Geliebte Feindin - Christine Feehan - E-Book

Geliebte Feindin E-Book

Christine Feehan

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Gino Mazza ist dunkel, geheimnisvoll und attraktiv – und er ist ein hochausgebildeter Kämpfer im Dienst der Schattengänger. Für Gefühle ist kein Platz in seinem Leben, er konzentriert er sich voll und ganz auf seine nächste Mission: Die weltweit führende IT-Expertin Zara Hightower ist einem chinesischen Verbrechersynidkat in die Hände gefallen, und Gino bleibt nur wenig Zeit, um sie zu befreien. Dass Zara bildschön ist, und Gino sie heiß begehrt, macht seinen Auftrag nicht einfacher. Zumal er nicht weiß, ob Zara nur ein hilfloses Opfer ist oder ihn geradewegs in eine tödliche Falle lockt ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 701

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DAS BUCH

Die amerikanische IT-Expertin und Spionin Zara Hightower ist eine Koryphäe auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Außerdem ist sie eine Schattengängerin und damit Teil einer Gruppe herausragender Kämpferinnen und Kämpfer, deren Fähigkeiten von dem ebenso genialen wie verrückten Wissenschaftler Dr. Peter Whitney verstärkt wurden. Als Zara bei dem Versuch, feindliche Daten zu stehlen, einem chinesischen Verbrechersyndikat in die Hände fällt und schwer misshandelt wird, bekommt der raubeinige Schattengänger Gino Mazza den Auftrag, sie zu befreien. Oder zu töten, falls sie die Schattengänger verraten haben sollte. Doch schon beim ersten Blick auf die wunderschöne und sensible Zara, weiß Gino, dass er ihr niemals auch nur ein Haar krümmen könnte. Er nimmt sie mit in die Bayous, um sie dort gesund zu pflegen und schon bald haben die beiden eine leidenschaftliche Affäre miteinander. Doch sowohl Dr. Whitney’s Schergen als auch die chinesische Mafia sind ihnen dicht auf den Fersen, und noch weiß Gino nicht, wer Zara Hightower wirklich ist: die Liebe seines Lebens oder eine Verräterin …

DIE AUTORIN

Christine Feehan wurde in Kalifornien geboren, wo sie heute noch mit ihrem Mann und ihren elf Kindern lebt. Sie begann bereits als Kind zu schreiben und hat seit 1999 mehr als sechzig erfolgreiche Romane veröffentlicht, die in den USA mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurden und regelmäßig auf den Bestsellerlisten stehen. Auch in Deutschland ist sie mit ihrer Schattengänger-Serie, der Leopardenmenschen-Saga, den Drake-Schwestern und der Sea-Haven-Saga äußerst erfolgreich.

Mehr über Christine Feehan und ihre Romane finden Sie auf:

www.christinefeehan.com

CHRISTINE FEEHAN

GELIEBTE FEINDIN

Ein Schattengänger-Roman

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Titel der amerikanischen OriginalausgabeCOVERT GAMEDeutsche Übersetzung von Ruth Sander

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 01/2019

Redaktion: Sabine Kranzow

Copyright © 2018 by Christine Feehan

Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-23155-2V002

www.heyne.de

Für Zara. Ich liebe dich von ganzem Herzen.

DAS BEKENNTNIS DER SCHATTENGÄNGER

Wir sind die Schattengänger, wir leben in den Schatten.

Das Meer, die Erde und die Luft sind unsere Heimat.

Nie lassen wir einen gefallenen Kameraden zurück.

Wir sind einander in Ehre und Loyalität verbunden.

Für unsere Feinde sind wir unsichtbar, und wir vernichten sie, wo wir sie finden.

Wir glauben an Gerechtigkeit und beschützen unser Land und jene, die sich selbst nicht schützen können.

Ungesehen, ungehört und unbekannt bleiben wir Schattengänger.

Ehre liegt in den Schatten, und die Schatten sind wir.

Wir bewegen uns absolut lautlos, im Dschungel ebenso wie in der Wüste.

Unhörbar und unsichtbar bewegen wir uns mitten unter unseren Feinden.

Wir kämpfen ohne den geringsten Laut, noch bevor sie unsere Existenz überhaupt erahnen.

Wir sammeln Informationen und warten mit unendlicher Geduld auf den passenden Augenblick, um Gerechtigkeit walten zu lassen.

Wir sind gnädig und gnadenlos zugleich.

Wir sind unnachgiebig und unerbittlich in unserem Tun.

Wir sind Schattengänger, und die Nacht gehört uns.

DIE EINZELNEN BESTANDTEILE DES SCHATTENGÄNGERSYMBOLS

STEHT FÜR

Schatten

STEHT FÜR

Schutz vor den Mächten des Bösen

STEHT FÜR

Psi, den griechischen Buchstaben, der in der Parapsychologie für außersinnliche Wahrnehmungen oder andere übersinnliche Fähigkeiten benutzt wird

STEHT FÜR

Eigenschaften eines Ritters – Loyalität, Großzügigkeit, Mut und Ehre

STEHT FÜR

Ritter der Schatten schützen vor den Mächten des Bösen unter Einsatz von übersinnlichen Kräften, Mut und Ehre

1

ZARA HIGHTOWER STIEG in die Limousine mit den getönten Scheiben, rutschte über die Ledersitze und stellte ihre Aktentasche in den Fußraum. Dann lächelte sie kurz den Mann an, der sich neben sie setzte, schaute aus dem Fenster und ignorierte ihr Herz, das schneller schlagen wollte. Wenn sie so kurz vor dem Ziel war, wollte ihr Körper sie immer verraten. Aber sie ließ es nicht zu. Niemals. Sie verstand es, stets alles unter Kontrolle zu behalten. Ihre Atmung. Ihren Herzschlag. Und drohende Adrenalinschübe.

Als der Wagen sich in Bewegung setzte, hob sie alarmiert den Kopf. »Warten Sie. Ich brauche meine Übersetzerin. Sie begleitet mich immer.«

Doch der Wagen fuhr weiter. Ihr Nebenmann, Heng Zhang, sah sie an und lächelte höflich. »Sie benötigen keine Übersetzerin, Miss Hightower. Ich spreche Englisch.«

»Das weiß ich, Mr. Zhang, aber ich möchte meine Übersetzerin dabeihaben. Das habe ich Mr. Cheng sehr deutlich gesagt, als er bei mir angefragt hat. Und er hat es mir zugesagt, wenn ich bereit sei, mit seinen Mitarbeitern zu reden. Ich habe seine Einladung viermal abgelehnt, und werde es auch diesmal tun, wenn Sie diesen Wagen nicht sofort umdrehen lassen, um sie zu holen.«

Ihr Ton blieb sanft und ruhig, doch sie stand in dem Ruf, sich durchsetzen zu können. Dabei verlor sie bekanntermaßen nie die Fassung. Und wurde niemals laut. Sie war stets höflich und freundlich, sogar so freundlich, dass die Leute am Anfang fast nicht merkten, dass sie gerüffelt wurden. Auch darin war sie Expertin. Da sie weltweit als eine der größten Koryphäen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz galt, hätten die Leute um sie herum eigentlich damit rechnen müssen, dass sie sich gut behaupten konnte, doch auf den ersten Blick beurteilten sie sie meist nach ihrem Aussehen. Genau wie jetzt. Zhang machte den Fehler, sie nur abfällig zu mustern, und dann wieder aus dem Fenster zu schauen.

Im Kopf ging Zara mehrere Möglichkeiten durch, ihn und den Fahrer auszuschalten. Sie konnte Zhang mit einem harten Handkantenschlag gegen die Kehle die Luftröhre zertrümmern. Oder ihn einfach wie zufällig kratzen, lächeln und sich entschuldigen. Wenn er dann auf seinem Sitz zusammensackte, konnte sie seine Pistole nehmen, den Fahrer erschießen, Zhang zur Sicherheit auch, und das Steuer übernehmen. Eine oder zwei Sekunden waren alles, was sie brauchte.

Zara saß ganz still und wirkte so ruhig wie immer. Mit ihren langen Beinen, dem ovalen Gesicht, der makellosen Haut, den großen, schiefergrauen Augen und dem langen, rotgoldenen Haar, das ihr in ungewöhnlich dichten Wellen über den Rücken fiel und fast bis zur Taille reichte, sah sie aus wie ein Model. Die meisten Reporter berichteten am Ende über ihre Schönheit statt zuzuhören, was sie zu sagen hatte. Immerhin versetzte ihr Aussehen sie in die Lage, ihre Arbeit zu erledigen. Sie durfte sich nicht beschweren. Nur deswegen war sie noch am Leben.

Sie schaute wieder aus dem Fenster und widerstand dem Drang, Zhang wegen seines selbstzufriedenen, überheblichen Benehmens zu töten. Wahrscheinlich war eine Kamera auf sie gerichtet. Sie ließ die Gedanken schweifen und achtete nicht auf die Richtung, die sie einschlugen. Sie wusste genau, wo Chengs Unterschlupf war. Der Mann war im ganzen Bezirk bekannt, weil er eine wahre Festung hochgezogen hatte. Die Regierung tolerierte ihn, weil er die Politiker gut bezahlte und ihnen jede Menge Gründe gab, ihn zu schützen, denn geheime Informationen waren Chengs Geschäft, und die teilte er oft genug mit den Behörden.

