Hidden Legacy - Kalte Flammen - Ilona Andrews - E-Book

Hidden Legacy - Kalte Flammen E-Book

Ilona Andrews

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Save the date!
Nevada Frida Baylor und Connor Anders Rogan laden Dich sehr herzlich zu ihrer Hochzeit ein.
Beschwörungen, Wettermanipulation und andere magische Aktivitäten sind strengstens untersagt!

Nevadas kleine Schwester Catalina kann es kaum erwarten, ihr Brautjungfernkleid vorzuführen ... und zuschauen, wie Nevada vor den Altar tritt. Als jedoch der Weddingplaner gewaltsam vom Gelände entfernt werden muss, die unbezahlbare Tiara der Braut spurlos verschwindet und dann auch noch Rogans exzessive Familie über das Haus herfällt, scheint das junge Glück in großer Gefahr. Catalina bleibt nur noch eine Möglichkeit - eine, die sie sehr fürchtet: Sie muss ihre Magie nutzen! Aber sie wäre keine waschechte Baylor, würde sie nicht alles tun, um die Märchenhochzeit von Nevada wahrzumachen ...

"WILDE SCHATTEN steckt voller Abenteuer und Romantik und Witz - das Buch war definitiv jede Minute wert!" SMEXYBOOKS

Novella zur HIDDEN-LEGACY-Reihe von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Ilona Andrews

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 205

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Ilona Andrews bei LYX

Impressum

ILONA ANDREWS

Hidden Legacy

KALTE FLAMMEN

Ins Deutsche übertragen von Marcel Aubron-Bülles

Zu diesem Buch

Save the date!

Nevada Frida Baylor und Connor Anders Rogan laden Dich sehr herzlich zu ihrer Hochzeit ein. Beschwörungen, Wettermanipulation und andere magische Aktivitäten sind strengstens untersagt!

Nevadas kleine Schwester Catalina kann es kaum erwarten, ihr Brautjungfernkleid vorzuführen … und zuzuschauen, wie Nevada vor den Altar tritt. Als jedoch die Hochzeitsplanerin gewaltsam vom Gelände entfernt werden muss, die unbezahlbare Tiara der Braut spurlos verschwindet und dann auch noch Rogans exzessive Familie über das Haus herfällt, scheint das junge Glück in großer Gefahr. Catalina bleibt nur noch eine Möglichkeit – eine, die sie sehr fürchtet: Sie muss ihre Magie nutzen! Aber sie wäre keine waschechte Baylor, würde sie nicht alles tun, um die Märchenhochzeit von Nevada wahr zu machen …

Prolog

Nevada

In jeder Familie gibt es diese seltsamen Momente – nur kamen sie bei unserer häufiger vor als bei anderen.

Ich saß am Küchentisch unserer Familie und stopfte Pfannkuchen in mich hinein.

Meine jüngste Schwester sah mir von der anderen Seite des Tischs aus zu. »Was machst du hier? Du wohnst hier nicht mal mehr, Nevada.«

Offiziell war ich gestern ausgezogen. Die letzten neun Jahre meines Lebens hatte ich in meinen eigenen vier Wänden im Lagerhaus verbracht, das meiner Familie Zuhause und zugleich Arbeitsplatz war. Da ich mittlerweile den größten Teil meiner Zeit mit Connor verbrachte, den die meisten nur als Mad Rogan kannten und dessen Antrag ich vor Kurzem angenommen hatte, war ich zu dem Entschluss gekommen auszuziehen. Überraschenderweise hatte dies nicht für allzu großes Aufsehen gesorgt. Ich hatte auch nie viel gehortet und brauchte daher kaum einen Tag, um meine gesamten Besitztümer in Kisten zu verpacken. Rogans Leute hatten sie gestern Nacht abgeholt und in sein Haus am Rande Houstons gebracht. Oma Frida verdrückte ein paar Tränchen, und Mom gab das eine oder andere Knurren von sich. Ich hatte mich daher entschieden, die Nacht in Rogans Hauptquartier auf der anderen Straßenseite zu verbringen, sollten sie sich doch für einen Nervenzusammenbruch entscheiden.

