Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich - Susan Andersen - E-Book

Immer Ärger mit den Männern / Mach mich glücklich E-Book

Susan Andersen

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Beschreibung

Immer Ärger mit den Männern: Frecher Liebesroman und heißer Krimi in einem! Einen Leibwächter? Juliet Rose Astor Lowell ist empört, denn sie hat nicht vor, ihren Leib bewachen zu lassen – und irgendetwas anderes ebenfalls nicht! Auch der raubeinige Polizist Beau Dupree ist wenig begeistert über den Auftrag, als Bodyguard die züchtige Dame aus Boston durch New Orleans zu begleiten. Umso überraschter ist Beau, als er unter der sittsamen Fassade seines Schützlings eine höchst anziehende, leidenschaftliche Frau entdeckt, die sich mit frecher Zunge gegen sein Macho-Gehabe zu wehren weiß. Bis ein Schuss fällt – und das duellierende Liebespaar mit aller Gewalt daran erinnert, dass jemand nach dem Leben von Juliet Rose trachtet … Mach mich glücklich: Die selbstbewusste Lily Morrisette glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen: Dieser ungehobelte Marinesoldat Zach Taylor beschuldigt sie doch tatsächlich, hinter dem Vermögen seiner kleinen Schwester Glynnis her zu sein. Dabei passt Lily nur ein paar Wochen auf Glynnis' Wohnung auf. Der misstrauische Zach wittert prompt einen weiteren Schmarotzer und macht sich sofort an die Verfolgung der beiden. Um Schlimmeres zu verhindern, beschließt Lily, diesen Temperamentsbolzen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Eine eigentlich reizvolle Aufgabe – denn Zach sieht wirklich unverschämt gut aus ...

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Immer Ärger mit den Männern: 

Frecher Liebesroman und heißer Krimi in einem!

Einen Leibwächter? Juliet Rose Astor Lowell ist empört, denn sie hat nicht vor, ihren Leib bewachen zu lassen – und irgendetwas anderes ebenfalls nicht! Auch der raubeinige Polizist Beau Dupree ist wenig begeistert über den Auftrag, als Bodyguard die züchtige Dame aus Boston durch New Orleans zu begleiten. Umso überraschter ist Beau, als er unter der sittsamen Fassade seines Schützlings eine höchst anziehende, leidenschaftliche Frau entdeckt, die sich mit frecher Zunge gegen sein Macho-Gehabe zu wehren weiß. Bis ein Schuss fällt – und das duellierende Liebespaar mit aller Gewalt daran erinnert, dass jemand nach dem Leben von Juliet Rose trachtet …

Mach mich glücklich:

Die selbstbewusste Lily Morrisette glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen: Dieser ungehobelte Marinesoldat Zach Taylor beschuldigt sie doch tatsächlich, hinter dem Vermögen seiner kleinen Schwester Glynnis her zu sein. Dabei passt Lily nur ein paar Wochen auf Glynnis’ Wohnung auf. Der misstrauische Zach wittert prompt einen weiteren Schmarotzer und macht sich sofort an die Verfolgung der beiden. Um Schlimmeres zu verhindern, beschließt Lily, diesen Temperamentsbolzen nicht mehr aus den Augen zu lassen. Eine eigentlich reizvolle Aufgabe – denn Zach sieht wirklich unverschämt gut aus ... 

Edel Elements Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright dieser Ausgabe © 2015 by Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg

Immer Ärger mit den Männern:

Copyright © 1999 by Susan Andersen

Published by Arrangement with Susan Andersen

Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel "Be My Baby"

Ins Deutsche übertragen von Uta Hege

Mach mich glücklich:

Copyright © 2003 by Susan Andersen

Published by Arrangement with Susan Andersen

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Getting Lucky"

Ins Deutsche übertragen von Katharina Wegner

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Covergestaltung 

Konzept-Design: Agentur bürosüd°, München

Entwurf: Guter Punkt

Konvertierung: Datagrafix

Susan Andersen

Immer Ärger mit den Männern

Roman

Ins Deutsche übertragen von Uta Hege

Edel Elements Ein Verlag der Edel Germany GmbH

Copyright dieser Ausgabe © 2014 by Edel Germany GmbH Neumühlen 17, 22763 Hamburg

Copyright © 1999 by Susan Andersen

Published by Arrangement with Susan Andersen

Ins Deutsche übertragen von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 1999 unter dem Titel "Be My Baby"

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Covergestaltung: Agentur bürosüd°, München

Konvertierung: Jouve

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

Inhaltsverzeichnis

TiteleiImpressum1234567891011121314151617181920212223242526Epilog

1

Juliet Rose Astor Lowell blieb im Schatten der Marmorsäulen vor dem Polizeirevier des achten Bezirks stehen, betupfte sich diskret mit dem Handrücken die Stirn, atmete tief ein und langsam wieder aus. Himmel, was für eine Hitze. Und was für eine Feuchtigkeit. Bereits nach ein paar Schritten aus der klimatisierten Limousine fühlte sie sich vollkommen erledigt. Sie zupfte den meterlangen Voilestoff von ihren Oberschenkeln und schüttelte, um die Luftzirkulation zu fördern, ihr Kleid vorsichtig aus. Sie war seit weniger als einer Stunde hier in New Orleans, doch war jetzt schon alles völlig anders, als sie vor ihrer Abreise aus Boston angenommen hatte. Und das lag vor allem an diesem unvorhergesehenen Stopp.

Sie hatte sich allen Ernstes eingebildet, sie wäre hier unten etwas freier als zu Hause, und sie fand, dass das ein durchaus bescheidener Wunsch war. Schließlich hätte ihre allzu strenge Großmutter sie hier nicht im Visier, und sie war in einer Stadt, deren Name gleichbedeutend mit Fröhlichkeit und Spaß war, die Bewohner von New Orleans hatten sicher keine vorgefasste Meinung von ihr, weil sie eine Astor Lowell war. Himmel, sie hatte bestimmt nicht nackt auf irgendwelchen Tischen tanzen wollen, sondern einfach vorgehabt, einmal etwas weniger zurückhaltend zu sein. Gerade locker genug, um endlich einmal richtig durchatmen zu können, hatte sie sich gesagt.

Doch selbst dieses bisschen Freiheit bliebe ihr verwehrt. Wieder einmal hatte Vater die Dinge in die Hand genommen, ohne sie auch nur zu fragen, und hatte sie, wie so häufig, während eines Telefongesprächs vor vollendete Tatsachen gestellt. Das Unternehmen hatte ein Protestschreiben gegen die Eröffnung des New Orleansschen Garden Crown Hotels erhalten. Er hatte es ihr vorgelesen. Dass ihr der Brief nicht unbedingt bedrohlich, sondern eher wie ein leidenschaftliches Pamphlet gegen die Verfälschung eines historischen Wahrzeichens erschienen war, hatte ihn nicht weiter interessiert. Vater hatte sie unter Polizeischutz stellen lassen wollen, und deshalb war sie hier, wenn auch nicht aus eigenem Willen. Sie öffnete die Tür und trat mit einem leisen Seufzer ein.

Sie war noch auf die schneidige Sprechweise der Menschen in New England eingestellt, und die gemächlichen, gedehnten Worte, mit denen die Beamten hinter dem Empfangstisch sie begrüßten, klangen für sie beinahe fremd. Sie folgte dem ihr beschriebenen Weg in Richtung Büro des Leiters dieser Wache und nahm dabei unauffällig, doch begierig alles in sich auf. Nie zuvor in ihrem Leben war sie auf einer Polizeiwache gewesen, alles wirkte unglaublich exotisch und strahlte Energie und Kraft aus.

Der Mann, der sich auf ihr Klopfen hin von seinem Schreibtischstuhl erhob, verströmte jedoch weder Exotik noch auch nur ein Minimum an Energie. Er wirkte wohlhabend und wohlgenährt wie all die Menschen, mit denen sie tagtäglich umging. Seine braunen Haare waren sorgfältig frisiert, seine roten Wangen glänzten frisch rasiert, und der Rettungsring in Höhe seiner Taille wurde durch seinen gut geschnittenen Anzug vorteilhaft kaschiert. Polizisten wurden, anders als sie bisher angenommen hatte, anscheinend wirklich gut bezahlt.

»Captain Pfeffer? Ich bin –«

»Ms Juliet Lowell«, fiel er ihr voller Begeisterung ins Wort. Wenigstens seine Stimme, die sämtliche Vokale in die Länge zog wie sonnenwarmen Honig, hatte einen verführerischen Klang. Er kam um den Tisch herum und hielt ihr eine seiner sorgsam manikürten Hände hin.

Astor Lowell, wie ihr von ihrer Großmutter über Jahre hinweg immer wieder eingetrichtert worden war. Doch sie unterdrückte den Impuls, ihn zu verbessern, sondern ergriff stattdessen lächelnd seine Hand.

