Im Interesse der Sterne (OUTER-SPACE COMMANDER 8) - Jens Fitscher - E-Book

Im Interesse der Sterne (OUTER-SPACE COMMANDER 8) E-Book

Jens Fitscher

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Beschreibung

Während Carolin, Connars ehemalige Frau, in das Jahr 2023 zurückgekehrt ist, erreicht Commander Connar das nur 25 Lichtjahre von der Erde entfernte Sternensystem der Wega. Dort, auf dem Planeten Sa’lf, kommt es zu zwei sehr seltsamen Begegnungen. Eine davon ist seine Tochter Chloe, von der er nicht einmal die entfernteste Ahnung hatte, dass sie überhaupt existierte. Das Wettrüsten der Nationen scheint auf der Erde wieder einmal seinen Höhepunkt zu erreichen. Terror in allen erdenklichen Formen überzieht die westliche Welt. Carolin wird die erste Botschafterin der erwachten Erde. Sie ist die Kriegerin eines Planeten, der in ein beginnende Chaos zu stürzen droht.

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Jens Fitscher

OUTER-SPACE COMMANDER

- Das Vermächtnis der Sterne -

Im Interesse der Sterne

© 2023 Jens Fitscher

Illustration: S. Verlag JG

Verlag: S. Verlag JG, 35767 Breitscheid,

Alle Rechte vorbehalten

https://sternen-commander.blogspot.com

Sammelband ‚Sternen Commander‘

Bände 29- 32

1.Auflage

ISBN: 978-3-96674-601-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig und wird sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich verfolgt. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Leben heißt Veränderung. Leider haben wir dies nicht unter Kontrolle. Wir werden überrollt und müssen es akzeptieren. Gefühle, Liebe, Beziehung, Vertrauen sind Variable in einem ständig wechselten Lebensumfeld. Wir hecheln allem hinterher, ohne zu begreifen, dass es auch anders geht. Warum akzeptieren wir nicht das Unumgängliche als Teil des Lebens und freuen uns auf das vor uns liegende Neue?

Es bleibt uns jedenfalls nichts anders übrig. Es geschieht, was geschehen muss.  

Die Welt zwischen Himmel und Erde ist unendlich. Wir glauben zwar, alles zu sehen, alles wahrnehmen zu können und alles zu begreifen, aber das stimmt nicht.

Inhaltsverzeichnis:

Mysterien der Welt

Steigende Verantwortung

Botschafter der ‘Schöpfung’

Welt am Abgrund

Außerirdische Präsenz

Phönix aus der Asche

Sein oder Nichtsein

Internalarm

Entführt

Eskalation der Gewalt

In den Händen der Separatisten

Die raue Wirklichkeit

Macht der geistigen Alchemie

Sklavin Carolin

Haakons Erfolg

Die junge Entität

Commander Rak’les Plan

Die Aussprache

Geständnisse

Geheimnisse

Technologie der Alten

Raumschiff ORION ersucht um Landeerlaubnis

Der Pfad des Schicksals

Vergangenheit mal 2

Der Planet Sa’lf

Prinzessin Sha’hons Gefühle

Der Weg des Kshatriya

Im Zwiespalt

Der Transmittersprung

Quaoarie, der junge Planet

Die neue Macht der geistigen Alchemie

Einsatz der ORANIA

Offene Konfrontation

Der Fenistra-Clan

Der Rat der Tongva

Planetenbotschafter

Der Transfer

Mysterien der Welt

Als ich an diesem Morgen erwachte, wusste ich sofort, dass nichts mehr so war, wie ich es gestern Abend, vor dem Schlafengehen, noch erlebt hatte.

Ich fühlte, ja ich spürte mit jeder Faser meines Körpers, dass die Welt sich verändern würde oder sogar bereits verändert hatte.

Ich schaute mich verblüfft in dem kleinen Schlafzimmer um. Was war so anders als gestern?

Je stärker ich mich versuchte zu konzentrieren, umso weniger begriff ich überhaupt, um was es ging. Ich stieg langsam aus dem Bett und ging zum Fenster.

Die morgendliche Sonne lachte bereits durch die nicht ganz geschlossene Jalousie. Ich zog sie ganz hoch und öffnete das Fenster. Es war merkwürdig ruhig, dort draußen.

Keine Vogelstimmen, noch sonstige Regsamkeit des Alltags, die man tagsüber als Hintergrundgeräusch immer wahrnahm.

Dafür flatterte mit einem Mal ein Schmetterling an meiner Nase vorbei. Zuerst dachte ich, er würde sogar in das Zimmer fliegen, aber mir wie unbeholfen wirkenden Flügelschlägen schaffte er gerade noch den Rückzug. Es tat gut, die Erinnerung an Schmetterlinge zuzulassen.

Ich erinnere mich an die erste, große Begegnung mit Schmetterlingen.

Ich half gerade meinem Freund am Rohbau seines Hauses. Ich füllte die Betonmischmaschine mit Sand und Zement.

Dann benötigte ich noch etwas Wasser. Gerade als der Gartenschlauch beim Einfüllen des Wassers einen Regenbogen erschuf, kamen sie. Zunächst ein Zitronenfalter. Ihm folgte eine ganze Anzahl bunt gemischter Falter.

Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich war es ein warmer und sehr trockener Sommertag. Das Wasser zog sie alle an.

Als ich eine weitere Schaufel Sand in die Maschine füllen wollte, saßen sie plötzlich direkt im Sand vor mir.

Ich konnte mit meiner Schaufel nicht mehr an den Sand, ohne dass ich einen von ihnen verletzt oder gar getötet hätte.

Sie flogen einfach nicht weg. Auch mit meinen Armen und Händen konnte ich sie nicht verscheuchen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten.

Für mich war es absolut keine Option, einfach weiterzumachen.

Die Maschine lief mit Donnergetöse und ich stand einfach nur daneben und abzuwarten, bis sie wegfliegen würden.

Es dauerte tatsächlich nur wenige Minuten, aber für mich war es irgendwie eine gefühlte Stunde.

Nach einer gewissen Zeit saß mit einem Mal wieder an der gleichen Stelle im Sand ein Pfauenauge und ein Zweites flog keck um mich herum.

Ich beugte mich zu dem im Sand sitzenden Schmetterling und bewegte meine Finger ganz langsam auf ihn zu.

Es bewegte sich nicht und flog auch nicht davon. Natürlich war mir schon bewusst, dass man einen Schmetterling nicht anfassen sollte, da er sonst seine Schuppen und Farbpigmente verlieren konnte. Ich wollte auch nur einmal sehen, inwieweit ich an ihn herankommen konnte.

An diesem Tag wurde ich wirklich von vielen Schmetterlingsarten gesegnet.

Das Arbeiten viel mir schwer, da ich kein Tier verletzten wollte; und es kamen immer mehr. Dabei war eine Harmonie zu spüren, die ich in dieser Form sonst nur selten wahrgenommen hatte.

Ich musste oft an diesen Tag zurückdenken und an die Veränderungen, die damals eingeleitet worden waren.

Ich begann mein Leben und meine Umwelt mit anderen Augen zu sehen.

Ich suchte später diesen Ort, an dem jetzt eine kleine Wiese entstanden war, immer wieder gerne auf.

Ab und an besuchte mich auch wieder ein Schmetterling. Aber ganz besonders konnte ich an diesem Ort noch heute einen besonders engen Kontakt mit der Natur, mit der Schöpfung aufbauen.

Die Hektik des Alltages schien dort nicht vorhanden zu sein. Wann immer ich von dort wieder wegging, hatte ich ein besonders ausgewogenes Gefühl zu all den Dingen und Sachen, die mir vorher Angst bereitet hatten.

