Gespenster-Krimi 108 - Manfred Weinland - E-Book

Gespenster-Krimi 108 E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Schiller nutzte die Stunden nach der Rückkehr, um sich, ebenso wie jedem anderen am Außeneinsatz Beteiligten, eine Erholungspause zu gönnen. Er brauchte nichts dringender als Schlaf. Aber um ihn überhaupt finden zu können, bedurfte es schon einer sehr gewagt angesetzten Dosis Beruhigungsmittel. Er war innerlich so aufgewühlt, dass er sich andernfalls nur auf seiner Pritsche hin und her gewälzt hätte ...


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Inhalt

Cover

Todeszone Deutschland

Vorschau

Impressum

Todeszone Deutschland

Teil 2 von 2

von Manfred Weinland

Schiller nutzte die Stunden nach der Rückkehr, um sich, ebenso wie jedem anderen am Außeneinsatz Beteiligten, eine Erholungspause zu gönnen. Er brauchte nichts dringender als Schlaf. Aber um ihn überhaupt finden zu können, bedurfte es schon einer sehr gewagt angesetzten Dosis Beruhigungsmittel. Er war innerlich so aufgewühlt, dass er sich andernfalls nur auf seiner Pritsche hin und her gewälzt hätte.

Als er sechs Stunden später, rasiert, gewaschen und mit frischer Kleidung versehen, die Bunkerzentrale wieder betrat, war die Lage nur scheinbar unverändert. Insgesamt zwölf Männer und Frauen hielten sich in dem noch einmal separat abgesicherten Raum auf; die meisten saßen konzentriert an ihren Geräten, mit deren Hilfe sie die Umweltbedingungen innerhalb des unterirdischen Komplexes überwachten und regelten.

Um einen der Arbeitsplätze herum standen verdächtig viele Personen, die dort normalerweise nichts zu schaffen hatten.

Als Schiller eintrat, drehten sich ihm Gesichter zu. Einige Soldaten salutierten. Andere sahen aus, als wäre ihnen das schon zu viel.

Ich habe es selbst herausgefordert, dachte Schiller. Vielleicht wäre das Festhalten an militärischen Ritualen der richtigere Weg zur Wahrung der Ordnung hier unten gewesen.

Aber war das überhaupt möglich – wenn draußen die Welt nicht mehr menschen-‍, sondern monsterregiert war?

Schiller grüßte »halb militärisch« zurück. »Was gibt es hier?«, fragte er, während er sich zu dem Bunkerpersonal gesellte, das um einen Instrumenten-Platz herumstand, der normalerweise geringes Interesse bei der Allgemeinheit hervorrief.

Schiller wusste genau wie alle anderen, was die Aufgabe des Offiziers war, der sich um den Seismografen kümmerte. Es war im Normalfall der langweiligste Job von allen, und eigentlich hätte ihn ein Computer ohne menschliche Assistenz ebenso gut erledigen können.

»Polz? Was gibt es? Haben Sie Geburtstag?« Er merkte, dass er selbst wieder vom Duzen abrückte. Aber es schien niemandem aufzufallen ... oder las er in einigen Gesichtern sogar Erleichterung, weil er es tat?

Der Mensch ist ein seltsames Ding, zitierte er einen Satz aus einem Buch, dessen Titel ihm entfallen war. Oder einfach nur ... ein Gewohnheitstier?

»Wir wollten Sie gerade rufen, General.«

Schiller nickte. »Geschenkt. Kein Vorwurf. Also nichts zu feiern ... Was dann?«

»Wir wissen es noch nicht. Bilder von oben wären von Vorteil. Aber begonnen hat es vor etwa einer Stunde. Der Ausschlag war zunächst so gering, dass nicht nur ich, sondern auch der Rechner es auf eine Fehlmessung schob, auf immer mal wieder vorkommende Toleranzen. Daraufhin veranlasste ich einen Neustart des Systems und einen kompletten Eichdurchgang, sodass danach alle Zweifel ausgeschlossen werden konnten, dass es sich um ein Ereignis handelt.«

»Was für ein Ereignis?«

»Erschütterungen. Permanente Erschütterungen. Nicht sehr stark, aber die Instrumente sind empfindlich genug, um sie feststellen zu können.« Polz zeigte auf den Schreiber des Seismografen, der seine Werte zusätzlich zur Computerdarstellung auch immer noch als Papierversion ausstieß, wenn man den entsprechenden Apparat zuschaltete.

