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Amon Göth wurde bekannt als Symbol unmenschlicher Grausamkeit in Steven Spielbergs Film "Schindlers Liste". Er war ein Massenmörder, 500 Juden soll er eigenhändig erschossen haben. 1946 wurde der "König von Plaszow" zum Tode verurteilt und gehängt. Monika Göth wurde 1945 von der Geliebten Amon Göths, genannt Majola, zur Welt gebracht. Als Teenager beginnt sie Fragen zu stellen, aber erst Anfang der 80er Jahre, als ihre Mutter dem englischen Fernsehen ein Interview gibt, bestätigen sich Monikas Ahnungen. Die Mutter vergiftet sich mit Schlaftabletten. In einem Interview-Experiment, das von Matthias Kessler für die Buchausgabe bearbeitet und mit bislang unveröffentlichtem Archivmaterial ergänzt wurde, stellt Monika Göth sich erstmals der Öffentlichkeit. Schonungslos sich selbst gegenüber erzählt sie ihre Geschichte.
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Seitenzahl: 310
Veröffentlichungsjahr: 2014
Matthias Kessler
»Ich muss doch meinen Vater lieben, oder?«
Die Lebensgeschichte von Monika Göth – Tochter des KZ-Kommandanten aus »Schindlers Liste«
»Wie stellen wir uns das Böse vor? Immer falsch.«
(Thomas Müller, Polizei-Psychologe, Wien.)
»Sie müssen über einen Menschen urteilen, der schon zu Lebzeiten zu einer Legende geworden ist, (…) als eine moderne Inkarnation des biblischen Satans.«
(Aus dem »Prozess gegen den Völkermörder Amon Göth«
Krakau, 1946, aus dem Plädoyer des Staatsanwalts.)
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Kessler, Matthias:
»Ich muß doch meinen Vater lieben, oder?« : die Lebensgeschichte der Monika Göth, der Tochter des KZ-Kommandanten aus »Schindlers Liste« / Matthias Kessler. – Frankfurt am Main : Eichborn, 2002
© Januar 2002/2014 Eichborn Verlag in der Bastei Lübbe AG, Köln
Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer
Lektorat: Palma Müller-Scherf
Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-8387-5725-4
Sie finden uns im Internet unter
www.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Prolog
ERSTER TAG
Abschied von der Außenwelt
Hollywood
Gefangen in Erinnerungen
Blutschatz
Getrockneter Rinderpenis
Silberne Kopfkissen und Bussis von Mony
Balkonmethode
Haarscharf und hautnah
Jagdszenen im Nebel
Geheimfach
Rhett Butlers paradiesischer Kuss
Im Namen des Vaters
Räuber und Schandi
Geliebte Rabenmutter
Schwules Schneewittchen
Schminktöpfchen
Schildkröte oder Schnecke?
ZWEITER TAG
Heitschi Bumbeitschi
Wahrzeichen Schläfenlocken
Warum?
Hochzeit und Hure
Omas Tod
Falling Down
Lottoscheintrick
Tabus
Kabelkur
Puppenschühchen
Dämon
Epilog
Schlussbemerkungen
Nachwort
Angst ist keine metaphysische Größe, sondern eine messbare. Sie klebt an den Gegenständen, so Friedrich Dürrenmatt im »Besuch der alten Dame« – wie recht er hatte.
In diesem Buch geht es um über fünfzig Jahre erzähltes Leben. Bei meinen Recherchen dazu habe ich festgestellt, selbst so lange nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust steht Überlebenden die nackte Todesangst ins Gesicht geschrieben, wenn sie über Amon Göth sprechen sollen. Allein der Name löst die Reaktion aus.
In der Familie Göth ist eine andere Art der Angst bewahrt worden: die Angst vor der Wahrheit und der Vergangenheit. Diese wurde genährt und behütet. Mit dem Ziel der totalen Unkenntlichkeit des einmal Gewesenen. Diese Angst mischt sich mit Selbstmitleid. Eine unheilige Allianz.
Doch manchmal gelingt es, die Angst von den Gegenständen, auf denen sie klebt, zu entfernen. Oder die falsche Haut abzuziehen.
