Gut geküsst ist halb gewonnen - Rachel Gibson - E-Book

Gut geküsst ist halb gewonnen E-Book

Rachel Gibson

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Beschreibung

Witzig, spannend, sexy!

Es knistert nur so vor erotischer Spannung, als sich die Krankenschwester Lucy Rothschild und der Klempner Quinn endlich gegenüber stehen. Denn kennengelernt hatten sie sich in einem Dating-Chat. Doch Lucy ist in Wahrheit gar keine Krankenschwester, sondern Krimiautorin und Quinn kein Klempner, sondern als Polizist undercover auf der Jagd nach einer Serienmörderin, die ihre Opfer über das Internet aussucht. Obwohl Lucy seine Hauptverdächtige ist, fühlt Quinn sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Und auch Lucy lässt Quinn nicht kalt …

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Seitenzahl: 401

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Buch

Bisher waren die Männer, die Lucy Rothschild über eine Internet-Dating-Plattform kennen gelernt hat, ein absolutes Fiasko: verklemmte Gestalten oder schwatzhafte Dummköpfe. Aber jetzt sitzt ihr Quinn gegenüber, und er ist nicht nur absolut sexy, sondern scheint sympathisch und ehrlich zu sein. Dumm nur, dass Lucy nicht den Mann fürs Leben, sondern einfach nur eine Vorlage für das nächste Mordopfer in ihrem Roman sucht. Denn Lucy ist eine erfolgreiche Schriftstellerin, deren nächster Krimi von einer weiblichen Serienmörderin handelt, die ihre Opfer online findet. Damit kommt Lucy aber der Realität bedrohlich nah. In ihrer Heimatstadt Boise geht eine Mörderin um, die es auf ihre männlichen Internetbekanntschaften abgesehen hat, und die Polizei schickt ihre Ermittler auf Online-Dates, um die Frau zu finden. Einer von ihnen ist Quinn, der Lucy während der ersten Verabredung zur Hauptverdächtigen erklärt. Ihre Tarnung als Krankenschwester fliegt schnell auf, und sie weiß auffallend gut über polizeiliche Ermittlungsmethoden Bescheid. Außerdem hatte sie sich mit zweien der Mordopfer getroffen. Quinn fehlt nur noch der letzte Beweis, um die vermeintliche Serienmörderin zu überführen. Trotzdem kann er es nicht verhindern, dass er sich von der klugen, blonden Schönheit unwiderstehlich angezogen fühlt. Und auch Lucy wünscht sich Quinn lieber lebendig in ihren Armen als tot in ihrem neuen Buch …

Autorin

Seit sie sechzehn ist, erfindet Rachel Gibson mit Begeisterung Geschichten. Mittlerweile hat sie nicht nur die Herzen ihrer Leserinnen erobert, sondern wurde auch mit dem »Golden Heart Award« der Romance Writers of America und dem »National Readers Choice Award« ausgezeichnet. Rachel Gibson lebt mit ihrem Ehemann, drei Kindern, zwei Katzen und einem Hund in Boise, Idaho.

Inhaltsverzeichnis

BuchAutorinWidmungProlog1. Kapitel - MYSTERYGIRL: SUCHT MANN FÜR GEHEIMNIS ...2. Kapitel - TARZAN: SUCHT JANE FÜR SPASS UND SPIEL ...Copyright

Dieses Buch ist mit viel LiebeCathy Wilson gewidmet,Freundin, Schriftstellerin und schräge Type.Unser Literaturkritik/Martini-Abend ist nicht mehr derselbeohne dein Lachen.Du wirst immer in meinem Herzen sein.

Prolog

Von: [email protected]

An: [email protected]; [email protected]; [email protected]

Betreff: singles.com-Date

Hallo alle zusammen,

heute Abend ist mein letztes Internet-Kaf fee-Date. Er heißt Hardluvnman. Ich bete, dass er noch seine eigenen Zähne hat.

Wünscht mir Glück,

Lucy

Von: [email protected]

An: [email protected]; [email protected]; [email protected]

Lucy,

viel Glück bei deinen Recherchen. Hoffentlich hat er noch seine eigenen Zähne und Haare und hält beides mit der Bürste in Schuss.

Clare

Von: [email protected]

An: [email protected]; [email protected]; [email protected]

Freu mich schon drauf, alles über Lucys Hardluvnman zu hören.

Adele

P.S. Was für ein Typ nennt sich denn Hardluvnman? Will er damit irgendwas kompensieren?

Von: [email protected]

An: [email protected]; [email protected]; [email protected]

Lucy,

mach das, um Himmels willen, nicht. Auf diesen Online-Dating-Sites lauern massenhaft Serienmörder. Da haben sie leichtes Spiel. Bevor du dich’s versiehst, trägt irgendein Kerl deinen Kopf als Kopfputz.

Alles Liebe,

Maddie

Lucy Rothschild fuhr mit ihrem BMW in die Parklücke, die am nächsten zum Starbucks-Eingang lag, und stellte den Hebel der automatischen Gangschaltung auf Parken. Regen hämmerte auf die Motorhaube und prallte vom Asphalt ab, als sie den Motor abstellte. Ihr Blick schweifte über das Einkaufszentrum und suchte das grünweiße Starbucks-Schild neben dem grellgoldenen Schein des Blockbuster-Videoladens. Aus dem Coffee Shop strömte Licht auf den nassen Bürgersteig, während die Regentropfen, die an Lucys Windschutzscheibe hinabglitten, kräftige Farben und tintenschwarze Schatten verschmierten wie auf einem abstrakten Gemälde.

Bevor du dich’s versiehst, trägt irgendein Kerl deinen Kopf als Kopfputz. Lucy stellte den Motor ab und stopfte die Autoschlüssel in die Tasche ihres marineblauen Ralph-Lauren-Blazers. Sie hasste es, wenn Maddie sowas sagte. Wenn sie alle anderen mit ihrer Paranoia ansteckte. Maddie interviewte beruflich Psychopathen, aber das hieß noch lange nicht, dass alle Männer Kinderschänder, Vergewaltiger oder Serienmörder waren. Lucy schrieb ebenfalls über Mord, aber sie verfasste Romane und war in der Lage, ihre Schreiberei vom wahren Leben zu trennen. Maddie dagegen schien damit Probleme zu haben.