Ich vollzog jedes Mal von Neuem eine Art Wandlung.

In mir waren Ausgleich und Harmonie.

Ich war nie ein Anhänger der modernen Form von Esoterik. Ich dachte immer, ich stände mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen, wie es so schön hieß.

Natürlich machte ich mir so meine Gedanken über die Welt im Allgemeinen und über das Leben im Besonderen.

Es geschah deshalb völlig übergangslos und unerwartet und riss mich aus meinen doch so realistischen Vorstellungen, als ich eines Tages plötzlich die Schlafzimmerwand vor meinem Bett anblickte, als wäre sie eine Kinoleinwand und es lief gerade ein spannender Film und fast gleichzeitig fühlte ich eine fast identische Art von innere Ruhe und Ausgeglichenheit, wie an dem Ort, an dem ich den ersten Kontakt zu den Schmetterlingen hatte.

Ich sah die Wand und ich sah gleichzeitig noch mehr.

Ich sah hinter, durch und in die Wand hinein. Alles bewegte sich. Ich steigerte meine Konzentration und die Wand begann näher zu kommen, obwohl weiterhin der gleiche räumliche Abstand wie vorher bestehen blieb.

Ich erschrak und verlor den Konsens, was blieb, war ein Rauschen in meinem Kopf.

So, als würden viele Menschen gleichzeitig, mit unterschiedlich lauten Stimmen, zu mir sprechen.

Ich versuchte noch einige Stimmen im Geiste zu separieren und irgendwie zu fassen, aber alles, was blieb, war nur das Gefühl, das es nicht meine eigenen Gedanken sein konnten, die ich vernahm. Langsam verebbten sie.

Was blieb war ein Gedanke, ein absoluter Gedanke.

Ich war in Kontakt getreten mit etwas, das ich zunächst Schöpfung nannte, für mich war es die Natur, die Erde, die Gesamtheit allen Lebens oder die Wesenheit, die alles Körperliche vertrat und innehatte.

War diese Entität nicht auch mit mir in Kontakt getreten, und zwar in Form der Schmetterlinge?

Ich erinnerte mich, was ich über Krafttiere wusste. Der Schmetterling als Hüter der Geist-Wesen-Welt. Die Botschaft: „Wehre dich nicht gegen Veränderungen in deinem Leben. Schaue nicht in die Vergangenheit, sie ist vorbei. Hänge nicht weiter an einem Schmerz oder an Erinnerungen.

Gehe andere, neue Wege. Aber gehe sie selbst und verlasse dich nicht auf andere. Frage dich, an welcher Station in deinem Leben du jetzt stehst; Ei, Larve oder Kokon?

Welche Entwicklungsstufe hast du erreicht?“

Die Schöpfung sprach zu mir über das Krafttier.

Das war die Aussage. Der Schmetterling zeigte mir, dass ich meine Probleme und Schwierigkeiten immer aus mehreren Blickwinkeln und Perspektiven anschauen sollte, um meine geistige Entwicklung zu forcieren, meine spirituelle Evolution erfolgreich zu erleben.

Was taten sich hier bloß für neue Perspektiven auf?

Ich saß auf einer Wiese, hörte viele Stimmen der Natur über die körperlichen Sinne und gleichzeitig baute sich eine vorher nie gekannte Harmonie in mir mit meiner Umwelt auf. Meine spirituellen Sinnesorgane hörten und sahen eine vollkommen neue Welt. Es war, als würde ich neues Leben dort finden, wo früher nur tote Materie war.

Alles Materielle kommunizierte nun mit mir, und diese Kommunikation erfolgte in einer großartigen Eintracht.

Ich erlangte neue Erkenntnisse über das Leben an sich und im Einzelnen. Die Tiere in meiner unmittelbaren Umgebung waren nicht mehr scheu. Ich versprach, kein Tier einfach so zu töten das sich in meine Nähe wagt.

Insekten, Fliegen, Grashüpfer, Vögel, Schmetterlinge und vieles mehr flog, hüpfte, kroch und summte um mich herum. Eine Hummel setzte sich plötzlich nur wenige Zentimeter vor mir auf eine Blume und vertraute mir ihr Leben an.

Farbenfrohe Käfer kamen aus Erdlöchern und blinkten im Sonnenlicht. Es war wie ein Rausch. Meine Gefühle spielten verrückt.

Aber ich erkannte den Sinn hinter alle dem. Ich erkannte die Definition dieser Welt, die ich bisher so nicht verstanden noch überhaupt gesehen hatte.

Die wichtigste Erkenntnis, alle Materie um mich herum ist nicht wirklich tot. Sie hat eine Art Kollektivbewusstsein. Mit diesem Kollektivwesen, in das ich ebenfalls zum Teil mit meinem Körper integriert war, konnte ich kommunizieren. Dazu bedurfte es spezielle Sinnesorgane; nämlich Sinnesorgane des Geistes.

Mit stellte sich jetzt nur noch die eine Frage: „Wenn ich als Teil des Ganzen mitkommunizieren konnte, gab es dann auch die Möglichkeit, Veränderungen herbeizuführen. Könnte ich hier auch selbst aktiv tätig werden?“

Ich war auf dem richtigen Weg, das merkte ich. Zuerst musste ich den Kontakt vertiefen.

Aber wie sollte ich das anstellen?

Ich fuhr täglich mit dem Zug ins Büro.

Morgens um 05.00 Uhr ging die Fahrt los. Im Abteil war es noch dunkel. Die Lichter waren gedämpft.

Der Zug war um diese Uhrzeit meist nur mit Pendlern besetzt. Ich hatte die Augen halb geschlossen und döste vor mich hin. Als ich dann durch das Fenster den Sonnenaufgang bewunderte, kam mir ein Gedanke.

Ich sprach einfach die vermeintliche Wesenheit in meinen Gedanken an. Ich belegte sie mit dem Namen: Schöpfung! Ich dachte die ganze Fahrt an sie.

Die Zugwaggons ratterten im gleichmäßigen Rhythmus auf den Gleisen. Immer wieder gingen meine Gedanken in dieselbe Richtung, selbst als ich später in einen Halbschlaf fiel.

Die Wochen und Monate vergingen. Jeden Morgen begrüßte ich die Schöpfung und jeden Abend, kurz vor dem Einschlafen verabschiedete ich mich von ihr. Das Ganze war schon Routine geworden, als es geschah.

Ich verspürte mit einem Mal ein fremdes Wissen in mir. Es war, als wäre eine wichtige Frage nicht von mir selbst beantwortet worden, sondern wurde von außerhalb in meinen Geist ‚gespielt‘.

Es war so ähnlich, wie die ‚absoluten Gedanken’, welche ich ab und an hatte, nur anders. Es waren keine wirklichen Gedanken, sondern eine Art Erkenntnis, ein Wissen um die Sache selbst.

So und nicht anders war es; ich wusste die Lösung, das Ergebnis, aber ich hatte mir darüber noch keine eigenen Gedanken gemacht.

In den nächsten Tagen nahm meine Affinität zu allen materiellen Dingen zu. Ich spürte richtig das pulsierende Leben, sogar in relativ toten Dingen. Ich nahm die Welt um mich herum viel bewusster war.

Jegliche bewegungslose, tote Materie war für mich nunmehr auch ein Teil von mir selbst und damit übernahm ich indirekt auch die Verantwortung dafür. Die Interaktion begann.

Ich pflegte meine Umwelt durch bewusste Aktionen und positive Berührungen, durch positive Gedanken. Und als ich dann aktiv ebenfalls eine Frage stellte, bekam ich tatsächlich eine Antwort.

