Ich bin das Mädchen aus Aleppo - Bana Alabed - E-Book

Ich bin das Mädchen aus Aleppo E-Book

Bana Alabed

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Beschreibung

Bana Alabed war sieben Jahre alt, als sie sich an die Welt wandte, um die Gewalt, die Angst, den Horror auszudrücken, die sie und ihre Familie im Bürgerkrieg in Syrien erlebten - per Twitter. Ihre Botschaften bewegten die Welt, sie gaben dem Elend und Millionen unschuldigen Kindern eine Stimme.
Ich bin das Mädchen aus Aleppo erinnert uns an die fast grenzenlose Kraft, die dem Menschen innewohnt, an den unermesslichen Mut eines Kindes, und an die Macht der Hoffnung. Es ist ein Buch, das uns alle verändern kann.

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Seitenzahl: 159

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Zitat

Anmerkung der Autorin

Ich wurde mit einem Lächeln im Gesicht geboren

Ich wollte für immer in Syrien leben

Wir mussten immerzu daran denken, dass Baba fort war

„Alles in Ordnung? Alles in Ordnung? Alles in Ordnung?“

Wir alle wussten, was wir zu tun hatten, wenn wir die Bomben hörten

Wir mussten den Krieg vergessen und so tun, als wäre alles normal

„Und wenn sie tot sind?“

„Hört auf zu schießen!“

Nirgends war es mehr sicher

Ich hasste den Krieg

Ich betete, dass es ein Mädchen werden würde

„Es ist Zeit zu gehen“

„Weine nicht, Bon Bon, wir sehen uns bald wieder“

Uns fehlte nur noch Baba

Sein Name bedeutet „Licht“

Wenn man Heimweh hat, wird es zu Hause besser

Mein kleiner Bruder sollte niemals Angst haben müssen

Vielleicht konnten wir ja lernen, wie man den Krieg beendet

„Wie war euer Tag, Kleines?“

Hoffnung ist das Gefühl, dass die Welt schön ist

Nur Bomben, Bomben, Bomben

Wie fühlt es sich an zu sterben?

Ich würde nie wieder mit ihr spielen können

„Ich fasse es nicht, dass sie so grausam sind“

Wir machten uns gegenseitig Hoffnung

Ich betete, dass der Plan funktionierte

Es fühlte sich fast so an, als wäre es wirklich

Jeden Tag gab es weniger und weniger von allem

Vielleicht würde jemand etwas tun, bevor es zu spät war

Ich hatte Angst, dass die Leute uns nicht glauben würden

#StandwithAleppo

„Euch droht der Tod“

Als wäre ich tot, aber ich war es noch nicht

Wir hatten kein Zuhause mehr

Was würde passieren, wenn die Armee uns fände?

Nie hatte ich mich schlechter gefühlt

Vielleicht war es mein Herz, das krank war

Es gab keinen Ort, wo wir hingehen konnten

Allah ist der beste Hüter

Wir hatten keinen Zufluchtsort

Man kann sich nicht vorstellen, wie glücklich wir waren, das zu hören

Ich musste zu diesen Bussen!

Ich konnte es fast nicht glauben

„Jetzt sind wir sicher“

Das ist mein Wunsch

Quellen:

Über dieses Buch

Im Dezember 2016 verstummte die Twitter-Stimme, die am Ende 360.000 Menschen erreichte. Bana konnte mit ihrer Mutter aus Aleppo fliehen und lebt vorübergehend im Nachbarland Türkei. Sie ist heute acht Jahre alt und glücklich, wieder zur Schule gehen zu können. Sie wird weiterhin für den Frieden in Syrien kämpfen.

Über die Autorin

Bana Alabed war sieben Jahre alt, als sie sich an die Welt wandte, um die Gewalt, die Angst, den Horror auszudrücken, die sie und ihre Familie im Bürgerkrieg in Syrien erlebten – per Twitter. Ihre Botschaften bewegten die Welt, sie gaben dem Elend und Millionen unschuldigen Kindern eine Stimme. Ich bin das Mädchen aus Aleppo erinnert uns an die fast grenzenlose Kraft, die dem Menschen innewohnt, an den unermesslichen Mut eines Kindes, und an die Macht der Hoffnung. Es ist ein Buch, das uns alle verändern kann.

Bana Alabed

Ich bin das Mädchenaus Aleppo

Aus dem Englischenvon Katharina Förs, Heide Horn und Christa Prummer-Lehmair

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

„Dear World. A Syrian Girl’s Story of War and Plea for Peace“

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2017 by Bana Alabed

Published by arrangement with the original publisher, Simon & Schuster, Inc.

