Hatz ohne Erbarmen - Alexander Kent - E-Book

Hatz ohne Erbarmen E-Book

Alexander Kent

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Beschreibung

Vom weltweit erfolgreichsten Autor aller marinehistorischen Romane 1815: Die Order, die Kapitän Adam Bolitho erhält, ist eindeutig. Mit seiner mit 46 Geschützen bestückten Fregatte Unrivalled soll er Kurs Westafrika nehmen und unter den Schiffen der skrupellosen Sklavenhändler, die von Freetown aus operieren, ein für allemal aufräumen. Keine einfache Mission, denn bisher waren den Briten kaum Erfolge im Kampf gegen die mit allen Wassern gewaschenen Menschenhändler und deren wendige Schnellsegler beschieden gewesen. Adam Bolithos Kühnheit und ganze Seemannschaft sind wieder einmal gefordert.

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Seitenzahl: 640

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Das Buch

Um 1815: Napoleon hat Elba verlassen, und im Mittelmeer flackern alle Feindseligkeiten erneut auf. Adam Bolitho, Neffe des legendären Seehelden Richard Bolitho und Kommandant der Fregatte "Unrivalled", vermisst den Rat seines gefallenen Onkels bitterlich. Französische, spanische und holländische Schiffe werden zu unberechenbaren Gegnern für die Briten, während Piraten und Sklavenhändler immer dreister ihre eigenen Interessen verfolgen - doch Adam macht seinen berühmten Vorfahren alle Ehre.

Der Autor

Alexander Kent kämpfte im Zweiten Weltkrieg als Marineoffizier im Atlantik und erwarb sich danach einen weltweiten Ruf als Verfasser spannender Seekriegsromane. Er veröffentlichte über 50 Titel (die meisten bei Ullstein erschienen), die in 14 Sprachen übersetzt wurden, und gilt als einer der meistgelesenen Autoren dieses Genres neben G.S. Forester.

Alexander Kent, dessen richtiger Name Douglas Reeman lautet, war Mitglied der Royal Navy Sailing Association und Governor der Fregatte "Foudroyant" in Portsmouth, des ältesten noch schwimmenden Kriegsschiffs.

Alexander Kent

Hatz ohne Erbarmen

Adam Bolithos Jagdauf die Sklavenschiffer

Roman

Aus dem Englischenvon Uwe D. Minge

Ullstein

Neuausgabe bei Refinery

www.ullstein-buchverlage.de/verlage/refinery

Refinery ist ein Digitalverlag

der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin

November 2017 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2008

© Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München 2002

© Bolitho Maritime Productions 2001

Titel der Originalausgabe: Relentless Pursuit

(William Heinemann, London)

Covergestaltung:

© Sabine Wimmer, Berlin

ISBN 978-3-96048-117-1

Hinweis zu Urheberrechten

Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

INHALT

Kein Weg zurück

Das beste Schiff der Flotte

»Auf diesem Schiff zu dienen …«

Besessen

Die Gehetzten und Verdammten

Der Zeuge

Geheimnisse

Im Gefecht

Hecht im Karpfenteich

Verhaltensregeln

Von See zurück

Vertrauen

Zur Sache

Ein plötzlicher Tod

Der älteste Trick der Welt

»Geh mit mir!«

Der einzige Schlüssel

Schiff klar zum Gefecht!

Die Bürde des Kommandanten

Für Dich, Kim,mit all meiner Liebeund einer gelben Rose …

DIE SCHOTEN WAREN HART GEFROREN,UND SIE SCHNITTEN IN DIE BLOSSEN HÄNDE;DIE DECKS WAREN WIE RUTSCHBAHNEN, AUFDENEN DIE SEELEUTE KAUM STEHEN KONNTEN …

ABER ICH KONNTE IN DER DUNKELHEITUND DER KÄLTE NUR DARAN DENKEN,DASS ICH IM BEGRIFF WAR, MEINE HEIMATUND MEINE LEUTE ZU VERLASSEN, DIE ALTZU WERDEN BEGANNEN.

ROBERT LOUIS STEVENSONAUS »WEIHNACHTEN AUF SEE«

KEIN WEG ZURÜCK

Plymouth, das immer einer der wichtigsten und strategisch äußerst günstig gelegenen Häfen Englands gewesen war, machte einen seltsam stillen Eindruck. Es wirkte irgendwie bedrückt, als wäre es besetzt worden. Sogar der Plymouth Sound, der für seine reißenden Gezeitenströme und unkalkulierbaren, schweren Böen berüchtigt war, bot ein ruhiges Bild, wenn man von ein paar vereinzelten weißen Katzenpfötchenwellen absah, die eine leichte ablandige Brise aufkräuselte.

Es war kalt, die Luft war scharf wie die Klinge eines Messers, und nur ein paar vereinzelte Boote aus dem Ort schienen an diesem Tag auslaufen zu wollen.

Und es war mitten im Dezember, sechs Monate nach dem Tag, an dem sich die Nachricht des Sieges bei Waterloo wie ein Lauffeuer im Land verbreitet hatte. Die Folge war der endgültige Sturz des korsischen Tyrannen gewesen, der die Macht so lange in seinen Händen gehalten hatte. Knaben waren in dieser Zeit zu erwachsenen Männern herangereift, Ackerknechte und Stallburschen hatten sich in erfahrene Soldaten und Matrosen verwandelt.

Jetzt war alles vorüber, und Seehäfen wie Plymouth, die so vieles geleistet und so viel gegeben hatten, waren von der plötzlichen Realität des Friedens und seiner Folgen wie betäubt. Sogar als der mittägliche Kanonenschuß die Stille zerriß und das Echo vom Hoe bis zur alten Batterie am Penlee Point rollte, erhoben sich nur wenige Möwen kreischend über die Wasseroberfläche. »Die Geister der toten Matrosen« wurden sie von den Seeleuten genannt. Vielleicht fühlten sie sich auch so.

Hier hatten große Flotten und mächtige Geschwader die Anker gelichtet und waren in alle Winkel dieser Welt ausgelaufen, wo Englands zahlreiche Feinde warteten. Berühmte Namen wie Aboukir, Kopenhagen und Trafalgar waren in den Herzen und den Köpfen der Menschen lebendig gewesen, besonders bei denen, die nicht kämpfen mußten und keinen geliebten Menschen hatten, der sich den gnadenlosen Breitseiten stellen mußte, die, ohne einen Unterschied zu machen, das Leben der Freiwilligen und der Männer, die in den Dienst gepreßt worden waren, vernichteten. Am Ende des Krieges hatte die Flotte ihre größte Stärke erreicht, sie umfaßte zu diesem Zeitpunkt zweihundertvierzig Linienschiffe, schätzungsweise dreihundertsiebzehn Fregatten und zahllose andere Fahrzeuge. Die Flotte war bereit und in der Lage gewesen, jede Aufgabe zu erfüllen, die Ihre Lordschaften in der Admiralität ihr zuweisen sollten.

Es lagen auch jetzt Schiffe hier, sogar eine große Zahl. Es war Sonntag, aber in anderen Zeiten hätte das keinen Unterschied gemacht, wenn die Mittagskanone abgefeuert worden wäre. Es wären Flaggensignale auszutauschen gewesen, Chronometer hätten überprüft werden müssen, und die tägliche Routine wäre fortgesetzt worden.

Aber heute erinnerten viele dieser selben Schiffe an Geisterschiffe, bei einigen waren die oberen Rahen an Deck gefiert und Boote waren zur Einlagerung an Land gebracht worden. In einigen Fällen waren die Wunden des letzten verzweifelten Seegefechts noch nicht einmal repariert. Es sah aus, als wären die Besatzungen einfach fortgehext worden. Schiffe, die schon aufgelegt worden waren, warteten darauf, als Hulken oder als Lager für überflüssige Ausrüstungen ihre Verwendung zu finden, andere würden schwimmende Gefängnisse werden. Und einige waren – vielleicht – dazu ausersehen, wieder in den Kampf zu ziehen.

Nur ein kleines Boot bewegte sich mit einem erkennbaren Zweck und Ziel. Es war eine Gig, die Riemen hoben und senkten sich präzise und ohne Hast. Die Crew sah mit den geteerten Hüten und den blauen Uniformjacken ziemlich smart aus. Der Bootssteuerer hatte eine Hand an der Pinne, neben ihm stand ein Midshipman1, der mit seinen Augen die schmale Passage zwischen den schweigenden Schiffen der Phantomflotte suchte. Und auf der Heckducht, den schweren Bootsmantel über die Schultern zurückgeworfen, um seine glänzenden Epauletten zu zeigen, saß der Kommandant, der sich über die Bedeutung dieses Tages im klaren war.

Kapitän zur See Adam Bolitho blickte nicht zu den vorbeigleitenden Schiffen hinüber, aber es war ein Augenblick, den er nie vergessen würde. Er kannte die Namen von vielen dieser Schiffe, wahrscheinlich sogar von allen. Sie lagen jetzt still und verlassen da, ihre leeren Geschützpforten glotzten wie tote Augen, aber Bolitho vermeinte noch die Schreie und das wilde anfeuernde Gebrüll zu hören, die sich in die dunklen Erinnerungen an den Krieg auf See eingenistet hatten.

