der Veröffentlichung des Gedichtes der gesamte Hofstaat hinter vorgehaltener Hand über Lady Frances.

Der ewige Zwist zwischen Robert Carrs zukünftiger Gemahlin und seinem engsten Freund eskaliert. Lady Frances verbreitet Gerüchte bei Hofe, nach denen Overbury unrühmlich über die Königin, Anna von Dänemark, gesprochen habe, woraufhin er der erbosten Monarchin nicht mehr unter die Augen treten darf. Möglicherweise als Reaktion auf die Gerüchte bietet James I. prompt Thomas Overbury eine Position als Botschafter in Russland an, was de facto eine Verbannung vom Hofe darstellt, wenn auch mit der Möglichkeit, zumindest aus der Ferne politischen Einfluss auszuüben. Overbury lehnt das Angebot ab – leider, wie wir vielleicht sagen –, obwohl ihm bewusst sein muss, dass er damit den König erzürnt. Einem direkten Wunsch des Monarchen nicht zu entsprechen kann sehr leicht als Affront gegen die Krone aufgefasst werden. Gerade im Hinblick auf Overburys viel gerühmtes politisches Gespür ist es äußerst unwahrscheinlich, dass sich seine Entscheidung einfach als simple Fehleinschätzung erklären lässt. Vielmehr verbirgt sich dahinter vermutlich der Wunsch, Robert Carr nicht schutzlos dem Einfluss der Howards auszuliefern. Etwas Eifersucht ist am Ende vielleicht mit im Spiel. Warum auch immer der sonst so kluge und bedachte Thomas Overbury sich dazu entscheidet, den Schritt nach Russland zu verweigern – es sollte sich als ein fataler Fehler herausstellen, der ihm erst eine Inhaftierung wegen Hochverrats einbringt und ihn am 15. September 1613 das Leben kostet.

 

Nachdem Thomas Overbury verstorben ist, geht für Lady Frances und Robert Carr alles weiter, als sei nichts geschehen: Drei Monate später, im Dezember 1613, heiraten die beiden. Wieder wird anlässlich der Hochzeit – die am selben Ort stattfindet, an dem Frances schon mit Robert Devereux vermählt wurde – tagelang eine glamouröse Feier veranstaltet. Nach der Hochzeit lässt der König seinen Favoriten ziehen, nicht jedoch ohne ihm zuvor den Titel des Earl of Somerset zu verleihen und ihn schließlich zum Lord Chamberlain, dem Kämmerer des Königs, zu ernennen. Damit bekleidet Robert Carr nun eines der höchsten Ämter im Staate.

Lange genießen kann er diese Stellung allerdings nicht: Verschiedene politische Fehleinschätzungen bringen seine Position immer stärker ins Wanken, und die einst so innige Beziehung zu James I. kühlt merklich ab. Der König umgarnt einen neuen Favoriten, und Carrs Einfluss schwindet.

Im Juli 1615 dann kommen – aufgrund einiger zweideutiger Aussagen des Gouverneurs des Towers of London, Sir Gervaise Elwes – Gerüchte auf: Man beginnt hinter vorgehaltener Hand zu spekulieren, ob hinter dem fast zwei Jahre zurückliegenden Tode Thomas Overburys mehr stecken könnte. Ein Umstand, der sowohl Robert Carr als auch Lady Frances und ihr Umfeld nervös macht. Schließlich ist ihre Vorgeschichte mit Thomas Overbury bei Hofe durchaus bekannt. Im September 1615 wird James I. das angebliche Geständnis eines Apothekergehilfen zugetragen, nach dem Thomas Overbury keines natürlichen Todes gestorben sei. Der Geständige sei selbst an der Tat beteiligt gewesen, wodurch er dies Wissen erlangt habe. Ob die Darstellung der Ereignisse der Wahrheit entspricht, ist schwer zu sagen. Es existieren verschiedene Aussagen darüber, wie und von wem der erste Hinweis stammt. Sicher ist jedoch, dass James I. daraufhin eine gründliche Untersuchung zum Tode Thomas Overburys einleiten lässt.