Foto der Aleppo Zitadelle, Seite 25, aus Flickr, von Johan Siegers CC BY 2.0

Alle anderen Fotos im Innenteil entstammen dem privaten Archiv der Familie Alabed.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Angela Kuepper, München

Umschlaggestaltung: Manuela Städele-Monverde

Einband-/Umschlagmotiv: © Monique Jaques/Getty Images

eBook-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

ISBN 978-3-7325-5587-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Dieser Titel ist auch als Hörbuch und E-Book erschienen.

…die Hoffnung belebt uns, gibt uns wieder Mut, macht uns wieder stark.

Anne Frank

Anmerkung der Autorin

Ich freue mich sehr, dass ich die Gelegenheit hatte, ein Buch zu schreiben, denn ich liebe Bücher und lese für mein Leben gern. Ich kann gut schreiben, weil ich viel Übung habe, aber trotzdem brauchte ich bei diesem Buch ein wenig Unterstützung. Meine Mama und mein Herausgeber halfen mir, meine Geschichte auf Englisch zu erzählen. Auf den folgenden Seiten schildere ich, was ich im Krieg erlebt habe – die glücklichen Zeiten, die schrecklichen Zeiten und alles, woran ich mich erinnere. Dabei habe ich mich bemüht, nichts auszulassen und alles genau so darzustellen, wie es gewesen ist. Ich hoffe, mein Buch gefällt Ihnen. Ich hoffe, wenn Sie es gelesen haben, haben Sie den Wunsch, anderen Menschen zu helfen.

Der Tag deiner Geburt war ein wunderschöner Junitag, Bana. Warm, strahlend und wolkenlos. Ich blickte aus dem Fenster meines Zimmers im Krankenhaus, die Hände auf meinem gewölbten Bauch, und spürte, wie du dich in mir bewegtest, als könntest du es kaum erwarten, hier zu sein. Ich dachte bei mir, dass es keinen perfekteren Tag für den Beginn eines neuen Lebens geben könnte. Einen Moment lang vergaß ich die Schmerzen der Wehen und die Angst vor dem, was vor mir lag– stattdessen stellte ich mir vor, wie ich schon bald auf diesem Bett sitzen und dich fest in den Armen halten würde. Du würdest zum ersten Mal diesen strahlenden Sonnenschein erblicken und seine Wärme auf deinem Gesicht spüren– die ersten kostbaren Augenblicke deines wunderbaren Lebens.

Wir hatten lange auf dich gewartet. Nicht nur dein Vater Ghassan und ich, sondern auch all deine Tanten und Onkel und vor allem deine Großeltern, die sich nach einem ersten Enkelkind sehnten. Als mein Vater meine Heirat mit Baba arrangierte, kamen unsere Familien überein, mit der Hochzeit zu warten, bis ich die Schule abgeschlossen haben würde. Und dann wollten wir ein wenig gemeinsame Zeit als Paar verbringen, um uns besser kennenzulernen, bevor wir Kinder bekämen. Aber da Ghassan und ich die jeweils ältesten Kinder unserer Familien sind und die ersten, die geheiratet haben, warteten alle ungeduldig darauf, dass wir für Nachwuchs sorgten und es wieder ein Kleinkind in der Familie gäbe. Schon kurz nach unserer Hochzeit mahnte bei jedem Abendessen oder Familienbesuch unweigerlich irgendjemand, meist Großmutter Alabed: „Es wird Zeit für ein Baby.“

Was sie nicht wussten: Ich hatte Schwierigkeiten, schwanger zu werden, und musste mehr als ein Jahr lang viele Ärzte aufsuchen. Mit jedem Monat, in dem sich wieder nichts getan hatte, stieg meine Angst, dass es nie passieren, dass ich nie Mutter werden würde. Eines Tages, mitten in diesem immerwährenden Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung, machten Baba und ich einen Spaziergang um die Zitadelle von Aleppo, einen meiner Lieblingsplätze. Die alten Steinmauern schenkten mir immer ein Gefühl von Sicherheit und Frieden. Aleppo ist eine der ältesten und am längsten durchgängig bewohnten Städte der Welt, Bana. Hast du das gewusst? Dieser Gedanke tröstete mich ebenso wie das Gefühl der Verbundenheit mit unserer Geschichte und unseren Vorfahren, die im Laufe von Jahrtausenden diese Wege gegangen waren.