Lucy schnappte sich den Regenschirm vom Beifahrersitz und öffnete die Wagentür. Schließlich hatte sie nicht vor, ein zweites Treffen mit Hardluvnman zu arrangieren oder gar mit ihm aus Starbucks wegzugehen. Sie hatte nicht einmal vor, dieses Kaffee-Date ernster zu nehmen als die anderen, die sie in den vergangenen Monaten gehabt hatte.

Sie tippte mit dem Daumen auf den Knopf ihres Regenschirms, und der rote Baldachin entfaltete sich, als sie aus dem Auto stieg. Wie die anderen »Dates« auch war das heute Abend rein geschäftlich. In der Jackentasche trug sie ihren kleinen Notizblock und einen Stift bei sich, gleich neben der Minispraydose mit Tränengas. Notizblock und Stift hatte sie dabei, falls sie sich pikante Details über Hardluvnman notieren musste, wenn er weg war. Das Tränengas war für den Fall, dass er ihren Kopf als Kopfputz tragen wollte.

Verfluchte Maddie.

Lucy blieb kurz stehen, um die Wagentür hinter sich zu schließen. Dann lief sie über den Parkplatz und wich dabei den Pfützen aus. Es sei denn, Hardluvnman war anders, würde sie Stift und Papier nicht einmal brauchen. Es sei denn, er war anders als die anderen, würde er sie beim Warten in der Kaffeeschlange von Kopf bis Fuß mustern, als wäre sie ein Airedale Terrier in der Zuchtschau des Westminster-Hundeclubs. Bestand sie die Prüfung, würde er ihr den dreifachen Grande Skinny Latte spendieren (bitte keine Sahne), sie fragen, was sie beruflich machte (obwohl sie sich in ihrem Profil ganz unaufrichtig als Krankenschwester ausgegeben hatte), um dann über sich selbst (was für ein toller Kerl er war) und seine frühere Ehefrau/Freundin (und was für eine blöde Zicke sie doch war) zu reden. Wenn Lucy die Prüfung nicht bestand, musste sie ihren Kaffee selbst zahlen. Was ihr erst einmal passiert war.

Bigdaddy182 war ein richtig ordinäres Arschloch mit Silberzahn und Nackenhaarzopf gewesen. Er hatte einen Blick auf sie geworfen und »Sie sind aber dünn« gesagt, als wäre das eine größere Scheußlichkeit als sein Bierbauch. Sie hatte ihren Kaffee selbst bezahlt und ihm dann eine Stunde lang bei seiner Selbstbeweihräucherung zugehört. Während er von seiner Fahrt zur Motorrad-Rallye in Sturgis und seiner Zicke von Exfrau faselte, hatte Lucy sich die unterschiedlichsten Methoden überlegt, ihn um die Ecke zu bringen. Schlimme, abscheuliche Methoden. Letztlich war sie aber zu dem Schluss gekommen, dass sie den Modus Operandi ihres weiblichen Serienmörders beibehalten musste, auch wenn erotische Strangulation ihr als Todesart für ihn zu angenehm erschienen war.

Nur zwei Schritte vor der Bordkante tappte Lucy doch noch in eine Pfütze. Um ein Haar hätte sie es trockenen Fußes geschafft. Kaltes Wasser schwappte über die Spitze ihrer schwarzen Stiefelette und bespritzte den Saum ihrer schwarzen Jeans.

»Schei-benkleister!«, murmelte sie und betrat den Bürgersteig. Sie öffnete die Tür zu Starbucks und trat ein. Sofort stieg ihr der Duft starken schwarzen Kaffees in die Nase, und das leise, stete Stimmengemurmel vermischte sich mit den Geräuschen von Kaffeemühle und Espressomaschine. In welche Stadt Lucy auch reiste, bei Starbucks waren Geruch und Interieur immer gleich. Ähnlich wie in den Buchläden »Barnes and Noble« oder »Borders«. Irgendwie hatte das etwas Tröstliches.

Lucy schloss ihren Regenschirm und ließ den Blick über die goldenen Wände und die Kunden schweifen, die auf harten Holzstühlen an braunen Tischen saßen. Kein Mann mit roter Baseballmütze. Hardluvnman war spät dran.

Lucy schob ihren Regenschirm in den Ständer an der Tür und ging zur Theke. Als er sie per E-Mail um eine Verabredung bat, hatte er geschrieben, sein richtiger Name sei Quinn. Trotzdem nannte Lucy ihn im Geiste lieber Hardluvnman. Sie wollte weder ihn noch sonst eine dieser Verabredungen als richtige Menschen sehen. So fiel es ihr leichter, sie ins Jenseits zu befördern.

Sie bestellte ihren Latte ohne Sahne und nahm an einem runden Ecktischchen Platz. Dann knöpfte sie ihren Blazer auf und rückte den Rollkragen ihres marineblauen Pullis zurecht.

Es warf ein trauriges Licht auf ihr Liebesleben, dass die einzigen Verabredungen, die sie in letzter Zeit gehabt hatte, nicht einmal echte Verabredungen gewesen waren, überlegte sie. Der einzige Grund, dass sie sich Männern wie Bigdaddy182 aussetzte, war, dass sie für ihren neuen Krimi dead.com recherchieren musste.