Eine solches Unterfangen im frühen 17. Jahrhundert lässt sich selbstverständlich nicht mit modernen kriminalistischen Untersuchungen vergleichen. Zur Beweisführung dienten in der Regel Zeugenaussagen, also subjektive Wahrnehmungen und Erinnerungen, sowie die Befragung der Beschuldigten, wobei diese unter großen Druck geraten konnten. Zu guter Letzt galt auch das Prinzip der Unschuldsvermutung nicht, und so oblag es den Verdächtigen, ihre Unschuld zu beweisen – eine äußerst schwierige, in den meisten Fällen unmögliche Ausgangslage.

Der Fall Thomas Overbury wird unter der Leitung des Obersten Richters Edward Coke und des Generalstaatsanwaltes Sir Francis Bacon untersucht, und so bestätigt man schließlich den anfänglichen Verdacht: Thomas Overbury wurde Opfer eines feigen Giftmordes! Seit seiner Inhaftierung im Tower habe sein Wärter, ein gewisser Richard Weston, ihm immer wieder vergiftete Süßspeisen serviert, bis Overbury schließlich an den Folgen der schleichenden Vergiftung verstorben sei. Sowohl den Auftrag als auch das Gift habe jener Weston von einer Dame namens Anne Turner erhalten, die seit vielen Jahren nicht nur in Diensten von Lady Frances Howard, Countess of Somerset, steht, sondern ihr auch eine enge persönliche Freundin ist. Zudem sei Weston für die Tat von Lady Frances persönlich in Gold entlohnt worden, wenn auch mit einiger Verzögerung, wie er im Verlauf der Befragungen beklagt. Mrs Turner wiederum habe das Gift von einem Apotheker namens James Franklin bezogen, dessen Assistent es gewesen sein soll, der durch sein Geständnis die ganze Untersuchung ins Rollen brachte. Doch auch der bereits erwähnte Sir Gervaise Elwes, der damalige Gouverneur des Towers of London, soll – zumindest indirekt – an dem Mord beteiligt sein. Obwohl er nie gestehen sollte, wirft man ihm vor, den Mord wider besseres Wissen nicht verhindert oder angezeigt zu haben – aufgrund seiner Beziehung zu Robert Carr: Er verdankt Carrs Einfluss den Posten als Gouverneur des Towers. Allein um die Somersets zu schützen, soll er Weston nicht von seinem Tun abgehalten haben.

Der größte Skandal dabei aber ist die implizierte Beteiligung des Earls und der Countess von Somerset an dem Verbrechen. Um zu gewährleisten, dass sie ihren Einfluss nicht dazu nutzen, ihre Rolle bei der Verschwörung zu verschleiern, wird der Earl am 17. Oktober verhaftet, unter Hausarrest gestellt und später in den Tower überführt, um dort auf seine Verhandlung zu warten. Der zu diesem Zeitpunkt hochschwangeren Countess Frances gestattet man, bis zur Geburt des Kindes im eigenen Hause zu verbleiben. Doch schon kurz nachdem im Dezember 1615 ihre Tochter Anne zur Welt kommt, wird auch sie zusammen mit dem Kind unter Hausarrest gestellt.

Noch vor ihrer Inhaftierung finden zwischen Oktober und November des Jahres 1615 die Verhandlungen gegen die vermutlichen Mitverschwörer Weston, Turner, Elwes und Franklin statt. Keine der angeklagten Personen bekennt sich zu dem Mord. Retten kann sie das jedoch nicht. Sie alle werden im Prozess für schuldig befunden und zum Tode verurteilt – ein Urteil, das bereits wenige Tage nach der Verkündung vollstreckt wird.