»Bitte«, sagte er, tätschelte ihr onkelhaft den Handrücken und führte sie in sein Büro. »Kommen Sie doch herein und nehmen Sie Platz. Ihr Vater und ich haben ein langes Gespräch miteinander geführt, ich habe Sie bereits erwartet.«

»Ja, ich weiß.« Juliet setzte sich auf einen Stuhl und meinte, obwohl es höchstwahrscheinlich völlig sinnlos war: »Ich fürchte, Vater hat die Sache ein wenig überbewertet. Es besteht wirklich keine Notwendigkeit, einen Ihrer Beamten zu meiner Bewachung abzustellen, der sicher wesentlich besser woanders eingesetzt werden könnte.«

»Unsinn. Sergeant Dupree ist Ihnen gern zu Diensten. Zerbrechen Sie sich darüber nicht Ihr hübsches kleines ... nun.« Etwas an ihrer Miene schien ihm zu verraten, dass dieser Satz verkehrt war, und so fuhr er nach einem leisen Räuspern mit einem »Wie gesagt, die Polizei von New Orleans steht einer hübschen jungen Dame immer gern zu Diensten« fort, was Juliet nicht unbedingt als große Verbesserung empfand. »Die wichtigsten Aufgaben übertragen wir grundsätzlich unseren allerbesten Leuten. Ich selbst wurde zum Beispiel vom Commissioner persönlich dazu auserkoren, Captain Taylor während seines verlängerten Urlaubs als Leiter des Revieres zu vertreten. Ich meinerseits habe nun den besten Detective als Ihren Begleiter ausgesucht.«

Juliets höfliches Lächeln erstarrte und sie runzelte die Stirn. »Detective? Oh, aber ... ich dachte, Sie hätten gesagt, er wäre Sergeant.« Es wurde immer schlimmer. Anscheinend reichte es nicht, dass sie die Dienste eines normalen Officers in Anspruch nahm, jetzt hielte sie tatsächlich einen Detective von seinen Ermittlungen in einem Mordfall oder einer anderen wirklich großen Sache ab.

»Bei der Polizei von New Orleans gibt es den Detective nicht als offiziellen Rang. Die meisten von uns sind Officer dritten Grades oder Sergeants.« Mit einer wegwerfenden Geste wischte er diese Unterscheidung einfach fort. »Ich muss sagen, dass wir alle furchtbar aufgeregt sind, weil die Crown-Hotelkette beschlossen hat, unserer hübschen Stadt die Ehre der Eröffnung eines ihrer eleganten Etablissements zuteil werden zu lassen. In der besseren Gesellschaft wird kaum noch von etwas anderem gesprochen.«

Was sie nicht wirklich glaubte, auch wenn sie selber außerordentlich stolz auf das Garden Crown war. Sie hatte jahrelang darauf gewartet, endlich einmal selbst für ein Hotel verantwortlich zu sein, und das Haus in New Orleans war von der Konzeption bis hin zu der bevorstehenden Eröffnung ihr Baby gewesen, weshalb sie wahrheitsgemäß erklärte: »Ja, wir sind ebenfalls sehr aufgeregt.«

»Das sollten Sie auch sein. Um Ihre Sicherheit brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen, denn wir sind hier, um dafür zu sorgen, dass Sie keinen Augenblick allein und ohne Schutz sind.«

Genau das hatte sie befürchtet.

»Wie ich hörte, finden eine ganze Reihe aufregender Events noch vor der eigentlichen Hoteleröffnung statt«, fuhr ihr Gegenüber fort.

»Das stimmt.« Juliet zählte kurz die geplanten Feierlichkeiten auf, und als sie damit fertig war, sah Captain Pfeffer sie derart erwartungsvoll an, dass sie automatisch sagte: »Sie und Ihre Frau müssen natürlich unbedingt auf eine dieser Feiern kommen.«

»Vielen Dank, Ms Lowell, ich weiß, dass meine Frau ganz sicher gerne kommen wird. Wissen Sie, sie ist eine geborene Collier. Von den Colliers aus Savannah.«

»Ach ja?« Juliet hatte keine Ahnung, wer die Colliers aus Savannah waren, doch erklärte dieser Name sicher den zur Schau getragenen Reichtum des Beamten, dem sie gegenübersaß. Sie hielt es für unwahrscheinlich, dass er altem Südstaatenadel entstammte, denn er war genauso schmierig und genauso wild darauf versessen, einen positiven Eindruck bei ihr zu hinterlassen, wie die widerlichen Schmeichler, die es in der Umgebung ihres Vaters allzu häufig gab. Ihre gute Erziehung jedoch gebot, dass sie die einzig akzeptable Antwort auf diese Sätze gab: »Dann werden Sie wahrscheinlich längst auf der Gästeliste stehen, aber ich werde trotzdem dafür sorgen, dass eine Einladung an Sie ergeht.«

Sie warf einen Blick auf ihre Uhr, und ihre Großmutter wäre bestimmt entsetzt gewesen, weil ihr Gegenüber ihre Ungeduld bemerkte, doch dies hatte den Vorteil, dass er endlich wieder auf das eigentliche Thema kam. »Mir ist bewusst, dass Sie in Eile sind. Warten Sie, ich rufe Dupree herein.«

Er griff nach dem Telefon auf seinem Schreibtisch, doch Juliet stand entschieden auf. »Wir sollten ihn nicht bei seiner Arbeit stören.« Auch wenn ihr Vater die feudale Überzeugung hegte, dass das Wohlergehen der Lowells absoluten Vorrang vor allem anderen hatte, hatte ihre Großmutter ihr eingeimpft, dass eine Astor Lowell andere nie aus eigener Bequemlichkeit heraus in Anspruch nahm. Da Juliet nach dem Tod der Mutter bei ihr aufgewachsen war, hatte sie genügend Zeit gehabt, ihr ihre Vorstellungen von Geburt an einzubläuen – während ihr Vater höchstens ab und zu einmal vorbeigekommen war, um eine neue Regel aufzustellen, ehe er mit der Leitung seines geliebten Unternehmens fortgefahren war. »Bitte«, meinte sie jetzt. »Ebenso gut können wir doch zu ihm hinübergehen.«

Ohne im Wählen innezuhalten, erläuterte Captain Pfeffer: »Glauben Sie mir, junge Dame, Sie müssen sich von Anfang an gegen Sergeant Dupree behaupten. Ich kann Ihnen versichern, dass es sich bei ihm um einen unserer besten Beamten handelt, doch leider neigt er, wenn er die Gelegenheit bekommt, dazu, ein wenig anmaßend zu sein. Deshalb ist es besser, wenn wir ihn kommen lassen, statt selbst zu ihm zu gehen.«

Juliet wollte überhaupt nicht hier sein, und dass dieser kleinbürgerliche Tyrann von Captain so vermessen war, ihre Wünsche einfach vollkommen zu ignorieren, war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Mit kalter Stimme bestimmte sie: »Aber ich bestehe darauf«, und sah ihn dabei reglos an.

Pfeffers Miene verriet einen Hauch von Ärger, doch er legte den Hörer zurück auf die Gabel und stand gehorsam auf. »Ja, natürlich«, erklärte er beflissen. »Wie Sie wünschen.« Er verließ seinen Platz hinter dem Schreibtisch, trat mit einem unterwürfigen Lächeln zur Seite, um sie vor sich in den Flur treten zu lassen, und sagte: »Hier entlang. Wir nehmen am besten den Fahrstuhl.«

»Josie Lee ist auf dem Kriegspfad«, informierte Beau Dupree seinen Partner düster. »Sie sagt, meine übertriebene Fürsorge würde sie regelrecht erdrücken, und deshalb zieht sie aus.« Er sah Luke Gardner fragend an. »Glaubst du auch, dass ich mit meiner Fürsorge übertreibe?«

»Ja.«

Beau runzelte die Stirn. »Schwachsinn. Wenn ich nicht gerade an diesem Fall säße, würde ich persönlich ihre Sachen packen – ich träume regelrecht davon, endlich nicht mehr für jemand anderen verantwortlich zu sein. Aber so, wie die Dinge stehen, zieht sie erst nach meinem Ableben aus.« Er schüttelte entnervt den Kopf. »Ich und überfürsorglich, so’n Quatsch.«

»Um Himmels willen, Beau, du solltest dich mal reden hören. Wann hörst du endlich auf, dir wegen dieser Sache Vorwürfe zu machen? Es war nicht deine Schuld.«

»Natürlich war es das.« Beaus Stirnrunzeln wurde noch stärker. Er hatte seiner jüngsten Schwester erlaubt, spätabends in ein Striplokal zu gehen. Es war völlig egal, dass sie ihn dort auf seinem Handy angerufen und darauf bestanden hatte, dass sie den Wagen brauchte. Sie hatte ihn erst mit seiner Arbeit weitermachen lassen, nachdem er ihr aus lauter Frustration gestattet hatte, sich von einem Freund zum Club bringen zu lassen, um die Schlüssel abzuholen. Er hätte darauf bestehen müssen, dass er den Wagen selber brauchte, auch wenn er mit Luke gekommen war. Sicher, er hatte ihr das Versprechen abgenommen, dass der Freund sie dorthin führe, wo der Wagen in der Nähe des Bahnhofs parkte, und dass er warten würde, bis sie sicher hinter dem Lenkrad saß. Aber was konnte man auf ein solches Versprechen schon geben?

Er und Luke waren wegen des Höschen-Klauers in dem Striplokal gewesen, eines Mannes, der in die Häuser von Frauen einbrach und sie mit vorgehaltener Waffe dazu zwang sich auszuziehen, ihm ihre Unterwäsche auszuhändigen und sie mit den unausgesprochenen Möglichkeiten quälte, was er ihnen sonst noch alles antun könnte, bevor er mit seiner Beute in der Dunkelheit der Nacht verschwand. Beau hatte, verdammt noch mal, genau gewusst, dass das Einzige, was die beiden letzten Opfer des Perversen miteinander verband, besagter Nachtclub war. Er hätte Josie Lee also nie auch nur in die Nähe dieses Ladens kommen lassen dürfen, dachte er erbost.

»Schließlich könnte ich die Ruhe durchaus brauchen, Gardner«, erklärte er seinem Kollegen. »Ich hätte das Haus wirklich gern mal wieder ganz für mich allein. Ich lebe für den Tag, an dem ich mein altes Liebesleben wieder aufnehmen kann.« Das war noch eine Untertreibung. Sein Liebesleben lag seit endlosen zehn Jahren vollkommen auf Eis.

