Horst Hrubesch. Die Biografie - Andreas Schier - E-Book

Horst Hrubesch. Die Biografie E-Book

Andreas Schier

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Beschreibung

»Solche Leute fehlen heute!! Ich meine nicht im Tore machen, sondern normale Menschen und keine überkandidelten Superstars!!!«
Zitat eines St. Pauli(!)-Fans


In seiner Kindheit und Jugend bewunderte Autor Andreas Schier den so elegant und überragend spielenden Fußballer Franz Beckenbauer. Das Treffen mit dem »Kaiser« für dieses Buch entfachte diese Bewunderung erneut. Mit dem ewig verschwitzten, holprigen Willensspieler Horst Hrubesch hingegen schloss Schier erst nach Hrubeschs Finaltoren zum Europameistertitel 1980 seinen Frieden. Über die Maße zu schätzen lernte er den Trainer und Menschen dann während Hrubeschs Trainerkarriere, vor allem aber während der vielen persönlichen Begegnungen.
Fast 200 Menschen hat Schier für dieses Buch interviewt. Das sind ungewöhnlich viele. Noch ungewöhnlicher ist, dass Schier sich mit über 99 Prozent von ihnen persönlich traf.
Während der zweijährigen Spurensuche hat Schier natürlich auch immer wieder mit Horst Hrubesch gesprochen – auf dessen Hof in der Lüneburger Heide, in seiner neuen Heimat Boostedt, aber auch anderswo in Deutschland sowie in verschiedenen europäischen Ländern. Wenn er sich bei den Interviews auf seine Medienrecherche berief, bekam er immer wieder zu hören: »Das stimmt doch gar nicht!« Und so verzichtete er in seiner Hrubesch-Biografie schließlich komplett auf Zitate aus Zeitungen und Zeitschriften. Als Schier die Arbeitsweise von auflagenstarken Printmedien während der U21-EM in Tschechien 2015 beobachtete, war er froh über seine Entscheidung.
Schier konzentrierte sich auf die faszinierenden Erinnerungen der Zeitzeugen und nahm gelegentliche Ungenauigkeiten gerne in Kauf. Zudem beschaffte er sich bei Sammlern Spielaufzeichnungen aus Hrubeschs Zeit als Aktiver sowie von den U19- und U21-Europameisterschaften mit dem erfolgreichen Trainer Hrubesch, um selbst Spielszenen beschreiben und Einschätzungen abgeben zu können.
Ein solcher Aufwand rechnet sich wirtschaftlich nicht. Horst Hrubesch erhielt keinen Cent, ließ sich aber trotzdem zu der Biografie überreden. Denn genauso wie der Autor, so ist auch er davon überzeugt: »Geld ist nicht das Wichtigste.«

  • 65. Geburtstag am 17. April 2016
  • Mit einem Geleitwort von Günter Netzer
  • Ein Muss für jeden Fußballfan

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Seitenzahl: 363

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Andreas Schier

in Zusammenarbeit mit Rainer Schäfer

Horst Hrubesch

Die Biografie

Gütersloher Verlagshaus

Inhalt

Ein Gespräch mit Franz Beckenbauer

Vorwort

Günter Netzer

Prolog

Der Held von Rom

Kapitel 1

Zechensiedlung

Kapitel 2

Dachdecker

Kapitel 3

Kopfballungeheuer

Kapitel 4

Manni Banane, ich Kopf – Tor

Kapitel 5

Die Nacht von Athen

Kapitel 6

... und dann kam der Papst

Kapitel 7

Verletzungen

Kapitel 8

Trainer?

Kapitel 9

Trainerkarussell

Kapitel 10

Fliegenfischer

Kapitel 11

Gescheitert?

Kapitel 12

Westernreiter

Kapitel 13

Die EM der Superstars

Kapitel 14

Jugend-Nationaltrainer

Kapitel 15

Der erste Trainertitel

Kapitel 16

Ganz oder gar nicht

Kapitel 17

Neuer, Khedira, Özil und Co.