Ich hätte mir keine Sorgen machen sollen.

»Lass sie in Ruhe«, sagte Mom zu Arabella. »Das ist ihr dritter Pfannkuchen.«

»Und?« Arabella warf mir einen Blick zu.

Ich streckte ihr die Zunge heraus und schnitt ein weiteres Stück Pfannkuchen mit meiner Gabel ab.

»Das ist Stress-Essen«, warf Oma Frida ein. »Rogan holt sie in fünf Minuten ab. Sie hat Angst, seine Mutter kennenzulernen.«

Vielen Dank, Oma! Ich verschluckte mich an dem Pfannkuchen und schlürfte gierig meinen Kaffee. »Ich habe keine Angst.«

Ich hatte total Angst. Er hatte mich direkt nach den Prüfungen zu ihr bringen wollen, aber ich hatte mir drei Tage Wartezeit erbeten. Nun gab es kein Zurück mehr. Ich würde meine zukünftige Schwiegermutter kennenlernen.

Arabella starrte mich mit zusammengekniffenen Augen an. Oma Frida war über siebzig, und Arabella gerade mal fünfzehn, aber in diesem Augenblick sahen sie sich unglaublich ähnlich: blaue Augen, blonde Haare – auch wenn Oma Fridas Locken ihrem Alter entsprechend weiß waren –, und beide schauten mich mit einem schlitzohrigen Grinsen an.

»Du trägst eine neue Jeans und deine grüne Lieblingsbluse«, sagte Arabella.

»Ja, und?«

Meine Schwester beugte sich kurz unter den Tisch. »Und außerdem hübsche Riemchensandalen. Du hast dir sogar die Zehennägel lackiert.«

»Ich kann mir jederzeit meine Zehennägel lackieren.« Normalerweise trug ich Sneaker, weil ich arbeitsbedingt schon mal rennen musste, aber ich besaß selbstverständlich auch drei Paar Sandalen.

»Du solltest dir die Zähne putzen«, sagte Oma Frida. »Du möchtest ja nicht nach Kaffee riechen.«

Meine Zahnbürste befand sich in Rogans Hauptquartier. Verdammt!

»Hört endlich auf, ihr beiden«, knurrte Mom und wandte sich mir zu. »Du machst das schon.«

Nach dem Tod von Dad war Mom zu unserem Fels in der tosenden Brandung geworden. Egal, was auch passierte, sie war für uns da und brachte alles in Ordnung. Ich brauchte sehr lange, um unter diese harte Schale sehen zu können. Gerade im letzten Jahr war mir ihre Zerbrechlichkeit bewusst geworden. Aber heute brauchte ich den Fels, und ich klammerte mich an ihn.

»Mom sagt, ich schaffe das schon«, sagte ich zu ihnen. »Du hast sie bereits getroffen, Arabella. Du könntest mir einfach sagen, wie sie so ist.«

Arabella lächelte. »Ich lass dich gerne zappeln.«

Mein Handy pingte. Eine Nachricht von Rogan.

»Du verpasst die gesamte Show.«

»Was für eine Show?«

»Komm nach draußen.«

Ich wollte wirklich die Treppe zu meinem alten Zimmer hinauflaufen und hinter mir die Tür verriegeln. Das konnte ich aus zwei Gründen nicht tun. Erstens: Ich war erwachsen. Zweitens: Meine andere Schwester, Catalina, war in mein Zimmer eingezogen, also gehörte es mir praktisch nicht mehr.

Wie absurd. Ich war eine ausgebildete Privatdetektivin mit fast zehn Jahren Berufserfahrung. Die Baylor Investigative Agency hatte es nur bis hierher geschafft, weil ich sie übernommen hatte, als Dad krank wurde, und sie wider allen Erwartungen zum Erfolg führte. Nicht nur das, ich war auch noch eine Hochbegabte, was dem höchsten Rang entsprach, den eine Magiewirkende erreichen konnte. Meine Großmutter väterlicherseits verfügte über dieselbe Gabe. Die Leute zuckten zusammen, wenn sie ihren Namen hörten. Ich hatte mich gegen sie und ein Dutzend anderer Hochbegabter gestellt. Im Laufe des letzten Jahres hatte man auf mich geschossen, mich mit einem Auto angefahren, teleportiert und beinahe dem Flammen- und Erfrierungstod ausgesetzt. Außerdem hatte man mir fast einen Bus auf den Kopf geschmettert, ein Psioniker hatte versucht, meinen Verstand zu zerquetschen, und ich hatte Connor Rogan, der Geißel von Mexiko, mehrfach mit »Nein« geantwortet und mich ihm gegenüber behauptet. Ich sollte in der Lage sein, mich der Mutter meines Verlobten zu stellen.