»Schwach, ganz schwach«, interpretierte Schiller den Ausschlag.

»Zweifellos«, erwiderte Polz. »Aber er wird stärker. Sehen Sie sich die Werte zu Beginn an.« Er wechselte auf ein anderes Monitorfenster, und mit wenigen Einstellungen legte er die aktuelle Messung über die ältere.

Schiller merkte, wie sich sein Puls beschleunigte. Das geht alles zu schnell, dachte er. Keine Zeit, sich auf irgendetwas einzustellen. Die Biester gönnen uns keine Pause.

»Sie denken, dass die Spinnen etwas damit zu tun haben?«, fragte er.

»Solche Werte wurden noch nie zuvor gemessen«, erwiderte Polz. »Nicht als Dauerzustand. Ein Beben mit natürlicher Ursache dauert im Normalfall ein paar Sekunden. Später gibt es Nachbeben – auch wieder maximal für etwa eine Minute. Aber das hier hält an und steigert sich kontinuierlich. Und es konzentriert sich offenbar auf die unmittelbare Bunkerumgebung. Auch das lässt sich anhand der Sensoren eindeutig belegen.«

»Also wahrscheinlich die Spinnen«, sagte Schiller.

Polz nickte mit düsterer Miene.

»Was könnte die Erschütterungen hervorrufen?«, überlegte Schiller laut.

Ein junger Mann, der bislang noch nicht unangenehm als Scherzkeks in Erscheinung getreten war, meinte: »Stepptanz? Vielleicht vertreiben sich die Biester einfach nur die Zeit ...«

Schiller ließ sich nicht aus der Reserve locken. »Und ernsthaft?«, wandte er sich an die Soldaten. »Polz?«

»Wenn es weiter in seiner Intensität ansteigt«, sagte der Offizier, »kann es sich eigentlich nur um den Versuch handeln, zu uns vorzustoßen.«

Schiller brauchte keine weitere Erklärungshilfe. »Sie meinen, sie haben mit Erdbewegungen begonnen?«

»Sie scheinen zu graben«, sagte Polz. »Da! Die Computeranalyse – ich habe sie vorhin in Auftrag gegeben ...« Er las, was auf dem Bildschirm erschienen war. Die anderen, Schiller eingeschlossen, blickten ihm über die Schulter.

»Der Rechner bestätigt meine Vermutung – mit ungefähr neunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit. Rings um den Stahlbetonkorpus des Bunkers werden an mehreren Stellen Grabungsaktivitäten angemessen.«

»Sie wollen zu uns runter ...« Schiller rieb sich über das Gesicht. »Der Eingang ist eine zu harte Nuss für sie. Die Stahlschotte halten ihnen offenbar mühelos stand, dem haben sie nichts entgegenzusetzen ... Hätten sie es gegen Beton?« Er sah sich um. »Wer ist der Spezialist für so etwas? Heinrichs?« Er winkte einen älteren Mann zu sich, der etwas abseits gestanden, aber alles mit verfolgt hatte. »Sie sind doch unser Allrounder, wenn mich nicht alles täuscht. Sie haben das größte Allgemeinwissen – ich weiß noch, wie ich staunte, als ich mir Ihre Personalakte vornahm. Es gibt kaum etwas, was Sie nicht ausprobiert haben, bevor sie zur Bundeswehr gingen. Haben Sie eine Ahnung, ob Spinnen ... nun, ob sie Beton gefährlich werden könnten?«

»Nicht auf normalem Weg«, sagte der etwas gehemmt wirkende Mittfünfziger und machte ein paar linkische Schritte auf Schiller zu.

Heinrichs hatte schütteres dunkles Haar, in dem kaum Grau zu finden war. Sein Teint hatte schon zu Zeiten, als ein regelmäßiges Verlassen des Bunkers noch kein Problem gewesen war, blass gewirkt. Wenn er sprach, blinkte ein goldener Schneidezahn, eine längst überholte Mode, aber genau diesen Eindruck machte Heinrichs insgesamt, als wäre er vom Zug der Zeit zwar nicht überrollt, aber doch überholt worden und hätte mit dem aktuell herrschenden Geist nicht Schritt halten können.

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Wie ich sagte: Mit reiner Muskelkraft ist da sicherlich nichts auszurichten. Erdbewegungen ja, natürlich, warum auch nicht? Aber der Betonmantel ist schon eine andere Qualität. Der Bunker erfüllt alle Anforderungen, die von höchster Regierungsstelle an ihn gestellt wurde – das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. Er wurde für absolute Krisenfälle erbaut und würde selbst einem Nuklearbeschuss bis zu einem gewissen Punkt standhalten.«

»Dann haben die Monster also keine Chance.« Schiller atmete bereits halbwegs auf.