Kapitel 18

Die Rumpftruppe

Kapitel 19

Olympia-Qualifikation

Kapitel 20

Typisch Horst

Nachwort

von Horst Hrubesch

Danksagung

von Andreas Schier

Lebenslauf

von Horst Hrubesch

Namensregister

der Wegbegleiter

Namensregister

der im Buch erwähnten Jugendnationalspieler

Bildteil

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Dieses Buch wurde vermittelt durch die Literaturagentur Swantje Steinbrink, Berlin.

1. Auflage

Copyright © 2015 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Umschlagmotiv: © picture alliance / Foto Huebner

ISBN 978-3-641-17039-4

www.gtvh.de

Für Anouk

Ein Gespräch mit Franz Beckenbauer

»Ich verstehe nicht, warum der HSV nie darauf gekommen ist, Horst als Trainer zu verpflichten. Er ist eine HSV-Ikone, die Fans und alle anderen hätten nicht nur hinter der Mannschaft, sondern auch hinter ihrem Trainer gestanden!«, sagt der »Kaiser« gleich zu Beginn unseres Gesprächs. »Ich habe Horst ein paar Mal darauf angesprochen: Warum übernimmst du den HSV nicht? Und jedes Mal hat er geantwortet: Du, mich hat keiner gefragt.«

Wir sitzen in tiefen Ledersesseln des bei Salzburg gelegenen Hotels Friesacher. Er habe Horst Hrubesch so richtig kennengelernt, erzählt Franz Beckenbauer, als er mit ihm zwei Saisons beim HSV spielte: »Horst war im Ausdruck stark, man hat auf ihn gehört, weil er ein richtiger Kapitän war. Er hat sich für seine Mitspieler ebenso eingesetzt, wie er auf dem Fußballplatz gespielt hat: mit voller Hingabe.«

Horst Hrubesch nachzusagen, er sei kein guter Fußballer gewesen, sei Unsinn. Bei groß gewachsenen Spielern schaue es halt manchmal etwas ungelenk aus. Der Mittelstürmer Hrubesch sei zwar nicht der Beweglichste gewesen, weil er körperlich so wuchtig war. Aber so sei eben auch seine Spielweise gewesen: wuchtig!

»Der Ernstl«, kommt Franz Beckenbauer auf den legendären Ernst Happel zu sprechen, »war ein großartiger Trainer, aber nicht einfach, denn er redete kaum. Und nicht mit jedem. Mit Horst hat er geredet, den mochte er, weil er gemerkt hat: Das ist ein Geradliniger. Nicht nur als Spieler, sondern auch charakterlich.«

Offenbar hat Franz Beckenbauer Bilder aus den erfolgreichen Jahren beim HSV vor Augen, als er plötzlich mit lauterer Stimme sagt: »Horst hat mich mal für zehn Tage ins Krankenhaus geschickt!« Er rutscht auf die Sesselkante vor, die Gelassenheit ist verschwunden: »Ich weiß noch, es war der 31. März 1982. Wir spielten zu Hause unter Flutlicht gegen den VfB Stuttgart. Manni Kaltz trat eine Ecke von rechts. Ich bin nach vorne zum Strafraum. Hansi Müller stand neben mir, und ich witzelte noch: Pass auf, jetzt mach ich ein Kopfballtor!«

Franz Beckenbauer lief in Richtung erster Pfosten, der Ball kam rein, er sprang hoch wie noch nie in seinem Leben, wollte gerade den Kopfball machen – da bekam er einen Schlag und prallte gegen den Pfosten. Horst Hrubesch war, begleitet von seinem Gegenspieler Karl-Heinz Förster, der ihn hautnah deckte, mit angezogenen Knien gegen den gestreckten Körper des vermeintlichen Torschützen gesprungen. Trotz Schmerzen spielte Franz Beckenbauer weiter, wurde aber nach dem Spiel in die Klinik eingeliefert. Es war fast Mitternacht. Bei der Erinnerung lächelt er: »In der urologischen Abteilung wurde vorher angekündigt: ›Beckenbauer kommt zur Untersuchung‹. Aber das hat keiner ernst genommen, alle dachten: ein Aprilscherz.«