Hier waren immer viele Menschen unterwegs, Familien und Paare, und auch an jenem Tag war es nicht anders. Die Leute genossen den Frühlingsanfang. So war das vor dem Krieg– eine Aneinanderreihung ganz gewöhnlicher Tage: Dein Vater ging zur Arbeit, und ich verbrachte die Zeit mit Besuchen bei deinen Großeltern und mit Einkäufen fürs Abendessen, half Großmutter Alabed beim Kochen, und nach dem Abendessen machten wir einen kleinen Spaziergang.

Es fällt schwer, jetzt daran zu denken. Wir nahmen es als selbstverständlich hin, dass es immer so weitergehen würde. Wir konnten nicht wissen oder auch nur erahnen, was die Zukunft für uns bereithielt. Niemals hätten wir uns vorstellen können, dass dieser Ort, an dem wir vorbeischlenderten– diese Zitadelle, die Jahrhunderte überdauert hatte–, so gut wie zerstört sein würde. Doch all das lag noch in weiter Ferne, und an jenem Tag waren wir glücklich.

Wie du weißt, ist dein Vater manchmal recht still, aber wenn er damals über die Zukunft sprach, wurde er immer ganz lebhaft. Er hatte gerade ein Gitterbettchen gekauft. Ich fürchtete, es könnte Unglück bringen, da ich immer noch nicht schwanger war, aber dein Baba ist nun mal so– ein echter Optimist. Er lebt und handelt, als wären die Zukunft und mit ihr seine Träume und Pläne bereits Wirklichkeit. Diese Eigenschaft liebe ich ganz besonders an ihm. In der Anfangszeit unserer Ehe haben wir uns stundenlang unser zukünftiges gemeinsames Leben ausgemalt, so auch auf diesem Spaziergang. Unser Blick fiel auf ein kleines Mädchen vor uns auf dem Weg. Sie muss etwa vier Jahre alt gewesen sein. Mit ihrem langen dichten Haar und den strahlenden grauen Augen hatte sie etwas Besonderes an sich. Wir konnten den Blick nicht von ihr abwenden, während sie lachend herumtollte, und mein Herz füllte sich mit einer Sehnsucht, die mich schier niederdrückte. Dein Vater wandte sich zu mir und sagte, dass er sich genau so ein Kind für uns vorstelle: eine Tochter, mit langen Haaren, voll unbändiger Energie und Lebensfreude. Ein kleines Mädchen, das Fremde bezaubern konnte. In diesem Moment überkam mich eine tiefe Ruhe. Irgendwie wusste ich, dass ich schwanger werden würde; ich wusste, dass du kommen würdest. Und dass du ein kleines Mädchen sein würdest, dem die Herzen zufliegen.

Wir konnten nur ganz wenige unserer wichtigsten Besitztümer aus Syrien herausretten– einige alte Familienfotos, die Einladung zu unserer Hochzeit, Haarlocken von dir und deinen Brüdern vom ersten Haarschnitt und auch den Schwangerschaftstest, mit dem ich herausfand, dass du unterwegs warst. Selbst jetzt noch erinnert mich die verblasste blaue Linie an das Gefühl, das mich an jenem Tag erfasste– ich glaubte vor Aufregung und Vorfreude zu platzen, als ich erfuhr, dass ich endlich Mutter werden würde. Deine Mutter. Als alles möglich schien und die Zukunft keine Grenzen kannte.

Neun Monate später legte man mir dich in die Arme. Du richtetest deine großen Augen auf meine, und ich spürte die Liebe zu dir wie eine Welle durch meinen Körper strömen. Als Erstes betete ich zu Allah, dass du gesund und ein guter Mensch sein mögest. Ich sprach mein Lieblingsgebet aus dem Koran: „Ich nehme meine Zuflucht zum Herrn des Morgengrauens, vor dem Übel dessen, was Er erschaffen, und vor dem Übel der Nacht, wann sie naht, und vor dem Übel der Knotenanbläserinnen und vor dem Übel des Neiders, wenn er neidet.“ Die ganze Schwangerschaft über hatte ich es dir laut vorgesagt, weil ich gelesen hatte, dass du im Bauch meine Stimme hören könntest, und ich wollte, dass du Gott bei deiner Geburt bereits kennst. Dann beugte ich mich über dich und flüsterte dir ins Ohr, was ich mir für dich erträumte, damit du diese ersten Worte von nun an in deinem Herzen tragen würdest.

Dein Name ist das arabische Wort für „Baum“. Wir haben ihn ausgewählt, weil es ein starker Name ist und weil wir uns ein starkes Mädchen wünschten. Und das bist du, Bana– du bist stark, und du bist tapfer. Du warst schon immer klüger als andere in deinem Alter. Die Menschen nennen so jemanden eine „alte Seele“. Du kamst mit einer Weisheit auf die Welt, die jeder in deinem Umfeld spürte und von der sich alle angezogen fühlten. Das erfüllt mich nach wie vor mit Stolz.

