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"Führung fängt mit Demut an" ist ein eindringliches Buch über Haltung, Verantwortung und die Kraft innerer Klarheit. Johannes Heermeyer erzählt von seinem Weg als Führungskraft, Diakon und Mensch - zwischen ethischem Anspruch, familiären Spannungen und dem Mut zum beruflichen Neuanfang. Mit großer Offenheit reflektiert er über Macht, Verletzlichkeit und Menschlichkeit - und macht anderen Führungspersönlichkeiten in Krisensituationen Mut, sich selbst treu zu bleiben und einen eigenen Weg zu gehen.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Über dieses Buch
„Führung fängt mit Demut an“ ist ein eindringliches Buch über Haltung, Verantwortung und die Kraft innerer Klarheit. Johannes Heermeyer erzählt von seinem Weg als Führungskraft, Diakon und Mensch – zwischen ethischem Anspruch, familiären Spannungen und dem Mut zum beruflichen Neuanfang.
Mit großer Offenheit reflektiert er über Macht, Verletzlichkeit und Menschlichkeit – und macht anderen Führungspersönlichkeiten in Krisensituationen Mut, sich selbst treu zu bleiben und einen eigenen Weg zu gehen.
„Wahre Führung beginnt dort, wo Menschen sich nicht größer machen – sondern tiefer verbunden sind.“
Dieses Buch ist entstanden aus der Überzeugung, dass Klarheit, Haltung und Demut kein Widerspruch zum beruflichen Erfolg sind – sondern deren Voraussetzung.
Johannes Heermeyer
I. Warum bist du hier?
Über die Sinnfrage im Führungsalltag. Wie Haltung in konkreten Situationen sichtbar wird – etwa beim Betriebsfest oder der Ablehnung einer unethischen Kündigung. Authentisch, persönlich, kraftvoll.
II. Mitten im Leben
Wie sich die Berufung als Diakon mit dem beruflichen Alltag als Führungskraft verbindet – kein Widerspruch, sondern Fundament. Gelebter Glaube als inneres Navigationssystem – jenseits zur Schau gestellter Frömmigkeit.
III. Die Kraft innerer Klarheit
Warum Klarheit im Inneren Voraussetzung für gute Führung ist. Über Zweifel, Mut, Entscheidungen und das Ringen um Integrität – auch wenn es niemand sieht.
IV. Widerstand, wenn keiner passt
Über den Mut, gegen Systeme aufzustehen, in denen Macht vor Mensch geht. Mit erlebten Beispielen und dem inneren Konflikt, wann man bleibt – und wann man geht.
V. Der Tag, an dem ich Nein sagte
Die Gesellschafterversammlung, in der ich sagte: „Ich nehme Ihr Blut nicht an meine Hände.“ Ein Wendepunkt. Es geht um ethisches Rückgrat und den Preis für Haltung.
VI. Enttäuschung und Ent-Täuschung
Über das Erkennen von Fassaden, falschen Loyalitäten und das schmerzhafte Ablösen von Menschen, denen man vertraut hatte. Aber auch über Befreiung und neue Klarheit.
VII. Was Kinder sehen, wenn wir es nicht mehr können
Eine Szene mit Tochter Helena. Kindliche Weisheit entlarvt toxische Muster. Ein Plädoyer für authentische Präsenz – besonders gegenüber den eigenen Kindern.
VIII. Carina Eppenstein, Lars Brenner und das Schweigen in der Familie
Analyse eines Systems: Über Schweigen, Druck, emotionale Erpressung und generationsübergreifende Wiederholungen. Kein Verriss, sondern ein Spiegel.
IX. Was ich schützen wollte
Die Gründung mit Tobias Fischer: Wie aus Verantwortung und Loyalität gegenüber einem Lieferanten eine neue berufliche Perspektive wurde – jenseits des Systems, das zerstört hätte.
X. Gerechtigkeit, Gericht und der Tag, an dem die Polizei kam
Die Zeit nach dem Ausstieg. Über juristische Kämpfe, belastende Erfahrungen, Verleumdungen – und das Gefühl, trotz allem für sich selbst einzustehen.