Luke verzog den Mund zu einem Grinsen. »Und, haben deine Eier inzwischen eine leicht bläuliche Verfärbung angenommen?«

Beau starrte ihn böse an. »He, versuch du mal, ganz alleine drei starrsinnige Schwestern zu erziehen, ohne dass deine Männlichkeit davon in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Jahre nach dem Tod meiner Eltern hatten mit dem wilden Junggesellendasein, das ich vorher hatte, nicht mehr allzu viel zu tun.« Dann begann er ebenfalls zu grinsen. »Aber sobald Josie Lee aus dem Haus ist, mache ich dort weiter, wo ich aufgehört habe. Als Erstes suche ich mir eine kleine Blondine mit möglichst großen Titten.«

»Uh, Beau?«

»Oder vielleicht gleich zwei Blondinen oder eine Blonde und eine mit roten Haaren; ich bin nicht wählerisch. Und dann steige ich mit ihr oder mit ihnen in die Kiste und komme erst nach einer Woche wieder raus.« Bei dem Gedanken verzog er den Mund zu einem träumerischen Lächeln, das jedoch wieder verflog, als sein Kumpel seine Füße von der untersten Schreibtischschublade schubste. »He, was soll das?«, fragte er erbost.

»Sergeant Dupree«, ertönte hinter seinem Rücken die missbilligende Stimme Captain Peter Pfeffers. »Würden Sie bitte in Gegenwart von einer Dame auf Ihre Ausdrucksweise achten?«

Beau drehte sich um. Na, super – sein Lieblingsbürokrat. Und als wäre das noch nicht genug, war der pingelige Pfeffer auch noch in Begleitung einer langbeinigen Frau, die ihn aus großen grauen Augen ansah, als wäre er irgendein seltenes Tier im Zoo. Woraufhin er sie ebenfalls einer gründlichen Musterung unterzog.

»Ich möchte Sie mit Ms. Juliet Lowell bekannt machen«, erklärte Pfeffer mit dem öligen Vertreterlächeln, dessen Anblick Beau immer mit den Zähnen knirschen ließ. »Ihrer zukünftigen Schutzbefohlenen«, fügte er mit triumphierender Gehässigkeit hinzu. »Ms. Lowell, das hier ist Sergeant Beauregard Dupree.«

Juliet spürte die plötzliche Anspannung aller anwesenden Personen, und ihr wurde bewusst, dass ihr ein Fehler unterlaufen war, als sie Captain Pfeffer untersagt hatte, seinen Detective zu bestellen. Dies sah verdächtig nach einem Machtkampf aus, und weil sie darauf bestanden hatte, den Beamten, der sie schützen sollte, persönlich aufzusuchen, trugen die beiden Männer ihn jetzt hier vor aller Augen aus.

Als sich der Mann, dessen Gespräch sie unterbrochen hatten, lässig auf seinem Stuhl umgedreht und sie aus seinen schwarzen Augen – Augen mit derart dichten Wimpern, dass sie die Lider beinahe herunterzogen – angesehen hatte, hatte Juliet gebetet, dass sie den attraktiven Kahlkopf mit dem einnehmenden Grinsen, der direkt hinter ihm gesessen hatte, zugeteilt bekäme.

Doch natürlich hatte sie kein Glück. Ihr Herzschlag sprengte ihr beinahe die Brust, als sich der schwarzhaarige Detective von seinem Platz erhob und sie von oben bis unten ansah. Er war nicht besonders attraktiv. Was bestimmt von Vorteil war, denn ein allzu hübsches Äußeres hätte seine Ausstrahlung unerträglich gemacht. Er war extrem ... männlich. Männlicher als jedes andere Y-Chromosom-bewehrte Wesen, dem sie je begegnet war. Dann ging ihr einer seiner Sätze durch den Kopf. Eine ganze Woche Sex mit mehreren Bettgenossinnen? Großer Gott, taten Menschen so was wirklich? Gleichermaßen fasziniert wie angewidert starrte sie ihn an.

Er erwiderte den Blick, zog eine seiner dichten dunklen Brauen in die Höhe und zuckte mit dem Mundwinkel, als wäre er heimlich amüsiert. Dann wandte er sich an Captain Pfeffer und runzelte die Stirn. Alle anderen sahen ihn mit angehaltenem Atem an, als warteten sie auf eine Explosion, doch er erklärte lediglich mit einer ruhigen Stimme, von der Juliet instinktiv erkannte, dass sie täuschte: »Ich habe bereits anderweitig zu tun, Pete.«

»Für Sie immer noch Captain Pfeffer!«, schnaubte sein Vorgesetzter zornig. »Außerdem tun Sie, was ich sage, Dupree. Und ich habe Sie zum Schutz von Ms Lowell eingeteilt.«

Der Detective maß vielleicht einen Meter fünfundsiebzig, doch seine Schultern waren breit, seine Hüften schmal, und er hatte den schlanken, muskulösen Körper eines Schwimmers. Feine schwarze Haare bedeckten seine Unterarme, waren im aufgeknöpften Ausschnitt seines Polohemds zu sehen, und auch seine Wangen waren von feinen dunklen Bartstoppeln bedeckt. Er wirkte zäh und kompetent, als er den Captain reglos ansah. Seine kühle Selbstbeherrschung stand in deutlichem Kontrast zu dem weichen, beinahe hysterischen Wesen seines Chefs. Es war deshalb regelrecht überraschend, als er plötzlich mit den Schultern zuckte und Pfeffers Befehl folgend höflich auf sie zutrat.

»Miss Lowell«, sagte er mit seidig weicher Stimme und gab ihr eine Hand. Auch er sprach langsam und gedehnt, doch in den Tiefen seiner schwarzen Augen blitzten Energie und heißer Zorn. »Das hier ist mein Partner ...«

»Sie haben keinen Partner, Dupree«, fiel ihm Pfeffer abermals ins Wort.

»Sie können mich mal gerne haben«, antwortete Beau und erklärte Juliet: »Luke war mein Partner, bis die Polizei von New Orleans 1996 dezentralisiert wurde, und ich fange jetzt bestimmt nicht an, ihn meinen Ex-Partner zu nennen.« Er zeigte auf den Mann mit dem glatt rasierten Schädel. »Auf jeden Fall ist das hier Sergeant Gardner.«

»Ma’am«, grüßte der Beamte, doch obwohl Juliet den Gruß mit einem höflichen Kopfnicken quittierte, blickte sie weiter auf Sergeant Dupree.

Er war etwas verschwitzt; auf seiner Kehle lag ein leichter Schimmer und sein schwarzes Hemd klebte an seiner Brust und seinem flachen Bauch. Die Hand jedoch, die er ihr reichte, war trocken, angenehm gebräunt, langfingrig, hart und warm.

So schnell es die Höflichkeit erlaubte, entzog ihm Juliet ihre Finger und ballte sie errötend zwischen den Falten ihres Rocks zur Faust. In ihrer Welt hatten die Männer glatte, weiche, kühle Hände, und die Berührung einer solchen maskulinen Pranke rief ein leichtes Unbehagen in ihr wach.

»Beauregard wird Ihnen während Ihres gesamten Aufenthalts in New Orleans zu Diensten sein«, erklärte Captain Pfeffer schwülstig und bedachte seinen Untergebenen mit einem bösen Blick. »Nicht wahr, Dupree?«

Ohne seinen Blick von Juliet abzuwenden, trat Beau viel zu dicht an sie heran, legte den Kopf fragend auf die Seite und wollte von ihr wissen: »Gibt es einen bestimmten Grund, aus dem Sie einen Babysitter brauchen, Schätzchen?«

Da sie körperliche Nähe nicht gewohnt war, wich sie leicht vor ihm zurück, und auch wenn ihre Erziehung es ihr leider nicht erlaubte, sich gegen die Verwendung eines Kosewortes zu verwahren, reckte sie das Kinn und öffnete den Mund zu einer möglichst kühlen Antwort, als bereits Pfeffer für sie in die Bresche sprang.

»Ms Lowell ist der Eröffnung des Garden Crown, eines neues Juwels in der glitzernden Tiara der bereits bestehenden Crown Hotels, wegen hier«, blies er sich an ihrer Stelle auf.

»Und jetzt ist in dem alten Kasten bereits eingebrochen worden und deshalb braucht sie einen Bullen, der sie vor möglichen weiteren Einbrechern beschützt?« Beau bedachte sie mit einem herablassenden Blick. »In dem Fall sind Sie bei mir an genau den Richtigen geraten, Süße.«

»Hüten Sie Ihre Zunge, Dupree. Ms Lowell hat einen Drohbrief erhalten, und ich erteile Ihnen den Auftrag, für Ihre Sicherheit zu sorgen, bis sie unsere Stadt wieder verlässt.«

Wieder hielten sämtliche Personen gespannt den Atem an und wichen, als wäre er eine Bombe, die jeden Moment explodieren könnte, vor dem gerüffelten Beau zurück. Juliet wünschte sich, sie wüsste, was zum Teufel das alles zu bedeuten hatte. Es gab eindeutig irgendwelche Spannungen zwischen diesen beiden Menschen, von denen sie nichts wusste. Sergeant Duprees Augen blitzten zornig, als er sich von ihr abwandte und dem Captain ins Gesicht sah.

»Dann soll ich also den Wachhund für sie spielen?«, fragte er mit zusammengebissenen Zähnen.

»Ihr Vater hat darauf bestanden, und er ist schließlich nicht irgendwer, sondern Thomas Lowell. Hier ist eine Kopie des Drohbriefs.« Pfeffer drückte Beau das Schreiben in die Hand. »Ich bin sicher, dass Sie ihn studieren möchten. Sicher wird es Sie freuen zu erfahren, dass Sie Ms Lowell auf sämtliche Feiern im Zusammenhang mit der Eröffnung des Hotels begleiten werden«, fügte er noch genüsslich hinzu.

