Gelebt habe ich in diesen Tagen - Stefan Heikens - E-Book

Gelebt habe ich in diesen Tagen E-Book

Stefan Heikens

4,8

Beschreibung

"Wir haben, als wir draußen auf See waren, auch Fische gefangen. Aber auf eine andere Art und Weise. Und zwar so: Wir hatten noch einige alte Wasserbomben an Bord, die sollten unbedingt weg. "Wumm, Wumm" machte es zweimal. Der Pott ging sofort auf Gegenkurs, um an die Wurfstelle zurückzukommen. Und dort sahen wir die Bescherung. Fische aller Art und Größe wimmelten da an der Wasseroberfläche herum. Die Seemänner gingen sofort mit Flößen und Booten außenbords und brauchten nur so zu fischen, was bei dem Seegang nicht gerade leicht war". Als Horst Handke 1943 zur Unteroffiziersausbildung in die Marineschule in Mürwik einrückt ist er jung und voller Tatendrang. Mit Begeisterung schreibt er seinen Eltern zahlreiche Briefe, in denen er nicht nur den Schulalltag in Mürwik schildert, sondern auch das Leben auf den Zerstörern "Z-34" und "Z-28", auf die er während seiner Ausbildung versetzt wird! Nahtlos lässt sich so sein Werdegang verfolgen - bis zur Versenkung von "Z-28" am 6. März 1945, nur fünf Tage nach Horsts letztem Brief.

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Für Onkel Gerd, der die Seefahrt so sehr liebte.

1955-1999

Inhaltsangabe:

Vorwort

MKS - Mürwik

Z-34

Norwegen

MKS - Mürwik

MKS - Kiel

Z-28

Vorwort

Setzt man sich mit der Marineschule Mürwik in Flensburg auseinander, so wird einem schnell klar, dass sie im zweiten Weltkrieg eine überaus bedeutende Rolle gespielt hat. Denn nachdem Hitler sich in seinem Bunker in Berlin das Leben genommen hatte, wurde Großadmiral Karl Dönitz sein direkter Nachfolger, und somit wurde die Marinesportschule in Mürwik für knapp drei Wochen der letzte Regierungssitz des dritten Reichs.

Ihr Kommandant, Wolfgang Lüth, ein überzeugter Nazi, ließ noch kurz vor Kriegsende SS-Angehörige in der Schule mit Marineuniformen und falschen Soldbüchern ausstatten, um ihnen bei der Flucht zu helfen.

Und selbst nach der Besatzung Flensburgs durch die Alliierten gab er noch die Losung aus: „Der Deutsche Gruß ist und bleibt der Gruß der Wehrmacht“. Wer diesen Gruß bei Aufforderung nicht mehr zeigte, sollte auf seinen Befehl hin sofort erschossen werden. Dieses Schicksal ereilte ihn dann schließlich sogar selbst, als er am 14. Mai 1945 kurz nach Mitternacht der Aufforderung des Soldaten Matthias Gottlob nicht Folge leistete und von diesem daraufhin erschossen wurde.

Doch was mich viel mehr interessierte als diese bereits bekannten Geschichten war die Frage, wie man sich dort wohl als Schüler fühlen würde. Wie es wohl wäre, wenn man als junger, beeinflussbarer Mensch mit so viel Propaganda überhäuft würde, und das an einem Ort der eigentlich der Vermittlung von Bildung und Werten vorbehalten bleiben sollte. Wenn man gelehrig ist in dem starken Glauben dass man Vorbildern folgt, die es wert wären geehrt zu werden.

Und so las ich mit großem Interesse die Briefe von Kadett Horst Handke, der 1943 eingerückt war, um Unteroffizier der Kriegsmarine zu werden. Aus Braunschweig kommend und beseelt von dem Glauben für eine gute Sache zu kämpfen, strotzen seine Briefe anfangs nur so vor Idealismus, und erst kurz vor dem Ende merkt man wie sehr die Angst immer mehr die Oberhand gewinnt.