Die Seehäfen waren voller lebendiger Erinnerungen in Form von Krüppeln und Blinden und Männern, denen nichts anderes übrig blieb, als auf den Straßen zu betteln. Und es würden jetzt noch sehr viel mehr werden, jetzt, nachdem die Flotte bis auf die Knochen abgespeckt wurde. Der Mut und die Opfer dieser Männer zählten nichts mehr. Adam packte den alten Degen unter seinem Mantel bis seine Finger schmerzten. Gefühle wie Stolz und Ärger beherrschten ihn an diesem bitterkalten, klaren Tag.

Er drehte sich um und sah nach oben, als die Gig den Schatten eines verankerten Vierundsiebzigers durchquerte. Es war ein alter Zweidecker wie die Hyperion. Gegen den fahlen wolkenlosen Himmel sah er eine einsame Gestalt oben auf dem Laufgang stehen, die auf die vorbeipullende Gig hinunterblickte. Er hob sehr langsam seinen Hut und hielt ihn grüßend über seinen Kopf, bis ihn der vorspringende Spiegel dem Blick entzog. Ein Wachmann? Jemand, der noch eine Zuflucht in einer Welt fand, die ihn bereits ausgespieen hatte? Oder nur ein Gespenst?

Er hörte, wie der Midshipman versuchte, seine Kehle frei zu bekommen. Es war ein Neuer: Sie waren sich zum erstenmal begegnet, als die Gig ihn an der Queen’s Treppe abgeholt hatte. Wieder so ein junger Hoffnungsvoller, der jetzt unter den Augen seines Kommandanten vor Nervosität flatterte. Adam hatte den besorgten Blick von Luke Jago, seinem Bootssteuerer, bemerkt. Dieser Mann würde nie zulassen, daß etwas schiefging. Gleichgültig was er selbst dachte oder tat: Er wußte genau, was dieser Tag für seinen Kommandanten bedeutete. Genauso wie Jago immer wußte, wo und wann er seinen Kapitän abholen mußte, auch ohne daß ein Flaggensignal empfangen oder irgendwelche Instruktionen gegeben wurden.

Adam Bolitho spürte, daß die Pinne leicht gelegt wurde, und blickte über die Köpfe der Ruderer hinweg über die ganze Bootslänge. Der Atem der Männer hing wie Dampf in der kalten Luft. Wie an jenem ersten Tag – es war gerade etwas länger als ein Jahr her und am selben Ort gewesen. Er starrte auf sein Schiff.

Als ich das Kommando übernahm.

Er war zwei Wochen von dem Schiff abwesend gewesen und hatte kaum Zeit gefunden, über das verflossene Jahr nachzudenken. Die Seegefechte, die Triumphe und der Schmerz, offizielle Besuche und andere, die jedenfalls für ihn nicht weniger wichtig gewesen waren … Und die ganze Zeit hatte er auf diesen Augenblick gewartet: zurückzukommen. Es war, als würde er wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt. Trotzdem war es so etwas wie ein Schock. Das Schiff war während seiner Abwesenheit verholt worden und lag jetzt gut klar von allen anderen Schiffen vor Anker, und sogar sein Aussehen war eine echte Überraschung. Die übliche dunkle Farbe am Rumpf war durch Weiß ersetzt worden, so daß die Linien und schwarzen Geschützpforten an beiden Seiten ein sogar noch auffälligeres Schachbrettmuster bildeten, das klar und sauber von den verschmutzten und verlassenen Rümpfen in der Nähe abstach.

Seiner Britannischen Majestät Fregatte Unrivalled mit sechsundvierzig Kanonen war das erste Schiff, das den neuen Friedensanstrich erhalten hatte. Sie war auch das erste Schiff mit diesem Namen in der Schiffsliste der Marine.

Adam Bolitho stand im Boot auf, als sich der helle Rumpf über den hochgestellten Riemen auftürmte. Und er war ihr erster Kommandant. Etwas anderes zählte nicht.

Der Bugmann hatte eingehakt, und die Ehrenwache würde warten, die Gesichter, gleich ob vertraut oder neu an Bord, würden bereit sein, den Kommandanten zu begrüßen.

Was hatte ich erwartet? Daß man mir das Schiff wegnehmen würde?

Er blickte zu dem Midshipman hinüber, aber der Name des Jungen wollte ihm nicht einfallen.

»Das haben Sie gut gemacht.«

Der Junge errötete, und Jago bemerkte: »Mr. Martyn lernt schnell, Sir.«

Adam nickte, das war Jagos Art. Das nächste Mal würde er sich selbst des Namens erinnern.

Die Pfeifen zwitscherten, und er hörte das Klatschen der Musketenkolben, als die Wache der Royal Marines ihre Waffen präsentierte.

Es war alles so, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Flagge kräuselte sich vor dem klaren Himmel. Die Gesichter der Seeleute waren immer noch vom Einsatz der Unrivalled unter der Sonne des Mittelmeeres gebräunt. Der Geruch nach frischer Farbe hing in der Luft, so wie an jenem anderen Dezembermorgen vor einem Jahr.

Er sah und roch nichts davon.

Zurück zu sein war alles, was zählte.

Leutnant Leigh Galbraith kam langsam unter der Poop der Unrivalled hervor und ließ seine Augen über das Deck gleiten. Alles war in bester Ordnung. Er hatte sichergestellt, daß nichts dem Zufall überlassen blieb. Heute kehrte der Kommandant zurück, seine eigene Zeit als zeitweiliger Befehlshaber würde in Kürze beendet sein.

Er kniff die Augen zusammen, als das harte Licht vom Wasser reflektiert wurde. Er hatte sich um das Schiff herumpullen lassen, gleich nachdem die Matrosen zur Arbeit gepfiffen worden waren, und war immer noch von dem neuen Erscheinungsbild der Fregatte überrascht. Es würde einige Zeit dauern, bis man sich an die neue Farbe gewöhnt hatte, sie wirkte fast frivol verglichen mit den vermurten Hulken in der Nachbarschaft. Nur ein geschultes Auge konnte die neuen Planken erkennen, mit denen die schweren Beschädigungen entfernt worden waren, die die Unrivalled bei dem heftigen Gefecht mit der Triton vor wenigen Monaten erlitten hatte. Ein paar Reparaturen waren in Gibraltar ausgeführt, der Rest war dann hier in Plymouth erledigt worden, an dem Ort, an dem Unrivalleds Leben begonnen hatte. Wo man auch Galbraith selbst eine zweite Chance gegeben hatte. Er hatte Glück gehabt, und er wußte es. Zu einem Zeitpunkt, an dem die gesamte Flotte arg dezimiert wurde – auf die Hälfte, wie man mancherorts hörte –, hätte er seinem Schöpfer auf den Knien danken und die Bitternis den anderen, weniger Glücklichen überlassen sollen.

Galbraith war einunddreißig Jahre alt und hatte neunzehn Jahre seines Lebens in der Marine verbracht. Er kannte nichts anderes und hatte auch nie etwas anderes gewollt außer einem eigenen Kommando. Und das hatte man ihm gewährt. Sein vorheriger Kommandant hatte ihm die besten Zeugnisse ausgestellt, und sein Lohn war die kleine Brigg Vixen gewesen. Kein Schiff des Fünften Ranges wie die Unrivalled, aber es war seins gewesen und der erste wichtige Schritt auf dem Weg zu der begehrten Beförderung zum Kapitän zur See.

Er sah Partridge, den Bootsmann, der seine großen Fäuste in die Hüften gestemmt hatte, während er nachdrücklich erklärte, welche Arbeiten er im Vortopp erledigt haben wollte. Man muß Gott für solche Männer wie Partridge danken, dachte er. Sie bildeten das Rückgrat eines jeden Kriegsschiffs, sie waren die wirklichen Profis. Partridge und Stranace, der Stückmeister, der wahrscheinlich der älteste Mann an Bord war, und natürlich Joshua Cristie, der Segelmeister, der beste, den Galbraith jemals kennengelernt hatte. Ein Mann, der niemals ein Wort zuviel sagte, aber wenn er sprach, dann mit voller Autorität und in der absoluten Kenntnis um die Gezeiten, der Sterne und des Windes, die sein Lebensinhalt waren.

Worüber sich der Erste Leutnant der Fregatte, Galbraith, sehr bewußt war und was ihm am meisten Sorgen machte, war die Tatsache, daß ihnen mehr als fünfzig Männer an der vollen Besatzungsstärke fehlten, und das, obwohl sie sich in einem Marinehafen befanden. Er lächelte grimmig. Oder vielleicht gerade deswegen.

Außer denen, die sie verloren hatten, weil sie in der letzten Schlacht gefallen oder schwer verwundet worden waren, waren einige abgemustert oder waren auf andere Schiffe gegangen. Aber ein paar Männer der alten Stammbesatzung waren geblieben, sogar ein paar der harten Knochen, wie Campbell, der für seine Verachtung und seine Frechheit gegenüber jeder Autorität schon mehrfach mit Auspeitschungen nicht nur bei diesem Einsatz bezahlt hatte. Es schien ihm eine perverse Genugtuung zu bereiten, seinen vernarbten Rücken vorzuführen, der aussah, als wäre er von einem wilden Tier zerfleischt worden. Er war ein gefährlicher Mann, und trotzdem war er einer der ersten gewesen, der sich freiwillig gemeldet hatte, als es darum ging, die Schebeken der Korsaren anzugreifen, bei denen sie längsseits gepullt waren und die genug Sprengstoff an Bord gehabt hatten, um alle Männer an Bord in die Hölle zu blasen. Campbell war ein Fels in der Brandung gewesen, aber er würde jeden schief angrinsen, der ihm unterstellte, daß er aus einem Gefühl für Pflicht oder Disziplin gehandelt hätte.