»Oh, Scheiße«, murmelte jemand, den Juliet nicht sah.

Beau überflog den Brief und lenkte dann den Blick aus seinen dunklen Augen wieder auf ihr Gesicht. »Ihr Daddy muss wirklich gute Beziehungen haben«, erklärte er verächtlich. »Denn das hier« – er klatschte das weiße Blatt Papier auf die langen, braunen Finger seiner Hand – »ist totaler Schwachsinn. Es sieht ganz so aus, als hätte Daddy seinem Baby mit Hilfe des Briefes einen brandneuen Spielgefährten verschafft.«

Die Tatsache, dass sie mit einem Mal der Gegenstand von seinem heißen Zorn war, brachte ihren bereits wilden Herzschlag vollends aus dem Rhythmus. Irgendwie gelang es diesem Kerl, sie völlig aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Vergiss nie, wer du bist. Die arrogante großmütterliche Ermahnung spendete ihr ungeahnten Trost, und da sie augenblicklich jede Schützenhilfe brauchen konnte, quittierte sie seine Bemerkung in dem Bewusstsein, dass sie als echte Astor Lowell vollkommen immun gegen Anfeindungen aus dem Pöbel war, mit einem kühlen Lächeln.

Er kniff die Augen zusammen und fragte mit anmaßender Stimme: »Tja, Engelsgesicht, du scheinst nicht viel zu reden. Das ist etwas, was mir an einer Frau gefällt.«

Gardner rollte mit den Augen, und Captain Pfeffer schnauzte: »Es reicht, Sergeant. Von jetzt an werden Sie sich benehmen und sie als Ms Lowell ansprechen, haben Sie verstanden?«

Beau lenkte seinen Blick von ihrem Gesicht auf das des Vorgesetzten und fragte mit seidig weicher Stimme: »Und wenn nicht, stellvertretender Revierleiter Pfeffer? Ziehen Sie mich dann von dem Fall ab und setzen mich wieder auf etwas ... Unwichtiges wie den Höschen-Klauer an?«

»Vergessen Sie endlich diese blödsinnige Sache!« Captain Pfeffers auf Hochglanz, polierte Fassade bekam einen Sprung, und er reckte kämpferisch das Kinn. »Ich habe Ihnen eine Anweisung erteilt, und Sie werden sie verdammt noch mal befolgen, wenn ich Sie nicht suspendieren soll.« Dies war ein Gedanke, der ihm eindeutig gefiel.

»Oh, bitte ...«, protestierte Juliet mit unglücklicher Stimme, doch Beau fiel ihr ins Wort.

»Kommen Sie, Miss Lowell.« Er packte ihr Handgelenk und zerrte sie unsanft Richtung Ausgang.

»Dupree!«, dröhnte Pfeffers Stimme in ihrer beider Rücken, doch Beau stellte sich taub.

Juliet warf einen letzten Blick über die Schulter auf den

2

Gottverdammter Hurensohn von Bürokrat! Auf dem Weg in Richtung Garden District trat Beau das Gaspedal von seinem Wagen bis auf den Boden durch. Das alles wäre nie passiert, wenn Captain Taylor nicht in Urlaub wäre. Aber Taylor war ja auch ein echter Cop und kein halbgarer, arroganter, aufgeblasener Politiker, wie der Pingelpott es war. Beau schnaubte zornig auf. Vergessen Sie diese blödsinnige Sache, hatte der ahnungslose Volltrottel zu ihm gesagt.

Okay, zu Anfang hatte er wie alle anderen auf der Wache die Sache mit dem Höschen-Klauer als schlechten Witz gesehen. Manchmal erlebten sie als Polizisten wirklich hässliche Verbrechen, und dieser Perverse hatte zumindest niemanden körperlich verletzt. Natürlich war er deshalb nicht harmlos, denn mit seinem Handeln hatte der Kerl, dessen Gesicht hinter einer Karnevalsmaske nicht zu erkennen war, über ein halbes Dutzend Frauen in Angst und Schrecken versetzt. Schließlich hatten sie nicht wissen können, dass er ihnen nichts weiter antun würde, als sie ihrer Unterwäsche zu berauben, bis er ebenso lautlos, wie er vor ihnen erschienen war, auch wieder verschwinden würde. Bisher hatte er keinem seiner Opfer körperliche Gewalt angetan, und so hatten die Beamten ihn mit der ihnen eigenen Respektlosigkeit mit einer ganzen Reihe unhöflicher Spitznamen belegt, von denen der netteste der Höschen-Klauer war.

Beaus Gelassenheit jedoch hatte sich wie Nebel in der Mittagssonne aufgelöst, als seine jüngste Schwester von dem Typen überfallen worden war. Dadurch war die Sache zu etwas Persönlichem geworden. Jetzt war Beau fest entschlossen, den Kerl dorthin zu verfrachten, wohin er auch gehörte, nämlich in den Knast.

Doch die Erreichung dieses Zieles würde aufgrund von diesem lächerlichen neuen Auftrag ungemein erschwert. Er wäre jeden Tag stundenlang damit beschäftigt, den Wachhund für Ms Lowell abzugeben, und das lag einzig daran, dass die Enkeltochter des Commissioners von ihm verhaftet worden war.

Dieser Einsatz war die kleingeistige Rache dafür.

Was ihn wirklich ärgerte, war, dass er nicht nur nicht bei der Verkehrswacht, sondern in jener Nacht vor etwas mehr als einem Monat nicht einmal im Dienst gewesen war. Doch als er an der Huey P. Long Mansion vorbeigedonnert war, hatte er den Wagen ganz einfach nicht ignorieren können, der in regelrechten Schlangenlinien vor ihm über die Brücke geschlingert war. Er hatte sich entscheiden müssen, entweder das Fahrzeug anzuhalten oder mit der Möglichkeit zu leben, dass der eindeutig betrunkene Fahrer vielleicht jemanden überführe, weil er nicht von ihm daran gehindert worden war. Angesichts der Tatsache, dass seine eigenen Eltern die Opfer eines betrunkenen Autofahrers geworden waren, war ihm keine Wahl geblieben.

Also hatte er den Wagen angehalten, die jugendliche Fahrerin verhaftet und sich durch dieses Vorgehen auf Platz eins der Liste der Feinde des Commissioners katapultiert.

Die Gewerkschaft schützte ihn vor allzu offenen Racheakten, und Beau wusste, dass seine Kollegen nur darauf gewartet hatten, dass er sich auch heute darauf berufen würde, dass die Rolle des Leibwächters für eine verklemmte Angehörige der oberen Zehntausend aus dem Norden keine passende Aufgabe für einen Detective seines Ranges war. Normalerweise fielen derartige Jobs irgendwelchen uniformierten Chargen am Fuß der Karriereleiter zu.

Doch der Commissioner hatte Beziehungen, und dass er jetzt Beau den Wachhund spielen ließ, war kein Beweis für einen Amtsmissbrauch. Er konnte die Antwort auf eine mögliche Beschwerde fast schon hören. Sie sagen, Sie müssen eine gut aussehende Frau auf Kosten der Stadt oder ihres Hotels überallhin begleiten? Oh, ja, Dupree, Sie haben Recht, das ist natürlich schlimm.

Er konnte nichts dagegen tun, er hatte sie am Hals.

Er schoss die St. Charles Avenue hinunter und warf einen Blick zur Seite. Himmel, sie war wirklich etepetete mit ihren kühlen grauen Augen und dem zu einem strengen kleinen Knoten aufgesteckten, honiggoldenen Haar. Ganz zu schweigen von dem zwar hauchdünnen, aber ach-so-anständigen Kleid, unter dem außer ihren zart geschwungenen Schlüsselbeinen, ihren schlanken Armen und ihren wohlgeformten Knöcheln nichts zu erkennen war. Jedes Mal, wenn er sie ansah, hatte er das schwachsinnige Verlangen, ihr die Haare zu zerzausen ...

Nein. Gott, nein, was dachte er da nur? Er zwang seinen Blick zurück auf die Straße. Sie war nicht die Art von Frau, an der man irgendwas zerzauste. Frauen ihres Typs hatten ihn bisher nicht im Geringsten interessiert.

Wieder wanderte sein Blick in ihre Richtung und fiel auf ihren Mund. Ihre ungeschminkten Lippen waren überraschend voll. Wie man es von einer Pornoqueen erwarten würde, überlegte Beau und zog bei diesem fragwürdigen Vergleich verächtlich einen Mundwinkel herauf.

Dies war ja wohl ein völlig falsches Bild. Es fiel ihm schwer sich vorzustellen, dass sie gegenüber irgendeinem Typen jemals locker wäre, doch er hatte bemerkt, dass ihre grauen Augen, als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, kalt geworden waren und dass sie ihre kleine Aristokratennase leicht zusammengezogen hatte, als verströme er einen ihr widerwärtigen Geruch.

Er zuckte ungeduldig mit den Schultern. Tja, bei manchen Frauen hatte man Erfolg und bei anderen eben nicht. Es war klar, dass er für sie nichts weiter als ein rotnackiger und – da sie das Ende seiner Unterhaltung mit Luke mitbekommen hatte – wahrscheinlich obendrein noch schwanzgesteuerter Südstaatenmacho war.

Während eines kurzen Augenblicks wurde er starr. Oh, Scheiße, genau das war es. Weshalb war ihm das nicht schon viel eher eingefallen?

Nie im Leben zöge der pingelige Pfeffer ihn vorzeitig von diesem Auftrag ab. Dieser Job war die persönliche Bestrafung nicht nur für die Verhaftung der Enkelin des großen Bosses, sondern auch dafür, dass er in der Vergangenheit so oft mit ihm aneinander geraten war.