 

Natürlich ist das Interesse der Öffentlichkeit an dem skandalösen Fall gewaltig. Spekulationen und Gerüchte machen die Runde, auch solche, nach denen Robert und Frances sich mehrfach der Hexerei bedient hätten, um ihre Ziele zu erreichen. Gerade der Niedergang des einst so einflussreichen Robert Carr sorgt für Spott und Schadenfreude. Manche Höflinge profitieren unmittelbar, indem sie ihm in eine seiner zahlreichen Positionen bei Hofe nachfolgen.

Schließlich wird Lady Frances Howard am 24. Mai 1616 in der Westminster Hall vor Gericht gestellt. In ihrem Verfahren gesteht sie ihre Beteiligung am Tode Thomas Overburys. Tatsächlich wiederholt sie ein Geständnis, das sie bereits im Januar abgelegt hatte. Bei dieser Gelegenheit hatte sie darauf bestanden, dass ihr Ehemann Robert Carr völlig unbeteiligt sei und auch nichts von ihren Plänen gewusst habe – die Schuld für den Mord an Overbury nimmt sie vollständig auf sich. Sie habe wegen der Dinge, die dieser über sie geschrieben und gesagt hatte, eine derart große Wut empfunden, dass sie den Entschluss zu der Tat eigenständig gefasst und umgesetzt habe. Die Geschworenen, unter denen tatsächlich auch ihr erster Ehemann Robert Devereux ist, befinden sie der Beihilfe zum Mord für schuldig: Auch sie wird zum Tode verurteilt. Gleich nach dem Urteilsspruch wird sie in den Tower verlegt und muss ihre kleine Tochter Anne in die Obhut ihrer Schwester übergeben.

 

Die Verhandlung gegen Robert Carr findet einen Tag nach der seiner Frau am 25. Mai 1616 statt. Längst hat der einstige Favorit seinen Status eingebüßt, und der König ist vor allem daran interessiert, dass keine Details über seine Beziehung zu ihm im Verfahren zur Sprache kommen oder dieser ihn auf andere Weise diskreditiert. Carr bleibt jedoch seiner Linie treu und lässt nichts verlautbaren, was ihn den letzten Rest des Wohlwollens kosten könnte, das der König ihm noch entgegenbringt. Vehement streitet er jegliche Beteiligung an dem Verbrechen ab und lässt sich durch die Befragung der Anklage nicht aus der Ruhe bringen. Nichtsdestotrotz wird auch er am Ende der Beihilfe zum Mord für schuldig befunden und zum Tode verurteilt.

Doch die Todesurteile gegen die Somersets sollten nie vollstreckt werden. Das Paar verbleibt im Tower, bis beide Verurteilten 1621 schließlich in die Freiheit entlassen und 1624 vollständig begnadigt werden. Nach ihrer Entlassung kehren sie auf ihren Landsitz zurück, können aber nie wieder gesellschaftlich Fuß fassen. Selbst ihre Tochter Anne kehrt nicht zu ihnen zurück, sondern verbleibt bei der Familie ihrer Tante. Lady Frances Carr, Countess of Somerset, stirbt bereits 1632 im Alter von nur 42 Jahren wahrscheinlich an einer Krebserkrankung. Sir Robert Carr, Earl of Somerset, hingegen lebt noch bis 1645. Über die Umstände seines Todes ist nichts bekannt.

 

Am Ende der Geschichte angekommen, stellt sich wie so oft die Frage, ob alles wirklich so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Es ist durchaus möglich, dass Thomas Overbury einem Giftmord zum Opfer fiel, der von Lady Frances erdacht und von ihren Mitverschwörern ausgeführt wurde. Die Abneigung, die Thomas Overbury und Lady Frances füreinander empfanden, war kein Geheimnis. Möglicherweise fürchtete sie, Thomas könne auch nach seiner Inhaftierung noch für Unruhe sorgen und sogar ihre Hochzeit mit Robert Carr gefährden. Es ist anzunehmen, dass Frances aufgrund der Erziehung, die sie als Tochter einer ambitionierten Adelsfamilie genoss, bereit war, zum Schutze der eigenen Interessen auch Opfer in Kauf zu nehmen. Genauso möglich ist es jedoch, dass jemand anderes hinter dem Mord steckte. Overbury hatte nicht viele wahre Freunde bei Hofe, und es wäre nicht das erste Mal, dass sich jemand eines Rivalen auf diese Weise entledigte. Und natürlich bleibt die Möglichkeit bestehen, dass Thomas Overbury gar keinem Mord zum Opfer fiel.