Es gab noch andere, die wie Campbell waren. Männer, die behaupteten, ganz allgemein alles zu hassen, für das die Navy stand, und ganz besonders die Offiziere, die deren leibhaftige Verkörperung waren. Warum also waren sie geblieben, als sie eine Gelegenheit gehabt hatten, den Dienst zu quittieren?

Galbraith sah Luxmore, den Hauptmann der Abteilung Royal Marines, der mit einem seiner Sergeanten sprach. Was auch immer um sie herum vorging, gleichgültig wie überfüllt das Schiff war, irgendwie blieben sie immer eine geschlossenen Gesellschaft. Ihre Quartiere wurden sogar »die Kasernen« genannt. Luxmore hatte viele Gefechte gesehen, und er verfügte über eine ausgezeichnete Personalakte bei den Marines. Vielleicht war das genug. Galbraith blickte zur Seite. Oder beglückwünschte er sich zu seiner vorgezogenen Beförderung? Der höfliche Hauptmann Bosanquet war an jenem Tag gefallen. Ihm geht es also letztendlich nicht anders wie mir … Man war dankbar, überlebt und ein Schiff unter den Füßen zu haben, weil man Angst vor dem Unbekannten hatte.

Er entdeckte den kleinen Napier, den Kabinenjungen, der eine Pause machte und zum Land hinüberblickte. Wahrscheinlich kannte er die Gedanken des Kommandanten besser als jeder andere. Er war vierzehn Jahre alt, sehr ernst und arbeitete für sein Alter sehr schwer, er war ganz offensichtlich Kapitän Bolitho sehr ergeben. Was für eine ungewöhnliche Beziehung, dachte Galbraith. Bolitho war kein unkomplizierter Charakter, den man leicht verstehen konnte und der sich manchmal für seine Unduldsamkeit entschuldigen mußte. So als ob ihn irgend etwas oder irgend jemand vorantrieb. Und trotzdem schien er für Napier immer Zeit zu haben, um ihm etwas zu erklären, zu beschreiben, mit ihm durchzuarbeiten. Das ist der einzige Weg, wie der Junge die Seefahrt wirklich lernen wird, hatte er einmal gesagt, fast als würde er etwas aus seiner eigenen Jugendzeit in dem Jungen sehen. Die mußte stürmisch verlaufen sein, nach allem, was Galbraith so gehört oder selbst herausgefunden hatte. Wie bei dem letzten Seegefecht, als Bolitho hinter einer feindlichen Fregatte hinterhergejagt war, die von diesem abtrünnigen Spanier, Martinez, kommandiert wurde. Bolitho hatte vorsätzlich das Flaggensignal seines Admirals, auf Station zu bleiben, falsch interpretiert, denn die Verfolgung hätte von einer kleineren Fregatte übernommen werden sollen, die aber von Anfang an seglerisch und in der Bewaffnung unterlegen gewesen wäre. Es war ihnen gelungen, das Handelsschiff Aranmore zu retten, das hochrangige Passagiere an Bord gehabt hatte. Er blickte zur Gangway hinüber und erinnerte sich daran, wie Bolitho die Hand der Lady gehalten und geküßt hatte. Sie hatte sich den Anschein gegeben, als wären sie ganz allein auf dem Deck.

Galbraith begann, auf dem Deck auf und ab zu wandern, dabei hatte er die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Hatte sie Bolitho an das Mädchen erinnert, das er zu heiraten gehofft und dann verloren hatte, als er einem eigenen Kommando Vorrang gegeben hatte?

Galbraith war sich Bolithos Widerstreben bewußt, sich jemandem an Bord seines neuen Kommandos persönlich anzuschließen. Er hatte eine Fregatte verloren, die Anemone, als er mit einem überlegenen amerikanischen Schiff kämpfte. Er war in Gefangenschaft geraten und aus dieser wieder geflüchtet. Es schien, daß er seit jener Zeit unfähig war, auf jemanden zuzugehen und zu vertrauen.

Und dann gab es da noch eine andere Seite an diesem Mann, einen ganz starken Kontrast. Cristie hatte Galbraith von dem Tag erzählt, als er sich in aller Öffentlichkeit im Gegensatz zum Kommandanten befunden hatte. Für Cristie war das eine nahezu unerhörte Sache. Galbraiths Einheiten für den Überfall hatten sich zwischen nahezu unbekannten Inseln befunden, und der Segelmeister hatte dem Kommandanten pflichtgemäß klargelegt, daß er es für unklug erachtete, Unrivalled in ein Fahrwasser zu steuern, das praktisch nicht vermessen war und wo die Gefahr bestand, daß sich das Schiff den Rumpf aufschlitzte. Das lag in der völligen Verantwortung des Kommandanten …

Cristie hatte sich nach der erfolgreichen Rettung der Angriffstrupps darauf beschränkt auszuführen: »Er war völlig verrückt. ›Lieber will ich in der Hölle schmoren, als Galbraith in den Händen der Heiden sterben lassen!‹ hat er gesagt. Ich halte nicht viel vom Beten, aber ich sagen Ihnen, fast hätte ich es getan!«

Und dann hatten sie zusammen in der Kirche von Falmouth gestanden, damals, als Unrivalled zum erstenmal Anker geworfen hatte. Die Kirche war voller Menschen gewesen, ebenso die Straßen, aber es herrschte völliges Stillschweigen zu Ehren des Mannes, der auf See geblieben war, der berühmte Onkel des Kommandanten, Sir Richard Bolitho.

Lady Catherine Somervell war bei ihnen gewesen. Sie war einmalig schön, aber so allein – trotz der riesigen Menschenmenge um sie herum. Wo mochte sie wohl jetzt sein? Was würde aus ihr werden? Aus der Frau, die der feinen Gesellschaft getrotzt hatte, die Sir Richards Geliebte und Inspiration gewesen war und die das Herz der Menschen Englands gewonnen hatte.

Das Deck bewegte sich leicht, und er sah das Schiff in seinen Gedanken so klar vor sich, wie es am Morgen ausgesehen hatte. Ein Vollblut. Wie die geschnitzte Inschrift unter der Galionsfigur besagt: Second to None.2

Unrivalled wartete jetzt darauf, auszulaufen. Sie war das erste und wahrscheinlich auch das letzte Schiff ihrer Art. Bei der Werft, in der sie auf Kiel gelegt, gebaut und zu Wasser gelassen worden war, hatte Galbraith ihr einziges Schwesterschiff gesehen. Es hatte dieselben eleganten Linien und war der Stolz jedes am Bau beteiligten Handwerkers. Aber jetzt war es aufgegeben, unfertig – tot.

Er starrte über das Deck, über die beiden Reihen der Achtzehnpfünder, ihre Taljen und Stopper waren straff und sauber. Er erinnerte sich an Massie, der nach ihm der dienstälteste Offizier in der Messe gewesen war, der Sohn eines Admirals und ein Artillerieoffizier von Kopf bis Fuß, aber jemand, den man nie richtig einschätzen konnte. Ruhig und kontrolliert, sogar an dem Tag, als er getötet worden war, erschossen, als er seine Männer um sich geschart hatte.

Er war hier in Plymouth durch Leutnant Varlo ersetzt worden, der ein völliger Gegensatz zu ihm war, lebhaft, gesprächig und Mitte zwanzig. Er mußte über einigen Einfluß verfügen, denn ein Bordkommando war in diesen Zeiten so wertvoll wie pures Gold. Galbraith hatte für sich entschieden, daß er sich bei Varlo Zeit lassen würde. Er hätte fast gelächelt. Vielleicht hatte er das vom Kapitän übernommen.

Er kehrte auf seinem Weg wieder um, als das Echo der Mittagskanone traurig über das Wasser und die zuschauenden Veteranen donnerte. Sogar ohne die große altmodische Uhr, die er stets bei sich trug, würde Kapitän z.S. Bolitho immer auf die Minute pünktlich sein.

Er hörte die scharfe, gereizte Stimme des Midshipman Sandell, der einen seiner Männer zusammenstauchte. Sie hatten ungefähr ein Defizit von fünfzig Männern, die ihnen zur Komplettierung ihrer Besatzung fehlten. Kleine Tyrannen wie Sandell würden allerdings keinen Verlust für irgend jemanden darstellen.

»Gig ist in Sicht!«

Das kam von Bellairs, dem Dritten Leutnant, der der älteste Midshipman gewesen war, als Unrivalled in Dienst gestellt worden war.

Das würde eine Herausforderung für ihn sein, überlegte Galbraith. Ein paar der alten Teerjacken würden in ihm noch immer nur einen nutzlosen »jungen Herren« sehen, die weder Fisch noch Fleisch waren, und ständig nach Fehlern bei ihm suchen. Aber es war eine Wahl gewesen, die sich angeboten hatte, und Bellairs hatte sich gut in der Offiziersmesse eingelebt und schien für die Veränderung seiner Lebensverhältnisse dankbar zu sein.

Galbraith lächelte wieder und marschierte zur Relingspforte. Die Marineinfanteristen waren angetreten und standen in zwei makellosen Reihen stramm, dabei schwankten sie leicht, um die schwachen Bewegungen des Schiffes auszugleichen. Er entdeckte O’Beirne, den stattlichen Schiffsarzt, der den Niedergang hinabrannte, hinunter in das Orlopdeck, auf dem sich sein Reich befand. Dort waren einige Männer gestorben, aber andere hatten überlebt.