Doch von wegen ... Franz Beckenbauer litt, bis er endlich mit schmerzstillenden Mitteln versorgt war. Am nächsten Tag teilte ihm Professor Herbert Klosterhalfen, eine Kapazität in der Urologie, mit, er habe trotz großen Glücks einen Nierenriss und müsse mindestens zehn Tage im Krankenhaus bleiben.

Nun kamen nach und nach die HSV-Spieler zu Besuch, erzählt Franz Beckenbauer weiter, »auch eine Gruppe mit Hrubesch, Kaltz und Magath. Zu Horst sagte ich vorwurfsvoll: Langer, spinnst du? Wegen dir liege ich jetzt im Krankenhaus!« Er unterbricht kurz, weil er lachen muss: »Und was antwortet Horst? Er sagt ganz entrüstet: Was hätte ich denn machen sollen? Ich musste dich doch aus dem Weg räumen!«

Wieder lacht er und fügt dann mit Bewunderung in der Stimme hinzu: »So war er, der Horst Hrubesch! Noch heute begrüßen wir uns gerne mit einem Flachs. Ich gehe immer gleich in die Offensive und werfe ihm vor: Deinetwegen musste ich damals meine Karriere beenden! Und Horst kontert scheinbar ungerührt: Du hattest da vorne überhaupt nichts zu suchen!«

Die Verletzung ist unvergessen, aber schon lange vergeben, das wird überdeutlich. Noch einmal betont Franz Beckenbauer, dass er Horst Hrubesch immer wieder als Trainer empfohlen habe, weil er einfach von ihm überzeugt sei: »von Horsts klarem Konzept, seinem zuverlässigen Charakter und seiner starken Persönlichkeit«.

Der Fußball-Kaiser beendet das Gespräch mit der Bemerkung: »Horst ist einfach ein sympathischer Kerl. Ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe.«

Vorwort

Günter Netzer

Im Februar 1978 wurde ich Manager beim HSV, obwohl ich eigentlich nur die Stadionzeitung übernehmen wollte. Sehr schnell wurde mir klar, dass ich drei ehemalige Nationalstürmer verkaufen musste. Als neuen Trainer verpflichtete ich den taktisch herausragenden Branko Zebec, der entsprechend seinem Naturell als Schachspieler für unbedingte Ordnung und Disziplin sorgte. Die neuen Spieler kamen alle aus der zweiten Liga. Zu ihnen gehörte Horst, der in dieser Saison den weiterhin stehenden Rekord von 42 Toren aufstellte. Aber als ich ihn bei einem Heimspiel gegen Uerdingen zum ersten Mal spielen sah, war ich entsetzt. Mann kann auch mal schlecht spielen, man kann einen miesen Tag haben. Aber da war nichts zu erkennen. Horst kam in diesem Spiel noch nicht einmal zum Kopfball.

Mir war entgangen, dass er für Essen in der Bundesliga 38 Tore in 48 Spielen gemacht hatte. Das hätte mir meine Entscheidung wesentlich erleichtert. So habe ich ihn verpflichtet, weil ich von ihm charakterlich überzeugt war. Ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der so überzeugt war von seinen Fähigkeiten, überzeugt etwas zu tun, anzupacken. Das habe ich gespürt, selbst wenn er fußballerisch nicht so gut war, dass er etwas für die Gemeinschaft tun konnte, was einzigartig war. Horst, dieser Koloss von einem Mann mit dem ebenso kolossalen Herzen.