Bereits als Säugling hast du aufmerksam alles um dich herum beobachtet, so als wüsstest du genau, was da vor sich geht. Du wolltest einfach nicht einschlafen, als hättest du Sorge, irgendetwas zu verpassen. Wenn wir uns mit deinen Tanten und Onkeln bei Großmutter Alabed versammelten, hatte man den Eindruck, du würdest der Unterhaltung folgen. Deine strahlenden Augen musterten die Gesichter, während du von Schoß zu Schoß weitergereicht und angehimmelt wurdest. Alle wollten mit dir spielen oder mit dir spazieren gehen. Vor allem dein Onkel Nesar. Wir haben ihn aufgezogen, weil er dich ständig in den Park oder auf den Markt mitnehmen wollte– du warst so niedlich, dass alle hübschen Mädchen stehen blieben und dich bewunderten und er so mit ihnen ins Gespräch kommen konnte.

Weißt du noch, mit welcher Begeisterung du lesen gelernt hast? Du warst erst drei, mein kluges Mädchen! Mit deinen runden Fingerchen bist du die Zeilen in deinen Lieblingsbüchern entlanggefahren, hast dir vor Konzentration auf die Lippe gebissen und sorgfältig jedes Wort vorgelesen.

Das macht mich glücklich– wie wissbegierig du bist und wie eifrig du immer gelernt hast–, denn da kommst du ganz nach mir. Ich bin so gern zur Schule gegangen. Eine meiner liebsten Kindheitserinnerungen ist meine Einschulung, bei der ich nur wenig jünger war, als du jetzt bist. Ich war so aufgeregt, wenn meine Mutter, deine Nana Samar, mich jeden Tag von der Schule abholte und ich ihr auf dem zwanzigminütigen Nachhauseweg erzählte, was ich gerade gelernt hatte– dass ich meinen Namen schreiben, zweistellige Zahlen addieren und die Uhr lesen konnte. Mir war, als könnte ich alles, was ich wissen wollte, gar nicht schnell genug lernen. Du bist genauso.

Als ich dir das Lesen beibrachte, stellte ich mir vor, wie ich dich in wenigen Jahren zur Schule begleiten würde. Wie sehr ich mich darauf freute! Auf diese Zeit, in der du an meiner Hand gehen und mir von all den aufregenden Dingen erzählen würdest, die du gerade lerntest. Jeden Abend würden wir gemeinsam am Küchentisch die Hausaufgaben ansehen, während ich das Essen vorbereitete. Es war für mich unvorstellbar, dass du nicht zur Schule würdest gehen können, weil alle Schulgebäude zerstört wären. Dass wir, statt am Küchentisch Hausaufgaben zu machen, unter ihn kriechen würden, weil um uns herum Bomben fielen. Oder dass sich noch vor deinem vierten Geburtstag deine Kindheit, eine sichere, glückliche, friedliche Kindheit, die sich jede Mutter für ihre Kinder wünscht, in einen Albtraum verwandelt haben würde.

Du hattest drei wunderbare Jahre in Syrien, Bana. Ich hoffe, du wirst dich immer an die Zeit vor dem Krieg erinnern– wie du mit Baba schwimmen gegangen bist, dir mit Yasmin lustige Lieder ausgedacht oder gebettelt hast, dass wir dich ins Riesenrad mitnehmen, während der süße Duft der Jasminblüten aus unserem kleinen Garten zum Balkon heraufzog.

Ich hoffe, dass die Heimat deiner ersten Jahre einen Abdruck in deinem Herzen hinterlassen hat und du begreifst, dass Syriens Seele und der Stolz der Menschen dich begleiten, wo immer du auch bist. Ich wünsche mir, dass du dich stets daran erinnern wirst, wie es sich anfühlt, von deinen Tanten, Onkeln und Großeltern umgeben zu sein, auch wenn unsere Familie jetzt in alle Winde verstreut ist. Ich möchte, dass dieses Zugehörigkeitsgefühl ein Teil von dir ist und dir immer eine gewisse Sicherheit vermittelt. Mögen die Erinnerungen an deine ersten glücklichen Lebensjahre in deiner Seele weiterleben, auf dass sie dir Kraft und Hoffnung und Mut verleihen.

Bewahre alles, was vor dem Krieg war, in deinem Herzen, Bana. Es war wunderschön.

Ich wurde mit einem Lächeln im Gesicht geboren

Meine Mama hat mir erzählt, dass ich mit einem Lächeln im Gesicht geboren wurde. Sie sagt, dass ich immer fröhlich war, aber nie schlafen wollte, weil ich Angst hatte, etwas zu verpassen.