Doch Pfeffer war als Arschkriecher bekannt, und wenn das ach-so-brave Fräulein Lowell um einen anderen Beschützer bäte, bliebe ihm keine andere Wahl, als ihr diese Bitte zu erfüllen.

Beau wandte den Kopf und bedachte sie mit einem breiten, bösartigen Grinsen. »Und, wo soll’s hingehen, Schätzchen?«

Sie sah ihn blinzelnd an. »Wie bitte?«

»Das Garden Crown, Julchen. Ich brauche die Adresse.«

»Oh.« Wie bereits ein paar Mal vorher legte sich eine leichte Röte über ihre Wangen, als sie ihm die gewünschte Antwort gab.

Mit quietschenden Reifen bog er erst in die Vierte und dann in die Coliseum Street, raste den letzten Häuserblock hinauf, preschte durch das filigrane Tor und hielt wiederum mit quietschenden Reifen in der Einfahrt des ehemaligen Herrenhauses an, das inzwischen als Garden Crown Hotel fungierte.

Ja genau, die Idee war einfach brillant. Abermals verzog er seinen Mund zu einem Grinsen.

Ihm war nicht verborgen geblieben, wie empfindlich das kleine Fräulein Juliet darauf reagierte, wenn man ihr zu nahe kam. Er leckte sich die Lippen und dachte über all die Möglichkeiten nach, die es im Umgang mit derart verklemmten Persönlichkeiten gab.

Vielleicht sollte er einfach die Nähe dieses Dämchens suchen. Oder, verdammt, er könnte gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, zerrte er sie im Rahmen der Ermittlungen in seinem eigentlichen Fall in ein paar der schmuddeligeren Etablissements seiner häufig liebevoll Big Easy, »große Leichtigkeit«, genannten Stadt. Wenn sie dann noch ein paar ausgewählte Leute kennen lernte, die sich für gewöhnlich ganz bestimmt nicht in denselben erlauchten Kreisen bewegten wie sie selbst, würde es bestimmt nicht lange dauern, bis sie lautstark nach einem anderen Wachhund rief.

Er sprang aus dem Wagen, umrundete die Kühlerhaube und öffnete ihr die Tür. »So, Engelgesicht, jetzt habe ich dich ordnungsgemäß und sicher abgeliefert, wie von deinem Dad bestellt.« Als sie ihren Gurt ablegte, beugte er sich, um ihr beim Verlassen des tief gelegten Wagens behilflich zu sein, beinahe zärtlich zu ihr hinab. »Warum gehen wir nicht rein und gucken uns zusammen deinen Terminkalender an.«

Sie ignorierte seine ausgestreckte Hand, saß mit der Haltung einer Königin mit durchgestrecktem Rücken, zusammengestellten Füßen und im Schoß gefalteten Händen ruhig auf ihrem Platz und sah ihn aus ihren schwarz gerahmten Regenwasseraugen vollkommen reglos an. »Mein Name ist Juliet«, erklärte sie ihm kühl. »Ich würde es zu schätzen wissen, wenn Sie mich Juliet oder, wenn es sein muss, Juliet Rose oder Ms Astor Lowell nennen würden. Kürzen Sie meinen Namen freundlicherweise nicht noch einmal ab. Kose – oder Spitznamen sind einfach vulgär.«

Er hätte nicht gedacht, dass sie noch steifer werden könnte, als sie bisher schon gewesen war, doch er wollte verdammt sein, wenn ihr das in diesem Augenblick nicht tatsächlich gelang. Beinahe hätte er gelächelt. »Wie du möchtest, Rosenknospe.« Damit beugte er sich entschieden zu ihr herab, packte sie am Handgelenk und zog sie aus dem Wagen.

Ah, Mann. Gemein zu ihr zu sein, wäre sicher ähnlich angenehm, wie wenn man einem Baby seinen Schnuller klaute, überlegte er.

Roxanne Davies, Juliets Assistentin, schlug den Terminkalender zu, den Juliet und Beau gemeinsam am Empfangstresen durchgegangen waren, und blickte dem Detective, der lässig durch die Eingangstür ins helle Sonnenlicht entschwand, versonnen hinterher. »Heiliges Kanonenrohr.« Sie fächelte sich mit dem dicken Buch ein wenig frische Luft zu und wandte sich erneut an ihre Chefin. »Und Sie haben behauptet, es wäre blöde, mit Polizeieskorte in der Gegend rumzulaufen.«

Um ein Haar hätte Juliet hysterisch gelacht, doch sie schaffte es gerade noch, das Geräusch zu unterdrücken und stattdessen gelassen zu erwidern: »Und ich bin mir immer noch nicht sicher, dass es das nicht ist.«

»Das soll ja wohl ein Witz sein. Der Typ ist ein Prachtkerl. Ich kann mir wirklich Schlimmeres vorstellen, als dass einem ein Mann wie er tagelang zu Diensten ist.«

Das lag wahrscheinlich daran, dass sie wusste, wie man mit einem solchen »Prachtkerl« umging, überlegte Juliet. Immer noch trieb die Erinnerung an die Behauptung Spitznamen wären vulgär ihr die Schamesröte ins Gesicht. Großer Gott, mit diesem Satz hatte sie ihre eigene Großmutter tatsächlich übertrumpft – affektierter ging es sicher nicht. Laut sagte sie lediglich: »Haben Sie schon die Hayneses getroffen?«

»Sie wollen wohl nicht länger über diesen Sexbolzen reden?«

Juliet zuckte zusammen. Als ihr Vater behauptete, die junge Frau hätte einfach »ein anderes Niveau«, hatte sie auf Stur geschaltet und sie trotzdem eingestellt. Vielleicht war Roxanne tatsächlich etwas anders, es gab Momente, in denen ihre taktlose Direktheit Juliet zusammenfahren ließ. Aber Roxanne hatte die Stelle dringender als all die Absolventinnen irgendwelcher Elitecolleges benötigt, die sich ebenfalls beworben hatten, und Juliet hatte für die unerschrockene Offenheit, mit der sie ihr begegnete, von Anfang an ehrliche Bewunderung gehegt. Es war sicher ungemein befreiend, nicht jede Bemerkung erst auf die Goldwaage legen zu müssen, bevor sie einem über die Lippen kam.

»Also los«, versuchte Roxanne ihr eine Antwort zu entlocken. »Sie müssen doch wohl zugeben, dass er wirklich sexy ist. Ich meine, so nah, wie er Ihnen ständig gekommen ist, müssen Sie doch gespürt haben, wie es unter der Oberfläche knistert. Auf alle Fälle ist er völlig anders als die wohlerzogenen jungen Männer, die Sie für gewöhnlich als Begleiter haben.«

»Roxanne, ich möchte wirklich nicht darüber sprechen.«

»Na gut – aber ich glaube, diese Reise wird noch äußerst interessant.«

Juliet schlenderte durch das leere Foyer, betrat gefolgt von ihrer Assistentin ihr Büro, setzte sich hinter den Schreibtisch und wiederholte: »Also, was ist mit den Hayneses?«

»Edward ist ein echter Schatz. Die wunderbare Karnevalsmaskensammlung im blauen Salon gehört ihm, und ich glaube, dass es hauptsächlich ihm zu verdanken ist, dass die Gärten in einem derart wunderbaren Zustand sind.«

»Und Celeste?«

»Hätte gern einen Termin, um die Liste der bisher von ihr organisierten Veranstaltungen durchzugehen und um zu erfahren, welche Pflichten sie nach Ansicht unseres Unternehmens in den nächsten Wochen hat. Sie war ... höflich, aber ich hatte den Eindruck, dass sie es als unter ihrer Würde empfunden hat, sich mit einer kleinen Assistentin abgeben zu müssen statt mit dem Big Boss.« Roxanne zuckte gelassen mit den Schultern. »Ich habe morgen Nachmittag um drei einen Termin mit ihr gemacht, falls Ihnen das passt.«

»Danke, Roxanne. Es passt mir ganz bestimmt.« In dem Jahr ihrer Zusammenarbeit hatte Juliet gelernt, sich völlig auf das gute Gespür ihrer Assistentin für Menschen zu verlassen. Sie wusste bereits, dass die Hayneses verarmte Mitglieder des Südstaatenadels waren, denen die Pflege und Erhaltung ihres wunderschönen alten, im griechischen Stil gehaltenen Herrenhauses finanziell über den Kopf gewachsen war, und nun hatte sie auch einen ersten Eindruck von den Persönlichkeiten dieser beiden Menschen, die beim Erwerb des Hauses von ihrem Unternehmen »mit übernommen« worden waren, weil sich mit ihrer Hilfe sicher leichter Zugang zur so genannten besseren Gesellschaft Louisianas finden ließ.

Sie stand entschieden auf. »Ihrer Bemerkung über den blauen Salon entnehme ich, dass Sie inzwischen Gelegenheit hatten, sich ein bisschen umzugucken. Ich für meinen Teil habe außer diesem Büro und der Empfangshalle noch nichts in Augenschein genommen und kann es kaum erwarten, endlich das Ergebnis der Renovierungsarbeiten zu sehen. Haben Sie vielleicht Lust, mich auf meinem Rundgang zu begleiten?« ,

Es war seltsam, wie ermattet und gleichzeitig rastlos sie sich fühlte, doch sicher täte ein wenig Bewegung ihr in diesem Zustand gut. Die störende Erregung, die sie seit dem Vormittag empfand, war sicher eine Folge nicht nur der fürchterlichen Hitze, die sie selbst im klimatisierten Inneren des Hauses noch als Belästigung empfand, sondern auch des Bewusstseins, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben für die erfolgreiche Eröffnung eines Luxushotels verantwortlich war. Vielleicht war sie auch deshalb etwas aus dem Gleichgewicht geraten, weil sie Polizeischutz brauchte, was sie eindeutig als Störung ihres Alltages empfand.