Am Ziel angekommen, fuhr der Wagen in die Tiefgarage, passierte drei Wachstationen und hielt vor einem privaten Aufzug. Zhang stieg zuerst aus und ging um das Auto herum zu Zaras Tür. Sie überlegte kurz, ob sie sich gleich hier im Parkhaus mit ihm anlegen sollte, indem sie sich weigerte auszusteigen. Sie wusste, dass er sie dann dazu zwingen würde, aber sie wusste auch, dass man sie nicht umbringen würde.

Cheng brauchte sie. Er wollte die Informationen, die sie ihm liefern konnte. Jedes Mal, wenn sie einen Besuch in seiner Firma abgelehnt hatte, um mit ihm über das VALUE-System zu reden, wie sie ihr Projekt nannte, und dessen Nutzen für die Geschäftswelt zu erläutern, hatte er den Preis verdoppelt. Er glaubte, sie mit seinem mehr als großzügigen Angebot gekauft zu haben, denn in der jetzigen Höhe wäre sie damit ihr Leben lang versorgt, sollte sie es annehmen – aber es konnte sie auch das Leben kosten.

Ohne nach rechts oder links zu blicken, stieg Zara aus dem Auto und folgte Zhang in den Aufzug. Keiner von ihnen sprach, als sie in die mittlere Etage hochgefahren wurden, wo Cheng sie erwartete. Als Zara aus dem Aufzug trat, wurde sie von zwei Wachen mit automatischen Waffen aufgehalten, die ihr die Aktentasche abnahmen und auf eine Tür deuteten. Sie führte in eine kleine Zelle, in der sie am ganzen Körper augenblicklich nach allem abgesucht wurde, was Cheng irgendwie schaden könnte – Abhörgeräten, Waffen und Kameras.

Cheng war paranoid, und zwar zu Recht. Er hatte die Finger in allen denkbaren kriminellen Machenschaften rund um den Globus, die mit dem Handel von Waffen, Drogen und politischen Geheimnissen zu tun hatten. Außerdem arbeiteten ausgesuchte Experten daran, alle möglichen Waffen für ihn zu entwickeln, die er auf dem Schwarzmarkt verkaufen konnte. Und was er nicht selber herstellen konnte, stahl er. Zara wusste, dass jedes Stück Papier in ihrer Aktentasche gescannt und kopiert werden würde, ehe sie ihre Unterlagen zurückbekam. Aber sie war darauf vorbereitet, denn alle waren »verschlüsselt«. Und niemand konnte den Code knacken, weil es keinen gab. In Wahrheit war alles nur reines Kauderwelsch, doch es würde Chengs Leute eine Weile beschäftigen.

Zara wurde aus der Zelle geholt und durch ein Großraumbüro geführt, in dem mehrere Schreibtische den Weg zu Chengs Büro wiesen. Er stand im Türrahmen und strahlte, als ob sie sich freuen müsste, ihm zu begegnen, obwohl er ihre Abmachung nicht eingehalten hatte.

»Miss Hightower, wie schön, dass Sie gekommen sind«, begrüßte er sie.

Ein paar Schritte vor dem Büro blieb Zara stehen, was Zhang und die zwei Wachen dazu zwang, ebenfalls stehen zu bleiben. »Meine Übersetzerin?«, fragte sie ernst und fixierte Cheng, ohne zu blinzeln. Das hatte sie lange geübt, und inzwischen konnte sie das richtig gut.

»Tut mir leid.« Cheng klang nicht so, als empfände er echte Reue. »Sie müssen das verstehen, ich habe viele Feinde. Normalerweise lasse ich nie Außenstehende in dieses Gebäude. Es könnten Industriespione sein. Wir brauchen keine Übersetzerin.«

Zara blieb stur und wich nicht vom Fleck. »Meinen Sie nicht, Sie hätten mir Bescheid sagen sollen, wenn Sie die Regeln ändern? Ohne meine Übersetzerin fühle ich mich nicht wohl. Wenn ich nach Shanghai komme, fordere ich sie immer an, ich habe mich an sie gewöhnt.«

Cheng trat aus dem Türrahmen und winkte sie in sein Büro. »Bitte kommen Sie herein, Miss Hightower. Meine Mitarbeiter haben Ihnen Tee gemacht, soweit ich informiert bin, ist das Ihr Lieblingsgetränk.«

Zara blieb noch ein paar Sekunden stehen, um die anderen unruhig zu machen. Zhang kam nah an sie heran. »Miss Hightower.« Er deutete auf das Büro.

Sie betrachtete ihn kühl und überheblich. Genauso arrogant wie sein Boss. »Ich bin noch am Überlegen. Ich habe mich zu diesem zusätzlichen Vortrag bereit erklärt, obwohl mein Terminplan, wie Sie beide wissen, sehr voll und anstrengend ist. Aus reiner Gefälligkeit. Das Geld brauche ich nicht. Dass Ihr Chef sein Wort so leicht bricht, ist befremdlich, um es milde auszudrücken.«

Zhang wechselte in seine Muttersprache. »Soll ich sie in den Befragungsraum bringen? Bolan Zhu kann ihr die Informationen entlocken, die Sie von ihr haben möchten.«

Mit einem kleinen, humorlosen Lächeln auf den Lippen, das Zara an ein kaltblütiges Reptil erinnerte, schüttelte Cheng den Kopf. »Sei nicht so blutrünstig, Heng. Sie wird schon kooperieren.«

»Ich entschuldige mich noch einmal, Miss Hightower.«

»Ich mag es nicht, wenn man sich in einer Sprache unterhält, die ich nicht verstehe«, erwiderte Zara, die sich immer noch nicht vom Fleck rührte. Dabei hatte sie jedes Wort verstanden. In ihrem Lebenslauf stand nicht, dass sie sehr sprachbegabt war. Das wurde geheim gehalten – für Fälle wie diesen. Sie gab zu, dass sie ein paar wichtige Wörter der Sprachen der Länder beherrschte, die sie oft bereiste, vermied es aber, zu erkennen zu geben, dass sie auch ohne ihre Übersetzerin alles verstand. Als der Name Bolan Zhu fiel, war sie erschrocken. Dieser Mann war berüchtigt für seine Begabung, Menschen zu foltern.

»Zhang hat nur gefragt, was er für Sie tun kann. Wir wussten, dass es Ihnen nicht gefallen würde, ohne Ihre Übersetzerin zu kommen, deshalb haben wir versucht, uns etwas einfallen zu lassen, damit Sie den Besuch bei uns trotzdem nicht bereuen«, log Cheng geübt. »Wir dachten, eine Führung durch unsere Labore wäre für Sie interessant. Immerhin ist das eine große Ehre, die nicht oft gewährt wird.«

Also nie. Zara wurde etwas mulmig. Cheng wollte ihre Meinung hören. Das verstand sie. Und er wollte wissen, was sie auf ihrem Spezialgebiet machte. Auch das verstand sie. Aber sie hatte das Gefühl, dass eine Führung durch seine Labore, besonders durch die mit den Computern, auf denen er all seine Daten speicherte, inklusive der Geheimnisse, die er zur Erpressung benutzte oder kaufte, um sie an das höchstbietende Land – auch sein eigenes – zu verkaufen, ihr eine Kugel in den Kopf einbringen könnte.

Sie behielt Cheng im Auge. Zhang war nicht wichtig. Er würde jeden Befehl seines Chefs ausführen, aber nicht selbstständig handeln. Außerdem hielt er sie für ungefährlich.

»Miss Hightower, mir ist klar, dass die Umstände ungewöhnlich sind, aber ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie kurz in mein Büro kämen und mir zuhören würden.«

Zara merkte, wie Zhang sich versteifte. Es gefiel ihm nicht, dass sein Chef sie so bat. Er war daran gewöhnt, dass Cheng andere herumkommandierte und schnell und brutal bestrafte, wenn sie ihm nicht gehorchten. Und die Tatsache, dass sie eine Frau war, noch dazu Amerikanerin, machte es für Zhang wahrscheinlich noch schlimmer. Sie hielt sich so gerade wie möglich, damit sie auf ihn hinunterschauen konnte. Er war ziemlich klein, und sie hatte gemerkt, wie sehr es ihn irritierte, dass sie so groß war. Mit seinem Chef war sie in ihren hochhackigen blauen Schuhen auf Augenhöhe.

Zara warf Cheng ein kleines Lächeln zu und ging an ihm vorbei in sein geräumiges Büro. Dann nahm sie in dem Sessel Platz, den er ihr anbot, und schlug formvollendet die Beine übereinander. Zhang mochte sie nicht, war aber empfänglich für weibliche Reize. Das mit den Beinen hielt ihr Gegenüber immer davon ab zu glauben, dass sie hochintelligent war. Sie hatte herausgefunden, dass die meisten Menschen dachten, eine Frau könnte nicht gleichzeitig schön und klug sein.

Cheng setzte sich ihr gegenüber, aber nicht hinter seinen Schreibtisch. Anscheinend wollte er eine angenehme Atmosphäre schaffen. Dann nahm er eine Akte und überflog sie. »Das hier ist sehr beeindruckend. Anscheinend haben Sie am MIT studiert und dann in Stanford Ihren Doktor in Informatik gemacht. Ihr Spezialgebiet ist maschinelles Lernen?«

Er ließ es wie eine Frage klingen, aber Zara reagierte nicht, sondern sah ihn nur leicht gelangweilt an. Auch diesen Gesichtsausdruck beherrschte sie sehr gut. Sie hatte ihn ebenso perfektioniert wie die großäugige Unschuldsmiene, die sie sicher sehr bald brauchen würde.