Er sah die Gig zurückkehren, sie wurde gerade um eines der aufgegebenen Schiffe gepullt. Bolithos Bootssteuerer war auch so ein Rebell, jedenfalls hatte es zuerst diesen Anschein gehabt … Das Boot drehte in Richtung der Großmastpüttings, der Bugmann stand schon mit dem erhobenen Bootshaken aufrecht bereit.

»Royal Marines! Achtung! Stillgestanden!«

Die Bootsmannsmaaten befeuchteten ihre silbernen Pfeifen mit ihren Zungen und blickten scharf auf die Relingspforte.

Galbraith packte seinen Degen und preßte ihn an die Seite. Zwei Wochen lang hatte er die Verantwortung für das Schiff und für jede Minute des Dienstes getragen. Er hatte Reparaturen zum Ende bringen lassen, Ausrüstung übernommen, Wasser gebunkert, außerdem Pulver und Kugeln verstaut. Männer waren eingeschworen und eingekleidet worden. Das alles war meilenweit entfernt von dem, was er auf anderen Schiffen erlebt hatte. Auf denen hatten die armen Teufel, die von den Preßgangs an Bord gebracht worden waren, stets ihre eigenen Lumpen so lange abtragen müssen, bis sie ihnen buchstäblich vom Leibe fielen, bevor ein jammernder Zahlmeister davon überzeugt werden konnte, daß er Kleider aus der Sloppkiste des Schiffes an sie ausgeben mußte.

Und jetzt war diese Verantwortung wieder von ihm genommen. Der Kommandant war zurückgekehrt.

Galbraith trat vor, die Hand lag an seinem Hut, als die Pfeifen zur Begrüßung schrillten und die Marines ihren Drill abspulten. Er beobachtete den Kommandanten, als dieser durch die Eingangspforte kletterte.

Bolithos Augen wanderten schnell nach oben und schauten dann über das ganze Schiff.

Adam nahm seine Hand und schüttelte sie. »Das waren zwei lange Wochen.« Er blickte zu den anderen Offizieren hinüber und dann über die volle Länge des Decks.

Galbraith wartete, er fühlte sich wieder sehr allein. Sie hatten so viel zusammen in dem einen Jahr erlebt, Gefechte und Triumph, aber auch Enttäuschung und Schmerz. Er war überrascht, sogar beschämt. Denn dieser Mann, der in einem Augenblick so jungenhaft sein konnte, war so finster entschlossen gewesen, als er die Entscheidung gefällt hatte, die sie alle betraf, und er war noch immer sehr weit entfernt von ihm, so unbekannt.

Galbraith erkannte das Gefühl wieder, den alten Feind, den er schon begraben wähnte: Neid.

»Willkommen an Bord, Sir!«

Es war vorüber.

Adam Bolitho ging zu dem schrägen Fenster der Heckkabine und starrte auf die Reede hinaus. Die anderen Schiffe sahen durch das nasse, beschlagene Glas sogar noch desolater aus. Es war kalt, was man im Dezember auch nicht anders erwarten konnte, sie befanden sich schließlich weit entfernt vom Mittelmeer, von Malta oder Algier. Unrivalled war eine große Fregatte, und die einzige Wärme spendete ihr Kombüsenofen.

Er sollte daran gewöhnt sein, es akzeptieren oder ignorieren, er wußte, daß ihn Galbraith beobachtete, seine große Gestalt leicht unter den Decksbalken nach vorne gebeugt. Der junge Napier lief gerade durch den Schlafraum, Bolitho konnte seinen Schatten wandern sehen, während er die Kisten seines Kapitäns auspackte. Zweifellos hielt der Junge ein Ohr gespitzt, um sofort zur Stelle zu sein, falls er benötigt werden sollte.

»Sie haben alles hervorragend erledigt, Leigh.« Bolitho drehte sich gerade noch rechtzeitig von der feuchten Scheibe weg, um den Ausdruck auf den ausgeprägten Gesichtszügen mitzubekommen. Galbraith fiel es immer noch schwer zu akzeptieren, daß der Kommandant ihn mit seinem Vornamen anredete. In der Zeit der Abwesenheit war die Barriere wieder gewachsen. Vielleicht war sie auch niemals wirklich verschwunden gewesen.

»Haben sich die neuen Leute eingewöhnt?«

Galbraith schien die Antwort sorgfältig abzuwägen, als ob ihn die Frage in die Zeit zurückversetzt hätte, als alle, er und die meisten anderen Männer, damit beschäftigt gewesen waren, ihre Befehle abzuarbeiten, ihren Platz auf dem Schiff, in ihrer kleinen Welt zu finden.

»Ich habe die Offiziere angewiesen, sich in der Messe bereitzuhalten.«

»Ja, ich werde zu ihnen sprechen müssen.« Bolitho fröstelte und lief ruhelos auf die andere Seite. Anspannung, Erregung oder war es nur die Tatsache, daß er in den letzten Tagen nur wenige Stunden Schlaf gefunden hatte? Er dachte über Galbraiths Worte nach. In der Offiziersmesse. Er hatte die sich kräuselnde Rauchfahne gesehen, die aus dem Kombüsenschornstein aufstieg, und hatte den kräftigen, aromatischen Geruch des Rums geschnuppert, als er an Bord gepfiffen wurde. Kleinigkeiten, aber sie waren sehr real. Das erinnerte ihn auch daran, daß er seit dem vorangegangenen Abend nichts mehr gegessen hatte. Er sagte übergangslos: »Männer! Wir müssen noch mehr Männer an Bord bekommen. Wir können sie ausbilden.« Das klang fast bitter. »Wir haben ja alle Zeit der Welt dafür!«

»Ich habe bei der Einteilung der Wachen getan, was ich konnte, Sir. Eine Mischung aus alten Hasen und grünen Jungs in allen Teilen des Schiffes.«

Adam erwiderte: »Man hat mir gesagt, daß wir eventuell ein paar erfahrene Leute in Penzance auftreiben könnten.« Er blickte wieder aus dem Heckfenster und versuchte, das Unvermeidliche zu akzeptieren. »Eine der großen Reedereien wurde gezwungen, sich dem Zwang der Stunde zu stellen. Es sind so viele erfahrene Matrosen an Land geworfen worden, daß man es sich anscheinend leisten kann, sorgfältig auszuwählen!« Er nahm einen weiteren Anlauf. »Ich habe ein paar Plakate herstellen lassen. Usher kann sich der Sache annehmen.«

Er starrte auf den kleinen leeren Tisch neben der Eingangstür, wo Usher, sein Sekretär, immer gesessen hatte. Immer schweigend und aufmerksam hatte er sich Notizen gemacht oder Briefe kopiert, stets hatte er ein zusammengeknülltes Taschentuch in einer Faust, mit dem er tapfer seine Hustenanfälle zu unterdrücken versuchte. Er war ein nervöser Mann, der früher Assistent bei einem Zahlmeister gewesen war, aber er schien völlig deplaziert in der beengten Umgebung eines Kriegsschiffs. Außerdem war er an den Lungen erkrankt, was auf einem Kriegsschiff nur allzuoft passierte. Wie der Schiffsarzt es fast poetisch ausgedrückt hatte, war Usher jeden Tag ein Stückchen gestorben.

»Vergeben Sie mir.« Es klang, als ob er mit dem kleinen Sekretär gesprochen hätte, der schließlich auf der Heimreise von Gibraltar gestorben war, nur einen Tag bevor sie die Küste Cornwalls in Sicht bekommen hatten. Sie hatten ihn auf See beigesetzt. Es hatte keine Hinweise auf ein Zuhause oder Angehörige gegeben.

Bolitho blickte auf die geschwungenen Decksbalken und die Reflexionen des weiß und schwarz karierten Bodenbelags. Das Schiff war Ushers Zuhause gewesen, seins auch. Er mußte plötzlich schmerzvoll an das große graue Haus in Falmouth denken, um das sich Leute herumdrängten. Sie waren voller Freundlichkeit, menschlicher Wärme und Neugierde. Er berührte den Degen an seiner Hüfte und löste ihn aus dem Gehänge. Das war eine ständige Erinnerung, wenn er denn einer bedurft hätte. Genauso die alten Porträts im Haus, die voller wissender Gesichter waren, auf einigen waren Schiffe im Hintergrund zu sehen, auf anderen nicht. Aber der Degen immer.

Wie leer das Haus gewesen war. Bryan Ferguson war überglücklich gewesen ihn zu sehen und hatte versucht, ihn nicht mit der Unterzeichnung von Dokumenten zu belästigen, die sich auf das Gut und die Bauernhöfe bezogen, auf denen Menschen lebten, die immer gewußt hatten, daß es einen Bolitho gab, der sich um sie kümmern würde, oder seine Lady, solange er selbst auf See war.

Adam Bolitho hatte vorgehabt, einen Ausflug nach Fallowfield zu machen, um das kleine Gasthaus, das Old Hyperion, zu besuchen, aber Ferguson hatte ihn überzeugt, das zu unterlassen. Die Straßen waren morastig und dazu auch noch unsicher. Er hatte selbst Eis an Orten gesehen, wo im nächsten Jahr wieder Rosen blühen würden … Die Rosen von Catherine. Oder war Ferguson besorgt über das Problem gewesen, das Allday haben könnte, wenn sie sich so unerwartet begegneten? Oder er selbst?