Er warnt seine Familie mehrmals davor, zu viel über die Angriffe auf ihre Heimatstadt zu schreiben, denn das sei verboten, und auch die Tatsache, dass viele seiner Briefe von der Zensurstelle geöffnet worden waren zeigt wie sehr die Kadetten unter Beobachtung gestanden haben müssen. Und so konzentriert er sich auf den Alltag der Schule, und schreibt nur hin und wieder ein paar Sätze über aktuelle Ereignisse, wie die Invasion in der Normandie oder den Angriff auf den Güterzug, in dem er selbst saß.

Man sollte die folgenden Briefe also aufmerksam lesen, denn unter all den Belanglosigkeiten finden sich immer wieder faszinierende Einblicke nicht nur in den Schulalltag, sondern auch in das Denken eines jungen Mannes, der einzig und alleine dafür geschult wurde in den Krieg zu ziehen.

Stefan Heikens

MKS - Mürwig

Mürwik, 2. Juli 43.

Liebe Eltern und Brüder!

Nach längerer Reise bin ich hier am 30. Juni um 20 Uhr gelandet. Dienst und die anderen Sachen habe ich noch nicht kennen gelernt. Ich werde wenig Zeit haben zum Schreiben, da der Dienst, wie ja erwartet, sehr streng sein wird. Wir liegen hier mit fünf Mann auf einer Stube, ich selbst schlafe im obersten Bett, im dritten. Heute sind wir zum Teil eingekleidet worden. Gestern hatten wir Untersuchung und Sportprüfung. Näheres werdet Ihr bei Gelegenheit erfahren.

Für heute herzliche Grüße

Euer Horst

Mürwik, 4. Juli 43.

Ihr Lieben!

Nun bin ich schon einige Tage Soldat. Der Dienst ist hart, aber ich komme fast immer klar. Wir sind jetzt vollkommen eingekleidet. Und jetzt muß ich Euch nun schon um das erste Paket bitten. Ich benötige dringend einige Sachen. Und zwar folgende: drei Kleiderbügel, blaues Papier zum auslegen des Spindes, aber genug, und buntes zum ausschmücken desselben, kleine Nägel und Heftzwecken zum Befestigen des Papiers. Außerdem möchte ich noch um ein Gläschen Füllhaltertinte bitten.

Etwas zu meinem Schreiben. Wenn Ihr bis jetzt auf Post von mir warten mußtet, so liegt es nicht an mir allein. Wir haben hier sehr wenig oder überhaupt keine Freizeit. Alles wird ausgenutzt zum Lernen der gestellten Themen. In Zukunft wird auch dies nicht besser werden. Die Verpflegung ist tadellos, ich bin bis jetzt immer satt geworden. Schickt bitte nichts zu essen mit, ich benötige nichts, und im Spind verschimmelt es nur. Wie geht es Dieter auf der Gebietsführerschule? Wie sieht es bei Euch aus?

Für heute viele herzliche Grüße und alles Gute

Euer Horst

Mürwik, 10. Juli 1943

Ihr Lieben!

Gestern erhielt ich Euren Doppelbrief. Ich habe mich sehr darüber gefreut, so schnell etwas von Euch zu erfahren.

Wir haben hier Werkstättenunterricht, und zwar jeden Vormittag von 7-12 Uhr. In dieser Woche war ich in der Dreherei. Mittags bekam ich dann nie meine Finger so sauber, wie es die Vorgesetzten haben wollten. Aus diesem Grunde Ata und Nagelbürste. Aber bitte keine von den alten, seht zu, daß ihr eine neue bekommt, mit sehr harten Borsten.

Heute sind wir zum zweiten Mal geimpft worden. Bei der ersten Kur hatte ich etwas Brustschmerzen, heute wird es schlimmer ausgehen. Man hat uns nämlich 1 cm3eingespritzt gegenüber von 0,5 cm3vom ersten Mal. Der Stabsarzt sagte, wir würden heute noch bis 40°C Fieber kriegen. Schmerzen habe ich schon. Macht Euch aber bitte keine Sorgen, morgen, Sonntag, haben wir sehr wenig Außendienst. Am Nachmittag in der Freizeit werden wir in unsere Sachen Namensschilder, die wir hier mit unseren eingestickten Namen bekommen haben, einnähen. Es sind nicht weniger als 120 Teile, die morgen verarbeitet werden müssen. Außerdem müssen wir bis morgen noch unser Logbuch schreiben. Näheres darüber später!