»Wie ich sehe, lehren Sie an der Rutgers Universität. Warum gehen Sie nicht in die Privatwirtschaft? Da könnten Sie viel mehr verdienen.«

Zara zuckte die Achseln. »Geld langweilt mich. Ich weiß, dass es die Welt antreibt, aber ich verbringe nicht viel Zeit in der realen Welt, Mr. Cheng. Ich beschäftige mich lieber mit etwas anderem.« Das war die reine Wahrheit. Sie dachte nicht über Geld nach, weil sie es nicht nötig hatte. Für sie gab es Wichtigeres. Zum Beispiel zu überleben. »Die meiste Zeit arbeite ich an Problemen, die andere nicht verstehen, und das ist in Ordnung. Ich hoffe nur, dass meine Programme die Welt weiterbringen.«

»Hier steht nicht viel über Ihr früheres Leben.«

Zara runzelte die Stirn. »Was hat mein Vorleben mit meiner Arbeit zu tun?«, fragte sie mit scheinbar nur mildem Interesse. Sie musste sich darauf konzentrieren, dass ihr Herzschlag sich nicht beschleunigte, denn es war möglich, dass ihre Vitalzeichen von dem Sessel aufgezeichnet wurden, den Cheng für sie ausgesucht hatte.

»Ich weiß gern alles über die Menschen, mit denen ich Geschäfte mache.«

»Ich mache keine Geschäfte, Mr. Cheng. Ich halte Vorträge. Ich werde dafür bezahlt, mein Wissen weiterzugeben. Ich rede über aufregende neue Entdeckungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Ich dachte, das wollten Sie von mir. Dazu brauchen Sie eigentlich nur etwas über meine Qualifikationen zu wissen, und die sprechen für sich, das kann ich Ihnen versichern. Ich gehöre zu den führenden Experten, was KI und maschinelles Lernen anbelangt. Ich dachte, das wäre Ihnen klar.«

»Natürlich ist mir das klar, Miss Hightower«, versicherte Cheng ihr. »Es ist nur, Sie sind so viel jünger, als ich dachte. Die Altersangabe ist mir zwar aufgefallen, aber ich habe sie für einen Tippfehler gehalten.«

Zara warf mehrmals einen verstohlenen Blick zu Zhang hinüber, und mehr denn je war ihr klar, dass man irgendwie zu bestimmen versuchte, ob sie log oder nicht. Sie mochte Katz-und-Maus-Spiele. Auch darin war sie gut. Sie wusste genau, dass Chengs Sekretärin oder wer auch immer die Akte über sie zusammengestellt hatte, es wohl kaum gewagt hätte, sich einen Tippfehler zu erlauben. Das hätte die- oder derjenige nicht überlebt.

»Dass ich noch so jung bin, verwundert manche, aber ich habe mit Auszeichnung promoviert, glauben Sie mir«, sagte sie mit einem kleinen Achselzucken, als wäre es ihr gleich, ob Cheng das tat oder nicht. Dann wechselte sie die Beine, was sofort für Ablenkung sorgte, und begann, einen Fuß, der in einem zu ihrer blauen Kostümjacke passenden sexy Stöckelschuh steckte, träge kreisen zu lassen. Das schien Männer immer zu faszinieren. Doch es funktionierte nur bei Zhang, nicht bei Cheng.

»Sie verschwinden manchmal für lange Zeit von der Bildfläche.«

Das war keine Frage, also lächelte Zara freundlich, als warte sie darauf, dass Cheng eine stellte.

Er seufzte ergeben. »Was machen Sie in der Zeit?«

Zara schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass es Sie etwas angeht, wie ich meine Freizeit verbringe.«

»Sie sind eher Consulting Professor an der Rutgers. Ich möchte wissen, wo Sie hingehen, wenn Sie nicht dort sind, Miss Hightower. Schließlich wollen Sie, dass ich Sie mit meinen wissenschaftlichen Mitarbeitern reden lasse.«

Zara hörte mit dem trägen Kreisen auf, stellte beide Füße fest auf den Boden und beugte sich vor. »Lassen Sie mich etwas klarstellen, Mr. Cheng. Ich tue Ihnen einen Gefallen, nicht andersherum. Ich habe Ihre Einladung immer wieder ausgeschlagen. Und Ihnen deutlich gesagt, dass ich kein Interesse an Ihrem Geld habe. Sie denken vielleicht, dass ich eingewilligt habe, mit Ihren Leuten zu reden, weil das Angebot zu gut war, um es abzulehnen, aber ich habe es angenommen, weil Sie mich beeindruckt haben mit Ihrer Hartnäckigkeit. Ich dachte, meine Forschung wäre Ihnen wichtig. Aber wenn Sie weiter dieses dumme Spiel spielen wollen, würde ich Sie gern bitten, Ihren Chauffeur anzuweisen, mich wieder in mein Hotel zu fahren.«

»Habe ich Sie mit meinen Fragen beleidigt?«

Zhang mischte sich ein. »Lassen Sie mich die Frau in den Befragungsraum bringen, Mr. Cheng«, sagte er wieder in seiner Sprache.

»Das reicht.« Zara stand auf und starrte ihn wütend an. »Ich kann nicht glauben, wie rüde Sie sind, obwohl Sie mich eingeladen haben. Bitte geben Sie mir meine Aktentasche zurück und begleiten Sie mich nach unten, zum Wagen.«

Cheng stand ebenfalls auf. »Mr. Zhang wird uns jetzt verlassen. Ich entschuldige mich für sein rücksichtsloses Benehmen. Mr. Zhang, schicken Sie Mr. Zhu herein.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Tür, und es verriet einiges über die Angst, die seine Angestellten vor ihm hatten, selbst die, die ihm am nächsten waren, dass Zhang eiligst verschwand.

»Bitte setzen Sie sich wieder, Miss Hightower. Ich bin daran gewöhnt, dass Menschen versuchen, uns auszuspionieren und das zu stehlen, was wir unter großem Einsatz entwickelt haben. Erst vor ein paar Wochen ist eine Spionin mit wertvollen Informationen entkommen. Das hat uns um Monate zurückgeworfen.«

Zara hinderte ihr Herz daran, schneller zu schlagen, aber das war schwierig, nachdem der Name Bolan Zhu schon wieder gefallen war. Sie wusste alles über ihn. Er galt als Chengs rechte Hand und wurde anscheinend noch mehr gefürchtet, denn er war derjenige, der die Fragen stellte, wenn es schwierig wurde. Die meisten Menschen bekamen ihn nie zu Gesicht. Cheng vertraute ihm mehr als jedem anderen, doch über Zhus Leben, bevor er in die Armee eingetreten war, war nicht viel bekannt.

Zara beschloss, lieber so zu tun, als würde sie kooperieren, als sich von Bolan Zhu bedrohen zu lassen. Wenn Zhang das tat, war das nicht schlimm, aber bei Zhu war das etwas ganz anderes. Sie ließ sich wieder in ihren Sessel sinken und zog einen hübschen kleinen Schmollmund. »Entschuldigen Sie. Ich fürchte, ich war etwas verärgert, weil ich müde bin und Ihr Mr. Zhang nicht besonders freundlich war.«

Cheng schaute auf, als Zhu durch die Tür kam. Bolan Zhu war groß und trug einen sehr teuren, dunkelgrauen Anzug. Er lächelte Zara an, als Cheng sie vorstellte.

»Wie schön, Sie endlich hier zu haben, Miss Hightower«, begrüßte er sie. »Cheng hat oft von Ihnen gesprochen. Er ist ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit.«

Offenbar war der Mann ebenso charmant wie gefährlich. In der Akte über ihn hatte gestanden, dass er gern ins Ausland reiste und dann jeden Abend Clubs besuchte. Er galt als ziemlicher Frauenheld, und Zara konnte verstehen, warum. Er war außergewöhnlich attraktiv. Sie lächelte zurück und setzte sich etwas gerader hin.

»Was für eine nette Begrüßung«, sagte sie befangen und schlug die Augen nieder. Sie sah es nicht, aber sie merkte, dass die Männer einen Blick wechselten. Sie kauften es ihr ab, dass sie von Zhus gutem Aussehen und seiner charmanten Art angetan war.

»Miss Hightower wollte mir gerade erzählen, wohin sie verschwindet, wenn sie nicht in der Universität ist, was recht häufig vorkommt«, erklärte Cheng.