Mit der Person ihres Begleiters hatte ihre Erregtheit jedoch ganz sicher nicht das Mindeste zu tun. Schließlich hatte sie schon beinahe vergessen, dass es diesen Menschen überhaupt gab.

Es war Jambalaya-Abend in Beaus kleinem kreolischen Häuschen im Bywater-Bezirk, und die winzig kleine Küche platzte aufgrund all der Menschen, die sich darin drängten, beinahe aus den Nähten.

Duftender Dampf stieg aus dem Topf mit Reis, in dem Beau Tomaten und alle möglichen anderen Zutaten verrührte, die seine jüngste Schwester Josie Lee in der kleinen Speisekammer fand. Als sie etwas entdeckte, was sie noch nicht dazugegeben hatten, stieß sie ihn mit dem Ellenbogen an, und ohne auch nur den Kopf zu heben, streckte er eine seiner Hände nach der Dose aus und tauchte, um zu kosten, mit der anderen einen Löffel in das brodelnde Gemisch. Direkt an seiner Seite teilte seine zweite Schwester Anabel Schinken und Garnelen in mundgerechte Stücke, Luke dünstete Sellerie und Zwiebeln, und die älteste der Schwestern, Camilla, mischte zusammen mit ihrem Ehemann Ned Fortenay an dem kleinen Tischchen in der Ecke einen knackigen Salat. »Heeey, good-lookin’«, heulte Buckwheat Zydeco vom CD-Spieler im Wohnzimmer herüber.

»Whaaat cha got cookin’?«, sang Anabel mit lauter Stimme weiter, unterbrach sich und befahl: »Wirf endlich das Gemüse in den Topf, Luke, ich brauche die Pfanne.«

»Sehr wohl, Ma’am.« Die beiden tauschten die Plätze und Anabel kratzte das Fleisch-Fisch-Gemisch in die frei werdende Pfanne, schob sich einen Schinkenwürfel in den Mund und fragte ihren Bruder: »Guckst du dir nach dem Essen mal meine Kontoauszüge an? Ich habe sie extra alle mitgebracht.«

»Verdammt, Anabel«, antwortete Beau ihr stöhnend. »Du bist vierundzwanzig Jahre alt. Wann wirst du endlich lernen, diese Dinge selbst zu machen?«

»Beauregard, du weißt doch, dass ich kein Talent für Zahlen habe.«

Er schnaubte und erklärte: »Weshalb inzwischen Taschenrechner erfunden worden sind.« Doch alle Anwesenden wussten, dass er nach dem Essen diese Arbeit übernähme. Er hatte vor zehn Jahren die Verantwortung für seine Schwestern übernommen, damit die Familie nach dem Tod der Eltern zusammenbleiben konnte, und legte die Rolle des Beschützers und Organisators nur sehr schwer wieder ab.

Auch wenn er geradezu versessen darauf war, endlich wieder tun und lassen zu können, was er wollte. Was auch ganz sicher geschähe – sobald er sicher wüsste, dass Josie Lee ihn nicht mehr brauchte, wäre er ein freier Mann. Nie mehr würde er sich irgendwelche Sorgen machen oder die Verantwortung für andere übernehmen, er dächte nur noch an sich selbst und an sein größtmögliches Vergnügen mit New Orleans’ losesten Frauen. Voll freudiger Erwartung trug er jetzt schon ihre Namen in ein kleines schwarzes Büchlein ein.

Wenige Minuten später saßen sie alle dicht gedrängt um das kleine Tischchen am Ende des Wohnzimmers, und während der Deckenventilator über ihren Köpfen schwirrte, füllten sie sich die Teller und tauschten freundliche Beleidigungen miteinander aus.

»Ich habe eine Neuigkeit«, erklärte Josie Lee, als gerade einmal alle schwiegen, und bat ihre Schwester: »Camilla, gib mir mal den Salat«, häufte sich jede Menge Grünzeug auf den Teller und schob sich, ohne noch ein Wort zu sagen, bereits die erste volle Gabel in den Mund.

Beau, der ihr gegenübersaß, blickte sie fragend an. Wie alle in ihrer Familie hatte sie dunkle Augen, nur dass Josie Lee mit ihren schwarzen Locken, ihren langen, schmalen Gliedmaßen und ihrem unwiderstehlichen Lächeln als einzige der Schwestern ihrer Mutter ähnlich sah. Anabel und Camilla hatten die brünetten Haare ihres Vaters, doch während Josie Lee und auch Camilla groß und wohl gerundet waren, war Anabel eher zart. Allen dreien gemeinsam war jedoch ihr fürchterlicher Starrsinn und ihre wunderbare, wenn auch manchmal nervtötend direkte Art.

»Und?«, fragte jetzt Anabel, während Camilla ihrer jüngsten Schwester spielerisch mit der Spitze ihrer Gabel drohte, damit sie ihr Geheimnis endlich preisgab.

Josie Lee verzog den Mund zu einem Grinsen. »Ich habe den Job als zweite Verwaltungsassistentin auf der Wache im achten Bezirk bekommen.«

»Super, kleine Schwester«, erklärte Camilla und Ned rief übermütig: »Gratuliere!«

»Ich weiß nicht, Josie Lee«, wand Anabel mit gespielter Skepsis ein. »Bist du dir auch ganz sicher, dass du quasi Wange an haariger Wange mit Beauregard und Luke arbeiten willst?«

»Das ist für sie der beste Platz«, erklärte Beau entschieden. »Dann kann ich sie noch besser im Auge behalten als bisher.«

»Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht im Auge zu behalten brauchst?«, fragte Josie Lee genervt. »Außerdem, nach allem, was ich heute Nachmittag auf der Wache mitbekommen habe, scheinst du ja noch nicht mal auf dich selber aufpassen zu können. Ich habe gehört, dass du und dein Lieblings-stellvertretender-Revierleiter mal wieder ziemlich aneinander geraten seid.« Sie bedachte ihren Bruder mit einem unschuldigen Blick. »Stimmt es, dass du als Bodyguard für eine reiche Yankee-Dame abkommandiert worden bist?«

Diverse Gabeln verharrten reglos in der Luft, denn plötzlich blickten alle interessiert auf Beau, der seine Schwester zähnebleckend ansah und erklärte: »Ganz sicher nicht für lange.«

Luke erstarrte und legte seine Gabel auf den Tisch. »Oh, Scheiße, Beau, was hast du vor?«

»Keine große Sache. Ich werde einfach etwas freundliche Überzeugungsarbeit leisten, damit unser reiches Yankee-Fräulein einsieht, dass ich nicht die richtige Begleitung für sie bin.«

»Was soll das für eine Überzeugungsarbeit sein? Glaubst du nicht, dass wir darüber reden sollten?«

»Was gibt es da zu reden? Verdammt, du hast das kleine Fräulein Juliet Rose erlebt – es wird der reinste Spaziergang werden, sie dazu zu bewegen, dass sie einen anderen Leibwächter verlangt.«

»Einen Augenblick.« Luke runzelte die Stirn. »Ich bin mir nicht ganz sicher, dass ich ganz verstehe, weshalb du glaubst, es wäre derart einfach. Immerhin ist diese Ms Lowell nach allem, was ich weiß, hierher gekommen, um ein Hotel zu eröffnen, für das sie geschäftlich ganz alleine die Verantwortung hat. Ich an deiner Stelle würde also lieber etwas Vorsicht walten lassen im Umgang mit der Frau.«

Statt etwas zu erwidern, zog Beau eine seiner Brauen in die Höhe, weshalb Luke fluchend erklärte: »Ich meine es ernst, Beau, du solltest sie nicht unterschätzen, denn das könnte sich als dein Untergang erweisen.«

»Ja, sicher, sie ist bestimmt ein wirklich zäher Brocken.« Beau schnaubte verächtlich auf. »Um Himmels willen, du hast doch selbst gesehen, in was für einem Kleinmädchenkleid sie auf der Wache war.«

Camilla, die sich gerade noch etwas von dem Jambalaya hatte nehmen wollen, hielt mitten in der Bewegung inne. »Wie bitte?«

»So ein wallendes, geblümtes Teil. Du weißt, wovon ich spreche. Von einem dieser mädchenhaften Dinger aus meterlangem, durchsichtig wirkendem Stoff, durch den hindurch man trotzdem nicht das Geringste sieht –« Oh, verdammt. Camillas Kleid war ebenfalls aus einem weich fließenden, durchschimmernden Material, und plötzlich fiel ihm ein, dass es ihr bis auf die Knöchel fiel. »Vergiss das Kleid. Sie ist auch so ganz einfach ein verklemmter, arroganter kleiner Yank ...«

»Und wie kommst du zu dieser Einschätzung?«, wollte jetzt Anabel von ihm erfahren. »Weil sie keinen hautengen, tief ausgeschnittenen Spandex-Einteiler getragen und dir nicht sofort ihre Riesentitten ins Gesicht gedrückt hat, als sie dich zum ersten Mal gesehen hat?«

»Was für Riesentitten? Ich wäre wirklich überrascht, wenn sie mehr als eine Hand voll Busen hätte.«

»Was natürlich ebenfalls gegen sie spricht«, erklärte Josie Lee ihm in empörtem Ton.

Beau wandte sich unglücklich an seinen jahrelangen Partner. »Du musst mir helfen, Luke.«

»Oh nein, mein Freund, ich glaube nicht. In dieser Sache stehst du ganz allein.« Grinsend lehnte sich Luke auf seinem Stuhl zurück und kreuzte gut gelaunt die Arme vor der Brust.