Lucy führte ihren Kaffee an die Lippen und trank vorsichtig einen Schluck. Sie brauchte nur noch ein letztes Opfer für ihr Buch. Selbst wenn Hardluvnman sich als anständiger Kerl entpuppte, der nicht zu sterben brauchte, war Lucy fertig mit Internet-Kaffeeverabredungen. Sie hatte genug von Männern, die sich aufführten, als sei es ihre Aufgabe, ihnen nachzulaufen. Als müsste sie sie davon überzeugen, sie um eine zweite Verabredung zu bitten. Wenn dieses letzte Date ein Riesenreinfall wurde, musste sie sich etwas anderes überlegen. Wie sich, zum Beispiel, der gesamten armseligen Charaktereigenschaften all ihrer lügenden, betrügenden Exfreunde zu bedienen und sie zusammenzumixen. Doch das hatte sie schon öfter getan, und sie befürchtete, ihre Leserinnen würden irgendwann spitzkriegen, dass die Opfer in all ihren Büchern immer denselben wiederaufbereiteten Verlierertypen ähnelten.

Nein, es war Zeit für neue Verlierertypen. Es gab diverse faszinierende Gründe, warum sie sich unter den vielen potenziellen Kandidaten ausgerechnet Hardluvnman für ein Treffen ausgesucht hatte. Erstens war sein Foto auf der Dating Site so unscharf, dass man nur schwer sagen konnte, wie er wirklich aussah. Das Bild vermittelte nur den allgemeinen Gesamteindruck einer düsteren, intensiven Ernsthaftigkeit, die sie irgendwie geheimnisvoll fand. Zweitens stand in seinem Profil, dass er Klempner war und sein eigenes Geschäft hatte. Was durchaus eine Lüge sein konnte, wahrscheinlich aber die Wahrheit war, denn wer würde schon anderen vorlügen, Klempner zu sein. Und drittens fiel Hardluvnman nicht in die Kategorie der noch nie verheiratet gewesenen oder geschiedenen Fünfunddreißig- bis Vierzigjährigen, sondern war Witwer. Was durchaus die Wahrheit sein konnte oder bloß ein schäbiger Trick, um Sympathiepunkte zu sammeln und Frauen ins Bett zu kriegen. Wenn Letzteres der Fall war, hatte Lucy ihr letztes Opfer gefunden. Voilà!

Die Ladentür schwang auf, und ein Mann mit schütter werdendem Haar trat ein. Lucy erkannte ihn sofort. Er hieß Mike, alias Klondikemike. Er war ihre erste Kaffee-Verabredung gewesen, und ihr erstes Mordopfer. Er steuerte auf eine Blondine zu, die am Regal mit Kaffeetassen stand, und sie gingen gemeinsam zur Theke. Mike musterte sie von Kopf bis Fuß und zahlte für zwei Kaffee und eine Tüte Kaffeebohnen mit Schoko-Überzug. Als die beiden sich den Weg zu einem Tisch ein paar Meter von Lucy entfernt bahnten, fing Mike Lucys Blick auf und sah schuldbewusst weg. Er hatte ihr nach ihrem Treffen keine E-Mails mehr geschrieben, aber sie hätte ihn beruhigen können. Sie hatte sowieso kein Interesse an einem Typen, der sie erbarmungslos zutextete und dabei Kaffeebohnen einwarf wie Amphetamine, und ihm gleich im ersten Kapitel mit einer Plastiktüte über dem Kopf den Garaus gemacht.

Sie wischte den roten Lippenstift vom Rand ihrer Tasse und sah sich an den anderen Tischen um. Sie war überrascht, dass die kürzlich in Boise geschehenen Morde nicht zu einer Flaute in der Dating-Szene geführt hatten. Überrascht, aber erleichtert, da es ihren eigenen Zwecken diente.

In den vergangenen Monaten waren drei Männer in ihren Wohnungen erstickt worden. Mit einem der Opfer, Lawrence Craig, alias Luvstick, hatte sie sich sogar im Moxie Java auf einen Kaffee getroffen, was sie immer noch ziemlich fertigmachte.

Die Polizei rückte nicht viele Informationen heraus, außer dass alle drei Todesfälle auf Erstickung zurückzuführen waren. Sie gab jedoch nicht an, um welche Art des Erstickens es sich handelte, nur dass der mutmaßliche Täter eine Frau war. In der Zeitung hatte auch nicht gestanden, wie oder wo die Mörderin ihre Opfer traf; Maddie hatte spekuliert, dass die Frau sie wahrscheinlich in Bars aufgabelte. Lucy tendierte dazu, ihr Recht zu geben. Dass Lucy über erotische Asphyxiation schrieb, während in der Stadt Männer erstickt wurden, war ein Riesenzufall, doch es gab die unterschiedlichsten Möglichkeiten, einen Erstickungstod zu erleiden. So viele, wie das menschliche Hirn sich nur ausdenken konnte, und über die zahlreichen Möglichkeiten, wie das Leben die Kunst nachahmen konnte, wollte sie lieber gar nicht erst nachdenken. Und außerdem weigerte sie sich, das wahre Leben mit Fiktion zu verwechseln und so paranoid zu werden wie Maddie.

Der Anzahl der Paare im Starbucks nach zu urteilen, schienen Männer keine Angst zu haben, sich in Coffee Bars mit Frauen zu treffen. Wahrscheinlich weil sie sich, so wie Lucy ihre Dates, über Dating Sites kennen gelernt und bereits E-Mails ausgetauscht hatten. Und sich bei Starbucks zu treffen war sicher.

Bevor Lucy beschlossen hatte, sich zu Recherchezwecken übers Internet Männer zu suchen, war sie der Meinung gewesen, dass Online-Dating … nun ja, etwas für Verzweifelte und Stubenhocker war. Auch wenn Lucy verstand, warum Frauen übers Internet Bekanntschaften suchten, konnte sie das bei Männern überhaupt nicht nachvollziehen. Warum sollte ein passabel aussehender Kerl, der einen Job und seine eigenen gepflegten Zähne hatte und nicht bei seiner Mutter wohnte, übers Internet nach einer Verabredung suchen? War es nicht die ureigenste Aufgabe des Mannes, Frauen in Bars und Restaurants oder gar in der Obstabteilung von Albertson’s aufzugabeln?