Nicht sofort, sondern es vergingen Stunden, bis das Wissen in meinem Geist erschien. Dann fing ich an, selbst aktiv zu werden und äußerte eine Bitte.

Ich war skeptisch, da zunächst, wie gewohnt, keine Antwort kam.

An diesem bewussten Tag, als ich morgens aufstand, war es zuerst bewölkt. Dann traf mich beim Frühstück ein Sonnenstrahl und es hellte auf. Genau in dieser Sekunde hatte ich das ‚Wissen’ in mir, dass der Tag regenfrei bleien würde und so war es dann auch!

Es gab aber auch Tage, an denen diese Art von Interaktion nicht möglich war.

Diesbezüglich musste ich unbedingt herausfinden, woran das lag. Gab es Regeln zu beachten? Gab es eine Art Hierarchie, die ich beachten musste?

Ich bewegte mich bereits in Gefilden einer göttlichen Struktur und in metaphysische Bereiche. Die Mystik in meinem Leben begann zuzunehmen.

Die Daseinsstruktur meines Universums musste neu definiert werden.

In der klassischen Metaphysik ist dies die Grundfrage: „Wieso gibt es überhaupt das Seiende und wieso nicht nur Nichts? Ist die Wirklichkeit wirklich und worin besteht das Sein des Seienden?“

Die Materie war zu komplex, um von mir auch nur im Ansatz verstanden zu werden. Ich wollte mich jedenfalls nicht wirklich damit beschäftigen.

Es reichte mir vollkommen aus, dass ich Kontakt zu einer allumfassenden Macht aufgenommen hatte.

Nun galt es, diesen Kontakt zu intensivieren. Schließlich wollte ich unbedingt wissen, warum und wieso dies geschehen war. Eines wusste ich nämlich, es gab keine Zufälle.

Es war nun gerade einmal zwei Tage her, dass ich diesen mystischen Kontakt gespürt hatte, als sich in meinem Leben einiges grundlegend zu verändern begann.

Es war genau 05.22 Uhr an diesem Morgen und ich saß ruhig vor mich hindösend, wie jeden Werktag, im Zugabteil.

Die Fahrt würde noch etwa dreißig Minuten dauern, dann hatte ich Frankfurt erreicht.

Dort, um genau zu sein, in Frankfurt-Niederrat direkt gegenüber der Galopprennbahn, lag mein Büro.

Ich arbeitete für einen internationalen Konzern im Vertrieb von Weißer Ware.

In dem geschlossenen Zugabteil saßen noch drei weitere Pendler, die wie ich, jeden Tag Hunderte von Kilometern zurücklegten, um zu ihrer Arbeitsstätte zu gelangen. Ich hatte gerade kurz auf meine Armbanduhr geschaut, als sich mir ein Gedanke aufzwängte und sich auch nicht mehr verflüchtigte, wie es sonst normalerweise im Halbschlaf üblich war.

„Vorsicht Gefahr! Etwas Unnatürliches kommt auf dich zu.“

Verwirrt zog ich meine Augenbrauen hoch und blickte mich im Abteil um.

Von den beiden Männern vor mir, die in grauen Anzügen von der Stange, gekleidet waren, drohte bestimmt keine Gefahr, noch dazu, da sie, wie ich eben noch, mit geschlossenen Augen zumindest im Halbschlaf lagen.

Der dritte Mann saß auf der gleichen Seite, etwa einen Meter neben mir am Fenster. Er schaute die ganze Zeit hinaus und schien in Gedanken versunken zu sein.

Mein Blick blieb an der Schiebetür des Abteils heften. Ich begann regelrecht die Gefahr zu spüren, die sich unaufhaltsam dem Abteil näherte. Erste Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn.

Was konnte ich bloß tun?

Mein Verhalten war vollkommen irrational. Ich schien der Einzige im Raum zu sein, der solche Empfindungen hatte. Begann ich verrückt zu werden? Panikattacken und Schizophrenie?

Das war so überhaupt nicht mein Ding.

„Fremde suchen nach dir!“

Wieder ein fremder Gedanke in meinem Kopf. Was konnte ich nur tun? Absolut nichts.

Als sich diese Erkenntnis endlich auch bis zu meinem Unterbewusstsein vorgearbeitet hatte, wurde ich sofort wieder etwas ruhiger.

Nichtsdestotrotz blieb die Spannung bestehen und ein Rest von Stress setzte Adrenalin und Noradrenalin frei, die meinen Körper auf einen bevorstehenden Kampf vorbereiteten.

Es waren vielleicht gerade einmal zwei Minuten vergangen, seit ich durch den fremden Gedanken aus dem Halbschlaf gerissen worden war, als die Schiebetür des Abteils langsam aufgezogen wurde.

Normalerweise hakte sie etwas, und man musste sie schon mit Schwung öffnen. Jetzt wurde sie jedoch langsam und gleichmäßig geöffnet.

Es kam mir schon so vor, als würde man sie mit äußerster Vorsicht zu öffnen versuchen.

Wie gebannt und in einer starren Körperhaltung ließ ich keinen Millimeter von der Tür mehr aus den Augen.

Meine Körper spannte sich, um sofort loszuschlagen oder was auch immer zu tun. Ich sah zwei Mann, die schwarze Anzüge und einen breitkrempigen Hut trugen.

Die Abteiltür war von ihnen gerade zur Hälfte aufgezogen worden, als ein gewaltiger Ruck durch den Zug ging.

Ich wurde hart in den Sitz gedrückt, während meine beiden Mitfahrer, die mir gegenübersaßen, regelrecht aus ihrer sitzenden Position herausgerissen wurden und seitlich neben mir gegen die Rückwand flogen.

Die beiden Fremden an der Abteiltür waren verschwunden. Ich vernahm eine laute Frauenstimme, die erschrocken aufschrie.

Zwischen den nun erbärmlich laut quietschenden Bremsen mischten sich Unmutsäußerungen der Fahrgäste.

Anscheinend war die Notbremse betätigt worden. Ich erhob mich, drängte mich zwischen den beiden etwas lädiert wirkenden Mitfahrern hindurch zur Tür und blickte hinaus.

Links hinten im Gang konnte ich einen Menschenknäuel erkennen.

Die Fahrgäste versuchten sich gerade wieder zu erheben und sich voneinander zu trennen. Die beiden schwarz gekleideten Männer gingen dabei recht rigoros vor.

Ich schaute nicht länger zu ihnen hin, sondern wendete mich zur anderen Seite des Ganges.

Nachdem ich zwei weitere Waggons hinter mir gelassen hatte, atmete ich etwas auf.

Ein fluchender Schaffner kam mir entgegen, blickte mich mit hochrotem Kopf an.

„Wenn ich den in die Finger bekomme, der mitten auf freier Strecke die Notbremse gezogen hat, der kann was erleben!“

Ich nickte ihm nur kurz zu und hoffte inbrünstig, dass mich die beiden Männer nicht doch noch finden würden. Obwohl, ich wusste überhaupt nicht, ob sie mich tatsächlich gesucht hatten und ob wirklich eine Gefahr von ihnen drohte.

Jedenfalls erreichte ich an diesem Tag unangefochten mein Büro und vergaß in der Hektik des Alltags den Vorfall schnell wieder.

Steigende Verantwortung

Hatte ich mich wirklich richtig entschieden? Noch vor wenigen Wochen hätte ich mit als verrückt bezeichnet, wenn ich solche Gedanken in mir, wie jetzt, zugelassen hätte.

Allein schon der Gedanke daran, dass ich mich an Bord eines außerirdischen Raumschiffes begeben würde, wäre damals vollkommen abstrus gewesen.