Dummerweise entschied sich Horst aufgrund des besseren Angebots gegen den HSV und für die Frankfurter Eintracht. Ganz seinem Charakter entsprechend sah er seine Vertragsunterschrift in dem Moment als nichtig an, als die Frankfurter sich nicht an die mündliche Absprache hielten, den Wechsel erst nach den Essener Relegationsspielen gegen Nürnberg bekannt zu geben. Rechtlich stand diese Absprache hinter der Unterschrift zurück, aber Horst sagte mir trotzdem mit größter Überzeugung: »Ich gehe nicht nach Frankfurt.« Daraufhin habe ich um ihn gekämpft wie um einen Weltstar. Vor dem eloquenten Frankfurter Trainer Dettmar Cramer habe ich Horst tagelang im Westerwald versteckt, bis die Eintracht ihn für ein Freundschaftsspiel mit einer Garantiesumme von 250 000 Mark ziehen ließ.

Branko Zebec war schlau und hat gesehen, dass Horst als Kopfballspieler einzigartig war. Er hat gleich damit begonnen, Manni Kaltz Flanken auf Horst schlagen zu lassen. Neun von zehn Kopfbällen landeten im Netz. Die beiden armen Kerle haben das so lange trainiert, bis Manni die Füße abfielen und Horst Beulen am Kopf hatte. Aber beschwert haben die beiden sich nie. Es hat sich auch gelohnt. In der Bundesliga sprach sich schnell herum, wie die beiden das immer nach dem gleichen Schema machten, aber etwas entgegenzusetzen hatte trotzdem niemand.

Horst hat eine Fähigkeit gehabt, alles zusammenzuhalten, Vorreiter zu sein, auf dem Platz ein Anker für alle anderen zu sein. Er hat Gott sei dank gleich ein großes Selbstvertrauen gehabt. Um ihn herum waren ja großartige Fußballspieler, sodass er sich sagen musste, dass die ein Vielfaches von ihm konnten. Aber das hat ihn nicht gestört. Er hat die Mannschaft geführt. Wenn etwas nicht gut lief, dann hat man gesehen, wie Horst mit der Mannschaft gearbeitet, angespornt und geschimpft hat. Das musste der Trainer gar nicht von draußen tun, das hat er übernommen. Das war unbezahlbar für den Geist der Mannschaft. Vielleicht war Horst mein größter Deal überhaupt.

Schon im ersten Jahr wurde Horst so etwas wie die Seele der Mannschaft. Er hat sich einfach gekümmert, um jeden einzelnen Spieler, um die Mannschaft und um die gute Laune. So furchterregend Horst auf dem Platz war, so rührend war er nach dem Abpfiff. Als er Franz ohne Schuld ins Krankenhaus gebracht hatte, war Horst untröstlich. Er wurde erst wieder fröhlich, als Franz genesen war.

Nach der Europameisterschaft 1980 hat der italienische Vizemeister und Pokalsieger Juventus Turin ganz verrückt um Horst geworben. Glücklicherweise hat der sich das Millionenangebot zwar interessiert angehört, aber es stellte sich schnell heraus, dass Horsts Kinder von einem Bodyguard zum Kindergarten gebracht werden müssten. Horst wollte aber, dass seine Kinder normal aufwachsen. Und ohne seine Familie nach Italien zu gehen, kam für ihn nicht infrage.

Ein Freund von Juves Besitzer Gianni Agnelli war dauernd bei uns, der hat zu mir gesagt: »Kommen Sie zu uns nach Turin. Alle werden zufrieden sein.« Das habe ich nicht gemacht, weil ich Horst unter keinen Umständen weggeben wollte. Das haben sie bei Juventus nicht verstanden. Drei Jahre später haben sie es verstanden, als wir sie im Finale des Europapokals der Landesmeister besiegt haben.