In den vier Wochen nach ihrer ersten Online-Verabredung hatte sie herausgefunden, dass die Männer online – wie Bigdaddy182 und Klondikemike – erwarteten, dass sie ihnennachlief. Außerdem schienen sie in zwei Kategorien zu fallen: diejenigen, die um die Ecke gebracht werden mussten, und diejenigen, die so langweilig waren, dass sie sich am liebsten selbst umgebracht hätten.

Klar, bestimmt gab es irgendwo da draußen im Netz auch ein paar tolle Typen. Nette Männer, die einfach nur nette Frauen kennen lernen wollten, weil sie in ihrem Alltag nicht viele davon trafen, tolle Typen, die sich nicht gern in Bars oder Obstabteilungen herumtrieben. Sie hatte bloß keinen davon getroffen. Eigentlich hatte sie schon sehr lange überhaupt keine tollen Typen mehr getroffen, sei es nun im Netz oder sonstwo. Ihr letzter Freund war ein charmanter Alkoholiker gewesen, der mehr besoffen gewesen war als nüchtern. Als sie ihn das letzte Mal gegen Kaution aus dem Gefängnis holen musste, hatte sie endlich zugeben müssen, dass ihre Freundinnen Recht hatten. Sie war ein Problemjunkie mit Rotkreuzschwester-Komplex. Aber das war jetzt vorbei. Sie war es leid, ständig zu versuchen, irgendwelche Nieten zu retten, die sie nicht zu schätzen wussten.

Lucy schob den Ärmel ihres Blazers hoch und sah auf die Uhr. Zehn nach sieben. Zehn Minuten zu spät. Fünf Minuten würde sie Hardluvnman noch geben, dann wäre sie weg.

Sie hatte ihre Lektion über gestörte Männer gelernt. Sie wollte einen netten, normalen Typen, der nicht zu viel trank, nicht auf irgendwelche Extreme stand und keine Mami/ Papi-Komplexe mit sich rumschleppte. Ein Mann, der weder zwanghaft log, noch serienweise fremdging. Der nicht emotional zurückgeblieben oder körperlich abstoßend war. Ihrer Meinung nach war es auch nicht zu viel verlangt, dass er über ausreichende sprachliche Fähigkeiten verfügen musste. Ein reifer Mann, der wusste, dass das Grunzen einer Antwort noch keine Unterhaltung ausmachte.

Lucy trank gerade einen Schluck Kaffee, als die Tür zu Starbucks aufschwang. Sie blickte vom Boden ihrer Tasse zu dem Mann auf, der den Eingang ausfüllte, als wäre er von einem Kongress für Verrückte und Bösewichte hereingeweht worden. Der Schirm seiner roten Baseballmütze war tief in seine Stirn gezogen und warf einen Schatten über Augen und Nase. Seine gebräunten Wangen waren von der Kälte gerötet, und die Spitzen seines schwarzen Haares ringelten sich wie Angelhaken um den Mützenrand. Regen durchnässte die breiten Schultern seiner Bomberjacke aus schwarzem Leder. Der Reißverschluss war offen, und Lucys Blick glitt an einem breiten weißen T-Shirt-Streifen herab zum Hosenbund einer verblichenen Levi’s. Während er dort stand und den Blick von Tisch zu Tisch schweifen ließ, schob er die Finger in die Vordertaschen seiner abgetragenen Jeans, sodass seine Daumen auf den zugeknöpften Hosenschlitz zeigten.

Mr. Hardluvnman war endlich da.

Wie auf dem Foto auf der Website konnte Lucy sein Gesicht nicht deutlich erkennen, doch als er den Blick auf sie richtete, wusste sie, dass er es war. Sie war wie elektrisiert. Langsam ließ sie ihre Tasse sinken, während er die Hände aus den Taschen nahm und auf sie zuschlenderte. Er lief lässig aus den Hüften heraus, groß und schlank, Entschlossenheit in jedem Schritt. Er bahnte sich den Weg durch Stühle und Cafébesucher, wandte den Blick jedoch nicht von ihr, bis er vor ihrem Tischchen stand.

Der Schatten seiner Schirmmütze lag genau über dem tiefen Bogen seiner Oberlippe. Er hob die Hand und schob mit einem Finger langsam den Schirm hoch. Nach und nach glitt der Schatten über seinen Nasensattel und die dichten schwarzen Augenbrauen. Seine Augen, die auf sie herabblickten, hatten die Farbe einer heißen kolumbianischen Kaffeemischung.

Lucy war Schriftstellerin. Sie arbeitete mit Worten. Sie füllte jedes ihrer Bücher mit hunderttausenden davon. Doch ihr schossen nur drei durch den Kopf: Ach, du Scheiße! Nicht gerade beredt, aber auf den Punkt genau.

»Sind Sie Lucy?«

»Ja.«

»Entschuldigen Sie die Verspätung«, sagte er. Seine Stimme war tief, testosteronrau. »Meine Hündin ist über den Mülleimer hergefallen, als ich gerade loswollte, deshalb musste ich erstmal ihren Dreck wegmachen.«

Was Lucys Meinung nach die Wahrheit sein konnte, es aber, wie sie sich ins Gedächtnis rief, wahrscheinlich nicht war. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Nach heute Abend würde sie diesen Prachtkerl von Hardluvnman sowieso nie wiedersehen. Was eigentlich sehr schade war, da er der attraktivste Mann war, den sie je außerhalb eines Männermagazins gesehen hatte.

»Ich bin Quinn.« Er streckte ihr die Hand hin, und seine Jacke öffnete sich und gab den Blick auf stahlharte Brust-und Bauchmuskeln frei, die fest in seinem engen T-Shirt verpackt waren. Die Art von Brust- und Bauchmuskeln, die die Frage nur noch untermauerten: Warum musste ein Mann wie er online gehen, um eine Frau zu finden? Sie brauchte nicht lange für die Antwort. Unter diesem harten Körper stimmte etwas nicht mit ihm. Es musste einfach so sein.

