In China essen sie den Mond - Miriam Collée - E-Book

In China essen sie den Mond E-Book

Miriam Collée

4,6

Beschreibung

Ein Haus an der Alster, die Schaukel im Garten, die Biokiste vor der Tür – eine junge Familie scheint am Ziel ihrer Träume angelangt. Wäre da nicht das Jobangebot aus China: Miriam, 35, Tobias, 37, und Amélie, 3, ziehen nach Shanghai, wo sie es als einzige Langnasen in chinesischer Nachbarschaft mit Fengshui-Geistern, toten Hühnern auf der Wäscheleine, regnenden Klimaanlagen, schwimmenden Fahrrädern und provisorischen Tupperdosen-Toiletten zu tun bekommen.

Die STERN-Journalistin Miriam Collée erzählt von einem außergewöhnlichen Jahr, das sie mit viel Humor, Liebe, Verzweiflung und Tsingtao-Bier überlebte.

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Informationen zum Buch

»Witziger Abenteuerbericht.« Freundin

Ein Haus an der Alster, die Schaukel im Garten, die Biokiste vor der Tür eine junge Familie scheint am Ziel ihrer Träume angelangt. Wäre da nicht das Jobangebot aus China Miriam, 35, Tobias, 37, und Amlie, 3, ziehen nach Shanghai, wo sie es als einzige Langnasen in chinesischer Nachbarschaft mit Fengshui-Geistern, toten Hühnern auf der Wäscheleine und Tupperdosen-Toiletten zu tun bekommen.

Die STERN-Journalistin Miriam Colle erzählt von einem außergewöhnlichen Jahr, das sie mit viel Humor, Liebe, Verzweiflung und Tsingtao-Bier überlebte.

»Aufschlussreich, charmant und sehr lustig!« Emotion

Miriam Collée

In China essen sie den Mond

Ein Jahr in Shanghai

Inhaltsübersicht

Informationen zum Buch

Mai

Einmal zum Mond und wieder zurück

Juni

Die Ankunft

Hallo, Nachbarn!

Health Check

Das Leben ist eine Baustelle

Die Sache mit der Schaukel

Der erste Gesichtsverlust

Guiling, Herr Li und das Luxusklo

Noch schlimmer geht immer

Nur für Männer (»Is better for you«)

IKEA oder: Alles wird gut

Der Kindergarten

Ein Container! Ein Container!

Juli

Vom Versuch, einen Brief aufzugeben

Der Markt der verlorenen Seelen

Hongbao und Amok laufende Nachbarn

Tag des Lächelns am Huangpu

Jedes Ding hat seinen Ursprung

August

Das zarte Pflänzchen Stolz

Warum China-Riegel Leben retten

Gehe direkt ins Gefängnis!

Das Geschenk der Nachbarin

Die Flut

September

Oma und Opa kommen!

Guiling ist weg

Chanel und die bittere Wahrheit

Das Mondfest

Hippie-Inseln, Drachenknochen und Hobbit-Hügel

Oktober

Happy Birthday!

Freundin! Meine Freundin!

Hui Xin und die Entdeckung der Langsamkeit

Sackhüpfen und Polo

November

Die kleine Chen und der Herbst

Schweizer Luftreiniger und chinesische Nadeln

Buddha hilft

Dezember

Anmutige Weide verliert die Anmut

Januar

Schlaue Nachbarn und böse Geister

Die indische Hühnernacht

Das warme Gefühl

Ausflug nach Sheshan

Gong xi fa cai! Oder: Wie man Langnasen entmündigt

Nichts als Ochsen

Februar

Volkserziehung für die Expo

Das geheime Geheimkonzert

Von der Liebe und dem Geld

Chanel spuckt

Ein Hase und eine Ratte gegen Frankreich

März

Es geht auch mit dem Holzhammer

Lernt vom Genossen Lei Feng!