DIE BEDINGUNGEN DES INTERVIEW-EXPERIMENTS
DIE ANONYMITÄT EINES HOTELS EIN RAUM – ZWEI PROTAGONISTEN KEINE STÖRUNG VON AUSSENEIN TISCH MIT ERINNERUNGEN EIN UNERWARTETES EREIGNIS NACH 48 STUNDEN IST SCHLUSS
DIE INTERVIEWTE: MONIKA GÖTHDER INTERVIEWER: MATTHIAS KESSLER
Monika und ich kannten uns ein Jahr, bevor wir uns dazu entschlossen, ihr Leben aufzuschreiben. Uns beiden ging es nicht nur darum, zu erzählen, was geschah, sondern auch: warum. »Erzähltes Leben«, der Titel der Eichborn-Reihe gab den Ausschlag. Ich beschloss ein Interview mit Monika zu führen. Basierend darauf sollte das Buch entstehen. Kein Frage-Antwort-Abtausch, sondern ein Interview unter besonderen Bedingungen. Unter Zeitdruck. In Klausur. In assoziativer Umgebung. Unter der Spannung eines unerwarteten Ereignisses am Ende. Damit bekam das Interview den Charakter eines Experiments.
Die Frage nach dem Warum ist riskant. Sie lockt den Interviewten aus der Reserve, sie drängt den Interviewer in die Rolle eines Akteurs. Beides war uns bewusst. Wir wollten uns darauf einlassen. Dieses Interview-Experiment setzte Vertrauen und Wertschätzung voraus. Auf beides konnten wir uns gegenseitig verlassen.
Wir wählten ein Hotel aus, das uns in eine andere Epoche versetzte. Im »Kaiserin Elisabeth« in Feldafing am Starnberger See logierte schon Sissi, die auch mit dieser Geschichte verwoben ist.
Wir zogen uns zurück. Monika brachte ihre liebsten Erinnerungen an ihre Mutter und ihren Vater mit – so waren sie um uns. Wir hatten 48 Stunden Zeit. Wir teilten sie uns nach unseren Bedürfnissen ein. Alles war besprochen, nur eines wusste Monika nicht, welches Ereignis auf sie warten würde.
Aus mehreren Möglichkeiten hatte ich dafür das Prozessprotokoll ausgewählt. Bei den Recherchen zu meinem Theaterstück »MenschenMörder«, ermöglicht von Schauspieldirektor Klaus Rohrmoser und dem Tiroler Landestheater Innsbruck, hatte ich dieses einzigartige Zeugnis in Warschau entdeckt. Ich war auf der Suche danach gewesen, weil das Stück unter anderem auf der Gerichtsverhandlung gegen Amon Göth basieren sollte. Lediglich zwei Exemplare des Göth-Protokolls hatten die Wirren der Nachkriegszeit überstanden: Sie lagerten im Jüdischen Historischen Institut, in polnischer Sprache. Über 500 Seiten. Kurz vor dem Interview-Experiment lag mir dann die deutsche Übersetzung vor. Für mich: ein emotionaler und historischer Hurrikan.
Monika hatte mir immer wieder beteuert, endlich alles über ihren Vater wissen zu wollen. Das bedeutete vor allem, alles über Plaszow zu erfahren, das Lager bei Krakau, dessen Herrscher Amon Göth 500 Tage lang war. Jetzt bestand die Gelegenheit, die Überlebenden und ihn selbst zu Wort kommen zu lassen.
Das Buch ist ein Auszug aus dem Interview in bearbeiteter Fassung. Die authentische Aussage bleibt davon unberührt.
Was geht Dir gerade im Kopf rum, bist Du sehr nervös? Die ganze Situation ist jetzt ungewohnt …
Ich weiß nicht. Ich glaube, ich fühle mich so ausgeliefert wie meine Mutter damals.
Aber das bist Du nicht! Du bist nicht ausgeliefert, weil Du weißt, was passiert. Und im Gegensatz zu Deiner Mutter ist es ja nicht so, dass wir irgend etwas herausbekommen wollen, sondern wir unterhalten uns über Dein Leben…
Ja, das seh ich schon.
Ich möchte das Experiment, das wir machen, unter das Motto von Theodor Adorno stellen: »Es gibt kein richtiges Leben im falschen.« Ich habe für den Anfang ein kleines Frage-Antwort-Spiel vorbereitet. Könntest Du mir bitte, ohne lange zu überlegen, sagen, was Dir zu diesen Begriffen einfällt? Es kann ein Satz sein, es kann auch nur ein Wort sein. Einverstanden? (Sie nickt.) Okay: Was fällt Dir ein zu »Musik«?
Schubert, Beethoven, Mozart, Louis Armstrong, Dean Martin.
Was fällt Dir ein zu »Wärme«?
Wärme…? Sonne.
Was fällt Dir ein zu »Kälte«?
Der Winter.
»Charme«?
Meine Mutter.
»Zeit«?
Die Zeit des Nationalsozialismus.
»Reichtum«?
Der Amon.
»Sucht«?
Meine Tochter.
»Glaube«?
Die Oma.
»Verzeihen«?
(Schweigen.) Weiß ich nicht.
»Todesstrafe«?
Amerika.
»Gnade«?
… Gnade? Weiß ich nicht.
»Psychologie«?
Sigmund Freud.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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