»Es ist mir etwas peinlich«, sagte Zara widerstrebend und warf einen schnellen Blick auf Zhu, als wäre seine Anwesenheit der Grund dafür. »Ich arbeite oft lange Zeit ziemlich hart, ohne zu schlafen und manchmal auch zu essen. Ich weiß, dass das nicht das Beste für meine Gesundheit ist, aber ich vergesse es einfach, wenn ich einer Sache auf der Spur bin. Es kommt sogar vor, dass ich mitten in der Nacht aufwache und mir dann an den Wänden Notizen mache. Deshalb gönne ich mir häufiger Pausen, manchmal nur ein paar Wochen, aber meist länger, um mich zu regenerieren. Dann ziehe ich mich an einen Ort zurück, wo es weder Computer noch Telefon oder Fernsehen gibt. Ich muss mich komplett von der Welt abschotten. Hin und wieder schlafe ich sogar vierundzwanzig Stunden durch.«

»Das erklärt doch alles«, sprang Zhu ihr zur Seite. »Cheng hat mir erzählt, dass Sie ein Wunderkind waren und schon in sehr jungen Jahren zu den herausragenden Forschern auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz gehörten.«

»Weil die Idee so faszinierend ist«, schwärmte Zara in der Hoffnung, dass keiner von den beiden Männern bemerkte, dass sie nur verraten hatte, was sie in ihrer Freizeit tat, die Frage nach dem Wo aber unbeantwortet geblieben war. »Das Gebiet der Künstlichen Intelligenz rückt immer stärker in den Fokus und beschäftigt sich mit so vielen Dingen, die nützlich sein könnten. Die Menschen haben falsche Vorstellungen und denken, es handelt sich dabei nur um Roboter – obwohl allein dieses Feld schon erstaunlich und zukunftsweisend ist –, aber es geht um viel mehr.«

»Wir verwenden hier auch viel Zeit und Energie auf Roboter«, sagte Cheng. »Halten Sie das für Verschwendung?«

»Nein, natürlich nicht. Es ist nur so, dass Künstliche Intelligenz viel breiter eingesetzt werden kann. Ich möchte nicht, dass meine Studenten Scheuklappen haben und eingleisig denken. Wir haben schon ein paar schöne Beispiele für maschinelles Lernen. Es kann so vielen helfen. Zum Beispiel könnten Menschen, die nicht mehr aus dem Haus kommen, diesen Geräten auftragen, Vorräte für sie zu bestellen. Oder Ältere, die im Haus gestürzt sind, könnten darüber den Notdienst oder ein Familienmitglied erreichen. Die Möglichkeiten sind grenzenlos.«

Ihre Begeisterung war echt. Man merkte es an ihrer Stimme, ihrer Haltung und ihrem Gesicht, das nun genauso strahlte wie ihre Augen. Zara war sich dieser Veränderungen bewusst und ließ sie zu, denn sie wollte, dass Cheng und Zhu sahen, dass sie genau das war, was sie vorgab – eine sehr junge Professorin, die an das Potenzial der Künstlichen Intelligenz glaubte.

»Warum haben Sie sich als Spezialgebiet für das maschinelle Lernen entschieden und nicht für etwas anderes wie Robotertechnik?«, fragte Cheng.

»Ich mag Maschinen. Ich programmiere gern, auch wenn ich selbst nicht mehr oft dazu komme, aber Zahlen sprechen mich an. Maschinen sind logisch.« Zara klimperte mit den Wimpern und zog eine kleine Schnute. »Ich kann mich nicht bremsen, wenn ich über meine Arbeit rede. Bitte verzeihen Sie mir. Was müssen Sie noch wissen, ehe ich meinen Vortrag halten kann, Mr. Cheng? Ich möchte Sie nicht länger aufhalten als nötig. Es wird spät, und ich bin sicher, dass Ihre Angestellten gern nach Hause gehen würden.«

»Oh nein, die würden die ganze Nacht warten, um die Chance zu bekommen, Ihnen Fragen zu stellen, Miss Hightower«, erwiderte Cheng. »In Ihrer Aktentasche sind ein paar Papiere, die wir nicht lesen können. Ihr Code scheint nicht zu entschlüsseln zu sein. Haben Sie ihn selbst geschrieben?«

Zara lachte laut. »Die wenigen Seiten, die Sie lesen können, brauche ich für meinen Vortrag. Auf den anderen stehen nur Zahlen, die ich aneinanderreihe, wenn ich an einem Problem arbeite. Das beruhigt mich.«

»Sind Sie schon einmal festgehalten worden, weil irgendjemand Ihnen das nicht geglaubt hat?«

Zara zuckte die Achseln. »Das ist vorgekommen, aber irgendwann ist allen klar geworden, dass es sich nur um Zahlenfolgen handelt, die mir beim Denken helfen.«

Cheng zog die Brauen zusammen und sah sie skeptisch an. »Hatten Sie denn keine Schwierigkeiten, mit diesen Papieren ins Land zu kommen?«

»Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur ein paar Unterlagen dabei und irgendjemand hat den Behörden erklärt, dass das kein Code ist, sondern zufällige Zahlenkombinationen, die über mehrere Seiten immer wieder wiederholt werden. Das führt natürlich dazu, dass man mich für ein wenig exzentrisch hält, aber das dürfte wohl auch stimmen.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Cheng misstrauisch.

»Ich schon, es könnte eine Zwangsstörung sein«, bemerkte Zhu und hielt dabei den Blick auf Zara gerichtet. »Diese zufälligen dreistelligen Zahlenkombinationen werden tatsächlich endlos wiederholt.«

Zara verzog keine Miene und ließ ihr Herz weiter schön gleichmäßig schlagen, als wäre sie völlig sorglos. Als säße sie nicht in einem Raum mit zwei tödlichen Schlangen, die jeden Augenblick zubeißen konnten. Zhus Einwurf bedeutete, dass er sich ihre Papiere angesehen hatte.

Ein schüchternes Klopfen kündigte die Ankunft des Tees an. Zara fiel auf, dass Zhu nicht »Herein« rief, sondern zur Tür ging, um der Frau, die davorstand, das Tablett abzunehmen, damit sie nicht in Chengs Büro käme, und sich dann dazu herabließ, das Tablett selber auf den kleinen Tisch vor ihr zu stellen. Da wusste sie, dass sie wirklich in Schwierigkeiten steckte. Zhus Ego war so groß, dass es ihn nicht interessierte, was andere von ihm hielten oder was die Konventionen verlangten, und das machte ihn sehr, sehr gefährlich.

Konnte Cheng so paranoid sein, dass er niemanden in sein Büro ließ? Das war möglich, entschied Zara. »Soll ich den Tee einschenken?«, bot sie leise, fast unterwürfig an. »Ich weiß nicht, ob einer von Ihnen daran Anstoß nehmen würde. Ich bin mir nicht sicher, was Brauch ist, wenn keine andere Frau im Raum ist.«

Sie wusste, dass Cheng ihr niemals Tee servieren würde. Er hatte sich bereits weit in den Hintergrund zurückgezogen, als könnte ihn das davor bewahren, vor ihren Augen eine so niedrige Aufgabe zu übernehmen.

Zhu hatte das Problem nicht. Er lächelte sie einfach an und schüttelte den Kopf. »Wir sind hier sehr modern, Miss Hightower. Es macht mir nichts aus, Ihnen Tee einzugießen.« Dann bewies er es, indem er die kleine Kanne nahm und drei Tassen füllte.

Zara sah sehr genau zu, um sicherzugehen, dass er nichts in den Tee tat. Schnell und geschickt verteilte Zhu ihn, obwohl seine Finger für die kleinen Tassen viel zu lang zu sein schienen. Voller Angst um das zarte Porzellan schaute sie fasziniert zu. Bolan Zhu war schwer zu durchschauen. Er wirkte modern und gebildet und mit seinen weißen Zähnen und den überraschend grünen Augen auch sehr anziehend. Außerdem füllten seine breiten Schultern den Anzug wunderbar aus, und wenn er ging, schien er zu gleiten.

Zara bemerkte, dass er erst Cheng bediente und dann sie. Man war also nicht ganz so modern, wie man glaubte. Als sie ihm ihre Teetasse abnehmen wollte, sah sie, dass er mit dem Zeigefinger verstohlen über den Rand strich. Die Droge befand sich also nicht im Tee, sondern an der Tasse, aber wo sie die Lippen auch ansetzte, sie würden damit in Berührung kommen. Zhu nahm sich auch eine Tasse, führte sie an den Mund und trank einen Schluck. Cheng tat es ihm nach. Dann schauten beide Männer sie erwartungsvoll an.

Sie hatte zwei Möglichkeiten. Entweder sie ließ die Tasse »versehentlich« fallen, sodass sie zerbrach, oder sie trank daraus und hoffte, dass die beiden nicht vorhatten, sie umzubringen. Sie vermutete, dass Zhu sie befragen wollte und dass die Droge sie dazu bringen sollte, die Wahrheit zu sagen. Sie führte die Tasse an die Lippen und nippte. Sie musste das Risiko eingehen. Wenn sie es nicht tat, sperrte Zhu sie vielleicht ein, und das wäre gar nicht gut.

»Haben Sie sich schon die Stadt angesehen?«, fragte Zhu.