Auch jetzt hatte ich immer noch ein mehr als absonderliches Gefühl dabei. Was würde meine Kollegin Amaury de Wit wohl dazu sagen oder all die anderen Kollegen im Büro? Wenn sie wüssten, dass der Elektronikkonzern Tethys für den sie arbeiteten, in Wirklichkeit unter der Leitung von außerirdischen Intelligenzen stand, ja sogar juristisch ihnen gehörte.

Obwohl das vielleicht nicht so ganz stimmte.

Ich war mir überhaupt nicht sicher, ob irdisches Privatrecht auch auf Nichtmenschen anzuwenden war.

War mein Arbeitsvertrag etwa von Anfang an ungültig?

Ich erschrak, als mir ein junger, gutaussehender Mann in einer beige-grün-farbenen Uniform entgegenkam.

 „Willkommen auf der OMALLA. Darf ich Sie zur Brücke begleiten? Commander Rak’les erwartet Sie bereits.“

Mir gingen immer noch die merkwürdigsten Gedanken durch den Kopf und ich nickte automatisch.

Das Raumschiff war riesig und irgendwie unheimlich. Mir stellten sich ständig sämtliche Härchen auf der Haut auf, seitdem ich das Schiff betreten hatte.

Das Innere wirkte absolut fremd und gruselig auf mich. In mir kamen die ersten Zweifel auf und begannen an meinem Selbstbewusstsein zu nagen.

Hatte ich das Richtige getan, als ich dem Flug zum Hauptquartier der „Loge Pax Terra“ zustimmte?

Schließlich lag das Zentrum der außerirdischen Aktivitäten im Sonnensystem nicht auf der Erde, sondern auf dem Saturnmond Tethys.

„Oh, wie unachtsam von mir. Mein Name ist Brukhard Well. Ich wurde zu Ihrer freien Verfügung abkommandiert!“

Ich blickte ihn verblüfft an.

„Ähm, ich meine natürlich, wenn Sie Fragen zum Beispiel zur Loge oder dem Schiff haben, werde ich versuchen, Ihnen eine vollwertige Auskunft zu geben.“

Ich war mehr in meinen eigenen Gedanken versunken, als dass ich zuhörte.

Ich lief ihm einfach hinterher, wie ein Küken der Henne. Wir hatten bereits zweimal das Deck gewechselt und standen jetzt vor einem ovalen Durchgang von etwa fünf Mal vier Metern.

Es gab kein Schott oder sonstige Barriere zu dem dahinterliegenden Raum. Well war stehen geblieben.

„Das ist die Brücke der OMALLA!“

Er hatte, während er sprach, sein Kinn etwas angehoben und so etwas wie Stolz schwang in seiner Stimme mit.

Ich blickte den beiden Crewmitgliedern nach, die gerade an uns vorbei in den Raum hinein gingen, und machte automatisch drei anderen Platz, die von der Brücke kamen.

Es herrschte ein reger Verkehr. Man schien meine Anwesenheit jedoch völlig zu ignorieren.

Jedenfalls konnte ich in den Gesichtern der Männer und Frauen, denen ich begegnete, weder ein besonderes Interesse noch einen fragenden Blick erkennen.

„Kommen Sie, folgen Sie mir bitte. Ich stelle Sie Commander Rak’les vor. Er ist ebenfalls ein Mitglied der Loge und mehr oder weniger für unsere Sicherheit zuständig!“

Ich blieb immer noch stehen und blickte Brukhard Well mit hochgezogenen Augenbrauen fragend an, und als keine Reaktion von seiner Seite kam, fragte ich: „Sicherheit? Befinden wir uns in irgendeiner Gefahr?“

Er blickte kurz, und wie es mir schien, etwas hektisch zur Brücke und versuchte dann ein beruhigendes Lächeln.

„Nein, natürlich nicht. Hierbei geht es eher um die Tarnung unserer Aktivitäten auf der Erde. Für unsere eigene Sicherheit ist es unabdingbar, dass unsere Existenz im Verborgenen bleibt und seit einiger Zeit gibt es diesbezüglich leider Probleme. Einige extremistische Vereinigungen auf der Erde scheinen etwas mitgekommen zu haben, das…!“

„Mister Well, ich glaube das wird Frau van Gelden nicht unbedingt interessieren!“ Commander Rak’les war unbemerkt in Wells Rücken erschienen und stoppte seinen Redeschwall.

„Konzentrieren Sie sich nur auf das Wesentliche. Sie können sich jetzt zurückziehen, ich werde mich weiter um unseren Gast kümmern.“

Well wirkte sichtlich nervös, versuchte mich nochmals kurz anzulächeln, wobei er leicht seinen Kopf beugte, und ging mit schnellen Schritten den Korridor zurück, aus dem wir gekommen waren.

„Darf ich Sie nochmals auf der OMALLA auch im Namen der Loge begrüßen. Es ist mir eine besondere Ehre, Sie als erste Botschafterin des Planeten Erde zu dieser Zusammenkunft zu begleiten. Es ist auch für uns eine etwas heikle Situation, der wir nunmehr nach über 500 Erdenjahre wieder einmal gegenüberstehen.“

Commander Rak’les war schon eine imposante Erscheinung.

Ich schätzte sein Alter auf unter vierzig. Seine Gesichtszüge waren offen und kraftvoll. Im Blick seiner Augen konnte ich erkennen, dass er das, was er sagte, auch so meinte.

Er wirkte auf mich sehr menschlich, und es gab einen Moment, wo ich tatsächlich an seiner außerirdischen Herkunft zweifelte.

Commander Rak’les ging voraus und ich folgte ihm.

Die Brücke war ein ovaler Raum von etwa 50 Quadratmeter Bodenfläche, in deren Mitte ein ebenfalls ovales Podest stand.

Neben verschiedenen Pulten, die gespickt mit Schaltern, Displays und allerlei anderem technischen Equipment waren, stand eine Art Nierentisch, der von drei bequem aussehenden Sesseln umgeben war.

In einem dieser Sessel saß bereits ein Mann. Er erhob sich sofort, als Commander Rak’les direkt auf ihn zusteuerte.

„Darf ich Sie mit Doktor Emanuel Kirchner bekannt machen. Er ist ein erfolgreicher Physiker und hat der Menschheit schon so manche außerirdische Technologie in einer abgespeckten und angepassten Version vermacht, wenn ich es mal so salopp sagen darf.“

Kirchner verzog keine Miene, sondern beugte seinen Kopf nur kurz zur Begrüßung etwas, dann setzte er sich wieder.

Seine Augen ließen mich jedoch fortan nicht mehr los und es schien mir sogar, als versuchte er mich mit seinem Blick regelrecht zu sezieren.

Er war mir sofort irgendwie unsympathisch und ich setzte mich in den Sessel, der am weitesten von ihm stand.

Der Nierentisch wurde zu einer natürlichen Barriere zwischen uns beiden.

Direkt über seiner glatten Oberfläche bildete sich auf einmal ein farbiges Kaleidoskop, das sich in Windeseile zu einer Bildfläche ausweitete.

So etwas Ähnliches kannte ich vom Tethys Tower. Es handelte sich dabei wohl um eine Kommunikationseinheit.

Das jetzt dreidimensionale Bild im Hologrammformat zeigte neben dem schwarzen Weltraum die Erde in all ihrer blauen Pracht.

Sie begann jetzt langsam nach rechts auszuwandern und wurde immer kleiner. Das Raumschiff beschleunigte und ein beständig summendes Hintergrundgeräusch war zu hören.

„Die geistige Verbindung kann innerhalb des Sonnensystems bis auf etwa 1,6 Lichtjahre, das ist die Entfernung bis zu der Oortschen Wolke, aufrechterhalten werden“, vernahm ich plötzlich die geistig-telepathische Mitteilung von Quaoar.