Lucy nahm seine Hand, und seine warme Handfläche presste sich gegen ihre. Schwielig. Kräftig. Eine Hand, die tatsächlich einem Klempner gehören könnte. Sie entzog ihm die Hand wieder und schlang sie um ihre Tasse. »Wollen Sie sich keinen Kaffee holen?«

»Ich bin wunschlos glücklich.« Als er sich setzte, glitt sein dunkler Blick prüfend über ihr Gesicht, ihr Haar und ihre Wangen, dann zu ihrem Mund. Seine Stimme wurde etwas tiefer, als er fragte: »Und Sie?«

Ob sie wunschlos glücklich war? Sie blinzelte verwirrt und fragte: »In welcher Beziehung?«

Er lachte leise. »Möchten Sie noch einen Kaffee?«

»Ach so. Nein. Danke.« Sie legte ihre Hände flach auf den Tisch und ließ sie in ihren Schoß gleiten. »Ich hab schon zu viel Koffein intus.« Ganz offensichtlich. Normalerweise ließ sie sich von gut aussehenden Männern nicht so leicht aus der Fassung bringen. Normalerweise. »Das ist der Nachteil dieser späten Kaffeeverabredungen.«

»Wie viele solcher Rendezvous haben Sie schon hinter sich?«

Rendezvous? »Genug.« Sie legte den Kopf schief und konzentrierte sich darauf, irgendeinen Makel an ihm zu entdecken. Bloß weil sie ein bisschen durcheinander war, hieß das nicht, dass sie vergessen hatte, worum es bei diesem Treffen ging. »Und Sie?«

»Nicht viele. Ich bin lange nicht mehr mit Frauen ausgegangen, und diese ganze Internet-Chatroom-Dating-Sache ist neu für mich.«

Das war es also. Er tummelte sich in Chatrooms. Sie hatte Recht gehabt. Es war wirklich etwas faul an ihm. Etwas, das sich hinter diesen dunklen Augen, den langen schwarzen Wimpern und der sanften, maskulinen Stimme verbarg. »Ich hab in Ihrem Profil gelesen, dass Ihre Frau gestorben ist. Mein Beileid.«

»Danke schön.« Er setzte die Kappe ab und fuhr sich mit den Fingern durch die dichten schwarzen Haarsträhnen. Die Spitzen ringelten sich um seine Fingerknöchel. »Es ist jetzt sechs Monate her.«

Eine relativ kurze Zeit, um sich nach einem Ersatz umzusehen, dachte Lucy. Das konnte heißen, dass er einsam war. Oder ein gefühlloser Scheißkerl. »Woran ist sie gestorben?«

»Ein Autounfall. Es war unser zehnter Hochzeitstag, und sie wollte schnell im Supermarkt noch eine Flasche Champagner holen. Ich hab zu Hause mit zwei Dutzend Gänseblümchen auf sie gewartet, aber sie ist nicht zurückgekommen.«

Gänseblümchen? War er etwa ein knauseriger, gefühlloser Scheißkerl?

Er lachte unbehaglich und setzte seine Mütze wieder auf. »Gänseblümchen waren ihre Lieblingsblumen.«

Okay, jetzt fühlte sie sich ein bisschen schäbig. Es war schließlich möglich, dass er die Wahrheit sagte. Aber er konnte genauso gut ein Schwindler sein. Ein Schwindler mit einem Körper, der auch vernunftbegabten Frauen das Hirn umnebelte. »Sie müssen sie furchtbar vermissen.«

»Mehr als ich es je für möglich gehalten hätte. Sie hat mir alles bedeutet.« Er senkte den Blick auf den Tisch, sodass sie unter dem Mützenschirm die Emotion in seinen dunklen Augen nicht sehen konnte. »Manchmal schmerzt es so sehr …« Er schwieg mehrere Herzschläge lang, bevor er fortfuhr. »Manchmal kann ich kaum atmen.«

Oh mein Gott, dachte Lucy. Sie sollte das für Clare notieren. Clare schrieb Liebesromane, und das war wirklich herzzerreißend. Lucy musste zugeben, dass es sogar bei ihr wirkte  – einer romantischen Zynikerin der härtesten Sorte.

»Sie hatte weiches rotes Haar, und wenn sie schlief, breitete es sich fächerförmig auf ihrem Kissen aus. Manchmal blieb ich wach, nur um ihr beim Träumen zuzusehen.«

Lucy zog irritiert die Augenbrauen zusammen, während in ihrem Kopf Aerosmith hämmerte. Das war entweder das Netteste, das sie je gehört hatte, oder er klaute Zitate aus Songtexten. Wenn Letzteres der Fall war, war er wirklich mies. »Wie hieß sie?«

»Millie. Wir kamen kurz vor dem Highschool-Abschluss zusammen.«

»Sie waren schon an der Highschool ein Pärchen?«

»Ja, aber wir haben uns einmal kurz getrennt, weil ich ein Trottel war.« Er zuckte mit seinen breiten Schultern, blickte aber nicht auf. »Ich war dreiundzwanzig und dachte, ich müsste auch mit anderen Frauen ausgehen. Doch nach einem Monat wurde mir klar, dass Millie alles hatte, was ich bei einer Frau suchte.« Er räusperte sich und sagte, als würde es ihm schwerfallen, die Worte herauszubringen: »Sie war die andere Hälfte meiner Seele.«

Wieder war das entweder echt romantisch oder wirklich mies. Lucy tendierte zu mies, weil an einem Typen, der den perfekten Körper hatte und trotzdem die Chatrooms nach einer Verabredung abklapperte, irgendetwas faul sein musste. Irgendeine versteckte Persönlichkeitsstörung. »Ist es nicht zu früh für Sie, sich nach einer neuen Frau umzusehen?«

»Nein.« Er blickte auf, und seine braunen Augen schauten in ihre. »Ich muss versuchen, mein Leben weiterzuleben. Ich suche keinen Ersatz für meine Frau, aber an manchen Abenden fällt mir zu Hause einfach die Decke auf den Kopf. Manchmal ist es einfach zu öde, nur mit einem Hund zur Gesellschaft zu Hause zu sitzen und Cold Case Files zu gucken.«