»Nein, ich hatte noch keine Zeit. Ich bin schon viermal hier gewesen, aber meist bin ich nur in den Hotels und den Firmen, wo ich meine Vorträge halten soll«, sagte Zara und nippte noch einmal. Dann schaute sie sich die Flüssigkeit in der Tasse genauer an. »Der schmeckt außergewöhnlich gut. Ich glaube, so einen habe ich noch nie getrunken, und ich trinke die ganze Zeit Tee.«

Zhu saß in dem Sessel neben ihr, während Cheng sich weiter im Hintergrund hielt. »All unsere Tees stammen von einer einzigen Pflanze, wussten Sie das? Eigentlich ist es ein immergrüner Strauch, der sich zu einem kleinen Baum entwickeln und über hundert Jahre alt werden kann. Er wächst im Südosten des Landes, und die Blätter können das ganze Jahr über geerntet werden.«

Er sah zu, wie sie ihren Tee trank. Zara lächelte ihn an. »Also, er schmeckt hervorragend.«

»Warum sind Sie hergekommen?«

»Auf eine Einladung hin. Ich bin nicht mehr so gern unterwegs, deshalb gehe ich nur noch auf Reisen, wenn ich eingeladen werde.« Sie runzelte die Stirn. Irgendetwas ging in ihrem Hirn vor. Sie musste schnell herausfinden, was es war. »Nein, das stimmt nicht ganz. Ich habe auch viele Einladungen ausgeschlagen. Ich reise nur noch in die Länder, die mich interessieren. Die, die ich schön finde, aber dann komme ich immer gar nicht dazu, sie mir anzusehen, weil ich so viel arbeite.«

Redete sie dummes Zeug? Für sie hörte es sich so an, doch die Worte sprudelten einfach aus ihr heraus. Sie musste sich zusammenreißen und nachdenken. Ihr Gehirn zwingen, die unbekannte Droge zu verarbeiten und ihre Wirkung zu mildern. Sie konnte Zahlenfolgen im Kopf endlos wiederholen, Rechenaufgaben lösen. Das würde dabei helfen. Sie beobachtete die beiden Männer, wie sie offenbar darauf warteten, dass sie ins Plaudern geriet. Nun, den Gefallen konnte sie ihnen tun.

»Sie finden unser Land also schön?«

»Sie etwa nicht?«, fragte sie zurück. »Es ist so lebendig. Und ich liebe die Menschen.« Das war nicht einmal gelogen. »Es gibt so viele schöne Dinge hier.« Sie schlug eine Hand vor den Mund, als wäre ihr das peinlich. »Tut mir leid. Normalerweise rede ich nicht so viel.« Sie nahm einen weiteren Schluck Tee, achtete aber nach wie vor darauf, den Mund immer an derselben Stelle anzusetzen, damit sie nicht noch mehr von Zhus Wahrheitsdroge abbekam. Ob es sich um eine Neuentwicklung handelte? Etwas, das den Verstand nicht benebelte? Es musste so sein, denn sie fühlte sich weder desorientiert noch schläfrig. Ihr Gehirn funktionierte gut. Also, wofür war die Droge? Sie zählte und rechnete im Stillen weiter, um sich vor ihrem Einfluss zu schützen.

Zhu neigte sich ihr zu, nahm ihr die Tasse ab und stellte sie auf den Tisch. Dann ergriff er ihre Hand, drehte sie sehr langsam um und strich einmal über ihr Handgelenk. In dem Augenblick passierte etwas in ihrem Kopf, und ihr wurde heiß im Bauch. Auch Zhus Blick kam ihr ganz anders vor. Er erinnerte sie nicht mehr an eine Schlange, sondern eher an ein Raubtier – einen Wolf oder einen Tiger, irgendetwas mit Zähnen, kurz vor dem Sprung. Fast wäre ihr vor Schreck das Herz stehen geblieben, doch da Zhus Finger direkt auf ihrem Pulspunkt lagen, zwang sie sich zur Ruhe, obwohl sie sich noch nie im Leben so bedroht gefühlt hatte.

»Möchten Sie Mr. Cheng schaden?«

Erstaunt sah sie Zhu an. »Schaden? Natürlich nicht. Er scheint sehr nett zu sein. Er hat mich gebeten, mit seinen Angestellten zu sprechen. Ich dachte, dass sie vielleicht von meiner Arbeit profitieren könnten.« Sie musste etwas ausplappern. Irgendetwas Wahres. »Sie haben einen sehr schönen Mund. Ich muss es wissen, ich achte bei allen Menschen auf den Mund.« Das war doch ganz einfach gewesen. Beschämt schlug sie wieder eine Hand vor den Mund und versuchte gleichzeitig, Zhu die andere zu entziehen.

Zhu lächelte und hielt sie fest, aber so sanft, dass sie es kaum bemerkte. »Vielen Dank. Dasselbe habe ich von Ihrem Mund gedacht. Was ist der wahre Grund, warum Sie heute Abend gekommen sind?«

Seine Stimme war außergewöhnlich. Beinah hätte sie es ihm gesagt, doch die Ordnung, zu der sie sich gerufen hatte, die Disziplin, die ihr Herz davon abhielt, schneller zu klopfen, bewahrte sie glücklicherweise davor, ihm zu gestehen, dass sie ihn großartig fand. Absolut faszinierend. »Ich bin gekommen, um vor einer ausgewählten Schar von Mr. Chengs Forschern, die seiner Meinung nach an meiner Arbeit interessiert sein könnten, über ein neues Projekt zu reden, das mein Team in Angriff genommen hat.«

Wieder klimperte sie mit den Wimpern, weil sie wusste, dass es von ihr erwartet wurde, dabei war das gar nicht ihre Art. Sie flirtete nie, weil es sinnlos gewesen wäre. Sie konnte mit niemandem anbandeln. Sie würde immer allein sein. Und jetzt, ohne ihre beste Freundin, war sie das im wahrsten Sinne des Wortes, ganz allein.

»Sie sehen traurig aus.«

Die langen Finger streichelten ihren Arm und ließen sie erschauern. Das beunruhigte sie mehr, als wenn Zhu ihr eine Pistole an den Kopf gehalten hätte. »Wirklich? Wahrscheinlich, weil ich traurig bin.«

»Und warum?«

»Ich habe kürzlich meine beste Freundin verloren.« Zara hob den Kopf und riss die Augen auf, als wäre sie überrascht, dass sie etwas so Persönliches preisgegeben hatte. »Das ist privat und hat nichts mit dem zu tun, was ich hier machen soll. Bitte bringen Sie mich zu meinen Zuhörern. Es ist schon spät, und ich werde müde.« Doch das lag nicht an der Droge, sondern an Zhus Anziehungskraft und seiner hypnotisierenden Stimme. Sie rechnete weiter und bekämpfte die Droge auf die einzige Weise, die ihr zur Verfügung stand.

Sofort ließ Zhu sie los und sah zu Cheng hinüber, der nickte. »Mr. Cheng dachte, Sie würden vielleicht gern eine Tour durchs Gebäude machen. Er ist sehr stolz darauf. Es ist eine Art Paradies für seine Leute. Sie sind ihm treu ergeben. Er stellt ihnen Wohnungen, eine Betreuungseinrichtung für die Kinder und sogar Fitnessräume zur Verfügung.« Zhu stand auf und zog sie mit sich hoch.

Als er sie berührte, fühlte Zara sich wie elektrisiert. Was war das? So etwas hatte sie noch nie erlebt. Nicht ein einziges Mal. Diese Droge machte sie nicht willenlos, sorgte aber dafür, dass sie auf Zhu reagierte. Eine interessante Vorstellung. Sie wusste, dass es so etwas gab und dass es unumkehrbar sein konnte – weil man von demjenigen, der die Pheromone verströmte, wie besessen war.

Eine Hand auf ihrem Rücken, führte Zhu sie aus Chengs Büro. In ihrem ganzen Leben zuvor war sie sich eines anderen Menschen nie so bewusst gewesen wie jetzt, als Bolan Zhu sie durch das Gebäude führte. Dennoch fiel ihr auf, dass er mehrere Etagen ausließ und die meisten Mitarbeiter ihn nicht grüßten – ja, es sogar vermieden, ihn anzusehen.

Es mussten Pheromone im Spiel sein. Diese Droge machte ihn irgendwie körperlich anziehend für sie. Seine Finger schienen sich durch ihre Kleidung in ihre Haut zu brennen. Verstohlen schaute sie zu ihm auf. Er atmete wesentlich ruhiger als sie, aber auch nicht ganz normal. Schließlich hatte er die Droge mit einem Finger auf den Rand der Tasse gestrichen, ehe er seinen Tee getrunken hatte. War er dabei mit dem Finger an seinen Mund gekommen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern. Ihr war heiß, und sie fühlte sich so unwohl, dass sie seinen Ausführungen kaum folgen konnte.

Es gelang ihr zwar, im richtigen Moment Ah und Oh zu sagen, aber ihnen beiden war klar, dass sie dem, was er ihr zeigte, wenig Aufmerksamkeit schenkte, weil sie gegen die Anziehungskraft ankämpfte, die er auf sie ausübte. Aber das war doch so gewollt, oder? Das sagte sie sich immer wieder, damit sie sich nicht zu sehr schämte, dass es ihr so schwerfiel, sich gegen die Wirkung der Droge zu wehren. Obwohl sie nach wie vor kopfrechnete.

Vor ihrem Vortrag ließ sie sich von Zhu zu einer Toilette bringen. Dort übergab sie sich, wie immer, wenn sie vor Publikum reden musste. Aus Erfahrung wusste sie, dass es ihr wieder gut gehen würde, sobald sie damit angefangen hatte, aber bei der Vorstellung, bald vor Kollegen zu stehen, die sich auch für das Thema Künstliche Intelligenz interessierten, wurde ihr jedes Mal unglaublich schlecht. Leider würde Zhu, wenn er merkte, dass ihr übel geworden war, nicht an Lampenfieber denken, sondern glauben, sie hätte etwas zu verbergen. Deshalb spülte sie sich sorgfältig den Mund aus und aß eins von den starken Pfefferminzbonbons, die sie immer dabeihatte, ehe sie zu ihm zurückkehrte.