Ich würde das schon schaffen.

Ich stand auf, stellte meinen Teller in das Spülbecken, umarmte meine Mom und ging zur Tür.

Ein metallisch-blaugrauer Range Rover stand vor unserem Lagerhaus. Wenn man nicht genau hinsah und wusste, worauf man achten musste, hätte man niemals vermutet, dass es sich um ein gepanzertes Fahrzeug handelte.

Rogan lehnte am Wagen. Ich hatte ihn sowohl in maßgeschneiderten Anzügen im Gegenwert von zwanzigtausend Dollar als auch in dreckigem T-Shirt und Jeans erlebt. Egal, was er trug, er strahlte immer eine Aura rauer Männlichkeit aus. Man hatte das Gefühl, dass ihn nichts aus der Ruhe bringen würde. Egal, was passierte, er würde das Problem lösen, und er würde nie in Panik geraten. Die Tatsache, dass er außerdem groß war – über einen Meter achtzig mit einer Figur, als ob er täglich gegen Leute in den Ring stiege –, verstärkte den Eindruck nur noch. Heute trug er Jeans und ein olivgrünes T-Shirt. Seine bronzefarbene Haut und die dunklen Haare ließen ihn wie einen Dschungelforscher aussehen.

Oh nein!

Ich blieb stehen.

»Was denn?«, fragte er.

»Wir haben dasselbe an«, brachte ich mühsam hervor.

»Ja, und?«

»Ich gehe mich umziehen.«

Er packte mich an der Hand und zog mich an sich heran. Er bedachte mich mit einem belustigten Blick, als er sich zu mir hinabbeugte und mich küsste. Er schmeckte nach Minze und Kaffee, und die Berührung seiner Lippen beruhigte mich. Ich würde das schon hinbekommen.

»Du siehst fantastisch aus. Außerdem würdest du das Beste verpassen, wenn du jetzt gehst.«

Er nickte nach links, und ich folgte seinem Blick.

Auf dem Bürgersteig stand ein saphirblauer Maserati GranCabrio. Direkt daneben und unterhalb meines Fensters – nein, dem meiner Schwester – stand Alessandro Sagredo.

Als ich kurz vor den Prüfungen das erste Mal ein Bild von Alessandro gesehen hatte, dachte ich, er sähe aus wie der Sohn eines Gladiators vor seinem ersten Kampf. Im wahren Leben stimmte das sogar noch mehr. In seinem Gesicht fanden sich zwar noch sanfte Züge, aber diese würden bald verschwinden. Sein Gesicht bestand aus harten, klaren Linien, aber egal, wie sehr sie sich auch veränderten, eins würde immer sicher sein: Alessandro war verflucht, den Rest seines Lebens als unglaublich gut aussehender Mensch zu verbringen.

Meine schüchterne und stille Schwester lehnte sich aus ihrem Fenster und war offensichtlich aufgeregt.

»Nein!«, verkündete Catalina.

»Warum nicht?« In Alessandros Stimme war der sanfte Hauch eines italienischen Akzents zu hören.