Galbraith sah den Widerstreit der Gefühle auf dem Gesicht des Kapitäns. Wie ein junges Füllen, so hatte ihn mal jemand beschrieben. Das Haar war so dunkel, daß es fast schwarz war, der Mund, der sehr entschlossen sein konnte, sogar hart. Andererseits konnte er auch manchmal Empfindungen zeigen. So wie jetzt eben, als Ushers Namen erwähnt wurde. Das war der entscheidende Unterschied. Er empfand etwas für die Leute, die er führte und befehligte. Auf einigen der Schiffe, auf denen Galbraith gedient hatte, war das nicht so gewesen. Obwohl: schroff, ungeduldig, starrköpfig, Adam Bolitho hatte in den Monaten, in denen sie zusammen Dienst getan hatten, jede dieser Charaktereigenschaften an den Tag gelegt. Aber Galbraith fühlte sich geehrt, daß er manchmal auch die andere Seite dieser jugendlichen Kopie des berühmten Richard Bolitho hatte sehen dürfen.

Adam meinte: »Ich werde es Ihnen überlassen, die Rekrutierungsabteilungen zu kommandieren. Denken Sie daran, wir sind auf der Suche nach Männern, wir müssen nicht um sie bitten.« Er lächelte schnell. »Das war überflüssig, Leigh. Ich bin heute ein schlechter Gesellschafter.«

Galbraith wollte gerade darauf antworten, als er so etwas wie eine unausgesprochene Warnung spürte. Adam Bolitho hatte ursprünglich in Penzance oder doch in der unmittelbaren Umgebung gelebt. War das die Ursache dafür, daß er sich der Rekroutierung nicht selbst annahm? Er sagte: »Das kann ich problemlos erledigen, Sir. Unsere Seesoldaten werden sich gut anstellen.«

Adam hatte ihm kaum zugehört. »Ich habe mit dem Kommandierenden Admiral in Plymouth gesprochen. Um genau zu sein, zweimal.«

»Vizeadmiral Keen, Sir. Sie kennen ihn seit langer Zeit, glaube ich mich zu erinnern, Sir?«

»Ja.« Er sah den Kabinenjungen in der Tür und befahl ihm: »Bring mir etwas Heißes, bitte!« Er legte den Degen auf die Bank. »Und auch den Cognac, denke ich.«

Die Tür schloß sich. Nur der Wachposten der Marineinfanteristen stand zwischen dem Kommandanten und dem restlichen Schiff.

»Im Vertrauen gesagt.« Adam Bolitho hob die Hand, wie um etwas abzuwehren. »Aber es muß zwischen uns bleiben.« Er blickte wieder zur Tür hinüber, so als würde er ein Husten erwarten oder eine von Ushers übergenauen Erläuterungen über das, was er gerade tat. »Wir werden morgen Plymouth verlassen.« Er blickte Galbraith direkt an. »Schafft das irgendwelche Probleme für Sie?«

Galbraith erwiderte: »Nein, Sir!« Er sah, wie die dunklen ruhelosen Augen wieder zu dem alten Degen zurückkehrten.

»Nach Penzance, wo uns weitere Befehle erwarten werden, und dann weiter nach Gibraltar.« Er versuchte zu lächeln. »Wenn wir Glück haben, gibt es dort besseres Wetter.« Aber es mißlang ihm.

Galbraith straffte sich plötzlich. Das waren keine Routinebefehle. Sie kehrten nicht zur Flotte zurück oder schlossen sich einem der örtlichen Geschwader an. Er dachte an die vielen aufgelegten Schiffe. Oder besser: an das, was von ihnen noch übrig war.

Adam fuhr schnell fort: »Sierra Leone. Ich werde die vollständigen Anweisungen erhalten, wenn Ihre Lordschaften der Meinung sind, daß ich für den Einsatz bereit bin.«

Galbraith wartete ab. Es war wie eine brennende Lunte – dieser Tag damals zwischen den Inseln, die Sprengladungen explodierten, es hätte ein Himmelfahrtkommando werden können, eine unbekümmerte und ambitionierte Operation. Er rief sich wieder in Erinnerung, was Cristie ihm erzählt hatte. Ich will lieber in der Hölle schmoren, als Galbraith in ihren Händen sterben lassen!

Sierra Leone. Für Galbraith und die meisten anderen Seeoffiziere bedeutete das, den Kampf gegen den Sklavenhandel zu führen. Aber diesen Gedanken konnte man jetzt vergessen, denn Unrivalled war viel zu groß und kampfkräftig, um in endlosen ergebnislosen Patrouillenfahrten verschlissen zu werden. Dafür waren Schoner und Briggs üblicherweise die erste Wahl.

Er war überrascht, daß ihm dieser Gedanke nichts ausmachte. Das Schiff, ihr Schiff, kehrte wieder in den aktiven Dienst zurück. Alles war vollständig repariert worden, und sie waren komplett ausgerüstet. Wenn sie jetzt noch ein paar Freiwillige zusammenbrächten, dann würden sie bereit sein. Sie wären dann wieder eine schlagkräftige Kriegsmaschine.

»Ich würde das Schiff einhand segeln, Sir, um von diesem Friedhof wegzukommen.«

Adam lächelte. Es war viel besser, wie Galbraith zu sein. Er mußte plötzlich wieder an Keen in dem geräumigen Haus denken, das über dem Meer und der Landschaft thronte, die sich wie ein unendliches Panorama ausbreitete. Dort war er noch mit Keens Frau Zenoria kurz vor ihrem tragischen Tod spazierengegangen. Keens zweite Frau Gilia hatte ihm diesmal eine äußerst herzliches Willkommen bereitet. Ihre Freude war nur von Keens Stolz bei der Ankündigung übertroffen worden, daß im Frühjahr mit Nachwuchs zu rechnen war. Es war klar, daß Gilia Valentine Keen nie etwas davon erzählt hatte, was sie von der Liebe Adams zu ihrer Vorgängerin wußte, die sich von einer Klippe gestürzt hatte, nachdem ihr und Keens Sohn gestorben war.

Falls Keen etwas von der geheimen Geschichte vermutete, dann verbarg er es gut. Er hatte ihre Gespräche auf Unrivalleds Rückkehr in den Dienst und ihren Einsatz gegen die zum Feind übergelaufene Fregatte Triton beschränkt. Nur einmal war Adam kurz irritiert gewesen, als Keen etwas über ein »verdammt gutes Stück Arbeit« gesagt hatte, als sie den großen ehemaligen Holländer gestellt und zerstört hatten. Durch die Rettung der Aranmore hatten sie der Regierung die Verlegenheit erspart, mit dem Dey von Algier über die Freilassung von Geiseln verhandeln zu müssen. Ein überschwenglicher Bericht über die Jagd und das Gefecht war von Sir Lewis Bazely, einem der Passagiere, verfertigt worden, von dem man sagte, daß er ein guter Freund des Premierministers war.

Keens Frau hatte ihren Kommentar dazugegeben: »Bazeley? Er hat eine sehr schöne junge Frau, glaube ich.«

Und Keen hatte eingeworfen: »Du hast sie doch schon früher mal nach Malta gebracht, Adam.«

Die Diskretion eines Admirals – oder war er immer noch ein Freund? Er war früher einmal Sir Richard Bolithos Flaggkapitän gewesen und noch länger davor einer seiner Midshipmen. So wie ich. Galbraith wußte wahrscheinlich alles oder hatte sich einiges zusammengereimt.

Bolitho traf eine Entscheidung. »Ich habe Sie wieder für ein eigenes Kommando vorgeschlagen, Leigh.«

»Das wußte ich nicht, Sir.«

Adam zuckte mit den Schultern. »Irgend jemand könnte es zur Kenntnis genommen haben.« Er blickte zur Tür, als Napier sie mit einem Fuß aufschob. Er hatte sogar die quietschenden Schuhe für diesen besonderen Tag abgelegt. »Ich komme in einer Stunde in die Offiziersmesse.«

Galbraith verließ die Kabine und stöhnte auf, als sein Kopf gegen einen der Decksbalken stieß; es war, als ob jemand nach ihm gerufen hätte.

Der Kommandant benötigte jeden ausgebildeten Mann, den er bekommen konnte. Der Zweite Leutnant war ein unbeschriebenes Blatt, und Bellairs hatte sich kaum an seinen neuen Rang gewöhnt. Der wichtigste Offizier auf einem Schiff war unter diesen Umständen natürlich der Erste Leutnant, besonders wenn er so erfahren war.

Galbraith rieb sich den Kopf und grinste reumütig. »Aber er hätte mich gehen lassen, wenn mir ein Schiff angeboten worden wäre!«

Das Gesicht des Postens der Marineinfanterie verzog sich leicht indigniert unter dem Schild seines Ledertschakos.

Ein Offizier spricht laut mit sich selbst. Und sie hatten noch nicht mal den Anker aufgeholt!

Galbraith entspannte sich wieder. Das war etwas, was er den anderen erzählen mußte. Er bahnte sich seinen Weg in die Offiziermesse und warf dem Messesteward seinen Hut zu. Alle Augen waren auf ihn gerichtet, obwohl alle vorgaben, völlig desinteressiert zu sein. Man wird mir niemals ein eigenes Kommando anbieten. Er wiederholte diesen Satz lautlos. Aber der Neid war verschwunden.