XI. Coaching, Klarheit, Kompass
Rückblick auf die Coachingausbildung ab 2006. Wie dieses Handwerkszeug half, Krisen zu durchdringen, innere Muster zu erkennen – und Verantwortung nicht mit Macht zu verwechseln.
XII. Was ich heute anders mache
Über die Tätigkeit bei einer amerikanischen Großbank. Ein neuer Umgang mit Verantwortung, ein bewussterer Stil. Und der Mut, Dinge zu lassen – weil sie nicht mehr zum inneren Kompass passen.
XIII. Führung fängt mit Demut an
Über Demut als Haltung, über Menschenwürde und Vertrauen in die Wirkung des Leisen. Ein Aufruf, Führung neu zu denken – mit Herz, Rückgrat und Klarheit.
Wer führen will, sollte bereit sein zu dienen.
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Nicht aus Pflicht – sondern aus innerer Haltung.
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Warum bist du hier? Die Antwort auf diese Frage fällt im Alltag oft beiläufig aus: „Weil ich muss“, „weil ich eingeladen wurde“, „weil’s dazugehört“. Wer würde schon auf einem Betriebsfest sagen: „Ich bin hier, weil ich über mein Leben nachdenken möchte“?
Und doch ist diese Frage tiefgründiger, als sie zunächst klingt. Warum bist du hier – in diesem Unternehmen, in dieser Rolle, in diesem Leben?
Es war ein früher Sommerabend im Juni 2018. Noch war Spargelzeit. Wir hatten die Mitarbeitenden eingeladen – leckeres Essen, kühle Getränke, gute Gespräche. Nichts Großes, dachten wir. Aber für mich war es mehr als ein geselliges Beisammensein. Es war der passende Moment, um das neue Leitbild vorzustellen, das wir wenige Wochen zuvor im Führungskreis entwickelt hatten.
Und so stellte ich den Anwesenden zu Beginn meiner Rede genau diese Frage: Warum bist du hier?
Und ich spürte: Diese Frage berührt. Denn sie geht weit über eine Einladung hinaus. Sie richtet sich an das, was Menschen antreibt. An das, was bleibt, wenn kein Dienstplan mehr ruft, kein Gehalt mehr lockt und kein Applaus mehr nötig ist.
„Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt“, hieß es einmal in einer Werbung der genossenschaftlichen Banken. Dieser Satz hat mich seither beschäftigt. Und wenn er wahr ist – was ist es bei dir?
Ich weiß, was es bei mir ist: Verantwortung. Haltung. Sinn. Und die tiefe Sehnsucht, dass mein Handeln mehr sein darf als reine Funktionserfüllung. Diese Sehnsucht war es auch, die mich als Führungskraft geprägt hat. Nicht die Frage: „Wie komme ich an die Spitze?“, sondern: „Wie kann ich etwas Gutes bewirken – mit den Menschen, nicht an ihnen vorbei?“
Ich habe Führung nie als Machtinstrument begriffen. Ich war nie der Mann im feinen Anzug, der aus der Ferne Anweisungen gibt. Meine Führung war immer hands-on, mitten im Alltag. Und doch war da immer auch etwas Tieferes in mir – ein inneres Wissen, ein Gefühl von Auftrag. Als Diakon. Als Mensch. Als Mitverantwortlicher für Andere.
Führung beginnt mit Demut. Und Demut beginnt mit jener Frage, die dich begleiten darf, gerade wenn es leise wird: Warum bist du hier?
Ich erinnere mich noch genau an die einsetzende Stille, als ich diese Frage stellte. Zuerst war da Getuschel. Irritation. Dann ein Lächeln, ein leichtes Schulterzucken. Und schließlich begannen einzelne Menschen, mir zuzuhören – wirklich zuzuhören. Manche nickten, andere schauten nachdenklich. Denn irgendwie spürten sie: An diesem Abend ging es um mehr als nur um einen Teller Spargel.