1983 wollte ich machen, was noch keinem gelungen ist: eine auslaufende Generation nahtlos ersetzen. Ich habe es der Mannschaft und ihrem Trainer Ernst Happel sehr verübelt, dass sie es nicht geschafft haben, Dieter Schatzschneider und Wolfram Wuttke unter Kontrolle zu bekommen. Der HSV war Deutscher Meister und Europalpokalsieger, und diese beiden kamen und wirbelten das ganze Gebilde durcheinander! Da hat Horst gefehlt. Mit ihm wäre das nie passiert!

Horst hatte in den Jahren im Namen der Mannschaft die Verhandlungen mit mir geführt. Sie verliefen in einer äußerst fairen Art. Wir haben uns erstklassig verstanden, gegenseitig akzeptiert und vertraut. Daran hat sich nie etwas geändert.

Er hat einen schönen, trockenen Humor. Wenn wir uns sprechen, beginnen wir mit einem Flachs. Horst beherrscht die Fußballersprache. Es macht unser Fußballerleben so interessant, dass wir uns sprachlich und rhetorisch keinen abbrechen müssen, sondern gleich auf den Punkt kommen können.

Es spricht für Horst, dass er Menschen als Freunde bezeichnet, die sich um seine Familie kümmern würden, wenn ihm etwas zustößt, und für die er dasselbe tun würde. Horst schätzt mich als seinen Freund ein, und damit liegt er richtig.

Ihn zu charakterisieren ist kein Mysterium. Das ist schon ein Riesenkompliment. Horst ist völlig authentisch, offen, ehrlich und direkt. Das sind alles Eigenschaften, die ich äußerst schätze und liebe. Bei ihm weiß man immer, woran man ist, und man kann sich auf ihn verlassen. Er hat sein Leben gemacht, so wie er es verdient und gewollt hat. Horst hat die richtige Frau gefunden und eine tolle Familie. Er lebt abseits vom Trubel genau da, wo er leben muss, ein erfolgreiches Leben. Er kann stolz auf sich sein. Das Verrückte und Ausgezeichnete dabei ist, dass er nichts anderes angestrebt hat. Das erschreckt mich immer so bei Menschen, die mehr sein wollen, als sie sind und vor allem als sie können. Horst hat gewusst, wo er herkommt, was er kann und vor allem, was er nicht kann. So hat er sein Leben völlig richtig gestaltet.

Sein Auftreten spricht für sich. Man hat keine Mühe, mit ihm in Kontakt und ins Gespräch zu kommen. Ihn als Mensch zu erkennen. Das ist das Schöne daran.

Prolog

Der Held von Rom

Horsts Wille ist unbändig. Wenn er etwas will,

dann schafft er es auch.

Uwe Seeler

Nur elf Tage nach dem letzten Spiel der Bundesligasaison 1979/80 bestritt die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes Spiel bei der Europameisterschaft in Italien. Den zum Kader gehörenden Hamburgern Manfred »Manni« Kaltz, Felix Magath, Caspar »Cappi« Memering und Horst Hrubesch blieb damit kaum Zeit, um die knapp verpasste Meisterschaft zu verarbeiten und zu regenerieren. Bundestrainer Jupp Derwall zog den Schalker Mittelstürmer Klaus Fischer Hrubesch vor, weil Fischer technisch besser und wendiger war. Aber Fischer hatte sich das Schienbein gebrochen, sodass der 29-jährige Hrubesch bereits in den Freundschaftsspielen im Frühjahr 1980 zu seinen ersten Länderspielen gekommen war.

Die deutsche Mannschaft traf in ihrem ersten Gruppenspiel in einer Neuauflage des im Elfmeterschießen verlorenen EM-Finales von 1976 auf die Tschechoslowakei. Jupp Derwall entschied sich für eine Doppelspitze mit dem Münchner Karl-Heinz »Kalle« Rummenigge und dem Düsseldorfer Klaus Allofs. Hrubesch saß ohne zu murren auf der Bank, er war sich zwar seiner Qualitäten bewusst, aber vor allem froh, überhaupt dabei zu sein. Bei heißen Temperaturen gingen beide Mannschaften kein Risiko ein und neutralisierten sich lange Zeit. Zu Beginn der zweiten Halbzeit lief Hrubesch sich warm. Der Fernsehreporter kommentierte: »Ich glaube wirklich, das einzige Mittel, diese Festung zu knacken, wäre Horst Hrubesch.« Kaum hatte der Reporter seinen Gedanken ausgesprochen, da erzielte Kalle Rummenigge das spielentscheidende 1:0. Ein wichtiger Arbeitssieg. Ohne Hrubesch.