»Weil das, was du für mich empfindest, nicht echt ist.«

»Wer sagt denn, dass ich etwas empfinde? Ich habe nur vorgeschlagen, einen kleinen Ausflug zu machen.« Alessandro nickte in Richtung seines Maserati, der im Sonnenschein blau funkelte. »Der Wagen steht direkt hier.«

»Nein.«

Unsere Familie hatte vor nur wenigen Tagen die Prüfungen bestanden, dass wir über mindestens zwei Hochbegabte verfügten und uns daher zu einem Haus ernennen lassen konnten. Den Schutz, der jungen Häusern gewährt wurde, hatten wir dringend nötig. Meine Schwestern und ich hatten daher unsere magischen Fähigkeiten vor einem Prüfungsausschuss aus Hochbegabten beweisen müssen. Alessandro war Catalinas Examen. Er war ein mächtiger Widerstandshochbegabter, der die Magie anderer aufheben konnte, während meine Schwester Menschen dazu brachte, sich in sie zu verlieben. Sie hatten sich gegenübergestanden, nur durch einen weißen Strich voneinander getrennt. Catalina hatte ihm die Geschichte unseres Urlaubs in Florida erzählt, und als sie damit fertig war, hatte Alessandro den Strich überquert und gegen die vier Leute gekämpft, die ihn aufzuhalten versuchten. Er hatte zwar ihren Einfluss in wenigen Sekunden abgeschüttelt, meine Schwester aber als Hochbegabte eingestuft.

»Ich dachte, Catalinas Magie würde mit der Zeit nachlassen«, sagte Rogan leise.

»Tut sie auch. Ich glaube nicht, dass er wegen ihrer Magie hier ist. Er ist ihr schon vor den Prüfungen auf Instagram gefolgt.«

Rogans dunkle Augenbrauen hoben sich um einige Millimeter. »Und das ist wichtig, weil …?«

»Er ist der Liebling des Herolds, hat Millionen Follower und ist der Schwarm einer ganzen Generation. Auf Instagram folgte er nur drei Leuten. Und Catalina. Sie wurde über Nacht auf Instagram berühmt und hat ihren Account gelöscht.«

In unserer Welt waren die Hochbegabten die berühmtesten Prominenten. Es gab ein eigenes soziales Netzwerk, um dieser Leidenschaft zu frönen – den Herold, wo die Mitglieder alles von Spekulationen über Gerüchte bis hin zu Fanfiction teilten. Alessandro Sagredo, jung, unverheiratet und unerträglich gut aussehend, war ein Hochbegabten-Groupie-Magnet, und Catalina hasste diese Art der Aufmerksamkeit über alles. Dafür hatte sie gute Gründe. Ich hätte fast alles getan, um es ihr leichter zu machen, aber jede Form der Magie hatte ihren Preis, und meine Schwester hatte den Schwarzen Peter gezogen.

»Du brauchst den Abstand«, stellte Catalina fest. »Mit der Zeit und genügend Distanz legt sich das schon.«

Alessandro ließ den Kopf hängen, und seine langen braunen Haare verbargen sein Gesicht. »Per l’amor del cielo!«

Ich drehte mich zu Rogan um. »Was hat er gesagt?«

»Keine Ahnung.«

»Ich stehe nicht unter dem Einfluss deiner Magie. Ich versuche ja nicht, die Mauer hochzuklettern, um zu dir zu gelangen. Ich bin nur hier, um dich zu einer kleinen Spritztour einzuladen.«

Eine längere Stille folgte.

Alessandro neigte seinen Kopf und sah zum Fenster hinauf. Der moderne Romeo in seiner Luxusjeans neben seinem Hundertsiebzigtausend-Dollar-Gefährt.

Das Schweigen dehnte sich aus.

»Wird sie ihm antworten?«, fragte mich Rogan.

»Nein.«

»Sie wird ihn einfach da stehen lassen?«

»Nein, ich meine damit, dass die Antwort Nein lautet.« Ich schenkte ihm ein Lächeln. »Lass uns gehen. Das ist so schon schlimm genug für Catalina, und wir können ihr ohnehin nicht helfen.«

»Ich hasse dieses Fenster«, sagte Rogan, als wir in seinen Wagen stiegen.

Auf der anderen Straße hob sich eine schwere Kiste einige Zentimeter vom Boden.