Vizeadmiral Keen zog den schweren Vorhang zur Seite und starrte auf die ruhelosen Wasser des Sundes hinaus. Die See würde draußen bei diesem stetigen Nordost viel bewegter sein, wenn die Unrivalled noch bei Helligkeit die Reede verlassen und sich ihren Weg hinaus auf die offene See suchen würde. Er dachte an die anwachsende Zahl von außer Dienst gestellten Schiffen und verabschiedeten Männern. Draußen auf See war man besser dran. Auf jeder See.

Irgendwo in dem großen Haus hörte er Stimmen, Gelächter, Menschen, die sich amüsierten, die ermuntert oder auf Abstand gehalten wurden, je nachdem wie es die Umstände verlangten. Es gab Zeiten, in denen es ihm noch immer schwer fiel, das Unmögliche zu akzeptieren. Er war der jüngste Vizeadmiral seit Nelson. Zwei Kapitäne zur See, sechs Leutnants und eine veritable Armee von Schreibern und Dienern standen ihm zur Verfügung, wahrscheinlich konnten es auch mehr werden, falls er den Wunsch vor der Admiralität äußern sollte.

Aber wie bei dem Kapitän, der heute an diesem kalten Dezembermorgen überwiegend seine Gedanken okkupierte, lag die Verantwortung letztendlich bei ihm. Es war nur zu hoffen, daß beim Besuch der Unrivalled in Penzance ein paar Männer dazu gebracht werden konnten, anzumustern. Männer, die sich wahrscheinlich kein Leben unter dem strengen und rigiden Regiment eines Kriegsschiffs des Königs vorgestellt hatten.

Er dachte an Sir Graham Bethune, der denselben Rang wie er selbst innegehabt hatte. Sie hatten beide einmal als Midshipmen unter Sir Richard Bolitho gedient. Keen war an Bord von Bolithos Fregatte Undine zum Leutnant befördert worden, als sie Segel in Richtung Indien gesetzt hatten, in eine Welt, die ihm damals noch völlig unbekannt gewesen war. Er war ohne zu zögern mitgefahren, so wie jetzt der frisch beförderte Leutnant, den er an Bord der Unrivalled gesehen hatte. Seine Gedanken rankten um ein Gesicht und einen Namen: Bellairs. Er würde ein guter Mann werden, wenn Adam Bolitho den Schmerz überwinden konnte. Er mußte seinem Ruf gerecht werden. Er dachte daran, was Penzance für Adam bedeuten würde. Er muß durch einen tadellosen Lebenswandel auch viel vergessen machen …

Die Marine würde sich verändern müssen. Sie würde sich an diesen neuen, unsicheren Frieden zu gewöhnen haben und an die zerbrechlichen Beziehungen zu Alliierten, die für lange Zeit Feinde gewesen waren. Er spürte, wie der Wind gegen die Fenster drückte, aber es war mollig warm in diesen riesigen Räumen. Warm und sicher … Er dachte an die zahllosen Berichte und Rechnungen, die er geprüft hatte, seit er Flaggoffizier geworden war. Es war für ihn noch immer nicht möglich, sich nicht davon berührt zu fühlen. Er hatte sich selbst immer als ein Teil des Ganzen gefühlt, egal ob es sich um eine Flottenschlacht oder ein Gefecht Schiff gegen Schiff handelte, wie bei Adams Kampf gegen die abtrünnige Triton. Der Mann hatte Rhodes Befehle mißachtet, aber der Erfolg gibt dem Mutigen recht. Manchmal. Admiral Rhodes Versuch, die Batterien des Deys zu zerstören, war ein kostspieliger Fehlschlag gewesen. Die Gefangennahme von Geiseln hätte weitere Unternehmungen damals unmöglich gemacht.

Eine neue Attacke wurde jetzt geplant, diesmal sollte der Angriff von einer ganzen Flotte vorgetragen werden, und ein geborener Kämpfer, Lord Exmouth, war schon ausgesucht worden, um sie zu befehligen. Aber Rhodes war nachtragend. Es gab eine Art Netz des Bösen. Rhodes Cousin war in einem Asyl gestorben, die Syphilis hatte ihn irre werden lassen. Sie hatte schon vorher seine Chancen zerstört, Sir Richards Flaggkapitän auf der Forbisher zu werden. Keen runzelte die Stirn. Das war alles unter den Teppich gekehrt worden, dafür hatte Rhodes gesorgt. Aber er würde es nie vergessen.

Und der Admiral auch nicht, dessen Sohn Midshipman unter Adams Erstem Leutnant gewesen war, als dieser sein erstes und einziges Kommando innegehabt hatte. Der Junge hatte den Tod eines Matrosen verursacht, und Galbraith hatte ihn an Land gesetzt, wo er auf die gerichtliche Untersuchung warten sollte. Das Ganze war unter den Teppich gekehrt worden, und der Midshipman war nur auf ein anderes Schiff versetzt worden. Alles war vergessen – aber nicht von seinem Vater. Galbraith würde wohl nie wieder ein eigenes Kommando bekommen, es sei denn, ein Wunder geschah. Er erinnerte sich an die Intensität in Adams Augen, als er sich für Galbraith eingesetzt hatte. Hätte ich als sein Kommandant unter diesen Umständen das auch getan?

Er hörte, daß die Tür geöffnet wurde, hörte das Rascheln ihres Kleides und spürte ihre Hand auf seinem Arm. Er war sosehr ein Teil des Ganzen. Und jetzt hieß das wohl, an die Zukunft des Kindes zu denken.

Sie erkundigte sich: »Hast du schon mit ihm gesprochen, Val?«

So nannten ihn nur sehr wenige. Nur Richard und seine Catherine – und damals Zenoria.

Er legte seine Hand auf ihre und lächelte: »Ist das so offensichtlich zu erkennen, Gilia?«

Sie blickte auf die See hinaus. Auch das konnte sie mit ihm teilen. Sie war viele Male mit ihrem Vater gesegelt, der ein renommierter Schiffskonstrukteur war. Es war gut, daß er nicht hier war, um zuzusehen, wie die vielen stolzen Schiffe wie die Veteranen auf der Straße um ihr nacktes Überleben betteln mußten.

»Er wird alles gut überstehen, Val. Ich fühle das ganz deutlich.«

»Ich weiß. Er ist einer unser besten Fregattenkommandanten und ein Kämpfer obendrein.« Er versuchte das Thema zu wechseln. Adam würde noch viel lernen müssen. Das mußten wir alle. »Aber ich bin mir meiner nicht selbst sicher.«

Er spürte, wie ihr Griff auf seinem Arm fester wurde. »Schau, Val, da ist sie!«

Sie warteten schweigend, beobachteten das Muster der weißen Schaumkronen, hörten, wie der Wind an der Dachrinne von Boscawen House zerrte.

Und da war das Schiff! Seine Marssegel und großen Hauptsegel leuchteten im abnehmenden Licht rosa. Adam nutzte den Vorteil, den der Wind ihm bot, um sich erst frei vom Kap zu segeln, bevor er weitere Segel setzte. Sogar von hier oben konnte man gelegentliche Spritzwasserwolken erkennen, die hoch über das Vorschiff und die Vorstagsegel aufstiegen. Aber Keen sah alle Einzelheiten so deutlich vor sich, als ob er dort unten wäre. Auch die schön geschnitzte Galionsfigur, ein nacktes Mädchen, das seine Hände hinter dem Kopf und der vollen Haarpracht verschränkt hatte und seine Brüste herausfordernd in Richtung des Horizonts zeigte.

Er hätte gerne gesehen, wie der Anker aus dem Grund gebrochen und schnell zum Kranbalken empor gehievt wurde. Wahrscheinlich war ein Mann mit einer Fiedel dabeigewesen, der den Takt für die im Kreis stampfenden Füße vorgegeben hatte. Einige der Männer waren sicher noch so unerfahren, daß ihnen das eine gute Hilfe auf dem schlüpfrigen Deck gewesen war. So wie wir es sooft auf so vielen Ozeanen erlebt haben. Es war immer der größte Augenblick – abgesehen von dem des Landfalls.

Da draußen würde es jetzt die ersten bösen Gedanken des Bedauerns geben. Es war bestimmt schon Weihnachten, bevor die Männer genau Bescheid wußten …

Er konnte spüren, wie sie seinen Arm drückte, und wußte, was sie dachte. Daß sie zusammen waren, und mit Gottes Gnade würde es ihr erspart bleiben, sein Schiff so auslaufen zu sehen. Und nicht zu wissen, ob er je wieder zurückkehren würde. Wie so viele andere. Wie Richard und Catherine.

Und jetzt Adam, der allein war.

Er hörte mehr Stimmen. Eindringlinge.

»Ich gehe hinunter, Val. Du wirst sicherlich noch eine Weile bleiben.« Er drückte sie.

»Nein, Unrivalled hat das Kap gerundet. Adam wird jetzt darauf drängen, daß mehr Segel gesetzt werden.«

Sie gingen Arm in Arm zur Tür, vorbei an den großen dunklen Gemälden von Kriegsschiffen, Geschützrauch, Feuer und stolzen Flaggen. Aber kein Schmerz, kein Blut war darauf zu sehen. Der jüngste Vizeadmiral seit Nelson und seine bezaubernde Gattin waren bereit für andere Pflichten.

Aber als plötzlich eine der Fensterklappen ratterte, schaute sich Keen um, obwohl er genau wußte, daß die Unrivalled inzwischen außer Sicht war.

Und er war in Gedanken dort.