»Ich würde Ihnen morgen gern unsere Stadt zeigen«, sagte Zhu, als er sie zum Auditorium geleitete, wo ein Podium für sie aufgebaut war. Ihre Aktentasche stand direkt neben dem Glas Wasser, das man ihr hingestellt hatte.

»Das würde mich freuen.« Bis dahin wäre sie längst weg und dankbar, mit dem Leben davongekommen zu sein.

Zhu führte sie direkt zum Podium, und Zara schlüpfte schnell in ihre Rolle. Sie hasste alles an ihrem Leben, bis auf das hier – mit Gleichgesinnten über das zu reden, wofür sie brannte. Vor allem das erlaubte ihr immer wieder, die schreckliche Schüchternheit zu überwinden, die ihr das Reisen so schwer machte. Sie versteckte ihr wahres Ich hinter der Person, die alle anschauten und bewunderten, doch sobald sie sich in den Griff bekommen hatte, sprach sie gern über ihr Programm und darüber, warum es auf so vielen verschiedenen Ebenen sehr nützlich sein konnte.

Zhu stand schräg vor ihr, und jenseits der Scheinwerfer, an den Eingängen, sah sie ein halbes Dutzend Männer mit Schnellfeuerwaffen. Sie versuchte so zu tun, als hätte sie die Typen nicht bemerkt, doch es fiel ihr nicht leicht, ihren Herzschlag ruhig zu halten.

Als ein sehr charmanter Mann im Anzug sie vorstellte, wurde sie mit so frenetischem Applaus begrüßt, dass sie sich fragte, ob Cheng dem Publikum gedroht hatte – nach dem Motto, wenn ihr nicht laut genug klatscht, lass ich euch erschießen.

»Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich möchte über das VALUE-System reden, ein Programm, mit dem Sie sicher gern arbeiten würden. Warum, werden Sie gleich verstehen …« Sie sprach weiter und beobachtete dabei ihre Zuhörer. Sie hatte diese Rede schon Dutzende Male gehalten und wusste, dass sie großartig war. Alle, die ernsthaft an Künstlicher Intelligenz und ihren Möglichkeiten interessiert waren, würden an ihren Lippen hängen.

Dann wandte sie sich mithilfe ihrer besonderen Gabe, die Dr. Whitney nach und nach verstärkt hatte, an die Computer in der ersten Etage. Sie konnte mit Maschinen reden, und sie hörten ihr genauso begeistert zu wie die Menschen vor ihr. Sie war imstande, eine drahtlose Verbindung zwischen fremden Computern und dem Speicher in ihrem Hirn herzustellen. Nun gab sie allen Computern im Haus, Etage um Etage, den Befehl, ihre Daten an die Speichereinheit in ihrem Hirn zu senden, die aus einer PEEK-Kohlenstoff-Nanoröhre bestand.

»Bei den auf Künstlicher Intelligenz beruhenden Spielsystemen, die in den 1960er-Jahren entwickelt wurden, ging es ums Gewinnen. Dabei gab es alle zwanzig Jahre einen Quantensprung. 1959 baute Arthur Samuel die erste selbstlernende Maschine, die mit der Zeit im Schachspielen immer besser wurde und in den Siebzigerjahren einen respektablen Amateurstatus erreichte. Zwei Jahrzehnte später, im Jahre1997, konnte man zusehen, wie ein Computer den amtierenden Schachweltmeister Garri Kasparow schlug – eine erstaunliche Leistung! Noch einmal zwanzig Jahre später,2017, konnte man mitverfolgen, wie Googles AlphaGo den amtierenden Go-Weltmeister besiegte.«

Es dauerte eine Weile, die vielen Daten, die auf Chengs Computern gespeichert waren, zu übertragen. Und genauso lang würde es dauern, jede Festplatte zu zerstören, um alle Informationen über das Schattengänger-Programm zu löschen, an die er durch den Verrat der Senatorin Violet Smythe herangekommen war. Zara achtete darauf, ruhig und gelassen zu reden, damit Cheng und Zhu später, wenn sie diesen Vortrag mit den anderen verglichen, die sie gehalten hatte, keinen Unterschied feststellen konnten. Exakt dieselben Betonungen in den Sätzen. Keinerlei Anzeichen, sie könnte irgendwie unter Stress stehen. Sie konnte doch unmöglich mit dem Datenverlust der Computer zu tun haben. Zara war unglaublich dankbar dafür, dass ihr Hirn sich so gern mit Zahlen beschäftigte und damit die Wirkung der Droge abgeschwächt und ihr die Kontrolle über ihren Körper zurückgegeben hatte.

»Aber es gibt eins, was es noch nicht gibt … Wie wäre es mit einem Programm, das lernen kann, absichtlich zu verlieren, wenn es gegen einen kleinen Jungen spielt, damit er erleben kann, wie es ist zu gewinnen? Oder mit einem Programm, das lernen kann, für sich und andere Win-win-Lösungen zu finden? Oder einem, das weiß, dass man ›nicht immer das haben kann, was man möchte‹, und herausfindet, wie man ›das bekommt, was man braucht‹, indem es unter Berücksichtigung bestimmter miteinander konkurrierender Varianten – wie Zeit, Geld, Arbeitskraft, Materialaufwand etc. – die beste Entscheidung trifft?«

Die Idee kursierte schon seit Jahren. Für den Handel wäre so ein Programm unschätzbar. Man rechnete damit, dass es früher oder später einen Durchbruch geben würde, aber vor diesen Leuten zu stehen und ihnen sagen zu können, dass es so weit war, war furchtbar aufregend. Jedes Mal. Deshalb musste sie darauf achten, nicht zu vergessen, warum sie wirklich hier war. Um Daten von Computern zu holen. Das hatte sie schon sehr oft getan, aber bisher hatte sie keine Festplatten kaputt machen müssen. Die meisten Firmen und Universitäten ahnten nicht, dass sie etwas mitnahm, wenn sie ging, weil sie nur Informationen sammelte und nie einen Hinweis darauf hinterließ, dass die Computer manipuliert worden waren. Doch alle Festplatten in diesem Haus unbrauchbar zu machen würde mit Sicherheit Alarm auslösen.

»Heute Abend werde ich Ihnen ein Programm vorstellen, das VALUE-System, das eine ganze Reihe von Lerntechniken anwendet – einige ältere, aber auch einige neue –, um genau das zu erreichen. Zum Beispiel die Technik des Bestärkenden Lernens von Russel und Ng, zum Begreifen der Werte anderer, und unsere früheren Deep-Learning-Techniken, um Verhandlungen und Einigungen in einer Zwei-Parteien-Situation zu simulieren und zu verfeinern. Ferner setzen wir unsere neuen Techniken im Überwachten Lernen ein, um den Gestaltungsrahmen neu zu formulieren, basierend auf einem Leitfaden menschlicher Wertvorstellungen, mit akzeptablen Kompromissen.«

Sie stürzte sich in ihre Rede, versuchte aber, sich nicht davontragen zu lassen von ihrer Begeisterung für die Welt der Künstlichen Intelligenz und die unzähligen Nutzungsmöglichkeiten, die ihr immer durch den Kopf schwirrten, wenn sie es sich gestattete, sich ganz auf das Thema einzulassen. Sie hatte einen viel wichtigeren Auftrag, nämlich, ihrem Land zu dienen, Leben zu retten und lebend hier herauszukommen.

Ein Computer nach dem anderen sandte seine Daten an sie, zerstörte sich selbst und löschte damit unwiederbringlich alle Dokumente. Das Gebäude war groß, aber Zara war daran gewöhnt, während dieser Übertragungen ihren Vortrag zu halten. Normalerweise konnte sie sicher sein, dass der Datenaustausch niemals bemerkt werden würde, also war sie auch nie nervös. Sie musste den Maschinen in den Gebäuden nur sagen, was sie tun sollten. Sie musste sich nicht einhacken oder Passwörter suchen. Sie brauchte nur ein WLAN. Aber anschließend die Festplatten zu zerstören, das war sehr viel riskanter und neu für sie. Das hinterließ Spuren. Es würde zwar niemand beweisen können, dass sie etwas mit dem Datenverlust zu tun hatte, aber sie war noch da. Vor Ort.

Zara ließ sich von ihrer eigenen Begeisterung anstecken. Das seltsame Verlangen nach Bolan Zhu war endlich verschwunden und das dringende Bedürfnis, sich auf ihre Forschungsergebnisse und das Programm zu konzentrieren, als dessen führender kreativer Kopf sie galt, verdrängte die letzten Effekte der Droge. Dieses Programm war ihr »Baby«, und sie war komplett in dessen Welt eingetaucht, und das schon eine ganze Weile, als plötzlich Sirenen aufheulten. Sofort waren alle im Raum alarmiert. Zara hörte auf zu reden, schaute sich um und erlaubte es ihrem Herzen endlich, schneller zu schlagen, weil es bei allen anderen in diesem Moment sicher auch so war. Stumm standen ihre Zuhörer auf und gingen wie Roboter nacheinander aus dem Raum.

Zara sammelte ihre Unterlagen ein und wandte sich an Zhu. »Was ist los?«, fragte sie mit einem ängstlichen Unterton, den er unter den Umständen hoffentlich normal finden würde. Die Computer hatten zwar noch nicht alles überspielt, aber es gab keinen Schutz vor ihr, es sei denn, das drahtlose Netz wurde abgeschaltet. Sie musste den Rest auf dem Weg erledigen. Nur noch ein halbe Etage, dann war sie fertig. Sie wusste nicht, welche Daten auf welchem Computer waren, deshalb ließ sie sich nicht einmal unterbrechen, als Zhu ihren Arm ergriff und sie mit sich zog.