Warum bist du hier? Wir haben so oft verlernt, diese Frage zuzulassen. Sie ist unbequem, weil sie ehrlich ist. Und weil sie uns zwingt, Verantwortung zu übernehmen – für das, was wir tun, und auch für das, was wir lassen.
Ich habe in den Jahren meiner beruflichen Laufbahn viele Entscheidungen treffen müssen. Manche davon waren leicht. Andere haben mich innerlich zerrissen. Aber am schwersten war es immer dann, wenn ich spürte, dass ich gegen meine Haltung handeln müsste. Ich habe Menschen erlebt, die nach außen hin souverän wirkten – eloquent, kompetent, durchsetzungsfähig. Doch wenn es ernst wurde, wenn Charakter gefragt war, dann zerbrach die Fassade. Dann zeigte sich, wer wirklich bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für Zahlen – sondern für Menschen.
In einem Moment, den ich niemals vergessen werde, wurde ich in einer Gesellschafterversammlung aufgefordert, einen verdienten technischen Leiter fristlos zu entlassen. Begründung? „Noch sind Sie ja mein Geschäftsführer. Also kündigen Sie ihm jetzt.“ Es war ein Befehl. Eine Machtdemonstration.
Und ich wusste: Wenn ich jetzt gehorche, verrate ich mich.
Ich stand auf, schaute dem Gesellschafter in die Augen und sagte nur diesen einen Satz: „Ich nehme Ihr Blut nicht an meine Hände.“
Dann verließ ich den Raum. Ohne Drama. Aber mit Haltung und in dem Wissen, dass es vorbei ist.
Das war für mich ein Wendepunkt. Denn in diesem Moment wurde mir klar: Führung heißt nicht, Erwartungen zu erfüllen. Führung heißt, für etwas zu stehen. Gerade dann, wenn es schwierig wird. Wenn der Preis hoch ist. Wenn das Gegenüber mächtiger scheint. Und wenn es niemand mitbekommt – außer deinem eigenen Gewissen.
Ich glaube, dass jeder Mensch – bewusst oder unbewusst – mit der Frage „Warum bist du hier?“ lebt. Manchmal stellt sie sich leise, in einem Moment der Stille nach einem anstrengenden Arbeitstag. Manchmal schreit sie uns entgegen, wenn wir plötzlich spüren, dass unser inneres Gleichgewicht verloren gegangen ist.
Ich habe Momente dieser Art erlebt. Und ich habe gespürt, wie sehr sie einen Menschen verändern können. Nicht immer sofort. Aber sie setzen etwas in Gang. Eine Art inneres Nachjustieren. Ein Innehalten, das unbequem ist – aber notwendig.
Ein solches Innehalten bedeutete für mich in der Regel kein Scheitern im Großen, sondern das stille Gefühl, nur noch zu funktionieren, statt zu führen. Dass ich versuchte, Erwartungen zu erfüllen, die nie wirklich meine waren. Dass ich Räume ausfüllte mit dem, was verlangt wurde – nicht mit dem, was mich wirklich bewegte.
Genau deshalb war dieses Sommerfest 2018 mehr als nur ein netter Abend. Es war ein Versuch, gemeinsam mit anderen an einen Punkt zu kommen, an dem man wieder spürt, warum man tut, was man tut.
Ich erinnere mich an die Gesichter der Mitarbeitenden, als ich sagte: „Führung fängt mit Demut an.“ Es war still. Keine Lacher. Kein Applaus. Nur Stille. Und dann ein Nicken. Leise, ehrlich. Ich wusste: Es war richtig, das zu sagen. Auch wenn es niemand gefordert hatte. Auch wenn es nicht auf die Agenda gehörte. Aber es war ein Satz, den ich mir selbst sagen musste – und den andere vielleicht brauchten, um sich wieder zu spüren.
Ich habe in all den Jahren viele Menschen führen dürfen. Und ich habe dabei gelernt: Menschen lassen sich auf Dauer nicht mit Druck, Kontrolle oder Belohnung führen. Man kann sie höchstens eine Zeit lang steuern. Aber führen? Das gelingt nur, wenn man sie erreicht – innerlich.