Er sah gern Cold Case Files? Diese Crime-Doku-Reihe war ihre Lieblingssendung, und wenn sie eine Folge mal nicht sehen konnte, zeichnete sie sie auf. »Cold Case Files auf CBS oder A&E?«

»A&E. Mir gefallen die echten Fälle.«

»Mir auch! Haben Sie die Folge gestern Abend gesehen?«

»Wo sie den Torso in dem Sportbeutel gefunden haben?« Er lehnte sich zurück, und die Jackennähte an seinen Schultern platzten fast, als er die Arme vor der Brust verschränkte. »Ja, hab ich.«

»Da haben sie ganz schön Schwein gehabt.«

Quinn rutschte auf seinem Stuhl ein Stückchen nach unten und brachte seinen Blick auf eine Höhe mit ihrem. »Science Fiction hat die Verbrecher endlich eingeholt.«

»Das stimmt. Da fragt man sich, wie heutzutage überhaupt noch jemand mit irgendwas davonkommt.« Lucy nippte an ihrem Kaffee und gab den Versuch auf, ihn auf irgendwelche Makel hin abzuklopfen. Da sie ihn sowieso nie wiedersehen würde, war es im Grunde auch egal. »Andererseits kommen jeden Tag Leute mit Verbrechen davon. Sie müssen nur schlau genug vorgehen.«

Seine dichten Augenbrauen senkten sich nachdenklich. »Glauben Sie, dass es das perfekte Verbrechen gibt?«

Tat sie das? In ihren Büchern wurden die Fälle immer spätestens auf der letzten Seite gelöst, die Täter vor Gericht gestellt. Doch war das auch im wahren Leben so? »Ich glaube, wenn man schlau ist und ein bisschen recherchiert, kann man durchaus das perfekte Verbrechen begehen. Und selbst, wenn es nicht ganz so perfekt ist, kann man immer noch damit durchkommen.«

Er sah sie mehrere Herzschläge lang an, dann fragte er: »Wie meinen Sie das?«

»Die meisten Verbrecher werden geschnappt, weil sie über ihre Tat reden müssen. Außer Serienmörder. Serienmörder kommen ungeschoren davon, weil sie normalerweise nicht über ihre Taten sprechen.«

»Woran liegt das Ihrer Meinung nach?«, fragte er.

»Wahrscheinlich, weil sie kein Gewissen haben. Die meisten Menschen mit einem Gewissen erzählen jemandem von ihrem Verbrechen. Das ist wie beim Niesen. Es muss raus, um den Druck abzubauen.«

»Und Sie glauben, Serienmörder brauchen den Druck nicht abzubauen?«

»Klar müssen sie das. Aber bei ihnen baut das Töten den Druck ab.« Über Verbrechen zu reden, war eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Wenn sie sich mit ihren Freundinnen traf und sie sich übers Schreiben unterhielten, ging es mehr um Verfahrensfragen. Jede schrieb in einem anderen Genre, deshalb gingen sie normalerweise nicht allzu sehr ins Detail. Tja, außer Maddie. Die ging bis in die grausamsten Details, normalerweise beim Mittagessen, und dann mussten sie ihr den Mund verbieten. Es war irgendwie schön, mit jemandem über Mord zu sprechen, der nicht so aussah, als würde er über Lebertemperaturen aus dem Häuschen geraten.

»Haben Sie die Folge neulich Abend über diese Frau gesehen, die ihre fünf Ehemänner vergiftet hat?«, fragte Quinn.

»Bonnie Sweet? Ja, hab ich.« Bonnie war die Inspiration für Lucys viertes Buch Tee von einem Bevollmächtigten gewesen. Wie Lucys mordlüsterne Protagonistin hatte Bonnie aus Maiglöckchen einen giftigen Tee gebraut und ihn in edlem Wedgwood-Porzellan serviert. »Diese Frau hat einfach gern gegärtnert.« Dass Lucy bei einem Kaffee-Date über dieses Thema sprach, mochte leicht seltsam sein, doch es war tausendmal spannender, als einem Mann dabei zuzuhören, wie er über seine Ex lästerte, von seinem Motorrad schwärmte oder seinen Jagdausflug nach Alaska noch einmal durchlebte. Sie würde Quinn nie mehr wiedersehen, wenn sie Starbucks verließ, was spielte es also für eine Rolle, worüber sie sich unterhielten? »Man muss Bonnie Extrapunkte für ihren Stil geben.«

Quinn sah ihr in die Augen, als wollte er feststellen, ob sie eine Psychopathin war, oder nur zu viel allein vor der Glotze saß. In Wahrheit war sie eine harmlose Autorin mit massenhaft Recherchen im Kopf. Über alles von Spitzenunterwäsche bis Leichenblässe.

Er setzte sich wieder aufrecht hin, beugte sich vor und legte die Arme auf den Tisch. »Es braucht schon eine kaltherzige Frau, um jemanden langsam zu vergiften, den man angeblich liebt. Oder einmal geliebt hat.«

Was absolut die Wahrheit war. Serienmörderinnen waren kaltherzige Miststücke. Jede Einzelne von ihnen. Außerdem waren sie ordentlicher. Schlauer. Sauberer und, Lucys Meinung nach, viel interessanter als ihre männlichen Pendants. »Ja, aber genau das macht sie letztlich so faszinierend.«

»Faszinierend?« Er schüttelte fassungslos den Kopf und lachte ironisch. »Gott sei Dank gibt es nicht viele dieser ›faszinierenden‹ Frauen.«

»Vielleicht gibt es sie ja, und wir wissen es bloß nicht?« Lucy legte lächelnd den Kopf schief. »Vielleicht sind Mörderinnen einfach schlauer als Mörder und werden nicht geschnappt.«

»Vielleicht.« Er sah ihr intensiv in die Augen, und sie hatte langsam das Gefühl, dass er auf irgendetwas achtete. Worauf, hatte sie keine Ahnung. Quinn öffnete den Mund, um weiterzusprechen, doch ein Würgegeräusch lenkte ihn ab. Lucy schaute nach links zu Mike und seiner blonden Begleiterin. Mike hielt mit beiden Händen die Tischkante umklammert, und Gesicht und Nacken waren tiefrot angelaufen.