»Ich bringe Sie jetzt in Sicherheit, dann kümmere ich mich darum«, beruhigte er sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Übung ist, eher ein Fehler im System, oder jemand hat irgendeine Chemikalie unerlaubt offen stehen lassen. Haben Sie keine Angst.« Er brachte sie in einen kleinen Raum.

Zara fiel auf, dass er keine Fenster hatte. Als Zhu ging, hörte sie, wie ein Schlüssel sich drehte. Sie machte sich nicht die Mühe nachzuschauen, ob die Tür verschlossen war, sondern setzte sich auf einen Stuhl, schaute auf ihre Uhr und merkte sich die Zeit. Gern hätte sie auf die Stoppuhr gedrückt, aber sie zwang sich, es nicht zu tun. Sie hatte Zeit, doch wenn sie nicht mehr aus Chengs Bau herauskam, konnte es knapp für sie werden. Sie wusste, dass er das Gebäude manchmal eine ganze Woche oder länger abriegelte.

Sie sagte sich, dass ihre Mission wichtig für Whitney war. Er würde nicht zulassen, dass sie starb, wenn sie etwas so Wertvolles im Kopf hatte. Sie beendete den Datentransfer und vernichtete alle noch übrigen Festplatten im Gebäude. Solange sie beschäftigt gewesen war, war sie ruhig geblieben, doch in dem Augenblick, in dem sie ihren Job erledigt hatte, kroch die Angst langsam in ihr hoch, und sie wiegte sich schließlich furchterfüllt vor und zurück.

2

GINO MAZZA LEHNTE an der Wand und betrachtete seinen besten Freund und Teamführer Joe Spagnola. Joe sollte nicht auf den Beinen sein und herumlaufen, geschweige denn ins Pentagon gerufen werden, nur um die Befehle für sie persönlich von Major General Tennessee Milton zu bekommen, dem Mann, dem die Schattengänger-Einheit der Air Force unterstand.

Er kannte Joe gut. Sie waren zusammen aufgewachsen, doch das schien sehr lange her zu sein. Gino war in einer äußerst wohlhabenden Familie groß geworden. Sie hatten so viel Geld gehabt, dass die Leute behaupteten, sie könnten sich ein kleines Land kaufen, wenn sie wollten. Aber dieses Geld hatte ihnen nicht viel geholfen, als sie überfallen worden waren und seine Eltern und Großeltern beiderseits sich vor ihn gestellt hatten, um zu verhindern, dass er entführt wurde, und einer nach dem anderen erschossen worden war. Das war an seinem zwölften Geburtstag gewesen. Er selbst war mit drei Schüssen niedergestreckt und als tot liegen gelassen worden, denn wer sollte das Lösegeld bezahlen, wenn es keine Familie mehr gab.

Natürlich hatte jedes Mitglied der Familie einen Erben eingesetzt. Gino. Von den Großeltern väterlicherseits hatte er ein Vermögen geerbt. Von denen mütterlicherseits ebenso. Dann noch eins von seinen Eltern und dazu alles aus dem Treuhandfond seiner Mutter. Er hatte also alles und nichts. Viel lieber hätte er seine Familie zurückgehabt. Er hatte nichts von dem Geld wissen wollen, denn er verabscheute es, dass es jemandem wichtiger gewesen war als das Leben seiner Eltern und Großeltern.

Die Narben, die diese drei Kugeln hinterlassen hatten, waren noch immer deutlich zu sehen. Seither hatte er sich noch verdammt viel mehr eingehandelt, doch diese waren die tiefsten. Sie erinnerten ihn jeden Tag daran, dass Familien zerbrechliche Gebilde waren. Seine Eltern waren anständige Menschen gewesen – nein, gute Menschen. Er dachte jeden einzelnen Tag an sie und fragte sich, was wohl aus ihm geworden wäre, wenn sie noch am Leben wären. Höchstwahrscheinlich wäre er dann ein besserer Mann.

Joe Spagnolas Familie hatte ihn aufgenommen. Die beiden Väter hatten sich schon von klein auf gekannt. Joe hatte ihn gefunden und ihm das Leben gerettet. Danach hatte Ginos Leben sich stark verändert. Joes Vater Ciro war Boss eines Verbrechersyndikats und so rücksichtslos, wie Ginos Vater nett gewesen war. Wie die beiden Männer beste Freunde gewesen sein konnten, war ihm stets ein Rätsel gewesen, aber es war Ciro, nicht die Polizei, der die Männer schließlich aufgespürt hatte, die seine Familie ausgelöscht hatten. Sie waren gefoltert worden und einen qualvollen Tod gestorben, und Gino hatte dabei zugesehen.

Joe und er waren auf die besten Schulen geschickt worden. Außerdem hatte man von ihnen verlangt – und das war noch milde ausgedrückt –, dass sie Kampfkünste lernten, und das von den besten Trainern der Welt. Dazu kamen Boxen und Straßenkampf. Deshalb hatten sie jeden Tag stundenlang trainiert. Dann hatte man ihnen beigebracht, wie man verschiedene Waffen einsetzt: Messer, Stöcke, Pistolen – alles, was Ciro und den Trainern eben einfiel.

Später war er Joe in die Air Force gefolgt und Fallschirmspringer geworden. Und am Ende hatten sie sich für das Schattengänger-Programm gemeldet. Wenn es eins gab, was sie beide konnten, war es, auf sich aufzupassen. Bis Joe versucht hatte, eine Frau vor sich selbst zu retten. Zur Belohnung hatte die Senatorin Violet Smythe ihm ein Messer in den Bauch gerammt und die Klinge dann noch einmal herumgedreht, damit sie möglichst viel Schaden anrichtete. Joe war immer noch nicht ganz wiederhergestellt und sollte nicht nach Washington fliegen, nur weil der Generalmajor es so wollte.

»Der Major General hat einen Anruf von Dr. Whitney persönlich bekommen«, verkündete Joe und schaute in die Runde – auf die neun Männer seines Teams, die wie er dem Generalmajor untergeordnet waren. Keinem von ihnen gefiel der Gedanke, dass Dr. Whitney, der Mann, der das Schattengänger-Programm ins Leben gerufen hatte, es wagte, ihren Chef zu kontaktieren.

Whitney war geisteskrank. Darin waren sich alle einig. Aber was noch schlimmer war, er war größenwahnsinnig und hatte viel zu viele Freunde in hohen Positionen und viel zu viel Geld.

»Anscheinend wird eine Schattengängerin vermisst. Sie ist nach Shanghai geschickt worden, in Chengs Festung – die, aus der Bellisia fast nicht mehr lebend herausgekommen wäre. Offenbar ist es dieser Schattengängerin gelungen, alle Daten auf Chengs Computern zu löschen, auch die, die Cheng über das Schattengänger-Programm hatte, aber nun wird sie dort festgehalten. Er will, dass wir hinfliegen und sie rausholen.«

Ungläubige Stille folgte. Dann räusperte sich Mordichai Fortunes. »Warte mal. Whitney will, dass wir für ihn arbeiten? Nach all dem Scheiß, den er mit uns gemacht hat, will er, dass wir einen Job für ihn erledigen?«

»Hat er nicht eine eigene kleine Armee?«, fragte Rubin Campo sanft. Gino hatte ihn nie anders als leise, aber deutlich sprechen hören.

»Ja, er hat eine eigene Armee«, bestätigte Joe. »Aber seine Soldaten sind nicht wie wir. Cheng ist ein mächtiger Mann mit großem Einfluss in Shanghai. Whitneys Soldaten sind eher wie Panzer oder Roboter. Und sie leben nicht sehr lange. Das wisst ihr doch. Whitney macht immer noch Experimente, nur gehen sie jetzt in eine andere Richtung. Aber auch wenn wir den Doktor nicht mögen, ändert das nichts an der Tatsache, dass eine von uns in feindlichem Gebiet gefangen gehalten wird und in Gefahr schwebt. Sie ist eine Schattengängerin, genau wie wir.«

Gino fiel auf, dass Joe besorgt zu Ezekiel Fortunes hinüberschaute. Die zwei waren aneinandergeraten, als Ezekiel seine Frau Bellisia kennengelernt hatte. Joe hatte sie eine Weile einsperren lassen, nur so lange, bis eine noch laufende wichtige Mission abgeschlossen war, doch das hatte Ezekiel nicht gefallen, und er hatte es Joe deutlich gesagt. Gino gab seine lässige Pose an der Wand auf und brachte sich leise und vorsichtig in eine bessere Position, um Joe beschützen zu können, falls es nötig werden sollte.

Normalerweise galt bei einem Meeting, dass Joe das Sagen hatte und niemand ihm widersprach. Er gab die Befehle, und sie gehorchten. So war das beim Militär. Das Problem war nur, dass sie nicht normal waren. Sie waren eine besondere Truppe. Es gab vier Schattengänger-Einheiten, doch keine davon kam oft in Kontakt mit anderen militärischen Einheiten. Das hieß, dass manchmal die Grenzen zwischen Beruflichem und Privatem verschwammen, wenn sie miteinander redeten. Oder etwa bei Gelegenheiten wie dieser, wenn Joe kurz davor war, etwas zu sagen, was Ezekiel wohl nicht gefallen würde.