»Das habe ich damit nicht gesagt. Wie ich schon ausführte – Muskeleinsatz wäre am Betonmantel zum Scheitern verurteilt. Aber beantworten Sie mir eine Frage, General. Was wissen wir verlässlich über diese Megaspinnen, wenn ich sie so nennen darf?«

»Nicht viel.«

Heinrichs nickte. »Und das ist der Punkt. Der Punkt, an dem Prognosen scheitern. Scheitern müssen. Nur so viel: Aus dem Insektenreich sind Arten bekannt, die Säfte produzieren, mit denen sich so gut wie alles angreifen und zersetzen lässt. Auch Stein. Es kommt nur auf die Konzentration der Substanz und auf die Dauer ihres Einwirkens an.«

»Das hört sich weniger gut an.«

»Ach«, mimte Heinrichs den Überraschten, »Sie wollten gute Nachrichten von mir hören.« Er zuckte mit den Schultern. »Bedaure, das muss ich für einen Moment missachtet haben.«

Für besagten Moment wirkte der ältere Mann wie ausgewechselt, kaum noch schüchtern. Offenbar war er, wenn er sich in seinem Element fühlte, wie ausgewechselt. Es war das erste Mal, dass Schiller ihn so forsch, fast mit einem Anflug von Ironie, erlebte.

»Nein«, erwiderte er, »ich wollte die Wahrheit hören. Danke, Heinrichs. Es bestätigt meine Befürchtungen – auch wenn den letztgültigen Beweis nur die Spinnen selbst erbringen können. Aber dann ist es zu spät.«

»Ist es nicht ohnehin zu spät?«, fragte Heinrichs.

Schiller schüttelte den Kopf. »Nicht, solange wir etwas haben, dem keine Spinne der Welt, egal wie raffiniert, groß oder stark sie ist, Paroli bieten kann.«

Heinrichs Pupillen weiteten sich erkennbar. Er zog den Atem ein. Offenbar wusste er sofort, worauf Schiller anspielte.

Bei anderen dauerte es merklich länger.

»General?«, fragte Polz. »Wären Sie so freundlich, uns aufzuklären?«

»Ich habe noch keine Entscheidung diesbezüglich gefällt«, reagierte Schiller ausweichend. »Aber wenn, werden Sie es als Erste erfahren, meine Damen, meine Herren ...«

Für die nächste Stunde zog Schiller sich in seinen Privatbereich im Bunker zurück – allerdings mit der strikten Weisung, sofort informiert zu werden, wenn die seismischen Aktivität eine Stärke annahm, die davon ausgehen ließ, dass die Spinnen den Betonmantel erreicht hatten. Oder abrupt aufhörten, was eine ähnliche Schlussfolgerung beinhaltete.

Zu seiner Verwunderung klopfte es schon Minuten nach seinem Eintreffen in der Kabine gegen die Tür.

Der Schreck fuhr ihm in die Glieder, aber er ließ sich nicht davon aus der Fassung bringen. »So schne...«

Er verstummte, war erleichtert und auch ein wenig erfreut, als er sah, dass Charlotte Wiemer vor ihm auf dem Gang stand.

»Ich weiß, ich störe. Aber ich wollte ...«

»Kommen Sie herein.«

»Sie?« Sie hob die Brauen, schob sich aber an ihm vorbei in die Kabine, die sie zum ersten Mal überhaupt betrat.

»Ich weiß, ich bin inkonsequent.« Er erklärte ihr, was ihn dazu bewogen hatte, nicht zu den ganzen alten Regularien zurückzukehren, aber doch zur formelleren Ansprache.

»Rituale, so, so.« Sie lächelte, und er forschte nach einem Vorwurf in ihrem Gesicht. Aber wenn sie es ihm verübelte, dann verbarg sie es meisterlich. »Um der Aufrechterhaltung der Ordnung willen ... Hm, warum nicht. Klingt plausibel, damit kann ich leben.«

Schiller führte sie zu einem kleinen Tisch mit zwei Stühlen. Auf der Platte stand eine Vase ohne Wasser, dafür mit einem Strauß, der darauf auch gut verzichten konnte.