»Tu das bloß nicht«, sagte ich zu ihm. Die Erinnerung an unseren letzten Streit unter diesem Fenster war noch sehr frisch. Rogan war ein hochbegabter Telekinet, und ihm hatte der Gedanke nicht gefallen, von der Straße zu mir hinauf brüllen zu müssen. Er hatte den halben Inhalt seiner Werkstatt an der Seite unseres Lagerhauses übereinandergestapelt, damit er an mein Fenster und mir gegenübertreten konnte. »Ernsthaft. Das wird nichts nützen.«

Die Kiste landete wieder auf dem Bürgersteig. Rogan fuhr vom Parkplatz. »Der arme Graf.«

Ich sah ihn von der Seite an. »Was meinst du damit?«

»Alessandro ist ein Graf. Conte di Sagredo. Seine Linie lässt sich bis ins zwölfte Jahrhundert zurückverfolgen.«

»Erzähl das bloß nicht Catalina«, sagte ich.

Meine Schwester war zwar selbstsicher genug, wenn sie von normalen Menschen umgeben war. Aber ein Gespräch mit jemandem zu führen, der einem alten Adelsgeschlecht entstammte, würde zu einer vollständigen Blockade führen. Sie würde sich jedes einzelne Wort wieder und wieder vor Augen führen, nur um sicher zu sein, dass sie nichts Peinliches gesagt oder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

Es reichte völlig aus, dass Alessandro gut aussehend, hochbegabt und allgemein als Herzensbrecher bekannt war. Wenn da noch ein Adelstitel ins Spiel kam, wäre das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte.

Die lange Straße zog sich in sanften Kurven durch die schroffe Hügellandschaft, die sich aus einem Meer aus grünem Wacholder und Virginia-Eichen erhob. Wir fuhren in Richtung Nordwesten, hinauf in das Texas Hill Country. Der Boden sah trocken aus, und große Kalksteinbrocken stachen aus der dünnen Mutterbodenschicht hervor. Nach der Feuchtigkeit Houstons machte mich der Blick aus dem Autofenster durstig.

»Warum hier?«, fragte ich.

»Sie meint, dass diese Hügellandschaft sie an ihr Zuhause erinnert«, antwortete er.

»Wo ist ihr Zuhause?«

»Spanien. Im Baskenland, in den Bergen von Navarra. Ich bin dort gewesen. Es passt nicht hundertprozentig, aber es ist dort an vielen Stellen so trocken und schroff wie auch hier.«

Eine Biegung tauchte vor uns auf, und als Rogan elegant die Kurve nahm, erblickte ich das Haus. Eine wunderschöne Mittelmeervilla, die den Hügel bekrönte und deren Lehmziegelwände von hohen, glitzernden Fenstern durchzogen waren. Die Kurve nahm kein Ende, und das Haus ebenso wenig …

»Was, wenn sie mich nicht mag?«

»Sie wird dich mögen. Ich liebe dich, und das ist das Einzige, was zählt. Aber meine Mutter wird dich mögen.«

Schließlich erreichten wir die Hügelspitze. Vor uns türmte sich eine Steinmauer mit rotem Lehmdach auf. Ein robustes Metalltor bewachte den Eingang. Als wir uns ihm näherten, öffnete es sich automatisch, und der Range Rover rollte die lange Auffahrt hinauf, vorbei am perfekt kultivierten Rasen durch ein weiteres Bogentor. Wir fuhren auf einen Innenhof, in dessen Mitte sich ein wunderschöner Brunnen erhob. Rogan brachte den Wagen zum Stehen.

»Das ist ein riesiges Haus«, sagte ich.

»Mountain Rose. Gut zweitausend Quadratmeter. Zehn Schlafzimmer. Zwölf Badezimmer. Zwei Swimmingpools. Tennisplatz, Gärten, das volle Programm.« Rogan verzog das Gesicht. »Ich habe meine Mutter mal gefragt, warum sie ein so großes Haus benötigt, und ihre Antwort lautete: ›Für die Enkel.‹«

»Du hast keine Geschwister, oder?«

»Nein.« Er deutete mit der Hand am Haus entlang. »Ein Schlafzimmer für sie, eins für uns – das bedeutet acht weitere Schlafzimmer für Enkel, und ihre Hoffnungen ruhen auf unseren Schultern.«

»Toll.« Um meine Schultern machte ich mir keine Sorgen, aber wenn ich das erwähnt hätte, hätte ich weitere zehn Minuten gebraucht, um ihm die schlüpfrigen Anspielungen auszutreiben.