Heute haben wir zum zweiten Mal Pudding nach dem Mittagbrot bekommen, zweimal hat man uns auch schon Gefrierobst aus Holland gegeben. Es waren Kirschen, die ihr ja jetzt auch essen könnt. Sie haben allen sehr gut gemundet. Also, das Essen ist immer tadellos, ich werde immer satt, nur habe ich auch vor dem Essen einen gewaltigen Hunger.

Gestern haben wir Zahnpasta, Schuhcreme (sehr wenig), getrocknetes Obst und Fruchtbonbons bekommen. Ich habe sie noch nicht angerührt. Vorläufig esse ich noch an dem mitgebrachten. Den Rümmerschen Keks habe ich auch noch. Sonst ist ausser Kunsthonig, Butter und der Mettwurst alles verzehrt. Das Brot ist zum größten Teil schimmelig geworden. Ich mußte es in der Kombüse abgeben, um nicht in Unannehmlichkeiten zu kommen. Solltet Ihr auf den „Bolzen“ kommen Esswaren zu schicken, nicht so viel auf einmal, es wird sich nicht lange halten.

Die Neuigkeiten hatten mich sehr interessiert. Tief beeindruckt hat mich die Nachricht vom Heldentode meines alten HJ-Kameraden.

Ich schließe für heute mit den herzlichsten Grüßen und bleibe mit den besten Wünschen

Euer Horst

M., 12. Juli

Ihr Lieben!

Heute oder morgen sollen die Koffer abgeschickt werden. Inhalt ist alles, was ich mitnahm, außer Schlafanzug, zwei Paar Fußlappen und den Taschenbüchern. Die Skatkarten hebt bitte für mich auf. Das kleine Glas könnt Ihr gefüllt wieder herschicken, Marmelade oder Honig! Besser wäre ein Papierbecher, den kann ich hier wegwerfen. Der Honig ist nämlich gestern Nachmittag alle geworden, schade! Es war immer so schön, nebenbei etwas zu naschen.

Für heute alles Gute und tausend herzliche Grüße

Euer Horst

Mürwik, 14. Juli 43

Ihr lieben Alle!

Gerade finde ich etwas Zeit und benutze diese, Euch zu schreiben. Was macht Ihr eigentlich? Ich warte nun schon tagelang auf die angeforderten Pakete, deren Inhalt ich doch so dringend benötige, wenigstens auf das erste der beiden. Habt Ihr vielleicht meine Post nicht erhalten?

Habe ich Euch schon mitgeteilt, daß wir hier neben unserem Infanteriedienst auch noch eine Werkstättenausbildung bekommen? In der letzten Woche war ich in der Dreherei. In dieser bin ich in der Schmiede. Heute Vormittag habe ich einen Reißstift und einen Wandnagel selbstständig schmieden müssen. Sie sind so einigermaßen gelungen. Soeben erhalte ich Euren zweiten Brief. Mit dem vielen Denken an Euch ist es nichts. Morgens habe ich überhaupt keine Zeit. Alles muß im Laufschritt gemacht werden, um richtig klar zu kommen. Nicht einmal richtig waschen kann man sich. Um ½ 6 Uhr ist Wecken. Zwanzig Minuten später ist schon Kaffee trinken, danach ist eine halbe Stunde „Reinschiff“, und um 7 Uhr beginnt der Werkstättendienst, der bis um 12 Uhr dauert. In dieser Zeit wird nur gestanden. Ab und zu im Liegestütz „gepumpt“. 12.30 Uhr ist Mittagessen, bis dahin muß alles prima gewaschen und geputzt sein. Noch einmal: Satt werde ich noch immer, die Mettwurst habe ich noch ganz.