Die eigentlich viel interessantere Frage aber ist: Warum tauchten die Gerüchte um den Mord ausgerechnet zu einer Zeit auf, als Robert Carrs Einfluss bei Hofe zu schwinden begann? Robert Carr hatte sich im Laufe der Zeit in Erfüllung seiner verschiedenen Ämter gewiss zahlreiche Feinde gemacht und stand anderen Aristokraten bei der Erreichung ihrer Ziele im Wege. Auch wird nicht überall auf Gegenliebe gestoßen sein, dass er ein Günstling des Königs war. Dazu kommt seine Verbindung zu Lady Frances Howard, die zu einer durchaus polarisierenden Familie gehörte. Politische Intrigen waren an den Königshöfen der frühen Neuzeit weit verbreitet, und ein jeder suchte, durch kluge Schachzüge einen möglichst großen Vorteil zu erlangen. Möglicherweise hatte man deshalb damit gewartet, die Somersets anzuprangern. Robert Carr war ja 1613 zum Zeitpunkt des Todes von Thomas Overbury noch auf dem Höhepunkt seiner Macht, die Beziehung zum König war nach wie vor eng. Zwei Jahre später aber hatte sich die Situation verändert. Vielleicht sah man nun die Gelegenheit gekommen, mit dem Wissen, der Vermutung – oder schlicht dem Gerücht – über den Mord einen Rivalen zu beseitigen.

Was Thomas Overbury 1613 im Tower of London wirklich widerfuhr oder ob die für seinen Tod Verurteilten tatsächlich auch die Schuldigen waren, werden wir nie mit letzter Sicherheit erfahren. Die wahren Hintergründe sind jedoch überdeutlich: Es sind das Machtstreben und die Intrigen eines Adels, der für den unerbittlichen Kampf um die Vormachtstellung buchstäblich über Leichen geht.

Deutschlands letzte Hexe: Anna Maria Schwegelin 1775

Es ist ein Samstag, der 8. April 1775, als das Urteil gegen Anna Maria Schwegelin bekannt gegeben wird. Sie ist der Hexerei angeklagt, und man verurteilt sie zum Tode durch das Schwert, danach soll ihr Körper verbrannt werden. Anna hat noch drei Tage. Am Dienstag, dem 11. April, soll sie sterben, als erster zum Tode verurteilter Mensch im Kurfürstentum Bayern seit knapp zwanzig Jahren und als letzte vermeintliche Hexe auf deutschem Boden – mitten in der Epoche der Aufklärung.

 

Wahrscheinlich wüssten wir heute nicht mehr viel über die ehemalige Dienstmagd Anna Maria Schwegelin, wäre nicht am 16. Februar 1775 eine Anzeige gegen sie beim Kriminalamt im allgäuischen Kempten abgegeben worden. Eine Aufseherin im Armen- und Zuchthaus Langenegg, geheißen Kühstallerin, beschuldigt die 46 Jahre alte Insassin Schwegelin eines schon zu jener Zeit ungewöhnlichen Verbrechens. Zunächst sei Schwegelin durch merkwürdiges Verhalten aufgefallen und habe ihr, der Kühstallerin, sowie später auch dem Zuchtmeister gestanden, im Pakt mit dem Teufel zu stehen und nun von diesem verfolgt zu werden. Sie halte es daher im Armenhaus nicht mehr aus.