Wir blieben noch eine Zeit lang sitzen. Ich wollte nicht aussteigen.

»Angsthase?«, fragte er.

Menschen logen jeden Tag. Oft über ein Dutzend Mal. Das geschah in vielen Fällen aus den besten Absichten, aber wann immer sie es mit der Wahrheit nicht so genau nahmen, warnte mich meine Magie. Ich hatte mich daher vor langer Zeit entschieden, nur äußerst selten zu lügen. Und Rogan gegenüber würde ich immer die Wahrheit sagen. Er konnte mich nicht anflunkern, und in dieser Beziehung mussten wir uns auf Augenhöhe begegnen. »Ja.«

»Das wird schon.« Er beugte sich zu mir hinüber und küsste mich. Es war ein kurzer Kuss, der mich beruhigen sollte, aber Rogan änderte nach nur einem Augenblick seine Meinung. Seine Hand vergrub sich in meinem Haar. Er schmeckte nach Sandelholz, Minze und Connor. Ich ließ mich fallen und erwiderte den Kuss. Nichts glich einem Kuss von Rogan. Meine Sorgen lösten sich in Wohlgefallen auf. Es gab nur noch mich und ihn, seinen Geschmack, seinen Duft, seine Berührung …

Wir lösten uns voneinander. Seine blauen Augen wurden ein wenig dunkler. Er sah aus, als ob er sich einen Nachschlag holen wollte.

Wir können nicht einfach im Wagen sitzen bleiben und rumknutschen. Arrosa Rogan war eine Hochbegabte. Sie lebte auf einem Landsitz, dessen Sicherheitsvorkehrungen den Bedürfnissen einer Hochbegabten entsprachen. Das bedeutete, dass unser Rumgeknutsche wahrscheinlich in diesem Augenblick in HD-Qualität auf den Überwachungsmonitoren zu sehen war.

Ich öffnete meine Tür. Er grinste, und wir stiegen gemeinsam aus.

Das Innere des Hauses war genauso beeindruckend wie sein Äußeres. Der beige- und cremefarbene Putz zog sich in eleganten Spiralen die Wände hinauf zur hohen Decke. Der Boden bestand aus großen Travertinplatten und nicht, wie oft üblich, aus kleineren Fliesen. Das Mobiliar war wie auch in Rogans Haus von zeitloser Schönheit, doch wo seine Inneneinrichtung robust und fast schon schlicht wirkte mit ihren rechten Winkeln, waren hier Sofas und Stühle kunstvoller gestaltet. Zweifelsohne hatte eine Frau bei der Auswahl der Inneneinrichtung ein Wörtchen mitzureden gehabt.

Niemand kam uns zur Begrüßung entgegen. Seltsam. Handelte es sich um eine Art Machtspielchen? Verwies sie mich auf meinen Platz, indem sie mich warten ließ? Meine Aufgeregtheit kehrte mit einem Schlag zurück.

Rogan ging in die Küche und öffnete den riesigen Kühlschrank. Beinahe hätte ich ihm gesagt, er solle das sein lassen, aber ich konnte mich gerade noch zusammenreißen. Für mich war dies ein Landsitz. Für ihn war es das Haus seiner Mutter, und wie für jedes andere Kind, das heimkehrte, war das erste Ziel natürlich der Kühlschrank. Ich machte genau dasselbe, wenn ich morgens das Lagerhaus betrat.

»Möchtest du etwas zu trinken?«

»Was steht zur Auswahl?«

»Mineralwasser, Eistee, Saft …«

»Eistee. Danke!«

Die Küche war riesig. Über den wunderschönen Granitarbeitsplatten hingen dunkelbraune Schränke. Die modernsten Küchengeräte warteten auf ihren Einsatz. Das Kochfeld ähnelte denen, die man sonst nur in Kochwettbewerbssendungen zu sehen bekam.

Rogan schenkte uns in zwei hohe Gläser Eistee ein. Ich ließ mich auf einem der Stühle am anderen Ende der Kücheninsel nieder, und er schob mir eins der Gläser zu. Ich nahm es und trank einen Schluck.