Mit den herzlichsten Grüßen bleibe ich

Euer Horst

Mürwik, d. 16. Juli 43.

Liebe Eltern!

Gestern erhielt ich nun Euer Paket. Ich habe mich über alles gefreut, auch über die Pflastersteine, die leider schon verzehrt sind. Meinen Spind habe ich sofort zurecht gemacht. Hoffentlich paßt dem Vorgesetzten meine Einrichtung! Die Tinte schreibt prima. Haltet ein zweites Fäßchen bereit, es wird schon bald wieder leer geschrieben sein.

Um auf den Brief von Mama einzugehen, braucht sie sich um mich keine Sorgen zu machen. Kameraden, Verpflegung, usw., sind tadellos und können nicht besser sein. Genäht habe ich bis jetzt nur meine Namensschildchen. Wäsche brauchen wir, außer Halsbinden, nicht zu waschen. In der ersten Woche haben wir eine Raucherkarte und sogar eine Kuchenkarte mit 400gr. erhalten. Die Rauchwaren (!?!) gebe ich an Kameraden ab. Wenn ihr sie aber haben wollt, so müßt ihr mir dieses mitteilen. Die Kuchenkarte wird selbstverständlich leer gemacht. Auch haben wir in der ersten Woche zwanzig Bonbons und ein Paket Rosinen und Mandeln bekommen, in dieser Woche zehn Bonbons. Wenn das so weitergeht, leckere ich hier noch mehr als bei Euch zu Hause. Letztens haben wir nach dem Mittagbrot sogar einige Hände voll Kirschen bekommen. Am 14. erhielt ich einen Brief von Rümmer. Ich werde ihnen am Sonntag beantworten, obwohl es wieder mit der Zeit sehr knapp wird. Ich muß dann Logbuch, Werkstättenbuch mit Zeichnungen und die Themen der Woche noch schreiben. Was macht mein zweites Paket?

Viele herzliche Grüße und alles Gute

Euer Horst

Mürwik, 17. Juli 43.

Ihr Lieben!

Heute erhielt ich Deinen Brief, liebe Mutter, ich habe mich, wie immer, sehr über die Zeilen gefreut.

Inzwischen ist nun schon wieder eine Woche vergangen, und wie schnell!! Besonderes hat sich aber nicht ereignet, nur daß ich jetzt in der Werkstatt in der Schmiede bin. Ihr kennt doch das Werbeheft, seht Euch die Bilder an, dann wißt Ihr, wo ich bin. Vorgestern ist mir ein glühendes Stück Eisen vor den Kopf geflogen. Dicht über dem linken Auge ist eine nette Brandblase. Die Arbeit macht mir aber trotzdem einen Riesenspaß. Exdienst und Unterricht am Vormittag sind immer dasselbe. Heute sind wir schon wieder geimpft worden, und das wird sich wohl noch vier oder fünf Mal wiederholen. Am Sonntag ist man dann immer nicht auf der Höhe. Es ist aber besser so, als wenn man beim Dienst immer auffällt, und andere Kameraden darunter leiden müssen.

Heute, Sonnabend, war ein herrlicher Tag, das heißt bis jetzt. Morgens nach dem Kaffeetrinken hatten wir Sport, dann bis 11 Uhr „Großreinschiff“, vor dem Mittagbrot noch impfen. Am Nachmittag Zeugdienst und Selbstreinigung. Hierbei haben wir ganz heiß gebraust. Im Brauseraum sah es doll aus. Fast alle saßen an der Erde und bürsteten ihre Arbeitspäckchen, die wir eigentlich nicht selbst waschen brauchen. Ich habe meine Fußlappen und zwei Halsbinden bearbeitet. Brausen ist der begehrteste Dienst der Woche. Danach hatten wir Freizeit.

Ich habe mich aber zu einem Dienst freiwillig gemeldet, und kam so unten an den Strand, den wir nur vom Exdienst her sehen können. Es war ein ganz großer Betrieb auf der Förde, die Fähnriche und Offiziere haben gesegelt. Bei diesem Dienst kam ich auch auf ein großes Schiff, und deshalb habe ich mich freiwillig gemeldet. Es ist einfach fabelhaft auf solch einem „Vogel“ (Unser Zugoffizier nennt jedes Stück einen „Vogel“).