Anna Maria Kühstallerin war einst selbst nach einer versuchten Selbsttötung als Insassin ins Armenhaus gekommen. Nun sollte die Einrichtung aufgelöst werden, und aus Mangel an Alternativen war die ehemalige Mitinsassin übergangsweise zu Anna Maria Schwegelins Aufpasserin ernannt worden. Die beiden Frauen scheinen sich gegenseitig zutiefst zuwider gewesen zu sein, zunächst als Insassinnen, dann in der unglücklichen Aufpasserin-Bewachte-Konstellation. Da die Denunziantin aufgrund ihrer eigenen Vorgeschichte wenig glaubwürdig erscheint, wird die Anzeige zunächst nicht ernst genommen. Doch schließlich ruft sie den erfahrenen fürststiftischen Landrichter Johann Franz Wilhelm Treuchtlinger auf den Plan, der Anna Maria Schwegelin einbestellt und den Vorwurf prüft, wenngleich schon damals vielerorts ein Hexenprozess aus der Zeit gefallen wirkt.

 

Obwohl Prozesse gegen Menschen, denen Zauberei vorgeworfen wird, bereits aus dem alten Ägypten und Babylonien, spätestens aber seit der klassischen Antike bekannt sind, handelt es sich hierbei noch nicht um die Art Hexenprozess, wie sie zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert in Europa vermutlich über 60000 Menschenleben kosten sollten. Eine Prozess- und Hinrichtungswelle, die vor allem auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands verheerende Ausmaße annahm.

Der berühmte Kirchentheoretiker Thomas von Aquin postuliert im 13. Jahrhundert in seinen Schriften, aufbauend auf der Dämonenlehre des spätantiken Kirchengelehrten Augustinus von Hippo, es sei durchaus möglich, dass Menschen durch einen Teufelspakt zum Wirken von Magie in der Lage wären. Schon für ihn sind es hierbei vor allem Frauen, denen Derartiges zuzutrauen wäre.

Anfang des 15. Jahrhunderts kommen dann zur Definition von Hexerei neben dem Pakt mit dem Teufel und Schadenszauberei noch die Versammlung in Hexensekten, der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft, also sexueller Kontakt mit Dämonen, und der Hexenflug hinzu. Die moderne Forschung führt diese Entwicklung unter anderem auf Antisemitismus zurück – auf typische Feindbildstereotype gegen jüdische Menschen, wie den Ritualmord an christlichen Kindern, die Vergiftung von Brunnen und den Wunsch, die christliche Gemeinschaft zu zerstören. Diese Vorwürfe finden sich in kaum abgewandelter Form in den Hexenprozessen der frühen Neuzeit wieder. Aber auch christliche Glaubensgemeinschaften, deren Praktiken und Ansichten sich von denen der katholischen Kirche unterscheiden, wie zum Beispiel die der Katharer und Waldenser, sehen sich schon ab dem 13. Jahrhundert Verfolgungen ausgesetzt.

Heute ist uns das kaum bewusst, aber bei der Hexenverfolgung geht es im Laufe der Zeit nicht mehr um einzelne Menschen, die durch vermeintliche Zauberei Schaden verursachen, sondern um die Bekämpfung einer vermuteten Sekte, deren Ziel es sei, im Gefolge des Teufels die Christenheit zu vernichten. Diese Befürchtungen stoßen vielerorts auf offene Ohren, wenn es auch anfangs noch selten gezielt zu Verfolgungen kommt. Selbst unter Gelehrten, die im 15. Jahrhundert zumeist entweder der Kirche oder dem Adel angehören, ist die Meinung über die Existenz von Hexen äußerst gespalten.