Ich ließ mir nichts anmerken und blickte mich interessiert im Raum um, während Commander Rak’les und Doktor Kirchner immer noch auf das Hologramm schauten.

Das ständige, fast schon beruhigend wirkende Summen war plötzlich verstummt.

Die indirekte Beleuchtung im Raum flackerte mehrmals und es wurde regelrecht still. Auch die bis jetzt leise geführten Gespräche zwischen den zehn auf der Brücke anwesenden Crewmitgliedern verstummte.

Umso lauter und aggressiver machte sich da der Sirenenton, der ebenso plötzlich einsetzte, wie mehrere Explosionen, die kurz hintereinander erfolgten und die Brücke erbeben ließen.

Das riesige, ovale Eingangsschott hatte gerade begonnen sich zu schließen, als ein wahres Lichtgewitter an Laserschüssen den Verschluss stoppte.

Mit einem laut kreischenden Ton hielt es etwa bei einem Drittel der Durchgangsbreite an. Commander Rak’les und Doktor Kirchner waren fast gleichzeitig aufgesprungen.

„Situationsbericht“, brüllte der Commander in Richtung der immer noch wie erstarrt wirkenden Mitarbeiter.

Wie gebannt schaute ich zum Eingang und erwartete jede Minute, nachdem die Laserschüsse verebbt waren, schwer bewaffnete Extremisten zu sehen, die in den Raum stürmten.

Rak’les hielt plötzlich eine Waffe in der Hand, ebenso wie Kirchner.

Ich saß immer noch wie versteinert im Sessel, als ich die beiden langsam zu Boden sinken sah.

Mir wurde heiß und kalt und meine Augen begannen zu tränen. Alles um mich herum verschwamm und als ich endlich begriff, dass der Angriff auf uns nicht mit Waffengewalt erfolgte, sondern mit chemischen Mitteln, war es bereits zu spät, um zu fliehen.

Meine Sinne schwanden und als letzen Gedanken vernahm ich aus weiter Ferne Quaoars einfache und emotionslose Mitteilung: „Es besteht keine unmittelbare Gefahr!“

Dakhil Fakhry war einer von fünf Schläfern der terroristischen Organisation „Kämpfer Gottes“. Sie waren bereits vor über zwei Jahren in den Geheimbund der Loge eingedrungen, hatten mit gefälschten Papieren und mit biologischen Implantaten getöteter Außerirdischer sich den Zugang zu einem der beiden Trägerraumschiffe der Loge verschafft.

Das Ziel ihrer Mission war nichts Geringeres als die Übernahme des Riesenschiffs OMALLA und ihrer gesamten technischen Ausrüstung, insbesondere der sogenannten Hoverspace-Fighter.

Sie hatten lange auf das Signal gewartet. Jetzt war die Freigabe gekommen. Sie konnten endlich aktiv werden.

„Ihr werdet staunen, wenn ihr diese Deltaflügel-Abfang-Jets zu sehen bekommt. Die Hoverspace-Fighter sind genau das, was unsere Brüder und Schwestern benötigen. Ich bin zwar erst seit zwei Wochen für interne Wartungen im Hoverspace- Hangar eingeteilt, aber mir reicht, was ich gesehen habe.“

Hilal Kanso öffnete mit einer Brechzange aus seinem Werkzeugkasten die Verleidung über seiner Koje.

Dort hatte er die Waffen versteckt, die er und seine Mitstreiter während des Landurlaubs der letzten beiden Jahre an Bord geschmuggelt hatte.

„Wie naiv sie nur sind, diese Aliens!“

Latif Bahjat, der ebenfalls wie Sameh Parsa und Wakur Laham den gleichen Schlaftrakt mit ihm teilte, holte die kleinen Kunststoffbälle aus dem Versteck und steckte sie in eine der vielen Taschen seines Montageoveralls.

„Pass bloß auf, dass du die Dinger nicht zu fest drückst. Die lösen sich sofort auf und wir fallen in einen tiefen Schlaf.“

Wakur hantierte mit einer Skorpion-Maschinenpistole herum, während Hilal immer noch von den Hoverspace-Fighter schwärmte.

„Das Großartige an den Maschinen ist ihre altertümliche Bewaffnung. Jedenfalls im Vergleich zu der sonstigen Technologie, die in der OMALLA zum Einsatz kommt, ist das gute alte Erdenarbeit.“

„Wovon sprichst du?“

Sameh und Latif hatten ihr gesamtes Waffenarsenal fein säuberlich auf ihren Kojen ausgebreitet und blickten irritiert zu Hilal hinüber.

„Ihr seid dumm, nur eure blöden Kanonen im Kopf. Was glaubt ihr, was ich mit einem einzigen Hoverspace-Fighter so alles anstellen kann. Allein mit der guten alten Vulcan, eine 20-mm-Gatling-Kanone M61A1 mit 650 Schuss Munition und weiteren 2.400 kg Kampfmittel im internen Waffenschacht und an den beiden Außenlaststationen, puste ich ein Dutzend gut ausgerüstete Soldaten pro Sekunde weg.“

Jetzt wurde auch Dakhil Fakhry neugierig. Schließlich war er der Führer dieses Einsatzes und seinen Vorgesetzten für den erfolgreichen Abschluss verantwortlich.

Sie mussten das Schiff im ersten Anlauf übernehmen, einen Zweiten würde es nicht mehr geben, soweit kannten sie mittlerweile die Mentalität und die Möglichkeiten der Außerirdischen.

Es galt in einem Überraschungsangriff die Brücke zu besetzen und die wichtigsten Entscheidungsträger festzusetzen und notfalls auch zu eliminieren.

Die Kaperung des Schiffes war bereits von vornherein als Selbstmordaktion ausgelegt.

Es war nur wichtig, dass die OMALLA unbeschädigt in den Besitz der „Kämpfer Gottes“ gelangte.

Was mit ihm und seinen vier Mitstreitern geschah, war im Rahmen der Zielerfüllung sekundär.

Aber Dakhil Selbsterhaltungstrieb war immerhin noch so weit erhalten, dass er eine Chance erkannte, wenn sie sich ihm anbot.

„Erzähle weiter, Hilal. Kennst du die gesamte Bewaffnung?“

„Na klar, Chef. Also im zentralen Waffenschacht hängen die Luft-Luft-Lenkflugkörper. Es sind 4 AIM-4A/F – radargesteuerte Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper; 4 Hughes AIM-4B/C/D/G  – infrarotgesteuerte Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper; 1 Hughes AIM-26A „Falcon“und 1 Hughes AIM-26B „Falcon“  – radargesteuerte Kurzstrecken-Luft-Luft-Lenkflugkörper. Und jetzt kommt’s, man ich war vollkommen baff, als ich das gesehen habe. Ich musste zweimal hinblicken, um es zu glauben. Eine ungelenkte Luft-Luft-Rakete Typ AIR-2A „Genie“. Was sagst du dazu?“

„Man, mach es nicht so spannend. Wir sind keine Freaks wie du und kennen uns mit diesen Waffenarten nicht aus. Also sag schon!“

„Die AIR-2A „Genie“ ist mit einem nuklearen Sprengkopf mit einer Sprengkraft von 1,5 bis 2 Kilotonnen ausgestattet.“

Dakhil atmete ganz langsam aus. Es war kurz ruhig im Raum geworden.

„Wie viel Hoverspace-Fighter befinden sich auf dem Trägerschiff?“

„Keine Ahnung, Chef. Das kannst du aber durch eine Anfrage über das Bord-Info-System erfahren.“

„Auf keinen Fall, das würde nur Verdacht schöpfen. Wir werden sie später ganz einfach durchzählen!“

Dakhil Fakhry grinste mehr schlecht als recht und zurrte den Patronengurt fest.