»Na super. Vielen Dank. Es ist doch immer gut zu wissen, dass man sich auf seine Freunde verlassen kann.« Dann blickte er auf seinen Schwager. »Ned?«

»Auf mich darfst du ebenfalls nicht bauen. Ich habe bereits vor langer Zeit gelernt, dass man es niemals mit allen drei Schwestern auf einmal aufnehmen soll.« Er strich seiner Frau sanft über den Rücken. »Teile und herrsche, ist meine Strategie.«

»Verdammt.« Beaus Stuhl ächzte, als er sich entnervt gegen die Rückenlehne warf. Er blickte in die Gesichter seiner Schwestern, die ausnahmslos besagten, dass er der reinste Abschaum war, und verkündete erbost: »Tja, was soll’s. Ihr könnt das eben nicht verstehen und ich will verdammt sein, wenn ich es so lange erkläre, bis ihr es vielleicht irgendwann kapiert.«

»Ganz recht, schließlich solltest du unsere anfälligen kleinen Frauenhirne bloß nicht überfordern«, stimmte Anabel ihm zu.

»Das wollte ich damit nicht sagen! Meine Güte, das hat mir gerade noch gefehlt. Warum musste der Captain auch ausgerechnet jetzt nach Alaska fliegen?«

»Weil er dort um diese Jahreszeit am besten Fische fangen kann. Und weil er auf diese Art zugleich der sommerlichen Hitze und der Hurrikan-Saison in seiner Heimatstadt entgeht.« Lukes wohlgeformter, glatt rasierter Schädel schimmerte im Licht der Lampe, als er seinen Stuhl auf die hinteren beiden Beine kippen ließ.

Beau sah ihn zornig an. Es war allein die Schuld seines Freundes, dass er jetzt derart in der Klemme steckte, dachte er erbost. Warum hatte er bloß nicht die Klappe halten können, als die Sprache auf das Thema gekommen war? »Wenn du die Beine abbrichst, Gardner, kaufst du mir einen neuen Stuhl.«

»Reg dich ab«, murmelte Josie Lee und stand entschieden auf. »Ich hole den Kaffee und Anabels Pralinen – vielleicht bringen die dich ja auf süßere Gedanken.« Sie ging hinter seinem Stuhl vorbei und tätschelte ihm tatsächlich noch begütigend den Kopf.

Beau entfuhr ein Knurren. Himmel, Frauen konnten wirklich die reinsten Nervensägen sein. Ihm hätte einfach klar sein müssen, dass er von seinen Schwestern kein Mitgefühl erwarten durfte, nur, weil ihm die Sorge um eine weitere Geschlechtsgenossin angetragen worden war. Diese verdammten Weiber hielten einfach stets zusammen, und dieses Mal schien sogar Luke zu denken, dass ihre Sicht der Dinge durchaus nachvollziehbar war.

Beau zuckte mit den Schultern. Tja, was sollte es – er hatte schon des Öfteren Meinungsverschiedenheiten mit diesen Menschen gehabt, und es wäre sicher nicht das letzte Mal, dass es zu Zwistigkeiten kam.

Trotzdem war er immer noch der festen Überzeugung, dass es nicht lange dauern würde, bis das ach-so-tugendhafte Fräulein Lowell um einen anderen Beschützer bat.

Kaum hatte Juliet die Tür der Suite hinter sich geschlossen, als sie auch schon den grobzinkigen Kamm, der ihren Knoten festhielt, aus ihren Haaren zog. Auf dem Weg ins Wohnzimmer fischte sie auch noch die Haarnadeln daraus hervor, die sie, ohne auf dem Weg ins Schlafzimmer innzuhalten, in die handbemalte kleine Schale fallen ließ, die direkt nach ihrer Ankunft speziell zu diesem Zweck von ihr auf der Kredenz aufgestellt worden war.

Sofort begannen ihre Haare anzuschwellen wie ein ins Wasser geworfener Schwamm. Dichte, honiggoldene Locken wippten froh, endlich der Enge zu entkommen, um ihren beinahe fiebrig heißen Kopf, sie massierte sich mit beiden Händen kräftig ihren Skalp und seufzte wohlig: »Himmel, das fühlt sich schon viel besser an.«

Sie ging ins Schlafzimmer hinüber und ließ sich in einen Sessel sinken, um ihre Schuhe auszuziehen. Dann streifte sie ihre schenkelhohen Nylonstrümpfe von den Beinen, warf sie auf die Seite, glitt mit einem langen, zufriedenen Seufzer auf den Boden, streckte Arme und Beine so weit wie möglich aus und ließ den Kopf gegen den Sessel sinken, wobei ihr Nacken auf ihren befreiten Haaren wie auf einem zusätzlichen weichen Kissen lag.

Allerdings hatte der Unterricht der Großmutter in guter Körperhaltung viel zu sehr gefruchtet, als dass sie es allzu lange in einer derart nachlässigen Pose ausgehalten hätte, nach einem letzten genüsslichen Strecken stand sie entschieden wieder auf und griff nach dem versteckten Seitenreißverschluss von ihrem Kleid.

Es war ganz einfach herrlich, endlich einmal einen Augenblick für sich allein zu haben, dachte sie ermattet. Seit der Landung ihres Flugzeugs befand sie sich emotional in Aufruhr.

Was ganz sicher nicht nur dem unvorhergesehenen Begleitschutz, sondern auch der Fremdheit der Umgebung und der Verantwortung für die erfolgreiche Hoteleröffnung zuzuschreiben war.

Seit Sergeant Dupree sie hier zurückgelassen hatte, hatten sie und ihre Assistentin keinen ruhigen Augenblick gehabt. Sie hatte die wenigen schon anwesenden Angestellten kennen lernen wollen und sich überall danach erkundigt, ob sie alle wussten, was sie zu tun hatten, und ob alles Erforderliche auch veranlasst wurde.

Jetzt bräuchte sie einfach einen kurzen Moment für sich allein, an einem Ort, wo sie nicht daran denken musste, dass jede noch so kleinste Regung, die sie zeigte, einer genauen Analyse unterzogen wurde, und alles wäre wieder gut.

Sie zog sich das Kleid über den Kopf, hängte es auf einem wattierten, satinbespannten Bügel in den Schrank, hob die Strümpfe vom Boden auf, stopfte sie in einen Wäschebeutel, streckte nur in einem knappen Slip und einem Halbschalen-BH aus spitzenbesetzter blauer Seide abermals genüsslich beide Arme aus und genoss die kühle Luft auf ihrer nackten Haut. Dann ließ sie die Arme wieder sinken und drehte langsam ihren Kopf.

Sowohl ihre Muskeln als auch ihre Nerven fingen an, sich zu entspannen, sie trat vor das hohe, breite Bett, warf die Bettdecke zurück ... und fing gellend an zu schreien, als ein riesengroßes schwarzes Etwas

3

Sekunden oder Stunden später – sie konnte es nicht sagen – hörte sie ein lautes Trommeln an der Tür. »Juliet!«, rief Roxanne gleichermaßen drängend wie verängstigt. »Ist alles in Ordnung? Lassen Sie mich rein.«

Juliet beeilte sich, der Bitte nachzukommen. Eilig stolperte sie durch die beiden Zimmer, riss die Tür auf und wäre von Roxannes erhobener Faust mitten im Gesicht getroffen worden, hätte ihre Assistentin nicht den Arm nach unten sinken lassen, als hätte man auf sie geschossen, und sie mit großen Augen reglos angestarrt.

»Mein Gott«, hauchte Roxanne tonlos. »Ihre Haare sind einfach fantastisch. Weshalb tragen Sie sie niemals offen?«

Juliet stand am ganzen Körper zitternd in dem winzig kleinen Flur und ihr Gesichtsausdruck war offenbar genauso leer wie ihr Gehirn, denn ihre Assistentin winkte ungeduldig ab und schob sich an ihr vorbei ins Innere der Suite.

»Alles in Ordnung? Heiliges Kanonenrohr, Mädchen, Sie sind ja praktisch nackt. Obwohl die Unterwäsche wirklich hübsch ist.« Sie schlang einen Arm um Juliets nackte Schultern und es war ein deutliches Zeichen für den Zustand, in dem Juliet sich befand, dass sie wegen der ungewohnten körperlichen Nähe nicht zusammenfuhr, sondern sich gehorsam von Roxanne ins Wohnzimmer geleiten ließ.

Als sie die Tür des Schlafzimmers erreichten, blieb sie allerdings wie angewurzelt stehen. Nie im Leben ginge sie noch einmal in den Raum zurück.

Roxanne bemerkte ihr entgeistertes Gesicht. »Was in aller Welt ist hier passiert? Okay, egal, warten Sie einen Augenblick.« Sie atmete tief ein, hörbar wieder aus, rannte in das Zimmer und kam eine Sekunde später mit einem braungoldenen Seidenkimono zurück. »Also gut«, befahl sie, während sie das Kleidungsstück um Juliets Schultern legte und den Gürtel ordentlich in Höhe ihrer Taille zuband. »Jetzt erzählen Sie mir, was Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt hat.«

»Verzeihung«, ertönte eine kultivierte Stimme mit Südstaatenakzent aus Richtung der Tür. »Ich habe einen Schrei gehört. Kann ich vielleicht irgendwie behilflich sein?«

»Oh, Mr Haynes«, sagte Roxanne erleichtert und wandte sich ihm zu.