Acht Schlafzimmer, die nur auf Enkelkinder warteten. Super.

Ich hatte mich schon immer gefragt, warum Rogan ein Einzelkind war. Die Hochbegabten bekämpften einander, wie es einst die italienischen Stadtstaaten getan hatten. Und die meisten Hochbegabtenfamilien gaben sich die größte Mühe, einen Erben zu produzieren – dazu ein weiteres Kind, um im Notfall den Erben ersetzen zu können. Diese Familie hatte nur einen Nachkommen. Es gab nur Connor. Ich hatte ihn schon häufiger darauf ansprechen wollen, es aber immer wieder vergessen. Jetzt schien allerdings auch nicht der geeignetste Augenblick, um das Thema anzuschneiden.

Als ich ein leises, mechanisches Geräusch hinter mir hörte, drehte ich mich um. Eine Frau fuhr in ihrem elektrischen Rollstuhl in die Küche. Sie war mittleren Alters, wunderschön, hatte dunkle Haare mit einigen grauen Strähnen, unergründlich dunkle Augen und bronzefarbene Haut.

Oh!

Rogan ging zu ihr, beugte sich zu ihr hinab und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Hallo, Mom!«

Sie schenkte ihm ein Lächeln. Sie sahen sich unheimlich ähnlich.

»Ich habe geräucherte Rinderbrust im Kühlschrank«, sagte sie.

»Habe ich gesehen.«

Arrosa wandte sich mir zu. »Hallo, meine Liebe!«

»Hallo!« Mir fiel gerade noch rechtzeitig ein, vom Stuhl zu hüpfen und auf sie zuzugehen, aber dann blieb ich stehen, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte.

»Sie ist nervös, weil du so angsteinflößend bist«, warf Rogan ein.

Du Verräter. Das würde ich nicht vergessen.

Meine zukünftige Schwiegermutter lachte herzhaft.

Wir saßen unter dem Dach eines Balkons im ersten Stock. Rogan war hineingegangen, um seiner Mutter einen Tee zu machen. Irgendwann begann es zu regnen, und die Luft wirkte kühl und frisch.

»Er hat dir nichts über den Rollstuhl gesagt, oder?«, fragte Arrosa.

»Nein.«

Sie lächelte. »Dummer Junge. Er war drei Jahre alt, als es passierte. Damals war sein Vater das Ziel eines Mordanschlags. Eigentlich hätte er in diesem Hotelzimmer in New York allein sein sollen, aber ich bin mitgefahren. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl, was diese Reise anging. Aber wir haben überlebt, das war das einzig Entscheidende.«

Sie war verletzt worden, weil sie versucht hatte, ihren Ehemann zu beschützen. »Das tut mir leid.«

»Ich habe mich daran gewöhnt. Und meine Magie macht die Dinge um einiges einfacher. Ist dir kalt?«

»Es geht schon.«

»Du siehst aber aus, als ob dir kalt wäre. Hier.«

Der Deckel der großen Holztruhe neben dem Sofa öffnete sich, eine Decke flog heraus und zu mir. Arrosa war wie Connor eine hochbegabte Telekinetin.

»Danke!« Ich wickelte mich in die Decke ein.

»Die meisten Männer in Wills Lage hätten die Scheidung eingereicht. Connor war unser einziges Kind. Es war ein großes Risiko, sich nur auf einen Erben zu verlassen. Aber Will liebte mich sehr, und deswegen sind wir jetzt hier.«

»Rogan meinte, dass eure Ehe arrangiert war.« Das hätte ich wahrscheinlich nicht sagen sollen.