„Wieso hat ein außerirdisches Raumschiff mit überlegender Technologie und Waffentechnik Abfangjäger mit solch eher primitiven Technik an Bord. Das begreife ich nicht!“

Wakur hatte soeben eine Ausrüstung angelegt und hielt ein Lasergewehr in der rechten Hand, über dessen Lauf er feinfühlig strich. Hilal antwortete ihm beiläufig, während er ebenfalls ein Lasergewehr unter der Koje hervorzog.

„Ich glaube, dafür verantwortlich ist ein gewisser Kirchner. Normalerweise macht er es immer umgekehrt und entwickelt aus Alien Technologie eine abgespeckte Version für den Erdengebrauch. Keine Ahnung, warum die Fighter so primitiv ausgerüstet sind. Jedenfalls besitzen sie ebenfalls ein Antigravitationsaggregat, wie das Schiff. Damit sind sie innerhalb der Atmosphäre jeden irdischen Jet weit überlegen.“

„Genug des Geplappers. Jetzt wird es ernst. Los, wir stürmen die Brücke. Jeder weiß, was er zu tun hat!“

Dakhil Fakhry warf Sameh noch ein weiteres Lasergewehr zu, dann verließen sie gemeinsam den Schlaftrakt.

Botschafter der ‘Schöpfung’

Haakon Raisanen war auf der Flucht. Diesmal waren es nicht die Außerirdischen, die ihn versuchten in die Enge zu treiben, sondern Agenten eines fremden Landes.

Noch wusste er nicht, wer genau dahintersteckte und was sie überhaupt von ihm wollten.

Seit nunmehr einem Jahr befand er sich fast ständig auf der Flucht. Sein junges Leben, das gerade einmal 25 Lenzen zählte, hatte sich bereits vollkommen verändert, als er mit 23 Jahren das erste Mal den Kontakt bekam.

Nachdem der erste Schrecken verflogen war, benötigte er immerhin noch fast einen ganzen Monat, um zu verstehen und zu begreifen, was ihm widerfuhr.

Eine zunächst für ihn noch fremde Entität hatte Kontakt zu ihm aufgenommen. Sie nannte sich selbst Quaoar, Haakon kannte sie aber auch nur als die ‚Schöpfung‘.

Er benötigte nochmals zwei Wochen dafür, um zu verstehen, dass sein menschlicher Körper ebenfalls ein Teil von Quaoar war, wie die Naturgewalten, wie Regen, Wind und Feuer.

Mittlerweile war er sogar der Ansicht, dass es sich bei dieser Wesenseinheit um den gesamten Planeten Erde handelte.

Es war genau heute vor zwei Jahren gewesen, als er ihre Gegenwart in sich vernommen hatte; die telepathische Stimme von Quaoar.

Ein unsagbar starkes Gemeinschaftsgefühl war dem vorausgegangen, gefolgt von einem enormen Wohlbefinden.

Haakon duckte sich gerade noch rechtzeitig, um aus der Schusslinie des Projektils zu gelangen.

Er vernahm noch den hohlen, heulenden Ton des Querschlägers, dann hatte er sich in einen kleinen Seitengang zwischen zwei Häuser in Sicherheit bringen können.

Der Zugang führte in den Hinterhof, wo ein altes Fachwerkhaus stand. Rechts neben dem Eingang, zu dem eine Steintreppe mit abgetretenen Stufen hinunter ging, erkannte er eine offenstehende Bodenluke, die der Zugang zu einem Kohlekeller war.

Er überlegte nicht lange, sondern stürzte regelrecht die wenigen Stufen hinab und schlug im letzten Augenblick die nur angelehnte Bodenluke hinter sich zu.

Es schepperte kurz laut und in seinen Ohren dröhnte der metallene Klang noch eine halbe Minute nach, dann war Stille.

Haakon versuchte in dem Halbdunkel des Kellergewölbes etwas zu erkennen, musste jedoch nach wenigen Minuten aufgeben.

So begann er sich vorsichtig weiter vorzutasten, nur weg von dem Eingang.

Leider fiel ihm erst jetzt ein, dass diese alten Häuser über keinen inne liegenden Kelleraufgang in die oberen Räume verfügten.

Er konnte also nicht nach oben ausweichen, vielmehr saß er in der Falle, sollte man mitgekommen haben, wie er in den Keller verschwunden war.

Jetzt wurde ihm doch etwas mulmig zumute. Haakon setzte sich in die hinterste Ecke des dunklen Raums auf den Boden und ließ dabei die Bodenluke nicht mehr aus den Augen. Plötzlich war an der Bodenklappe ein merkwürdiges Schaben und Kratzen zu hören.

Er zog sich noch etwas weiter in die Ecke zurück, machte sich so klein wie möglich und kauerte sich auf den Boden.

Er versuchte gedanklich Kontakt mit der ‚Schöpfung‘ aufzunehmen, aber mehr als ein leeres Gedankenmuster in seinem Kopf konnte er nicht erkennen.

Der Kontakt blieb aus. Es war fast schon zum Verzweifeln. Durch Haakons Erinnerung zogen in schneller Folge die letzten Wochen und Monate seines unstet gewordenen Lebens.

Seinen letzten Job musste er bereits nach acht Wochen wieder aufgeben, nachdem sie ihn gefunden hatten.

Mittlerweile waren es sieben verschiedene und mittelmäßig bezahlte Tätigkeiten gewesen, denen er innerhalb von einem Jahr nachgegangen war.

Immer wieder musste er seinen Aufenthaltsort wechseln, dabei hatte er wirklich keinen blassen Schimmer, was die Außerirdischen überhaupt von ihm wollten.

Bis vor einem Jahr hatte er es auch überhaupt nicht geglaubt, dass es hier auf der Erde welche gab.

Er hielt kurz die Luft an, als er meinte, vor der Luke Schritte zu hören. Hatte er zunächst noch gedacht, hier im Süden der Türkei, in einem kleinen Badeort etwas Entspannung zu bekommen und weit weg von seinem letzten Betätigungsfeld auch in Sicherheit zu sein, so wurde er jetzt eines Besseren belehrt.

Er zuckte regelrecht zusammen, als sich an der Luke eine helle Linie zeigte, die sich schnell zu einem Lichtstreifen vergrößerte.

„Jemand öffnet die Luke“, war ein panikartiger Gedanke, der sein Denken fast vollständig beherrschte.

Gleichzeitig machte sich aber auch ein zufriedenes und beruhigendes Gefühl in ihm breit, das so völlig konträr zu seiner Angst stand, dass es ihm besonders heftig auffiel.

Die Klappe wurde mit einem Ruck nach hinten geworfen und ein Junge blickte grinsend in seine Richtung.

„Die Luft ist wieder rein. Du kannst rauskommen, du Angsthase! Ich habe sie auf eine falsche Fährte gelockt!“

Langsam erhob sich Haakon und blinzelte etwas geblendet in die Sonnenstrahlen, die sich wie flüssiges Gold in den kleinen Kohlekeller ergossen und jede noch so kleine, dunkle Ecke hell erleuchteten.

„Nun mach schon und schlag keine Wurzeln. Wir müssen trotzdem schnellstens vor hier fort.“

Der Junge grinste immer unverschämter.

„Nicht, dass ich noch ein paar von ihnen übersehen habe, die jetzt gleich vor uns stehen!“

„Wer bist du und wie kommst du dazu, mir zu helfen?“

Haakon schaute sich beim Verlassen des Kellers mehrmals um und blieb ebenfalls in der Hocke neben dem Jungen stehen.