Den endgültigen Startschuss zur Hexenverfolgung gibt schließlich Heinrich Kramer. Der Dominikanermönch, Inquisitor und fanatische Frauenhasser ist davon überzeugt, dass Hexerei nicht nur existiert, sondern auch verfolgt werden muss. Im Jahre 1486 verfasst er daher das Malleus Maleficarum, den Hexenhammer, in dem er zum ersten Mal ausführlich beschreibt, wie man Hexen erkenne und wie mit ihnen zu verfahren sei. Zwei Jahre zuvor hatte Kramer Papst Innozenz VIII. dazu gebracht, in der sogenannten Hexenbulle die Hexenverfolgung zu legitimieren. Doch während die Hexenbulle, mit der Kramer den Hexenhammer eröffnet, noch relativ harmlos daherkommt, trieft der Hexenhammer vor Misogynie, Fanatismus und dem Aufruf zur Gewalt gegen vermeintliche Hexen. Für Kramer steht fest: Vor allem Frauen sind von Natur aus moralisch und geistig schwach. Zudem stecken sie voller Hinterlist. Auch sei der Glaube in Frauen grundsätzlich schwächer ausgeprägt, was sie anfälliger mache für die Einflüsterungen des Teufels und der Dämonen. Dank des Buchdruckes verbreitet sich Kramers in lateinischer Sprache verfasstes Buch, das auch erste Anleitungen für die Durchführung von Hexenprozessen enthält, schnell unter den Gelehrten der Zeit – allerdings ohne direkt zu einem merklichen Anstieg der Zahl von Hexenverfolgungsprozessen zu führen. Tatsächlich gibt es sogar eine ganze Reihe Gegner, wozu übrigens nach heutigem Forschungsstand auch Jakob Sprenger gehört, der oft als Mitverfasser des Hexenhammers genannt wird. Dass er tatsächlich daran mitschrieb, ist aber aus dem zuvor genannten Grund äußerst unwahrscheinlich.

Zur Verankerung der Hexenprozesse im allgemeinen Rechtsverständnis trägt außerdem der 1511 erschienene Neue Laienspiegel von Ulrich Tengler bei. Dieses Rechtsbuch beinhaltet erstmals auch eine Anleitung zur Durchführung von Hexenprozessen in deutscher Sprache, was den ausführenden Organen der Rechtsprechung ein Werkzeug in die Hand gibt. Hierbei ist interessant, dass die Hexenprozesse der frühen Neuzeit sämtlich vor weltlichen Gerichten stattfinden, dass diese Verfahren also – anders als zum Beispiel Ketzereiverfahren – weder von der Inquisition noch der Kirche durchgeführt werden. Tatsächlich gibt es in Gebieten mit starker Präsenz der Inquisition vergleichsweise wenige Hexenprozesse, etwa in Spanien und Portugal. Allerdings folgen die Hexenprozesse der Form eines Inquisitionsprozesses, das heißt, der Prozess wird von Amts wegen ausgelöst und erfordert nun nicht mehr wie in früheren Zeiten die Anklage durch eine geschädigte Person.

In anderen Regionen wie der Schweiz, der Bodenseeregion, Norditalien und dem Rhein-Main-Gebiet kommt es Ende des 15. Jahrhunderts bereits zu Hexenprozessen, denen zahlreiche Menschen zum Opfer fallen. Mit dem Beginn der Reformation 1517 schläft die Hexenverfolgung für einige Zeit weitestgehend ein, wahrscheinlich auch, weil es nun eine schlimmere Bedrohung gibt, der man sich widmen muss. Allerdings nur, um in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit voller Wucht zurückzukehren. Dies gilt übrigens für beide Konfessionen.

Nun sind wir in der historischen Zeit angelangt, in der der Hexenwahn seine ganze zerstörerische Macht entfalten sollte. Dies hat wohl mehrere Gründe. Zum einen führen die Konflikte und Glaubenskriege zwischen Katholiken und Protestanten zur Radikalisierung auf beiden Seiten. Glaubenssätze und Vorstellungen werden rigider, und Angst und Unsicherheit plagen die Bevölkerung. Dazu kommen die Auswirkungen der sogenannten Kleinen Eiszeit, die Mitte des 16. Jahrhunderts über Europa hereinbricht. Überdurchschnittlich niedrige Temperaturen und häufige Niederschläge führen zu Missernten und zu einer deutlichen Ressourcenverknappung. In der Folge kommt es zu Preissteigerungen, Kriegen und Seuchen. Die Menschen sind zutiefst verunsichert und werden von ständiger Existenzangst geplagt. Für all diese realen Schrecken wird ein Grund gebraucht – jemand muss dafür verantwortlich sein, dass der Teufel die Christenheit derart heimsucht. Vor allem in Mittel- und Nordeuropa sucht man die Schuldigen in Hexenzirkeln. Hierzu trägt ein tief im Volksglauben verankerter Glaube an Magie entscheidend bei. Denn der Großteil der Prozesse wird nicht etwa von Kirchendienern oder der Obrigkeit losgetreten. Es sind die Mitbürgerinnen und Mitbürger, die aus Aberglauben oder persönlichen Motiven – etwa, um einen unliebsamen Nachbarn loszuwerden oder um von eigenen Verfehlungen abzulenken – Menschen der Hexerei bezichtigen.