DAS BESTE SCHIFF DER FLOTTE

Kapitän Adam Bolitho löste den Kragen seines schweren Bootsmantels und drückte den Hut fester auf sein schwarzes Haar, als er an der Straßenecke eine Pause einlegte. Um sich neu zu orientieren oder um sich zu wappnen. Er wußte es selbst nicht.

Der Wind von der Mounts Bay wehte immer noch eisig, war aber deutlich abgeflaut, seit die Unrivalled vor zwei Tagen ihre letzten Schläge auf die Reede gemacht hatte. Sie hatte sich erst auf dem einen Bug, dann auf dem anderen vorwärtsgekämpft, ihre gerefften Segel hatten protestierend gekracht und geknallt. Es war eine Erleichterung gewesen, den Anker ins Wasser klatschen zu hören und die Stadt Penzance hell und klar in der Wintersonne vor sich zu sehen.

Eine Erleichterung oder eine Warnung? Er schüttelte sich ärgerlich. Er würde es durchstehen. Er hörte seinen Bootssteuerer schwer atmen, als ob der Mann diese körperliche Anstrengung nicht gewohnt war, die der steile Anstieg vom Hafen bedeutet hatte. Man konnte bei Luke Jago schwer sagen, ob er neugierig war oder sich heimlich amüsierte. Dieser Mann hatte die Marine immer gehaßt – und die Offiziere dazu. Und trotzdem war er noch immer im Dienst. Nach all den Kämpfen und dem Wahnsinn der Schlachten war er geblieben. Und er war Adam ein Freund, ein guter Freund.

Adam wandte sich um, als zwei Jungen vorbeirannten. Einer trug ein roh geschnitztes Modellboot, der andere eine Piratenflagge, sie lachten und stießen einander an, ohne sich im geringsten um irgend etwas in dieser Welt an diesem kalten Vormittag eine Woche vor dem Weihnachtsfest Sorgen zu machen.

Einer blieb stehen und starrte die beiden blau gekleideten Männer an, die ihre Hüte schräg gegen den Wind gestellt hatten.

Er rief: »Wollen Sie ein gutes Schiff kaufen, Käpt’n, Sir?«

Jago schüttelte die Faust. »Verdammte Lausebengels!«

Und beide rannten weiter. Adam blickte ihnen hinterher, er meinte sich selbst zu sehen. Gespenster aus der Vergangenheit … So wie diese Straße, so fremd und doch so vertraut. Er hat fast vermutet, Gesichter zu sehen und Stimmen zu hören, die er kannte. Er sollte umkehren und diese Gegend sofort verlassen. Galbraith war mit seinen Rekrutierungsabteilungen unterwegs, das war selbst in besseren Tagen keine beneidenswerte Aufgabe gewesen. Jeder erinnerte sich noch heute an die Preßgangs; Männer wurden auf offener Straße ergriffen, sogar aus ihren Wohnungen verschleppt, wenn ein Offizier Angst hatte, vor seinem Kommandanten mit leeren Händen erscheinen zu müssen.

Wie Falmouth lebte Penzance aus und von der See. Man konnte den Fischgestank riechen, und an heißen Tagen hingen Netze zum Trocknen aus. Hanf, Teer und immer die See im Hintergrund. Wartend. Er war nur ein Junge gewesen wie die beiden, die gerade vorübergelaufen waren, als er Penzance verlassen hatte. Er hatte das Stück Papier fest umklammert, das er den Leuten geben sollte, die er in Falmouth finden mußte. Er war nie wieder zurückgekehrt, außer einmal, als er mit einem der Pferde aus dem Besitz der Bolithos die zwanzig Meilen von Falmouth her- und dann sofort wieder zurückgeritten war. Aber für den kleinen Jungen waren die zwanzig Meilen zu Fuß endlos und eine Tortur gewesen. Vor zwei Tagen hatte er nun die stolze Silhouette des St. Michaels Mount vor dem Steuerbordbug gehabt. Aber nicht als verängstigter, nervöser Junge, sondern als Kommandant einer Fregatte war er zurückgekommen. Er dachte an die Befehle, die er fast sofort bekommen hatte, kaum daß der fallende Anker der Unrivalled eine Wolke von Spritzwasser über die Back versprüht hatte. Warum also Zeit vergeuden? Warum alte Zweifel neu nähren und schmerzliche Erinnerungen wecken?

Er drehte sich um und wollte gerade etwas sagen, als er den hohen Kirchturm sah, der sich klar und scharf gegen den blassen Winterhimmel abzeichnete. Er gehörte zur Kapelle von St. Marien. Es war, als fühlte er eine Hand auf seiner Schulter … Er erinnerte sich genau daran, was sich die alten Männer über diesen Kirchturm erzählt hatten, der so schön und schlank, so zierlich an dieser sturmumtosten Küste Englands stand. Die Alten hatten die Angewohnheit, zu Beginn jeder neuen Sturmsaison Wetten darüber abzuschließen, wann er zusammenstürzen würde. Diese alten Männer waren längst tot, aber die Kapelle von St. Marien und ihr fragiler Kirchturm standen immer noch.

Hier waren nicht viele Menschen auf der Straße unterwegs. Es war Markttag, daher würden die meisten, die einen riskanten Handel betrieben, den Schnäppchen auf der Market Jew Street hinterherjagen. »Hier entlang.« Er blickte zu den nahen Häusern hinüber, kleine Details schossen ihm durch den Kopf, er erinnerte sich an vieles, was er damals gehört hatte, und an das, was ihm seine Mutter erzählt hatte. Seinerzeit hatten Schiffe Penzance angelaufen, um eine volle Ladung an Kupfer, Zinn und Granit zu übernehmen. Sie waren häufig aus den Niederlanden gekommen und hatten ihren Ballast gelöscht, der aus holländischem Sandstein bestanden hatte, bevor sie sich auf die Heimreise gemacht hatten. Nichts wurde damals verschwendet, und sogar noch jetzt sah er Häuserfronten, die anstatt des üblichen Granits aus holländischem Sandstein erbaut waren.

Auf seinem Weg vom Hafen hatte er ein paar der Plakate gesehen, die Galbraith hatte kleben lassen. Einige waren abgerissen, andere waren sorgfältig abgelöst worden, vielleicht als eine Art Souvenir. Er hatte auch Blicke aufgefangen: Das hier war ein Seehafen, und jeder kannte die kampfkräftige Fregatte, die vor Anker lag. Auf der Suche nach Männern. War es jemals anders gewesen? Und alle wußten, daß Adam der Kommandant war.

Er hätte sich daran erinnern sollen, daß ein Markttag ein sehr schlechter Zeitpunkt war, um einen Mann zu finden, der seine Unterschrift für ein Leben im Dienst auf einem Schiff des Königs hergab. Außerdem war gleichzeitig eine Rekrutierungsabteilung der Armee unterwegs. Adam hatte den Sergeanten gesehen, wie er vor einer der örtlichen Kneipen stand und Männer zu überreden versuchte, die schon mehr Ale gebechert hatten, als ihrer persönlichen Zukunft gut tat, falls sie ihr Zeichen auf den Vertrag machten, um Soldat zu werden.

Galbraith hatte bis jetzt zwanzig Männer zusammenbekommen. Die Hälfte davon stammte aus dem Knast des örtlichen Richters. Sie glaubten, daß das Leben auf See immer noch besser wäre als das im Gefängnis oder nach der Deportation. Die Realität würde den einen oder anderen wie ein Schock treffen. Er hatte gehört, wie Cristie, der alte Segelmeister, ärgerlich geknurrt hatte: »Der ganze Haufen besteht nur aus Galgenvögeln!«

Adam blieb draußen vor der Kirche stehen und blickte zur Wetterfahne empor. Südöstlicher Wind. Perfekt zum Auslaufen. Um von hier zu verschwinden.

Jago zögerte, dann zog er seinen Hut, als Adam durch die hohen verwitterten Türen trat. »Soll ich mit hinein kommen, Sir?«

Adam hörte ihn kaum. »Wenn du möchtest.«

Die Kirche war leer bis auf zwei alte Weiber, die zusammen auf einer der Kirchenbänke saßen. Beide trugen die traditionellen Kappen, an die er sich aus seiner Kindheit erinnern konnte. Jung oder alt, die Frauen trugen große Fischkörbe, die von verstärkten Bändern um ihre Köpfe gehalten wurden. Damit belieferten sie die Dörfer in der Nähe der Stadt oder verkauften darin den Fisch frisch aus der See von kleinen Karren herunter in den Straßen. Keine der Frauen blickte auf, als die Schuhe der Männer auf dem gefliesten Boden klapperten.

Jago blieb vor einer Statue stehen, die einen örtlichen Würdenträger darstellte, wie er vermutete. Er beobachtete seinen Kapitän und wartete ab.

Adam verharrte unter einem der Fenster und starrte auf die Gedenktafel. Er wußte, daß Kerenza schön gewesen war. Aber über die Jahre hinweg hatte er sich immer nur an jenen letzten Tag erinnert, als sie ihn fortgestoßen und ihn angefleht hatte, sie zu verlassen und sich auf den Weg nach Falmouth zu machen. Sie war krank und hatte im Sterben gelegen, aber wie immer hatte sie zuerst an ihn gedacht. So wie sie sich nur für ihn verkauft hatte. Er erzitterte, die Stille um ihn herum wurde ihm bewußt, ebenso die Ruhe auf den Straßen, durch die sie gerade gegangen waren. Alles schien viel enger zu sein, als er es in Erinnerung gehabt hatte.