„Ich bin Tom! Habe die Kerle von MIT weggelockt. War keine große Sache. Der türkische Geheimdienst war noch nie ein wirklicher Gegner für mich. Da sind die russischen Spione, von denen es hier seit einiger Zeit nur so wimmelt, schon ganz andere Kaliber, glaub mir.“

Haakon war viel zu verwirrt, um weiter darauf einzugehen. Er beobachtete noch, wie Tom kurz aber heftig mit dem Kopf zuckte, dann sprang er ihm hinterher.

Tom schien sich in der Altstadt von Yumurtalık sehr gut auszukennen.

Hier wurde das Straßenbild nicht von den Hochhäusern der Strandpromenade geprägt, sondern es gab noch die verwinkelten Gassen mit den verschachtelten alten Holzhäusern, die mit vielen Erkern, Ausluchten, Balkonen mit Konsolen und Maschrabiyya, den typischen islamischen Holzgitter an Fenstern und an Balkonen, verziert waren.

Als Tom plötzlich stehen blieb, wäre Haakon fast in ihn hineingelaufen.

Tom zischte einige Wortfetzen und zuckte wieder kurz mit dem Kopf, dann deutete er nach links hinüber, bevor er mit langen Schritten den Weg einschlug.

Haakon war zunächst viel zu verblüfft, um zu fragen, was los ist.

Er musste Tom einfach vertrauen, auch wenn sein Benehmen momentan etwas merkwürdig war.

Er folgte ihm also in geduckter Haltung, wobei sie beide sich immer an den Hauswänden gedrückt hielten und es mieten, von hellem Sonnenschein angestrahlt zu werden. So erreichten sie das Ende der Altstadt.

Tom blinzelte immerzu und verengte die Augenbrauen, obwohl die Sonne bereits sehr tief stand und die vereinzelt stehenden Häuser und Laubbäume riesige Schatten warfen.

Er warf seinen Kopf angestrengt ständig von der einen zur anderen Seite, wobei er merkwürdige Kehllaute ausstieß. Er schien merklich nervös zu sein.

„Was ist? Gibt es Probleme?“ Haakon schaute ihn irritiert an.

Als Tom seinen Blick bemerkte, stoppte seine Kopfbewegung sofort und ein breites Grinsen überzog sein Gesicht.

„Tourette!“ Er sagte nur das eine Wort und Haakon verstand.

Tom lit unter dem Tourette-Syndrom, eine neuropsychiatrische Erkrankung, die sich in sogenannten Tics äußerte, also spontane Bewegungen, Laute oder Wortäußerungen, die ohne den Willen des Betroffenen zustande kamen.

„Nein, das meine ich nicht. Wieso bist du stehen geblieben?“

Toms Grinsen verschwand sofort wieder und er wurde ernst.

„Meine Behausung liegt untern an der Küste. Da gibt es eine Ecke, wo viele Pinienbäume sehr dicht nebeneinander wachsen. Dort habe ich eine alte Hütte, in der ich meistens übernachte. Da sind wir zunächst sicher. Nur müssen wir jetzt über ein größeres Stück freie Fläche laufen und da kann man uns sehen.“

Der Strand und die Promenade davor waren bereits nicht mehr so stark frequentiert, wie noch vor ein paar Stunden.

Trotzdem oder gerade deswegen konnte Haakon immer wieder dunkel gekleidete Männer erkennen, die meist einzeln oder zu zweit am Strand entlang gingen und dabei ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Touristen richteten als auf die Umgebung.

„Habe sie auch gesehen. Türkischer Geheimdienst. Sie viele am gleichen Ort, das bedeutet nichts Gutes. Wir müssen auf der Hut sein!“

Tom nickte mit dem Kopf mehrmals auf und ab, sodass es regelrecht knirschte.

„Wir müssen uns trennen, anders kommen wir nicht hinüber!“

Er hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als hinter ihnen jemand laut rief.

„Los, folge mir einfach. Die haben uns gesehen, das Versteckspiel ist jetzt sowieso vorbei!“

Tom rannte bereits über die Straße, auf die durch einen ein Meter hohen Metallzaun abgetrennte Promenade zu und Haakon hatte, Mühe, ihm zu folgen. Einige Passanten blieben stehen und schauten ihnen hinterher.

Dann kamen bereits von zwei Seiten schwarz gekleidete Männer auf sie zu. Sie waren bewaffnet und brüllten irgendwelche Befehle in türkischer Sprache.

Tom schwang sich gerade über den Zaun, als ein Schuss die abendliche Stille durchdrang.

Er meinte den Luftzug der Kugel an der Schläfe zu spüren und ließ sich einfach über den Zaun auf den gegenüberliegenden Sandboden fallen. Sein Kopf zuckte hektisch herum, als bereits ein brausender Ton einsetzte, der die Stimmen der auf ihn zustürmenden Männer zu übertönen versuchte.

Jetzt war auch Haakon am Zaun angekommen und half ihm aufzustehen.

Sie wagten es nicht mehr, sich zu bewegen, da mehrere Pistolenläufe unmittelbar auf sie gerichtet waren.

„Lege deine Arme um den Jungen, schließt die Augen und verhaltet euch ruhig!“

Die Gedankenbotschaft hallte wie ein Donnerschlag durch Haakons Geist.

„Vertraue mir. Schließ die Augen und öffne sie erst, wenn ich es dir sage. Los!“ Er zischte Tom die Anweisung ins Ohr, während er selbst die Augen schloss und die Arme um ihn legte.

So standen die beiden unbeweglich inmitten eines gigantischen Kampfes der Schöpfungsmacht gegen ihre eigenen Kinder.

Zwei riesige Anopheles-Mückenschwärme schossen mit einem wütenden Summen auf die schwarz gekleideten Männer zu, die zunächst überhaupt nicht wussten, wie ihnen geschah.

Sie hatten lediglich verblüfft mit angesehen, wie Haakon und Tom ihre Augen schlossen und vollkommen ruhig dastanden.

Das nahende Unheil überfiel die Männer mit einer Naturgewalt, der sie absolut nichts entgegenzusetzen hatten.

Mächtige Flügelschläge fegten sie zu Boden. Ein ganzes Heer von Greifvögeln griff sie in ihrem Rücken an.

Adler, Bussarde und Geier hackten, kratzten und hieben mit ihren spitzen Schnäbeln auf sie ein, während Millionen von Stechmücken gleichzeitig versuchten, in jede nur mögliche Körperöffnung oder Wunde zu stechen oder einzudringen.

Aus den Schmerzensschreien wurden Hilferufe und aus dem wütenden Brüllen der Geheimdienstleute wurde immer mehr ein Winseln, bis auch dieses verstummte.

Haakon und Tom standen vollkommen unberührt inmitten der wütenden Tiere.

Die wenigen Passanten, die das Schauspiel mitbekommen hatten, flohen bereits panikartig und waren nur um ihre eigene Sicherheit besorgt.

„Setzt euren Weg fort.“

Die telepathische Aufforderung und die eigenartige Ruhe, welche sich auf einmal eingestellt hatte, ließ Haakon seine Augen wieder öffnen. Er benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, was er sah.

„Du kannst die Augen öffnen, aber erschrick nicht. Wir sprechen später über alles!“

Es waren sieben Männer gewesen, die es auf sie abgesehen hatten. Jetzt lagen sie blutüberströmt und völlig zerstochen auf dem hellbeigen Sandboden in einem Halbkreis um sie herum.

Ihre Körper befanden sich in verschiedenen, regelrecht verdrehten und verkrampften Positionen am Boden und Haakon hätte nicht sagen können, ob sie überhaupt noch am Leben waren.