»Oh mein Gott!« Lucy sprang so schnell auf, dass ihr Stuhl nach hinten kippte. »Klondikemike ist am Ersticken. Unternimmt denn keiner was?«

»Sollten Sie nicht was unternehmen?«

Sie sah Quinn entgeistert an, der sich ebenfalls erhob. »Ich?«

»Sind Sie nicht Krankenschwester?«

Krankenschwester? »Was?« Oh Scheiße. Stimmte ja. Sie hatte in ihrem Profil gelogen. Da sich sonst niemand zu rühren schien, legte sie schnell die kurze Strecke zurück. Leider beherrschte sie das Heimlich-Manöver nicht, deshalb tat sie das Naheliegendste: Sie schlug Mike zwischen die Schulterblätter. Als nichts passierte, schlug sie fester zu.

Mikes Begleiterin kreischte hysterisch. Jemand schrie vom anderen Ende des Coffee Shops: »Ruft den Notarzt! Ein Mann ist am Ersticken.«

Die Geräuschkulisse im Starbucks schwoll von leisem stetem Gemurmel zu einer Woge aus Geschrei und über den Boden schrammenden Stühlen an.

»Großer Gott«, fluchte Quinn. Er packte Lucy an den Armen, hob sie hoch und räumte sie aus dem Weg. Dann hievte er Mike von hinten hoch, und nach einem abrupten Drücken flog eine Kaffeebohne durch die Luft und traf Mikes fassungslose Begleiterin genau zwischen den Augen. Mike holte tief und keuchend Luft. »Danke«, presste er hervor.

Quinn nickte. »Kein Problem.«

Die Kakophonie aus lauten Stimmen steigerte sich noch, als sich die Leute um Mike scharten, um sich zu überzeugen, dass es ihm gut ging. Quinn stand daneben, das Gewicht auf ein Bein verlagert und die Hände in die Hüften gestemmt. Seine Mundwinkel verzogen sich ironisch nach unten, während er das Spektakel beobachtete. Die Lücke zwischen dem Reißverschluss seiner Jacke über seiner harten Brust wurde breiter, und Lucy glaubte, ihn etwas murmeln gehört zu haben, das verdächtig klang wie »Krankenschwester, guter Witz«.

Quinn McIntyre schob die Finger in die Vordertaschen seiner Levi’s und stieß einen frustrierten Seufzer aus. Sein Atem hing wie Rauch in der Luft, und seine Augen verengten sich, während er beobachtete, wie sich die Rücklichter von Lucys silbernem BMW entfernten. Ihren verdammten Kaffeebecher hatte sie mitgenommen. Außer ihn ihr gewaltsam zu entwinden, hatte er keine Möglichkeit gesehen, sie davon abzuhalten.

Der Regen hatte inzwischen aufgehört, aber drei Viertel des Vollmonds waren von tintenschwarzen Wolken verdeckt. Quinn trat vom Gehsteig und lief über den Parkplatz zu einem schwarzen Ford Econoline Van. Lucy war genauso wenig Krankenschwester wie er Klempner, aber das hatte er schon gewusst, als er ihr die erste E-Mail schrieb. Er hatte die ganze Zeit über gewusst, dass ihr Internet-Profil gequirlte Scheiße war, und war genauestens darüber im Bilde gewesen, was sie beruflich machte. Als er sich heute Abend mit ihr traf, hatte er viel mehr über sie gewusst als ihre Augen- und Haarfarbe. Er hatte gewusst, dass sie 1,68 groß und 59 Kilo schwer war. Dass sie in der Klinik im Stadtzentrum geboren und im North End aufgewachsen war, wo sie immer noch lebte. Dass ihr Vater die Familie verlassen hatte, als sie elf war, was großen Groll gegen Männer hervorrufen konnte. Dass sie gebildet war und vor sechs Jahren ihren ersten Krimi verkauft hatte. Und dass sie in den letzten fünf Jahren drei Strafzettel wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und zwei Vorladungen wegen Überfahrens von Stoppschildern bekommen hatte.

Was er nicht gewusst hatte, war, dass ihre Augen noch tiefblauer waren als auf ihrem Führerscheinbild und dem Publicity-Foto auf dem Schutzumschlag ihrer Bücher. In ihrem Haar glänzten goldene Strähnchen, und ihre Lippen waren viel voller. Als er heute Abend Starbucks betrat, wusste er, dass er einer umwerfenden Frau begegnen würde, doch auf die volle Wucht ihres weiblichen Charmes war er nicht gefasst. Aufgrund der Fotos hatte er nicht ahnen können, dass alles an ihr, von ihrer weichen Hand bis zum sanften Klang ihrer Stimme, im starken Kontrast zu einer Frau stand, die über Serienkiller schrieb und vielleicht selbst einer war.

Quinn lief durch Inseln künstlichen Lichts, ohne auf die Pfützen zu achten, die seine Stiefel bespritzten. Als er sich dem Van näherte, senkte sich die Fensterscheibe langsam.

»Habt ihr das alles?«, fragte er, während er hinter sich griff und sein T-Shirt aus seiner Jeans zog.

»Ja.« Detective Kurt Webers Mondgesicht erschien im Fenster. »Hast du den Kaffeebecher?«

»Sie hat ihn mitgenommen.«

»Scheiße.«

»Fand ich auch.«

»Was hatte dieser Lärm gegen Ende zu bedeuten?«

»So’n Typ ist fast an ’ner Kaffeebohne erstickt.« Er verstummte und zog an dem Mikrofon, das mit Klebestreifen an seiner Taille befestigt war. »Ich glaube, man kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass sich Lucy Rothschild nicht nur fälschlich als Krankenschwester ausgibt; sie hat nicht den blassesten Schimmer von lebensrettenden Maßnahmen.«

»Aber diese Infos über Serienkiller waren interessant«, bemerkte Polizeitechnikerin Anita Landers von ihrem Platz hinten im Van neben den Empfangsgeräten.