Als ich klein war, gab es viele Gründe, fröhlich zu sein. Mein Baba nahm mich immer ins Al-Rabia-Schwimmbad mit. Schwimmen war meine Lieblingsbeschäftigung. Die zweitliebste war, auf dem Spielplatz zu schaukeln. Außerdem begleitete ich meine Onkel gern auf den Markt, weil ich dann Wackelpudding bekam. (Immer den roten, denn der schmeckt am besten.) Manchmal ging meine Familie in Restaurants, wo ich mich mit vielen verschiedenen Leuten unterhalten konnte. Oder wir aßen bei Großmutter Alabed zu Abend. Dort war immer was los, weil ich eine Menge Tanten und Onkel und vier Großeltern und zwei Urgroßmütter habe. Ich hatte viele Bücher, die ich gern las, vor allem mein Lieblingsbuch, Schneewittchen. Ich liebe alle Geschichten über Prinzessinnen.

Und dann gab es noch einen besonderen Grund zum Fröhlichsein: mein Brüderchen. Ich hatte gebetet, dass Mama ein Mädchen bekommen sollte, weil ich mir sehnlichst eine Schwester wünschte. Aber mein Bruder war so winzig und süß mit seinem dicken schwarzen Schopf, weich wie das Haar einer Puppe – da fand ich es gar nicht mehr so schlimm, dass er ein Junge war. Während Mamas Schwangerschaft suchte ich einen Namen für eine Schwester aus: Warda. Das bedeutet „Blume“, denn Blumen mag ich so gern. Aber man kann einen Jungen nicht Warda nennen. Stattdessen gaben wir ihm den Namen Liath (was „Löwe“ bedeutet) Mohammed. Wir rufen ihn Mohammed.

Als Mohammed geboren wurde, war ich erst drei, aber ich kümmerte mich um ihn. Ich reichte Mama die Windeln zum Wechseln, teilte meine Spielsachen mit ihm und machte „Schsch, schsch“, wenn er weinte.

Abends saß ich neben Mama auf dem Sofa im Wohnzimmer und hielt Mohammed auf dem Schoß, während sie uns vorlas. Auch Baba kam herein, setzte sich in seinen Lieblingssessel und hörte Mama zu. Wenn die Geschichte zu Ende war, ging ich zu Baba und kletterte auf seinen Schoß, während Mama Mohammed zu Bett brachte. Mama sagte immer zu Baba, er solle mich auch ins Bett bringen, aber wir fanden es beide schöner, wenn ich an seiner Brust einschlief. Er erzählte mir Geschichten aus seiner Kindheit oder erfundene Sachen. Meine Lieblingsgeschichte handelte von einer Schafsmama, die ihre Kinder allein zu Hause lässt und ihnen einschärft, niemandem die Tür zu öffnen, der das Geheimwort nicht kennt. Dann kommt ein Wolf und bringt die Kleinen durch eine List dazu, ihn für ihre Mutter zu halten. Sie öffnen die Tür, und der Wolf frisst sie alle auf! Diesen Teil der Geschichte hasse ich. Aber die Mutter holt die Schäfchen aus dem Bauch des Wolfs und füllt ihn stattdessen mit Steinen.

Ich spürte Babas Stimme an seiner Brust, wenn er mir diese Geschichten erzählte, und mir wurde im Innern ganz warm. Babas Schoß war der schönste Platz der Welt.

In unserer Familie passierte wenig Schlimmes. Mama sagte immer, wir seien gesegnet. Ich dachte, unsere Familie würde immer glücklich sein.

Ich wollte für immer in Syrien leben

Ich wollte für immer in Syrien leben, weil es ein besonderer Ort ist. Es ist ein sehr, sehr altes Land, und meine Familie lebt schon seit Urzeiten hier. Laut Großvater Malek ist es wichtig zu begreifen, woher du kommst, denn es macht dich zu dem Menschen, der du bist. Er sagt, es sollte uns mit Stolz erfüllen, Syrer zu sein, denn Syrer sind freundlich und ehrlich. Man könnte eine Million Pfund offen im Haus herumliegen lassen, und niemand würde sie stehlen. Wir teilen alles, was wir haben, mit unseren Nachbarn und kümmern uns um unsere Familie, denn die Familie ist das Wichtigste für uns. Wir wissen, dass wir immer großzügig und loyal sein und Allah gehorchen sollen. Wir beten viel, damit Gott uns hilft, gute Menschen zu sein. Wir möchten ein einfaches Leben führen. Diese Dinge sind uns wichtig.