Eine einfache Anschuldigung reicht, um ein Verfahren einzuleiten. Dann gibt es für die Beschuldigten meist keinen Ausweg mehr. Unter der Folter, die im Zuge aller Inquisitionsverfahren eingesetzt wird, gestehen nicht nur die allermeisten, die Beschuldigten werden zudem von den Verhörenden dazu getrieben, weitere Personen aus ihrem Umfeld zu »besagen«, die an der Hexerei beteiligt gewesen sein sollen. Die zugrunde liegende perfide Logik, dass Hexen stets in Zirkeln operieren, sorgt somit für das oft verheerende, immer aber tragische Ausmaß der Hexenverfolgungen, denen jeder Mensch, egal welchen Standes, zum Opfer fallen konnte.

Gleichzeitig wächst die Angst vor Besessenheit durch dämonische Mächte in der Zeit des 16. Jahrhunderts, was angesichts der furchtbaren Hexenprozesse nicht verwundert. So gewinnen auch die religiösen Rituale zur Abwehr einer solchen Besessenheit, wie etwa Wallfahrten oder Exorzismus, stetig an Bedeutung. Tatsächlich ist das Rituale Romanum von 1614, wenn auch in angepasster Form, noch heute Basis christlicher Exorzismen.

Als nun 1618 der Dreißigjährige Krieg über große Teile Europas und somit auch über das Gebiet des heutigen Deutschlands hereinbricht, der bis zu seinem Ende im Jahre 1648 ungefähr ein Drittel der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten das Leben kosten sollte, erreicht die Hexenverfolgung ihren traurigen Höhepunkt. Die grausamen Erfahrungen des Krieges brechen sich in Form von Angst und Ohnmachtsgefühlen der Menschen Bahn – und Hunderte Anschuldigungen gegen vermeintliche Hexen und Zauberer sind die Folge.

Doch zunehmend werden kritische Stimmen laut, die sich gegen die Prozesswellen, vor allem aber gegen die durch Folter erlangten Geständnisse aussprechen und die Anwendung geltenden Rechts fordern. Das ist zu jener Zeit noch die Constitutio Criminalis Carolina, kurz Carolina, das 1532 erlassene, erste für das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation gültige Strafrecht. Bereits im 16. Jahrhundert sprechen sich viele gegen die Hexenverfolgung aus, so unter anderem der Arzt Johann Weyer, der in seinen Schriften nicht nur gegen den Hexenhammer argumentiert, sondern tatsächlich in den Hexenprozessen selbst das Werk des Teufels zur Spaltung der Christenheit erkennt.

Deutlich größeren Einfluss sollten jedoch die Ausführungen des Jesuiten Friedrich Spee von Langenfeld haben, der 1631 in einer zunächst anonymen Schrift, der Cautio criminalis, seine Bedenken gegen die Hexenprozesse öffentlich macht. Er vertritt die Ansicht, dass die Folter niemals ein probates Mittel sei, wahrheitsgemäße Geständnisse zu erwirken. Diese Ansicht gegen die Rechtmäßigkeit und Vernunft der Hexenprozesse ist damals tatsächlich bereits weit verbreitet und wird von vielen Kirchenoberen und sogar von zahlreichen Vertretern der Inquisition geteilt.