Gleich nach der Rückkehr habe ich mein zurückgespartes, oder besser, übriggebliebenes Brot mit Honig und Käse verzehrt. Und sofort danach kam sehr überraschend der Allemannpfiff zum Abendbrot. Zu morgen Nachmittag habe ich noch Wurst, Honig, Käse und Brot übergespart. Ich will auch merken, vielmehr mein Magen soll wissen, daß Sonntag ist. Meine Bonbons werde ich dann auch verzehren.

Heute gab es in der Kantine einen prima Most. Ich habe dies natürlich ausgenutzt. Im übrigen kann man dort fast alles bekommen, nur nicht das, was wir hier unbedingt und sehr nötig brauchen.

Höchstwahrscheinlich haben wir am nächsten Sonnabend und Sonntag unseren ersten Ausgang, zwar zuerst geschlossen in der Gruppe, dann aber nach eines jeden Belieben. Nach der Vereidigung sollen wir wenigstens schon ordnungsgemäß an Land steigen können.

Morgen ist nun Sonntag. Das erste, was sehr angenehm ist, ist die Tatsache, daß wir bis 8 Uhr schlafen dürfen.

Am letzten Sonntag war ich leider schon aus Gewohnheit schon um 6 Uhr wach. Vielleicht haben wir vor dem Mittagbrot noch Singen. Am Nachmittag wird wieder geschrieben, bis die Feder heiß wird. Logbuch, Werkbuch, Werk- und Unteroffizierthemen.

Zwischendurch wird ordnungsgemäß gespachtelt.

Mein Koffer geht höchstwahrscheinlich morgen ab. Es hat lange gedauert. Hoffentlich ist er nicht allzu lange unterwegs. Seesack ist entschieden praktischer für die vielen Klamotten. Wenn Ihr mich sehen würdet, stauntet Ihr.

Heute haben wir weißes Arbeitspäckchen an, es heißt nur so, wird aber nicht zum arbeiten angezogen, nur zum Unterricht. Morgen haben wir auch „Weiß“ an, nur noch mit dem Exerzierkragen und dem seidenen Tuch, dessen Knoten wir immer mit viel Mühe und Not binden müssen. Man freut sich ab Montag schon wieder auf den Sonntag, und gerade deshalb geht die Woche so schnell hin.

Seid nun herzlich gegrüßt von

Eurem Horst

Mürwik, 22. Juli 43.

Ihr lieben Alle!

„Schon wieder geht ein schöner Tag zu Ende…“.

Donnerstag, nach der Abendrunde, also 9 Uhr abends. Zwei erlebnisreiche Tage habe ich gestern und heute gehabt. Gestern hatten wir Kommandeurmusterung. Wir wurden auf unsere Pflichten und Aufgaben als künftige Soldaten hingewiesen…..

23. Juli 43.

Leider mußte ich gestern abbrechen mit Schreiben. Wir hatten nach dem Abendbrot, zur Strafe und Übung, weil wir uns mittags nicht schnell genug umgezogen hatten, uns in Turnzeug mit gepacktem Seesack zu melden (der ganze Zug). Die Spinde mußten vollkommen ausgeräumt sein. Danach gingen wir hinter das Unterrichtsgebäude, setzten die schwere Last ab und machten Anzugwechseln. Der Seesack mußte vorher in drei Minuten gepackt sein. Ihr könnt Euch ja denken, wie die Klamotten in den Sack flogen!! Also hinter der U-Baracke mußte Anzug „Grau“ angezogen werden. Jetzt mußte alles erst zusammengesucht werden. Gamaschen, Stiefel, Unterhose, Rock und vor allem das Käppi. Es lag bei mir ganz unten. Als ich es endlich gefunden hatte waren meine, auch unsere, Sachen vollkommen durcheinander. Kaum hatten wir uns angezogen, die Sachen wüst durcheinander in den Seesack gestopft, da kam der Befehl „Tagesanzug anziehen“. Jetzt ging dasselbe noch einmal los.