Babiwawa! Oder: Wie Barbie China erobern soll

Der Mond hält sein Versprechen

April

Der Tod kommt am 1. April

Grüße ins Jenseits

Hangzhou oder: Von der Kunst, Touristen zu verarschen

Falsche Schlangen und schmutziges Qi

Berufsplanung für Säuglinge

Chinesische Seifenopern

Hao du ju du Shanghai? Oder: Fit für die Expo

Was essen wir heute?

Menschenrechte auf dem Tennisplatz

Mai II

Neustart

Dank

Über Miriam Collée

Impressum

Wem dieses Buch gefallen hat, der liest auch gerne …

Für Tobi und Amélie

Einmal zum Mond und wieder zurück

Man kann dem Leben nicht mehr Tage geben,

aber dem Tag mehr Leben.

»Computer says no.« Die Dame der Gepäckermittlung des Flughafens von Shanghai starrt mit leerem Gesicht über den Tresen, der für ihre Körpergröße etwas zu hoch ist. Ob wir unser Gepäck denn wenigstens morgen erwarten dürften? Sie tippt in ihren Rechner, als ritte sie der Teufel. Tippt und tippt, schüttelt den Kopf und sagt: »Computer says no.« Wann dann? »Computer not know.« Tobi unterbricht die absurde Unterhaltung und zerrt mich genervt zum Ausgang. Er hat recht, es hat keinen Sinn. Draußen soll ein Fahrer auf uns warten, um uns ins Hotel zu bringen. »Look & See« nennt man die Woche, in der Ausländer das Land, in dem sie künftig arbeiten und leben sollen, mit ihrem Partner begutachten können, im Idealfall eine Wohnung finden, einen Kindergarten und alles andere, was man fürs Erste braucht, um ein Leben neu zu starten.

Unser momentanes Leben ist, wenn ich so darüber nachdenke, ziemlich schön. Wir haben vor zwei Jahren ein niedliches Backsteinhäuschen in Hamburg gekauft, mit Garten, Schaukel, Nacktschnecken, Apfelbäumen und dem ganzen Ich-bau-mir-ein-Nest-Programm. Vor der Tür steht am Wochenende eine Gemüsekiste vom Biobauern, in der Garage ein alter Porsche, zu dem mein Mann manchmal spricht (er behauptet, er würde ihm antworten), und im Gartenhäuschen ein Kühlschrank voll Bier. Unsere Tochter Amélie hat einen Platz im ökologisch und politisch korrekten Integrationskindergarten, ihre Eltern haben gute Jobs, einen Putzmann, eine Babysitterin, und sie lieben sich sogar. Was wollen wir also mehr?

Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist so ein Gefühl. Es kommt manchmal, ganz leise, und fragt: Was kommt jetzt? Geht es nun die nächsten 20 Jahre so weiter? Sollten wir nicht noch viel mehr aus unserem Leben machen als joggen, arbeiten und zum Spielplatz gehen, am Wochenende grillen und im Sommer nach Sylt fahren? Sollten wir nicht alles rausholen, was rauszuholen ist? Ist da nicht noch ein bisschen mehr Abenteuer drin, mehr Aufregung?

Genau in dieser Stimmung kam Tobi eines Abends nach Hause, räusperte sich und sagte: »Weißt du, es gibt da einen wirklich tollen Job in Shanghai …« Und jetzt sind wir hier. Ohne Koffer und ohne Zahnbürste. Am Ausgang stehen tausend Fahrer mit Schildern, aber auf keinem steht »Mr. und Mrs. Collée«. Und wie sich später herausstellt, wartet auch kein Hotelzimmer auf uns. Die Relocation-Agentur, die vor Ort alles organisieren sollte, hat uns vergessen. Als Entschuldigung erhalten wir ein schlichtes »Sorry« per SMS. Und die Nachricht, dass wir die Haus- und Kindergartenbesichtigungen erst am letzten Tag unseres Aufenthalts vornehmen könnten, vorher wären leider alle Mitarbeiter ausgebucht.