Das hatte Quinn auch gefunden. Es sollte ihn nicht wundern, wenn Lucy morgen die Hauptverdächtige im »Breathless«-Fall wäre, wie sie die Frau nannten, die übers Netz Männer kennen lernte und sie in ihren Wohnungen erstickte. Ein ultradünnes Kabel verlief an seiner Seite hoch zu einem winzigen, flachen Mikrofon, das ihm auf den rechten Brustmuskel geklebt worden war. »Scheiße«, fluchte er, als er das Mikrofon von der jetzt nackten Stelle am Oberkörper riss.

»Wie war deine erste Reaktion auf sie?«, fragte Anita.

Quinn reichte ihr das Mikro durchs Fenster und sah an Kurt vorbei zu Anitas dunkler Silhouette hinten im Van. Als er Lucy in dem überfüllten Café hatte sitzen sehen, war seine erste Reaktion rein männlich und rein körperlich gewesen. Die Art Reaktion, die ein Mann zeigte, wenn eine schöne Frau seine Aufmerksamkeit erregte. Die Art, die ihn daran erinnerte, wie lange er schon keinen Sex mehr hatte. »Als ich mich zu ihr gesetzt habe, hatte ich das Gefühl, sie nimmt mich auseinander und sucht nach irgendwelchen Makeln.«

»Vielleicht hat sie dich als ihr nächstes Opfer auserkoren«, schlug Anita vor.

Daran hatte er auch schon gedacht. »Ja, vielleicht.« Als Hardluvnman hatte er in den vergangenen zwei Wochen sieben Online-, fünf Chatroom- und drei Kontaktanzeigen-Dates gehabt. Kurt, alias Hounddog, hatte etwa genauso viele gehabt, während Quinn im Econoline gesessen und jedes Wort mitgehört hatte. Die vielen anderen Fälle der beiden Detectives waren auf andere Beamte umverteilt worden, damit sie den Großteil ihrer Arbeitszeit diesem Fall widmen konnten.

Lucy war Quinns zweites Kaffee-Date an jenem Abend gewesen, und er war erschöpft von dem Versuch, sich ständig daran zu erinnern, welche Stichworte er welcher Frau geben musste. »Wir sehen uns morgen«, sagte er, als er den Reißverschluss seiner Jacke zuzog. Bis dahin wäre das Lucy-Rothschild-Band ausgewertet, genau wie all die anderen. Es hatte keinen Sinn, hier dumm rumzustehen, sich den Arsch abzufrieren und die Sache totzuquatschen.

Er begab sich zu dem silbernen Jeep, der wenige Parkplätze vom Van entfernt parkte, und öffnete die Tür.

»Hey, McIntyre«, rief Kurt ihm zu, als er den Econoline startete.

Quinn schaute über das Jeepdach zu ihm. »Ja?«

»Sieht diese Lucy in natura genauso heiß aus wie auf den Fotos?«

»Sogar noch besser.« Was die Möglichkeit nicht ausschloss, dass sie eine Mörderin sein konnte, aber ein paar interessante Fragen aufwarf. Zum Beispiel warum eine Frau, die aussah wie Lucy und so gut verdiente wie sie, im Internet nach Männern suchte.

»Das sollte dir die Arbeit erleichtern.«

Sich von blauen Augen und weichen roten Lippen ablenken zu lassen, machte seine Arbeit keineswegs leichter. Nein, es wäre einfacher, wenn Breathless sich als seine erste Verabredung des Abends entpuppte, Maureen. Doch schon bei dem Gedanken erschauderte er. »Bis morgen«, rief Quinn, als er in den Jeep stieg und die Tür zuschlug.

Maureen Dempsey, alias Bignsassy, war eine der dämlichsten Frauen, die er je getroffen hatte. Sie hatte pausenlos über ihre Sammelalben und ihre Puppensammlung gequasselt, als hätte ihn das einen Scheißdreck interessiert. Sie nannte ihn ständig »Quint« und hatte ihm zur Krönung erzählt, sie hätte »irgendwo« gelesen, dass in der Sawtooth Wilderness Area in der Nähe von Sun Valley Außerirdische gelandet wären und sich als Menschen ausgaben. In dem festen Glauben, dass sie ihn verarschte, hatte er einen Witz gerissen und sich ein Lachen abgerungen. Doch sie meinte es vollkommen ernst, und er hatte gespürt, wie sein IQ um zehn Punkte fiel, nur weil er ihr gegenübersaß. Doch der größte Witz daran war, dass Maureen als Staatsbeamtin in der Industriekommission von Idaho arbeitete.

Er startete den Jeep und fuhr vom Parkplatz. Aus der Lüftung blies ein kalter Luftschwall auf seine Brust. Die Heizung war noch nicht warm gelaufen, deshalb stellte er die Lüftung ab. Seine Finger spielten am Radio herum, dann schaltete er auch das aus. Schon nach zwei Minuten mit Maureen hatte Quinn sie im Geist weitgehend von der Verdächtigenliste gestrichen. Der Grund war nicht, dass sie einen festen Job hatte. Viele Dummköpfe arbeiteten für die Regierung, aber eine Frau, die in der Lage war, drei Männer umzubringen, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen, würde nicht im Traum glauben, dass im nördlichen Idaho Außerirdische lebten. Quinn neigte dazu, dem Bericht des

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Sex, Lies and Online Dating« bei Avon Harper Collins, New York.

1. Auflage Deutsche Erstausgabe August 2007

Copyright © der Originalausgabe

2006 by Rachel Gibson

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: Corbis/Zefa/Steffens Redaktion: Renate Bugyi-Ollert KC · Herstellung: Str. Satz: deutsch-türkischer fotosatz, Berlin

eISBN 978-3-641-10470-2

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