Danach mußte der Spind in neun Minuten gestaut sein. Ich schwitzte dabei furchtbar, nicht wegen der Hitze, mehr noch vor Aufregung. Mir fehlte danach eine weiße Hose, die sich inzwischen schon wieder angefunden hat. Als Abschluß dieses anstrengenden Tages erhielten wir die Erlaubnis, zum Strand baden zu gehen. Es war bereits schon ½ 10 Uhr. Es war direkt herrlich, sich im Seewasser bei geringem Seegang zu tummeln. Einen sehr salzigen Geschmack hat es, ich hatte ihn nicht für so stark gehalten. Geschlafen habe ich nach dieser Wohltat ausgezeichnet. Heute haben wir von der Schmiede zur Schlosserei umgewechselt. Am Sonntag steigt der erste Ausgang. Am Donnerstag ist Vereidigung. Wir lernen dazu schon tüchtig das Lied: „Wir treten zum Beten…“. Damit sind wir dann keine „dummen“ Rekruten mehr, die alles falsch machen, sondern richtige Soldaten. Das Wetter ist hier jetzt prima, die Sonne meint es viel zu gut!

Mit den herzlichsten Grüßen bleibe ich

Euer Horst

Mürwik, 24. Juli 43.

Liebe Eltern!

Heute erhielt ich Euren lieben Brief vom 21. des Monats. Meinen herzlichen Dank dafür.

Morgen haben wir den ersten Ausgang, zwar noch geschlossen in der Gruppe, aber das macht nichts, am Donnerstag können wir wieder an Land steigen, dann haben wir nämlich sogar noch „freies Manöver“. Der Grund dieser Ausnahmeerlaubnis ist die Vereidigung am Vormittag. Damit sind wir dann, Gott sei Dank, keine Rekruten mehr. Wir können auch dann dreimal in der Woche, wenn es die Zeit erlaubt, an Land gehen. Mittwochs und sonntags bis um 22 Uhr, und sonnabends bis 23 Uhr. Ich werde höchstwahrscheinlich mehr am Strand zu finden sein als in der ebenso schönen Stadt. Das Baden in dem Seewasser, und das noch bei einem zünftigen Wellenschlag, macht mir einen Riesenspaß. Habt Ihr mein Paket schon abgeschickt? Die Nagelbürste brauch ich nicht mehr. Wir haben alles jetzt bekommen. Aber ATA muß bald ran. Heute muß ich noch den blauen Exerzierkragen, vor allem aber die weißen Bänder daran bügeln und noch mein seidenes Tuch zur „Fliege“ binden. Dazu ist wieder etwas Fingerfertigkeit nötig. Weiter wird nichts mehr getan heute; denn morgen ist die Uniform ja doch nicht in Ordnung! Nur das Logbuch muß noch geschrieben werden! Mit vielen herzlichen Grüßen bleibe ich

Euer Horst

Mürwik, 27. Juli 43.

Liebe Eltern und Brüder!

Ich nehme an, daß Ihr schon wieder einige Post vom Stapel gelassen habt. Ich habe noch keine wieder erhalten. Ihr kennt ja die Umstände besser als ich. Wenn Ihr jetzt die Post unregelmäßig erhaltet, so führt es auf diese zurück. Dies nur als Einleitung.

Übermorgen werden wir vereidigt. Heute haben wir schon die Feier, oder wie ich es nennen soll, durchexerziert. Ich verspreche mir sehr viel davon. Schon die Probe hat einen großen Eindruck auf mich gemacht, vor allem die Musik, der Feierverlauf und der gewählte Platz, die Marineschule mit ihrem wuchtigen Turm im Hintergrund. Wir werden, wie auch schon heute, am Donnerstag unsere „erste Garnitur Blau“ anziehen. Wir haben sie am Vormittag erst empfangen. Alles paßt prima, nur meine Hose lasse ich nächstens noch vom Schneider länger machen.