Dank unserer Überredungskunst überlässt uns der Hotelmanager des Renaissance-Hotels das Busfahrerzimmer mit getrennten Betten. Wir machen uns gleich auf den Weg, das Nötigste einzukaufen: Deo, Unterhosen, Gesichtscreme, Zahnbürsten. Wer weiß, wann unser Gepäck gefunden wird. Gegenüber dem Hotel leuchtet in Neonschrift ein »Friendship Store«. Früher durften Ausländer in China nur in deklarierten, staatlich betriebenen Geschäften einkaufen, mit speziellen Währungszertifikaten. Einige dieser Läden stehen heute noch, als Relikt der Vergangenheit. Leider gilt das Gleiche offenbar für das Warensortiment, das aus den Fünfzigern zu stammen scheint. Also weiter in die Nanjing Road. Doch auch hier scheitern wir grandios. Wir finden zwar haufenweise Gesichtscreme, aber keine einzige ohne »Whitening Effect«. Noch schwieriger wird es beim Deo: Es gibt nämlich keins. Chinesen benutzen kein Deo. Manche meinen, ihnen fehle ein bestimmtes Enzym, das für die Schweißproduktion verantwortlich ist, andere behaupten, es käme vom Essen, dass sie nicht stinken. Nach vier Shopping-Malls, zwei Taxifahrten, drei Supermärkten und einer U-Bahn-Fahrt kann ich sagen: Es stimmt beides nicht. Chinesen könnten Deo sehr gut gebrauchen. Tobi nimmt das alles mit einer gewissen Genugtuung hin, denn er hat hier in China eine Mission. Sein Arbeitgeber, ein internationaler Konzern, hat ihn »entsendet«, wie man so schön sagt, um den Chinesen westliche Körperpflege nahezubringen. Sprich: Er soll sie davon überzeugen, Produkte zu kaufen, von denen sie nicht einmal wissen, dass sie sie brauchen.

Das Highlight des Tages: In einem japanischen Supermarkt gibt es biologisch abbaubare Tampons. Leider bleibt das das einzige Erfolgserlebnis. Wir finden weder Schuhe für Tobi, der sich am ersten Tag üble Blasen gelaufen hat, denn bei Größe 45 kapituliert jeder Schuhverkäufer, noch Hosen, die ihm wenigstens bis zu den Knöcheln reichen. Dafür immerhin Calvin-Klein-Unterhosen für 50 Cent pro Stück. Ich dagegen kann mich für 20 Euro komplett neu einkleiden. Wer kurze Beine, Körbchengröße A und ein Faible für kopierte Marc-Jacobs-Kleidchen hat, ist, modisch gesehen, in Shanghai im Paradies.

Da uns offenbar bis Ende der Woche keiner weiterhelfen will, sehen wir uns auf eigene Faust verschiedene Kindergärten an. In einer Montessori-Einrichtung breche ich im »Observation Room«, einer dunklen, spiegelverglasten Kammer, fast zusammen. Eltern ist der Zutritt zu diesem Kindergarten aus Prinzip verboten, sie dürfen den Kindern nur aus diesem Beobachtungsloch zusehen. Die Kinder, die Hälfte chinesisch, die andere aus allen Nationen bunt gemischt, betreten in Reih und Glied den Spielraum. Dann widmet sich jedes Kind, ohne ein Wort zu sprechen, diszipliniert einem Puzzle, einem Steckspiel oder einer Murmelbahn. Sie kommen mir vor wie kleine, stumme Soldaten. In Gedanken sehe ich bereits unsere kleine wilde Hummel schluchzend dazwischenstehen. Dabei bin nur ich es, die schluchzend hinter dem Spiegelglas steht, bis Tobi mich sanft aus der Dunkelkammer schiebt.