Drei Tage später kam es zu einem mitreißenden Spiel gegen die Niederlande. Die Holländer hatten ihr erstes Spiel gegen Griechenland mit 1:0 gewonnen. Es konnte schon zu einer Vorentscheidung kommen, wer als Gruppensieger ins Finale einzieht, denn zwei Gruppen mit jeweils vier Mannschaften spielten direkt um die Finalteilnahme. Beide Trainer hatten angekündigt, auf Sieg spielen zu lassen. Jupp Derwall brachte den offensivstarken Bernd Schuster und Horst Hrubesch neu in die Mannschaft.

Das Spiel nahm einen völlig anderen Verlauf als die erste Begegnung. Hrubeschs Kopfballstärke war bekannt, als Mittelstürmer konnte er sowohl den Vorstopper als auch den Libero in der Mitte binden, außen hatten dadurch Rummenigge und Allofs Platz. In der 6. Minute kam Hrubesch nach einer Ecke zum Kopfball, doch der Ball ging über das Tor. Zwei Minuten später nahm er den Ball mit der Brust an und schoss mit links, der Torwart hielt. In der 19. Minute traf der überragende Schuster aus der Drehung den Pfosten, Allofs war zur Stelle und staubte zur 1:0-Führung ab. Danach kamen die Holländer mit Fernschüssen zu ihren ersten Chancen, aber Toni Schuhmacher hielt glänzend. Die deutsche Halbzeitführung in einem bissigen Spiel mit einigen derben Fouls war verdient.

Die Holländer gingen in der zweiten Halbzeit noch härter zur Sache, hätten aber auch statt eines indirekten Freistoßes einen Elfmeter bekommen müssen. In der 60. Minute eroberte Bernd Schuster den Ball in der eigenen Hälfte, trieb ihn nach vorne, spielte auf Hansi Müller, der quer auf den heranstürmenden Klaus Allofs legte. Der Düsseldorfer zog aus knapp 15 Metern mit dem Außenrist zur 2:0-Führung ab. Sechs Minuten später passte Schuster nach einer großartigen Aktion von der Torauslinie auf Allofs zurück, der das 3:0 erzielte.

Die Holländer drückten, aber Deutschland blieb gefährlicher. Dann beging der junge, gerade eingewechselte Lothar Matthäus in der 80. Minute kurz vor dem Strafraum ein Foulspiel, trotzdem pfiff der Schiedsrichter Elfmeter. Johnny Rep verwandelte sicher und vier Minuten vor Spielende erzielte Willy van de Kerkhof mit einem schönen Flachschuss den Anschlusstreffer zum 3:2. In den verbleibenden Spielminuten schlugen die Holländer lange, hohe Bälle in den deutschen Sechzehner, aber von dort flogen die Bälle ebenso lang und noch höher zurück. Es reichte. Spieler und Trainer jubelten über den verdienten Sieg. Das Finale war greifbar nahe.