Zunächst war aus noch weiter Ferne eine Polizeisirene zu hören. Ihr folgten schnell weitere.

Tom stierte immer noch mit halb geöffnetem Mund auf die Männer, als Haakon ihm etwas grob an der Schulter rüttelte.

„Wir müssen verschwinden, und zwar rapido. Also, wohin gehen wir?“

Er rüttelte ihn nochmals kurz und heftig, dann stieß Tom ein Schimpfwort aus und zeigte in nordwestliche Richtung.

Als sie losrannten, gingen die wenigen Straßenlaternen gerade an und tauchten die Promenade in einen friedlichen und idyllischen Ort. Nur die Ruhe passte nicht so recht hierher.

„Yumurtalık ist normalerweise ein ruhiger, kleiner Badeort. Warum sich in letzter Zeit hier so viel tut, das kann ich dir auch nicht sagen. Das Ganze hängt vielleicht mit dem Machtbestreben des Präsidenten zusammen.“

Tom und ich befanden uns in einer alten, aber doch wohnlich eingerichteten Hütte in der Nähe des Strands.

„Was meinst du damit?“

Ich hatte bisher sehr wenig mit Politik am Hut.

„Der türkische Präsident will mithilfe des Diktators des vereinten Koreas atomar aufrüsten. Hast du das denn nicht in den Nachrichten mitbekommen? Wer oder was bist du eigentlich? Außerdem schuldest du mir noch eine Erklärung, was das Gemetzel von vorhin angeht.“

Tom zündete eine altertümliche Petroleumlampe an und schraubte die Flamme hoch.

Das einzige Fenster der Hütte hatten wir zuvor bereits mit zwei seitlich montierten Fensterläden verschlossen, sodass kein heller Schein nach draußen dringen konnte.

„Woher kamen auf einmal all die Vögel?“

Ich blickte Tom erstaunt an.

„Ja, natürlich habe ich meine Augen mal kurz aufgemacht, was denkst du denn. Ich war wirklich fast starr vor Schreck, als ich die Schreie der Männer hörte. Also, erzähle! Bist du vielleicht ein Beastmaster? Aber die gibt es wohl nur in Büchern oder Billigfilmen.“

Tom schien auf einmal sehr gesprächig zu werden. Er hatte sich im Schneidersitz auf einen alten Diwan gesetzt und blickte mich erwartungsvoll an.

Jetzt konnte ich mich nicht mehr herausreden, also begann ich ganz von vorne meine Geschichte zu erzählen.

Wir hatten die ganze Nacht und die Zeit benötigte ich auch. Es war das erste Mal, dass ich so freizügig über meine Erlebnisse und den Kontakt zu der Schöpferkraft mit einer völlig fremden Person sprach, aber ich merkte schnell, dass es mir tatsächlich guttat. Je mehr ich erzählte, umso freier fühlte ich mich.

Es war, als würde ein großer Stein von meiner Seele genommen.

Als ich am nächsten Tag, es war bereits Mittag, wie ich schnell feststellen konnte, aufwachte, fehlte von Tom jede Spur. Er hatte aber eine Nachricht hinterlassen.

Ich sollte am späten Nachmittag runter an den Strand kommen. Ich brauchte nicht nach ihm zu suchen, er würde mich schon finden, stand auf dem vergilbten Zettel, der neben den beiden Konservendosen auf dem Holztisch lag, und noch das Wort „Mahlzeit“.

Welt am Abgrund

Generalmajor Artjom Smirnow war ein hektischer Mensch. Er konnte sich sehr schnell aufregen, aber er war kein Choleriker. Er kannte sich selbst sehr genau und war in der Lage, sein Temperament entsprechend einzusetzen.

Nachdem sich der Machthaber der Türkei mit dem koreanischen Diktator verbündet hatte, war für die russische Regierung eine rote Linie überschritten worden.

Die Gefahr einer atomaren Aufrüstung am Bosporus lag unmittelbar bevor.

Dies musste unter allen Umständen verhindert werden. Smirnow war unter strengster Geheimhaltung von oberste Stelle beauftragt worden, einen verdeckten Brückenkopf an den richtigen Stellen innerhalb des türkischen Hoheitsgebiets aufzubauen.

Er war befugt mit allen Mitteln die Stationierung von atomar bestückten Mittelstreckenraketen zu verhindern.

Er und vier weitere geheime Militäragenten befanden sich seit nunmehr zwei Tagen inmitten der größten Metropole von Zentralanatolien.

Für heute war ein Treffen mit Mitgliedern der Azadi, eine der ältesten kurdischen Geheimorganisationen, geplant.

„Jegor und Michail begleiten mich. Inna und Galina werden uns folgen, aber ihr werdet euch bedeckt halten. Versucht euch so unauffällig wie möglich zu geben. Ihr spielt Touristinnen. Euch Frauen wird man das, denke, ich auch ohne Probleme abnehmen. Ihr bleibt im Hintergrund und nur im äußersten Notfall greift ihr ein, verstanden!“

„Tak tochno, tovarisch komandir“, klang es da fast synchron. „Jawohl, mein Kommandant!“ Inna und Galina grinsten sich an.

Ihr Empfangskomitee bestand aus drei Kurden, die bereits auf sie warteten. Es war eine kleine Teestube inmitten der Altstadt.

Es gab davon Hunderte, wenn nicht sogar Tausende. Der einzige Raum war bereits gut besucht. Alle Tische waren besetzt mit Männern jeglichen Alters.

Als Artjom, Jegor und Michail nacheinander durch den schmalen Eingang traten, wurde es sofort still im Raum.

Alle Augen richteten sich auf die Eintretenden.

Erst, als sich einer der Kurden, mit denen sie verabredete waren, erhob und sie zu sich winkte, viel die Spannung von allen Anwesenden ab und es setzte der normale Betrieb wieder ein.

An vielen Tischen wurde Tavli oder Okey gespielt.

Laute Diskussionen wurden geführt und von den Wasserpfeifen hörte man leises Blubbern.

„Bitte setzen Sie sich! Ich bin Kadiz, das ist Dilan und Umair. Keine Angst, hier gibt es keine Spione der türkischen Regierung. Die trauen sich nicht so weit in unser Gebiet!“

Kadiz deutet auf die freien Plätze an ihrem Tisch.

Dilan und Umair blieben sitzen und nickten den drei Russen nur kurz zu. Smirnow schien nicht besonders begeistert von der Wahl des Treffpunktes zu sein.

Er blickte misstrauisch zu den anderen Tischen hinüber.

Jegor und Michail schauten kurz zu Smirnow, zogen die etwas abseitsstehenden Holzstühle heran und setzten sich vorsichtig, immer darauf bedacht, dass der unter der linken Achselhöhle befindliche Pistolengurt nicht sichtbar wurde.

„Also, machen wir es kurz. Wir benötigen alle Informationen über eine mögliche Aufrüstung der Türkei mit atomaren Waffen. Gibt es hierzu bereits Anhaltspunkt, vage Andeutungen untergeordnete Staatsbedienstete, Gerüchte oder irgendwelche andere Nachrichten?“ 

Smirnow blickte etwas nervös dem Wirt entgegen, der mit einem vollen Tablett auf ihren Tisch zukam. Der Wirt grinste und offenbarte dabei eine ganze Reihe von dunkelbraunen Zähnen sowie mehrere schwarze Zahnstümpfe.

Er verteilte stumm handgroße und randvoll gefüllte Keramiktassen, deren Inhalte zunächst im Dunkeln lagen.

„Ihr Russen, immer gleich mit der Tür ins Haus fallen, so sagt man doch! Lasst uns zuerst auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit anstoßen.“

Kadiz nahm seine Tasse in beide Hände und begann daran zu nippen.