»Für Sie Edward, meine Liebe«, verbesserte er sanft. »Erinnern Sie sich noch? Bitte nennen Sie mich Edward – ich bestehe darauf.«

»Ja, natürlich. Bitte kommen Sie herein.« Als der ältere Mann das Wohnzimmer betrat, legte Roxanne eine Hand auf Juliets Arm und sagte: »Das ist Edward Haynes, Juliet. Edward, das ist Juliet Astor Lowell. Sie war diejenige, die so geschrien hat, aber ich habe noch nicht herausgefunden aus welchem Grund.«

Bei der Ankunft des eleganten weißhaarigen Herren riss Juliet sich zusammen. »Da drin«, erklärte sie und wies zitternd auf die Tür des Schlafzimmers. »Es war in meinem Bett – groß, schwarz – Gott, es war so hässlich. Und es ist mir praktisch auf die Füße gefallen, als ich die Decke zurückgeworfen habe. So etwas habe ich nie zuvor gesehen. Es« – sie erschauderte und machte ein paar zappelige Bewegungen mit ihren Fingern – »ist unter das Bett gelaufen.«

»War es ein Tier, meine Liebe? Vielleicht eine Ratte?«

»Nein. Ein Käfer. Aber nicht klein und niedlich, sondern riesig. Regelrecht monströs.«

»Warten Sie hier«, wies Edward die beiden Frauen an. »Lassen Sie mich gucken, ob ich etwas finde.« Damit verschwand er durch die Tür.

Juliet und Roxanne hörten ein paar raschelnde Geräusche, und nun, da der Schock allmählich etwas nachließ, stellte Juliet erleichtert fest, dass sie einen Teil ihrer Fassung wiederzuerlangen schien.

Zum ersten Mal, seit das Insekt von dem Laken geflattert war, nahm sie ihre Umgebung wirklich wahr und merkte, dass auch Roxanne ihre geschäftsmäßige Kleidung gegen einen Hausanzug aus senffarbenem Satin getauscht hatte und ihre weich gelockten, rötlich braunen Haare statt in einem ordentlichen, straffen Knoten mit einem zu einer großen Schleife gebundenen schwarzen Netzstrumpf in einem losen Pferdeschwanz zusammenhielt. Dieser extravagante Look erinnerte Juliet an den Tag, an dem die junge Frau zum Vorstellungsgespräch bei ihr erschienen war, und ihr kam der Gedanke, dass sowohl Roxannes Arbeitsgarderobe als auch ihr Benehmen eine deutliche Veränderung erfahren hatte, seit sie in den Diensten des Crown’schen Unternehmens stand.

Es war nicht so, dass ihr diese Veränderung nicht auch schon vorher aufgefallen wäre – ihr Einverständnis, ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild und auch Benehmen an den Tag zu legen, war eine Grundvoraussetzung für ihre Einstellung gewesen. Bis zu diesem Augenblick jedoch war ihr nicht bewusst gewesen, wie groß diese Veränderung tatsächlich war. Außerdem kam ihr urplötzlich der Gedanke, dass sich Roxanne nur dann von ihrer lässigeren Seite zeigte, wenn sie mit ihr allein war.

Bei dieser Überlegung wallte heiße Zuneigung in Juliet auf. »Danke, Roxanne«, sagte sie voller Inbrunst. »Wenn Sie nicht so schnell gekommen wären, wäre ich wahrscheinlich in meiner Unterwäsche in den Flur hinausgelaufen und hätte mir dabei obendrein die Lunge aus dem Hals geschrien.«

Obwohl sie es versuchte, konnte ihre Assistentin ein Grinsen nicht vollständig unterdrücken. Ihr verzweifeltes Bemühen machte Juliet deutlich, dass sie anscheinend gerade bildlich vor sich sah, wie ihre Chefin gleich einer spärlich bekleideten urzeitlichen Kriegerin den Gang hinunterstürzte, und sie schnaubte leise auf. Sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle, doch dann begegneten sich ihrer beider Blicke und sie brachen gleichzeitig in geradezu hysterisches Gelächter aus.

»Wirklich«, keuchte sie, als sie schließlich wieder zu Atem kam. »Vielen Dank.«

»War mir ein Vergnügen.« Roxanne wischte sich die Tränen aus den Augen. »Das muss wirklich ein doller Käfer gewesen sein. So schockiert habe ich Sie nie zuvor erlebt.«

Juliet konnte es kaum fassen, wie sehr es sie danach verlangte, sich mit Roxanne wie mit einer Freundin zu unterhalten und ihr vertraulich zu erzählen, dass der Anflug des Insekts anscheinend irgendeine Urangst in ihr wachgerufen hatte, durch die jeder halbwegs vernünftige Gedanke aus ihrem Hirn vertrieben worden war. Großmutter hatte sie in dem Glauben erzogen, dass eine Astor Lowell stets Distanz zu ihren Angestellten wahren musste, doch in diesem Augenblick empfand sie ihre Assistentin nicht als Untergebene, sondern als warme, mitfühlende Frau, die sie gerne näher kennen gelernt hätte. Sie öffnete den Mund ...

Und klappte ihn entschieden wieder zu, als Edward ein strahlend weißes Taschentuch um einen Gegenstand gewickelt in der Tür des Schlafzimmers erschien. Sie hatte keine Ahnung, was sie hatte sagen wollen, doch sie hatte das seltsame Gefühl, dass soeben eine große Chance ungenutzt verstrichen war.

»War es das hier, was Sie gesehen haben?« Edward klappte eine Ecke des mit einem Monogramm bestickten Taschentuches auf und beide Frauen wichen angewidert vor dem riesengroßen toten Insekt zurück, das in dem faltenlosen Tuch versteckt gewesen war.

»Mein Gott«, keuchte Roxanne entgeistert. »Was zum Teufel ist denn das? So etwas Widerliches habe ich noch nie gesehen – das Ding ist fast zehn Zentimeter lang.«

»Das ist eine Kakerlake.«

»Iiihhh!« Dann sah sie sich das Tier, wenn auch mit leichtem Widerwillen, noch mal genauer an und meinte skeptisch: »Also bitte. So groß sind Kakerlaken nicht.«

»Oh, hier unten gibt es sie in allen Größen. Manche sind ganz klein, manche aber sogar noch größer als dieses Exemplar. Unglücklicherweise sind Kakerlaken hier in New Orleans, selbst in den exklusivsten Etablissements, ein ziemliches Problem.«

»Oh, mein Gott«, entfuhr es Juliet schwach.

»Allerdings haben wir hier noch nie Kakerlaken gehabt. Und vielleicht ist es für Sie ein kleiner Trost«, erklärte er mit einem mitfühlenden Lächeln, »dass ich nur dieses eine Tier gefunden habe, weshalb ich ziemlich sicher bin, dass das Ganze eine einmalige Sache war. Trotzdem würde ich Ihnen empfehlen, um ganz sicherzugehen, morgen früh den Kammerjäger zu bestellen, damit er das Gebäude gründlich inspiziert. Außerdem würde ich das Bett vielleicht noch frisch beziehen.«

»In dem Bett schlafe ich ganz bestimmt nicht«, erklärte Juliet ihm entschieden. In dieser Suite bekäme sie ganz sicher die ganze Nacht kein Auge zu.

»Trotzdem würde ich veranlassen, das Bettzeug möglichst heiß zu waschen, um ganz sicherzugehen, dass nicht irgendwo Eier versteckt sind.« Er streckte einen Arm aus und tätschelte ihr aufmunternd die Hand. »Es tut mir wirklich Leid, meine Liebe. Ich hätte Sie gern auf eine andere Art und Weise mit New Orleans bekannt gemacht.«

»Danke, Edward. Außerdem möchte ich Sie um Verzeihung bitten. Für gewöhnlich verliere ich nicht so leicht die Beherrschung, wie es heute Abend vielleicht den Anschein hat.«

»Unsinn, meine Liebe – natürlich haben Sie sich erschrocken. Denken Sie einfach nicht mehr darüber nach.«

»Kommen Sie, Juliet«, bat Roxanne mit sanfter Stimme. »Ich helfe Ihnen, in ein anderes Zimmer umzuziehen.«

Da Juliet ihre Kleider noch nicht in den Schränken verstaut hatte, dauerte der Umzug nicht lange. Sie trugen einfach das Gepäck in die gegenüber befindliche Suite, und Roxanne blieb bei ihr, während sie sorgfältig jeden Zentimeter ihrer neuen Bleibe auf ungebetene Gäste untersuchte. Als sie, nachdem die Suche nichts ergeben hatte, kurz darauf ins Bett stieg, war sie sich so gut wie sicher, dass die Kakerlake in dem anderen Zimmer wirklich nur ein unglückliches, einmaliges Vorkommnis gewesen war.

Trotzdem dauerte es Stunden, bis sie sich so weit entspannte, dass sie endlich die Augen schließen konnte.

Am nächsten Morgen machte sie sich auf die Suche nach dem guten Edward und fand ihn schließlich im blauen Salon, wo er, einen mit Krümeln übersäten Teller neben sich auf einem Tischchen, mit einer Gartenzeitschrift in einem tiefen Sessel saß.

Sie klopfte gegen den Türrahmen, streckte den Kopf ins Zimmer und fragte: »Guten Morgen. Darf ich hereinkommen?«

»Selbstverständlich, meine Liebe!« Er nahm seine dunkel gerahmte Lesebrille ab, legte sie zusammen mit der Zeitschrift an die Seite und stand höflich auf. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich mich hier häuslich eingerichtet habe. Das hier ist mein Lieblingsraum gewesen, seit ich ... nun, eigentlich seit ich denken kann.«

»Nein, natürlich nicht.« Ihr wurde bewusst, wie sehr der Raum ein Spiegel dieses Menschen war. Mit den weich schimmernden, abgewetzten Ledersesseln, den Regalen voller Zeitschriften und Bücher und der spektakulären Sammlung exotischer Karnevalsmasken war er hervorragend bestückt und verströmte gleichermaßen Wärme, Behaglichkeit und Eleganz. »Es muss schwer sein, wenn plötzlich Fremde im eigenen Heim bestimmen.«