Ein paar Tage später versuchte Horst Hrubesch zum dritten Mal in den Petersdom zu gelangen. Beim ersten Versuch waren sie abgewiesen worden, weil die Frauen Blusen mit kurzen Ärmeln getragen hatten, beim zweiten Mal die Männer kurze Hosen. Jetzt gelang es ihm zusammen mit Cappi Memering, Felix Magath und dem Journalisten Gerd Krall von der Hamburger Morgenpost. »Papst Johannes Paul II. ging gerade winkend durch den breiten Gang«, erinnert sich Horst Hrubesch, »die Menge jubelte, es war ein Lärm wie auf einem Popkonzert. Der Papst war nur noch zehn Meter von uns entfernt, da kam er auf unsere Seite, sah mich an und machte das Victory-Zeichen. Gerd sagte zu mir: Der Papst hat dir gezeigt, dass du im nächsten Spiel zwei Tore machst.«

Holland spielte zuerst gegen die Tschechoslowakei und schaffte nur ein 1:1, damit war Deutschland im Finale. Es folgte ein müder Kick gegen bemühte, aber harmlose Griechen. Die deutsche Mannschaft spielte ordentlich, allerdings fehlte ihr der letzte Biss. Nach dem 0:0 meinte Horst Hrubesch zu Gerd Krall: »Du, der Alte hat gelogen, mit seinen zwei Toren war nichts.«

Am Tag darauf ging die Mannschaft essen, alle mussten früh zurück ins Hotel, Bundestrainer Derwall hatte Nachtruhe angeordnet. Uli Stielike erinnert sich, dass einige Spieler sich damit nicht abfinden wollten: »Das Restaurant hatte uns ausgesprochen gut gefallen, deshalb wollten wir unerlaubt dorthin zurück. Aber Jupp Derwall hatte wohl was gerochen, denn er setzte sich in die Hotellobby, um aufzupassen.« Ein paar Nachtschwärmer, darunter auch Horst Hrubesch, stiegen dann an der Rückseite des Hotels durch ein Fenster im ersten Stock ins Freie. Dabei vertrat sich Manni Kaltz den Fuß, alle, erzählt Uli Stielike, »hatten furchtbar Schiss, dass er nicht spielen könnte. Es ging dann aber glücklicherweise doch.«

Vor dem Finale suchte Derwall das Gespräch mit Hrubesch, weil er unsicher war, ob er ihn aufstellen sollte. Voller Selbstvertrauen erwiderte der Petersdom-Besucher: »Trainer, dass müssen Sie entscheiden. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich alles geben werde. Und ich weiß, dass ich Tore machen kann.«

Deutschland war seit 18 Spielen, der Finalgegner Belgien seit 15 Spielen unbesiegt. Jupp Derwall ließ dieselbe Mannschaft wie gegen Holland auflaufen. In der 10. Minute spielte Schuster Hrubesch auf halblinks hoch an. Der Mittelstürmer legte den Ball mit der Brust rechts am Gegenspieler vorbei und erzielte mit dem zweiten Kontakt aus 18 Metern das 1:0. Es war sein erstes Tor im fünften Länderspiel. Nun war er in der Nationalmannschaft angekommen und bewegte sich wie im Verein auch auf den Flügeln.

Die Belgier kamen in der ersten Halbzeit zu einer riesigen Konterchance, hatten ansonsten aber Glück, dass sie gegen die spielbestimmende deutsche Mannschaft nicht ein weiteres Tor kassierten. In der zweiten Halbzeit drückten sie aufs deutsche Tor. Stielike konnte in der 72. Minute einen Belgier in höchster Not nur noch von hinten umgrätschen. Das Foul hatte zwar vor dem Strafraum stattgefunden, aber es gab trotzdem wieder Elfmeter, den René Vandereycken sicher zum 1:1 verwandelte. Jetzt war das Spiel offen, doch keine der beiden Mannschaften konnte ihre Torchancen nutzen. Es roch schon nach Verlängerung, als Deutschland in der 89. Minute noch zu einem Eckball kam, den Rummenigge von links hoch hereinschlug. Fast vom Sechzehner startend rauschte Hrubesch heran, sprang viel höher als alle anderen und wuchtete den Ball zum umjubelten 2:1 ins Tor. Deutschland war Europameister.