Ein Funkeln tauchte in Arrosas Augen auf. »Hat er das gesagt? Connor ist sehr wütend auf meinen Vater. Ja, am Anfang war es so. Meine Familie ist kein Haus. Unsere Blutlinie bringt regelmäßig durchschnittliche und begabte Magiewirkende hervor, doch mein Großvater war ein Hochbegabter. Die Familie hatte immer gehofft, dass wir einen weiteren hervorbringen würden, und als mich meine Prüfung als Hochbegabte bestätigte, haben unsere Verwandten eine Riesenparty geschmissen. Sie hatten Hunderte eingeladen. Mein Vater, Rogans Großvater, setzte große Hoffnungen in mich. Ich sollte nicht einfach zwangsverheiratet werden, sondern Teil der Familie bleiben. Mein Ehemann würde sich unserer Familie anschließen und unseren Namen annehmen müssen. Und dann hätte man von uns beiden erwartet, so viele Kinder wie nur möglich zu haben, damit wir auf jeden Fall weitere Hochbegabte hervorbrachten.«

Hörte sich logisch an. Ich hatte mir die Familie Ramírez genauer angeschaut. Um als Haus akzeptiert zu werden, mussten sie im Lauf von drei Generationen mindestens zwei Hochbegabte hervorbringen. Arrosas Großvater war noch vor ihrer Geburt gestorben, aber wenn Arrosa ein Kind bekam, das sich als Hochbegabter erwies, dann konnte die Familie Ramírez den Antrag stellen, als Haus anerkannt zu werden.

Arrosa zog sich ihr Umhängetuch straffer über die Schultern. »All diese Pläne … Und dann tauchte Will Rogan auf. Mein genetisches Profil passte perfekt zu seinen Bedürfnissen, und er reiste nach Spanien, um mich kennenzulernen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich ihn das erste Mal sah. Ich stand in der Bibliothek und versuchte Bücher zu sortieren. Über meinem Kopf schwebten mehrere Exemplare, als er den Raum betreten wollte, aber in der Tür stehen blieb. Wir standen einfach nur da und starrten einander an. Jemanden wie ihn hatte ich noch nie zuvor gesehen.«

Sie lächelte, als sie sich an diesen Augenblick erinnerte. So einen Moment kannte ich auch. Als ich das erste Mal Connor erblickte und er in diesem Park auf mich zumarschierte, hatte ich mich nicht gerührt und ihn nur angestarrt und mir gewünscht, dass ich eines Tages jemanden wie ihn finden würde.

»Was ist passiert?«, fragte ich.

»Mein Vater lehnte ihn ab. Nicht viele Leute schlugen Will Rogan einen Wunsch ab. Er war ein Hochbegabter der dritten Generation. Seine Magie war jenseits von Gut und Böse. Er arbeitete für das Militär, zivile Behörden, im Ausland. Die halbe Welt schuldete ihm einen Gefallen. Man kann wohl sagen, dass Connor seinem Vater in mancher Hinsicht sehr ähnelt.«

So wie ich Connor kennengelernt hatte, gab es für ihn das Wort nein nicht, außer er selbst sprach es aus.

»Als ich das nächste Mal in die Stadt fuhr, sorgte Will dafür, dass wir uns sahen. Wir redeten. Dann trafen wir uns wieder. Und so weiter. Es fiel mir leicht, mich mit ihm zu unterhalten. Wir waren unterschiedliche Menschen, aber alles war so mühelos. Dann suchte er meinen Vater erneut auf. Der hatte zu diesem Zeitpunkt begriffen, dass Haus Rogan zu beleidigen für uns nicht gut enden konnte. Er forderte Will daher auf, die Familie für den Verlust einer Hochbegabten zu entschädigen. Die Summe, die er nannte, war einfach unfassbar. Will schrieb an Ort und Stelle den Scheck aus. Das hätte ihn fast in den Bankrott getrieben.« Arrosas Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Für einen Augenblick lag Angst einjagende Berechnung in ihrem Blick. Furcht ergriff mich.

»Mein Vater rief mich in sein Arbeitszimmer und sagte mir, dass Will mich gekauft habe und ich mit ihm gehen müsse. Weißt du, was mein Will zu ihm gesagt hat?«

»Nein.«

»Er sagte: ›Möchtest du sie nicht erst fragen, ob sie überhaupt mit mir mitgehen will? Es ist ihre Entscheidung.‹ Und mein Vater antwortete, dass ich immer im Interesse der Familie handeln würde. Er hatte es nicht verstanden. Er verstand es nie.«

Ich teilte Rogans Meinung, zu hundert Prozent. Ich mochte seinen Großvater auch nicht. »Hast du es je bereut?«