»Sie mögen Lilien?«

»Ich mag sie, wenn sie aus Plastik sind«, erwiderte er unromantisch, obwohl es gar nicht stimmte. Aber irgendwie hatte er das Gefühl, Charlotte Wiemer vor den Kopf stoßen zu müssen, um nicht zu riskieren, dass sich zwischen ihnen mehr entwickelte als nur ein Vorgesetzter-Untergebener-Verhältnis.

Idiot. Und warum willst du das?

Darauf wusste er spontan auch keine Antwort.

»Sehr pragmatisch«, ließ sich die Soldatin darauf ein. »Aber man sagt, es werden ohnehin bald keine Blumen mehr wachsen – da draußen. Nicht mal mehr Gras ...«

Schillers Unwohlsein war schlagartig wieder da. »Wer sagt das?«

»Der eine oder andere ... Ich war in der Zentrale, bevor ich herkam.«

»Heinrichs«, sagte Schiller.

Sie zuckte mit den Schultern. »Der Mann hat Stil. Ich unterhalte mich oft mit ihm. Er ist sehr belesen. Er kann auch gut zuhören. Das können nicht viele. Hier unten braucht man das aber, um keinen Koller zu kriegen.«

Schiller nickte. Abwartend sah er sie an.

»Sie wollen nicht darüber reden?«

»Wollen Sie denn darüber reden?«

»Wäre ich sonst gekommen?«

»Ich weiß nicht. Ich habe mich zurückgezogen, um mit mir in Klausur zu gehen. Es ist noch keine Entscheidung gefallen.«

Sie nickte. »Das verstehe ich. Was im Raum steht, wäre von enormer Tragweite.«

»Ohne Zweifel.«

»Dann stimmt es also.«

»Es scheint mir der einzige Ausweg.«

Die Soldatin wirkte noch nachdenklicher als zuvor, regelrecht betroffen. »Die Entscheidung wird Ihnen niemand abnehmen, General. Und wenn ich nicht mit Ihnen da draußen gewesen wäre ... nun, dann würde ich vehement davon abraten. Aber ich war draußen und habe gesehen, was dort noch ist. Eine Welt, die uns Menschen nicht mehr will, höchstens als Beute. Da ist es nur ein kleiner Schritt dorthin, die Welt auch nicht mehr zu mögen.«

Sie erstaunte ihn immer wieder aufs Neue.

»Vielleicht. Wobei ich es so nicht rechtfertigen würde.«

»Die Wortwahl bleibt Ihnen überlassen.«

Er lächelte ohne Freude. »Ja«, sagte er. »Genau wie der Befehl.«

»Sie wollen es also tun.«

»Die Tendenz geht dahin, ja.«

»Wäre es der Gefahr oder Gefährdung angemessen?«

»Ich denke ja.«

Sie stand auf, ging zur Tür, drehte sich erst dort wieder um und sagte: »Das denke ich auch, General. Es gibt nur eine Alternative, oder?«

»Und die wäre?«

»Nichts zu tun – und einfach nur auf sie zu warten. Sie werden einen Weg zu uns herein finden. Nach allem, was wir da draußen an Heimtücke und boshafter Schläue fanden, ist das für mich nur eine Frage der Zeit.«

Sie nickte ihm zu und ging davon.

Sie waren energieautark – wenigstens das. Die ebenso hartnäckigen wie heimtückischen Spinnenkreaturen konnten ihnen nicht den Strom abgraben.

Friedrich Schiller konfrontierte die Bunkermannschaft nach dem Abendessen mit der Entscheidung, die er – auch aufgrund des Dialogs mit Charlotte – getroffen hatte. Er rechnete mit mehr Widerstand, als es dann tatsächlich der Fall war. Immerhin war er dabei ein Tabu zu brechen.

Aber nachdem die größtmögliche Katastrophe, die die Menschheit hätte ereilen können, ohnehin schon Realität geworden war, hatte sich offenbar auch das in den Köpfen der Bunkerbesatzung relativiert.

Als Schiller das magische Wort Neutronenbombe in den Mund nahm, zuckten einige zwar regelrecht zusammen, aber die große Entrüstung blieb aus.

Viele Meter über ihnen hatten sich Heerscharen von tödlichen Spinnenwesen, aber auch noch viele andere Arten und Formen von Monster mehr, gegen die einstigen Herrscher über den Planeten Erde verbündet und wollten offenbar nicht eher ruhen, bis auch das letzte Exemplar der Spezies Homo sapiens vom Antlitz der Welt getilgt war.