Horst Hrubesch sagt über 30 Jahre später: »Ich weiß bis heute nicht, was genau ich nach diesem Tor gefühlt habe. Und nach dem Schlusspfiff konnte ich überhaupt nicht begreifen, dass wir auf einmal Europameister waren.«

Auf dem Weg zur Siegerehrung kam der Doppeltorschütze an der Pressetribüne vorbei. Gerd Krall brüllte zu ihm herüber: »Langer, der Alte hat nicht gelogen. Der hat gemeint, dass du die beiden Tore im Finale machst!«

Nach der Siegerehrung wollten die Fotografen Fotos von Horst Hrubesch mit dem Pokal und riefen: »Hochhalten, hochhalten!«. Der Pokal wog mit Marmorsockel gute zehn Kilo. Vor lauter Erschöpfung knickte Horst Hrubesch erst der linke und dann der rechte Arm ein, der Pokal sackte immer wieder nach unten.

In der Kabine konnte er nur rasch das Trikot wechseln, dann ging es mit Jupp Derwall zur Pressekonferenz. Nachdem Derwall alle Fragen beantwortet hatte, verließ er die Runde, Horst Hrubesch beantwortete weiter die Fragen der Journalisten. Als er in die Kabine zurückkehrte, waren seine Klamotten weg und der Bus war mit den anderen Europameistern schon losgefahren. Der Held von Rom musste in Badelatschen und zusammen mit Pressesprecher Wilfried Gerhardt über den Zaun des Olympiastadions klettern. Die Polizei brachte die beiden dann zum Hotel, wo sich Horst Hrubesch endlich für das Festessen umziehen konnte.

Vor dem Bankettsaal warteten viele Journalisten und Horst Hrubesch ärgert sich bis heute, »dass ich mich von meiner Frau überreden lassen habe, noch mal rauszugehen. Geschlagene anderthalb Stunden hatten die eine Frage nach der anderen«. Als er zurück in den Saal ging, war seine Frau schon weg; die Frauen logierten in einem anderen Hotel. Zunächst, erzählt Horst Hrubesch, sei er »stinkesauer gewesen, weil ich von der Feier nichts mitbekommen habe. Doch dann haben Hans-Peter Briegel, Manni Kaltz, Cappi Memering, Bernhard Dietz und ich bis um sechs Uhr morgens richtig geil gefeiert. Anschließend haben wir unsere Sachen gepackt und sind ab zum Flughafen«.

Kapitel 1

Zechensiedlung

Die beiden wichtigsten Menschen in meinem Leben,

denen ich am meisten zu verdanken habe,

sind meine Mutter und meine Frau.

Ich habe mich oft gefragt:

Was wäre ich ohne diese beiden Frauen?

Horst Hrubesch

Hamm war ein Trümmerhaufen, nachdem die westfälische Stadt während des Zweiten Weltkriegs immer wieder von alliierten Bombern angegriffen worden war. Sechzig Prozent der Stadt mit dem größten Güterbahnhof Europas wurden dabei zerstört. Luise Thiemann war 19, als der Krieg ausbrach, und wohnte bei ihren Eltern südöstlich von Hamm in der Gemeinde Wiescherhöfen. Sie überstand die Angriffe in Luftschutzkellern. Viel geredet hat Luise Thiemann nie über die Nächte in den engen und stickigen Kellern, sie gehört zu einer Generation, die sich nach dem Krieg in die Arbeit stürzte. Da blieb kaum Zeit, um das im Krieg Erlebte zu verarbeiten. 1951 brachte die gelernte Herrenschneiderin ihr erstes Kind zur Welt, von da an stand die Familie im Mittelpunkt: Sie bedeutete ihr alles. Luise, ihr Ehemann Helmut und zwei ihrer Brüder lebten damals bei den Eltern. Mit dem kleinen Horst dazu war es extrem beengt, bis die Eheleute zwei Jahre später eine Wohnung mit dreieinhalb Zimmern in einer neugebauten Zechensiedlung in Pelkum beziehen konnten.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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