Adam streckte impulsiv seine Hand aus, wie Jago es bei ihm schon sooft gesehen hatte, nach einem Freund, nach einem Untergebenen. Nach mir.

Die Gedenktafel war schlicht und einfach. Trotzdem hatte sie einen ziemlichen Ärger mit dem Steinmetz und der Kirche provoziert.

Aber Adam hatte sich durchgesetzt.

In liebevoller Erinnerung an Kerenza Pascoe, die 1793 starb. In Erwartung seines Schiffs.

Das war alles. Mehr hatte man einer Frau mit ihrem Ruf nicht zugestanden.

Adam berührte den Stein und lächelte. Er war überrascht, daß es ihm nicht schwer fiel.

»Ich bin gekommen, Mutter. Gott sei dir gnädig.«

Dann wandte er sich um und schritt zum Eingang zurück.

Jago warf einen schnellen Blick auf die Gedenktafel. Kein Titel, keine Einzelheiten. Nur der Name einer Frau und etwas über ein Schiff. Er war irgendwie froh, daß sein Vater ihn gezwungen hatte, lesen und schreiben zu lernen, als er ein Knabe gewesen war und auf einem Schoner gearbeitet hatte, der von Dover aus segelte. Notfalls mit Schlägen hinter den Ohren, wann immer er nicht freiwillig wollte. Rückblickend stellte er fest, daß es das einzige war, wofür er seinem Vater dankbar sein konnte, einem Tyrannen, der gestorben war, als er betrunken in ein Dock gefallen war. So sagte man.

Aber lesen zu können verschaffte einem Mann einen großen Vorteil. Als Bootssteuerer des Kommandanten genoß Jago das Privileg, über die Decks gehen zu dürfen, wann und wie er wollte. Sehr zum Ärger einiger der älteren Mannschaftsmitglieder und junger Schnösel wie Midshipman Sandell. Ein Blick in die Karte oder in eines der Logbücher hielt ihn immer auf dem laufenden. Wann, wo, wie. Einige der Männer an Bord waren ignorante Strohköpfe, hatten hohle Birnen. Was sie anging, konnte sich das Schiff genausogut auf dem Mond befinden.

Jago dachte an die beiden alten Frauen, die gebetet hatten, Fischweiber, wie man sie hier nannte, und fragte sich, was für Befriedigung ihnen das verschaffte. Er hatte auf See Gebete gehört, nachdem irgendein armer Hund in seine Hängematte eingenäht worden war und über die Seite geworfen worden war, wie so viel anderer Abfall auch. Worin lag der Sinn?

Jago spürte die Brise auf seinem Gesicht, als sie wieder auf die Straße traten, und sah, wie der Kapitän die Schultern straffte, aber nicht – wie er vermutete –, um sich gegen den Wind zu stemmen.

Die Frau, der in der Kirche gedacht wurde, war Kapitän Bolithos Mutter gewesen. Jago kannte die Geschichte zum größten Teil und hatte sich den Rest zusammengereimt. Bolitho hatte Glück gehabt. Er gehörte zu einer guten Familie, und sein Onkel würde in den Geschichten der Seeleute genausolange weiterleben wie Nelson, sagten einige Leute. Aber er hatte wirklich viel Glück. Er hatte sein Schiff riskiert, seinen Ruf, vielleicht seine Karriere, weil er geflohen war und die Befehle seines Admirals mißachtet hatte, und das alles wegen einer Frau, die auf der Unrivalled gereist war. Jago hatte sie beobachtet, wie sie mit dem Kapitän die Klingen gekreuzt und Blicke gewechselt hatte.

Und Glück war es auch, daß Adam ein Schiff hatte in diesen Tagen, da die Navy jeden Tag Schiff um Schiff verkleinert und die Besatzungen an den Strand geworfen wurden, um dort, so gut wie sie es vermochten, für sich selbst zu sorgen. Bis der nächste verdammte Krieg ausbrach, dachte Jago düster. Dann würde es wieder süße Versprechungen hageln, um die armen Teerjacken zurück auf die See zu locken.

Er blickte an den Häusern empor, an denen sie vorbeigingen. Die meisten Kapitäne zur See würden versuchen, ihre Vergangenheit zu ignorieren, falls sie einen schwarzen Punkt in ihrer Vita hatten. So wie Sir Richard und seine »skandalöse Geliebte« und sein Bruder, der aus der Navy desertiert war, um für die Amerikaner zu kämpfen, Hugh Bolitho, der den Kommandanten der Unrivalled gezeugt hatte, den letzten Sproß dieser alten Seemannsfamilie, wie man sich zuraunte. Aber der hier nicht. Er scheute vor jeder Art von unverdientem Vorteil zurück. Adam Bolitho hatte ihn mit in die Kirche genommen. Und aus irgendeinem Grund war das wichtig gewesen.

Sie hatten die Stelle erreicht, wo sich die See vor ihnen wieder weit öffnete, um sie zu grüßen. Sie glänzt wie poliertes Zinn und funkelt schmerzend in den Augen, überlegte Adam, sogar für Männer wie Unrivalleds erfahrensten Ausguck, Joseph Sullivan, dessen unwahrscheinliche Fähigkeiten ihn die Triton hatte finden lassen. Sullivan war einer der älteren Besatzungsmitglieder, der von allen respektiert wurde, nicht zuletzt deshalb, weil er bei Trafalgar dabei gewesen war, obwohl er nur selten davon sprach. Adam war ihm dankbar, daß er auf dem Schiff geblieben war. Aber Sullivan hatte ihn nur mit seinen klaren Augen angeschaut, die wie die Augen eines sehr viel jüngeren Mannes aus seinem wettergegerbten Gesicht leuchteten.

»Wohin sollte ich auch gehen, Käpt’n?«

Und da lag das Schiff. Es schien, von diesem abgehobenen Punkt aus gesehen, aus Glas zu bestehen. Es war ein eigenartiger Gedanke, daß Bellairs, der jüngste Leutnant, solange der einzige Offizier an Bord war, bis die Rekrutierungskampagne zu Ende war und der Anker wieder kurzstags gehievt wurde. Er hatte jetzt das, wovon er immer geträumt hatte – das Kommando. Wie die meisten von uns. Hatte er Glück gehabt oder war er nur einfach in die Schuhe toter Männer geschlüpft? Wer vermochte das zu sagen. Massie, der Zweite Leutnant, war getötet worden. Der Dritte Leutnant, Daniel Wynter, hatte das Schiff verlassen, um in die Fußstapfen seines Vaters in der Politik zu treten. Das Parlamentsmitglied hatte die Karriere seines Sohnes in der Marine immer verabscheut und daraus auch kein Geheimnis gemacht. Mit seinen Tod hatte er letztlich doch noch seinen Willen durchgesetzt.

Der neue Leutnant, Varlo, schien erfahren zu sein und stammte aus einer Familie mit Marinetradition. Er war außerdem ein paar Monate lang Flaggleutnant eines Konteradmirals auf dem Nore gewesen. Galbraith hatte wenig über ihn zu sagen gewußt, außer daß er seinen Pflichten gut nachkam. Er hielt auf Distanz, bis sich das Thema erledigt hatte. Sein Kapitän hatte einmal versucht, ihn in ein persönliches Gespräch zu verwickeln.

Es war unmöglich gewesen.

Adam drehte sich um und starrte zu dem Schiff hinüber, bis seine Augen tränten. Er hätte an Bord bleiben sollen. Es gab für ihn mehr als genug zu tun, bevor das Schiff wieder auslaufen konnte. Warum also …?

Er hörte Jago lässig sagen: »Was ist denn das?«

Etwas in seinem Tonfall und der Eindruck, daß er mit einer Hand den kurzen Dolch mit der breiten Klinge, den er immer bei sich trug, lockerte, vermittelten Adam das Gefühl, daß Gefahr im Verzug sein könnte – wie schon so viele Male zuvor. Aber er irrte sich, denn von den beiden Gestalten, die vor einem Paar offener Torflügel warteten, ging keine Gefahr aus.

Ein Mann war groß und gut gebaut, obwohl er seine Schultern merkwürdig verdrehte. Er war ungefähr genauso alt wie Adam und trug eine Augenklappe, die aber nicht die schreckliche Narbe verdecken konnte, die über sein Gesicht bis zum Hals hinunterlief. Ein Auge mußte ihm herausgerissen und das Fleisch bis auf den Knochen aufgerissen worden zu sein. Er hatte nur einen Arm.

Seine Begleiterin war eine junge Frau, die eine Kappe und eine Schürze trug. Sie hielt den Arm des Mannes, ihr Gesicht war feindselig.

»Was ist los, Kumpel?« Jago stand sehr entspannt da, aber eine Hand ruhte auf seinem Gürtel.

Der Mann trat einen Schritt vor und versuchte etwas zu sagen: Seine Stimme war unverständlich, fast klang sie wie erdrosselt, aber er redete unaufhörlich.

Das Mädchen mischte sich ein: »Ich habe dir gesagt, daß du dich von denen fernhalten sollst! Ihnen ist es egal! Ich habe es dir gesagt!« Aber sie schluchzte, der Ärger war nur eine Maske für etwas anderes.

Adam sagte: »Es ist schon in Ordnung. Es war mein Fehler – ich war in Gedanken gerade viele Meilen weit entfernt.«