»Whitney hat den Major General sofort informiert, als er erfahren hat, dass seine Agentin nicht ins Hotel zurückgekommen ist. Er hält es für unbedingt nötig, dass wir sie so schnell wie möglich befreien, weil Cheng den Ruf hat, jeden, der ihm nicht passt, zu foltern und zu töten.«

Gino nahm an, dass das auch auf eine Industriespionin zutraf, erst recht auf eine, die gerade alle Informationen über die Schattengänger vernichtet hatte, die Cheng so mühsam gesammelt hatte.

»Ich habe länger mit Bellisia gesprochen, und sie hat mir versichert, dass sie die Frau gut kennt; ihr Name ist Zara Hightower. Anscheinend ist sie von klein auf Bellisias engste Freundin gewesen.«

Nun war es heraus. Bellisia war Ezekiels Frau, und er wachte sehr, sehr genau über ihr Wohlergehen. Gino bewegte sich kaum merklich, achtete aber darauf, sich so in Stellung zu bringen, dass er notfalls eingreifen konnte, falls es Streit geben sollte. Normalerweise konnte Joe sich selber verteidigen, aber seine Wunden waren ernst gewesen. Gino bezweifelte, dass Ezekiel wirklich auf Joe losgehen würde, doch er passte seit seiner Kindheit auf Joe auf und konnte die Angewohnheit nicht ablegen.

»Offenbar lässt Whitney Zara sehr viel Freiraum außerhalb seiner direkten Kontrolle. Er hat ihr erlaubt, zur Schule zu gehen und sie nur auf die besten geschickt. Sie war so eine Art Wunderkind. Ihr wisst ja, was für einen hohen Stellenwert Intelligenz für ihn hat. Die Frau hat an der Rutgers University gelehrt, arbeitet jetzt aber hauptsächlich als Beraterin. Sie wird von Unternehmen auf der ganzen Welt eingeladen, um Vorträge über Künstliche Intelligenz zu halten, und über ihr Spezialgebiet, selbstlernende Maschinen.«

»Dann lässt er ihr also ganz schön viel Freiheit«, meinte Mordichai.

»Du hast mit Bellisia gesprochen, ohne vorher mit mir zu reden?«, fragte Ezekiel ruhig.

Gino rückte noch etwas näher heran. Wenn Ezekiel in diesem Tonfall sprach, war das kein gutes Zeichen.

Joe ignorierte Ezekiel und antwortete Mordichai. »Sicher mehr Freiheit, als er den meisten anderen Frauen zugestanden hat. In allen Zeitschriften ist von ihr zu lesen, und im Zusammenhang mit Künstlicher Intelligenz fällt immer auch ihr Name.«

Wyatt nickte und schaute quer über den Tisch zu Trap. »Sie und ihr Team haben auf ihrem Gebiet einige Spitzenprogramme geschrieben.«

Trap rieb sich den Nasenrücken. Er galt bei der Entwicklung neuer Medikamente für verschiedene Krankheiten wie auch auf mehreren anderen Gebieten selbst als führender Experte. »Ich erinnere mich, dass ich schon sehr früh, als sie gerade Professorin an der Rutgers wurde – eine der jüngsten, fast noch ein Kind –, gelesen habe, dass sie eine Art Meta-Programm entwickelt hat, das anderen Programmen helfen soll, schneller zu lernen oder so ähnlich.«

»Und wie soll das gehen?«, fragte Malichai.

»Man sagt ihrem Programm, welche Art von Programm man haben möchte und was es tun soll, und dann schreibt ihr Programm es automatisch für dich. Sie hat vier Doktoranden an verschiedenen Teilen dieses Superprogramms arbeiten lassen. Auf diese Weise hatte jeder ein wichtiges und spannendes Problem zu erforschen und zu lösen.«

Wyatt nickte. »Davon haben beide Seiten profitiert. Die Doktoranden konnten ihre Dissertationen schreiben, und sie hat ihr Programm bekommen.«

»Heute ist dieses Programm Teil ihres VALUE- Systems«, erklärte Trap weiter.

»Sie ist eine echte Granate«, fuhr Wyatt fort. »Blitzgescheit. Ich hatte keine Ahnung, dass sie eine von uns ist. Ich bin ihr nie begegnet. Du vielleicht, Trap?«

Sein Freund schüttelte den Kopf. »Wir haben uns in verschiedenen Kreisen bewegt, außerdem bin ich schon als Teenager zur Universität gegangen, also weit vor ihrer Zeit. Als ich von ihr gehört habe, habe ich ihre Karriere verfolgt, nur um zu sehen, wie sie sich macht.«

»Ich denke, Whitney hat dafür gesorgt, dass keiner von uns ihre Bekanntschaft macht«, meinte Ezekiel. »Nur meine Frau. Bellisia. Ihre beste Freundin. Meine Ehefrau. Die Frau, mit der Joe gesprochen hat, ohne vorher mit mir zu reden. Ich dachte, darüber hätten wir uns bereits unterhalten, Joe.«

»Wenn dem so ist, kann ich mich jedenfalls nicht mehr daran erinnern«, erwiderte Joe und wandte sich endlich Ezekiel zu. »Bellisia hatte kein Problem damit, mir alles Nötige zu erzählen, ohne dass du ihre Hand hältst. Ich beiße doch nicht. Wir haben nur geredet.«

»Als ob irgendjemand sich trauen würde, diese Frau zu beißen«, murmelte Malichai überlaut. »Wenn sie zurückbeißt, fällt man tot um.«

»Glaub bloß nicht, dass er sich Sorgen macht, dass du sie beißen könntest, Joe«, mischte Mordichai sich ein. »Zeke ist einfach nur eifersüchtig und hat Angst, dass sie sich nach einem anderen umschaut.«

Ezekiel knüllte das Blatt Papier, das vor ihm auf dem Tisch lag, zusammen und warf es seinem Bruder an den Kopf. »Ach, halt die Klappe.«

Gino entspannte sich und fuhr seine Alarmbereitschaft eine Stufe herunter. Er hätte wissen müssen, dass Ezekiels Brüder dafür sorgen würden, dass die Meinungsverschiedenheit zwischen Joe und Zeke nicht eskalierte.

»Dann sollten wir uns besser wieder mit dem Problem befassen, das der Generalmajor uns aufgehalst hat«, sagte Joe. »Wir wissen jetzt, dass Zara Hightower eine von uns ist und momentan in Chengs Festung sitzt. Wenn wir sie nicht rausholen, sind die Chancen, dass sie überlebt, gleich null.«

»Hat Whitney etwas dazu gesagt, ob er ihr den gleichen Virus eingepflanzt hat wie Bellisia?«, fragte Ezekiel. »Braucht sie ein Gegenmittel?«

»Nein. Komisch, dass er das vergessen konnte, als er mit dem Major General gesprochen hat«, sagte Joe. »Bellisia sagte, dass Zara nie gehen durfte, ohne dass ihr eine Kapsel mit dem Virus injiziert wurde.«

»Woher sollen wir wissen, dass das stimmt?«, gab Diego zu bedenken. »Vielleicht hat Whitney das Bellisia und den anderen Mädchen nur erzählt. Diese Zara könnte für ihn arbeiten und uns in eine Falle locken. Vielleicht hat er uns sogar an Cheng verkauft. So wie er auch Ezekiel an ihn verkauft hat.«

»Nein«, widersprach Joe. »Das hat er nicht getan. Das war Violet.« Unwillkürlich fasste er sich an den Bauch und fuhr mit den Fingern über die Wunde, die die Senatorin ihm zugefügt hatte, als sie die ganze Einheit verraten hatte. »Sie hat Zeke und den Rest von uns verkauft, als sie Cheng Informationen über das Schattengänger-Programm gegeben hat. Whitney ist zwar geisteskrank und bereit, einfach alles zu tun, damit er seine Experimente machen kann, aber er ist auch ein Patriot und würde uns niemals verraten. Das glaube ich jedenfalls, und der Major General auch.«

Wyatt stöhnte. »Das heißt, wir gehen nach China, um dieses Küken zu befreien. Weißt du, wie viel Ärger ich mit Pepper kriege, wenn ich sie gerade jetzt allein lasse?«

»Der Major General hat uns keine andere Wahl gelassen, obwohl dieser Einsatz natürlich rein freiwillig ist.«

Im ganzen Raum wurde leise gekichert.

»Whitney hat gesagt, wir dürfen diese Frau bei uns behalten, und dass er keinen Versuch unternehmen wird, sie zurückzubekommen, wenn wir sie retten. Noch ein Schattengänger, dazu ein brillanter, und weiblich – das Angebot konnte der Major General natürlich nicht ausschlagen. Weder Whitney noch er wollen, dass Cheng merkt, dass sie eine Schattengängerin ist. Falls er das herausfindet, nimmt er sie auseinander«, sagte Joe.

»Kein Wunder, dass Whitney dem General nichts von dem Virus erzählt hat. Er rechnet damit, dass wir die Frau herholen, und sie ihren kleinen Hintern dann so schnell wie möglich zu ihm zurückbringt, damit sie nicht stirbt. Wenn sie das nicht rechtzeitig schafft, hat wenigstens Cheng sie nicht. So gewinnt Whitney in jedem Fall«, meinte Mordichai.