Als wir am letzten Tag unsere Relocation-Agentin treffen, haben wir einen chaotischen, aber sympathischen internationalen Kindergarten gefunden, in dem der Kulturschock hoffentlich am sanftesten vonstattengehen wird. Wir können uns also ganz der Häusersuche widmen. Es gibt in Shanghai im Groben drei Wohnkonzepte für »Expats«, wie die gängige Abkürzung für »Expatriates« (Auswanderer) lautet. Erstens: ein umzäuntes Gelände voller Ausländer und mit lauter gleich aussehenden Häusern am Stadtrand. Zweitens: ein Hochhauskomplex mit Pförtner und vielen anderen Ausländern im Stadtzentrum. Drittens: ein altes Lanehouse (die chinesische Reihenhausvariante, nur schmaler und höher gebaut) in einer kleinen Gasse im Französischen Viertel ganz ohne Ausländer. Wir haben uns beide für Möglichkeit drei entschieden. Warum ins Ausland gehen, um dann in einer deutschen Siedlung zu landen?

Von Tobis Firma erhalten wir ein ziemlich großzügiges Mietbudget. Vor dieser Reise träumten wir schon von einem Häuschen im Französischen Viertel mit Pool, doch jetzt stellen wir fest, dass man für den Preis einer Hamburger Elbvorortvilla in Shanghai höchstens ein dunkles Erdgeschossloch in einem Wolkenkratzer bekommt. Bewohnbare Häuser mit »West-Standard«, wie es so schön heißt, also mit schimmelfreien Bädern, Radiatorenheizung und Fenstern, die sich schließen lassen, gibt es nicht unter 4 000 Euro pro Monat. Plötzlich verlässt mich mein Abenteuergeist. So viel Abenteuer hatte ich nicht gebucht! Wie soll das alles nur werden? Wie sollen wir hier leben? Was tun wir unserer Tochter an? Was uns? Warum sind wir noch mal hier? Was jetzt? Schwanz einziehen? Tobi schüttelt den Kopf. Aufgeben, ohne es versucht zu haben? Nein, das will ich auch nicht.

Wir sitzen in einer kleinen französischen Weinbar und trinken jeder das dritte Glas eines völlig überteuerten Bordeaux, es ist zehn Uhr abends. In zwölf Stunden geht unser Flugzeug zurück nach Deutschland. Wir haben kein Haus gefunden. Draußen gehen chinesische Familien mit Kleinkindern in wattierten Winnie-Pooh-Pyjamas vorbei, dazwischen stolpern junge Chinesinnen in glitzernden Zwölf-Zentimeter-Highheels über den Bordstein, dahinter sehen wir ein junges Mädchen mit einer breiten Plastikklammer auf der Nase, die offenbar einen westlichen Nasenrücken herbeibiegen soll. Ich fühle mich, als hätte man uns auf einem anderen Planeten ausgesetzt. Das hier ist nicht das andere Ende der Welt, das ist der Mond. Und wir sitzen mittendrin, in dieser kleinen Mondbar, am Fenstertisch. Und haben die Hosen voll.

Die Ankunft

Ein neugeborenes Kalb fürchtet den Tiger nicht.

»Bist du aufgeregt? Wie fühlst du dich jetzt? Hast du Angst?« Tobi sieht mich mit großen Augen an. Amélie ist gerade aufgewacht, auf meiner Uhr ist es sieben Uhr morgens, in China bereits zwei Uhr nachmittags. Sie guckt aus dem Flugzeugfenster, aus dem man eigentlich nichts außer Nebel oder Smog sieht, und fragt ständig: »Ist das jetzt China?«, »Sieht so China aus?« In zehn Minuten landen wir. Und ich versuche, in mich reinzuhorchen. Was fühle ich eigentlich?

Ich kann nichts finden. Keine Aufregung, keine Nervosität, keine Neugier. Gar nichts. Wie ein weißes, leeres Blatt Papier. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie das alles in den nächsten zwei Jahren werden soll, wie man in einer Stadt, in der man sich nicht verständigen kann, nicht einmal irgendetwas lesen, geschweige denn einkaufen, leben wird – mit einem dreijährigen Kind. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich komplett plan- und ahnungslos, aber irgendwie fühlt sich das seltsamerweise gerade ganz gut an. Tobi war in der Zwischenzeit noch einmal in Shanghai, um seinen Job anzutreten. Glücklicherweise hat er dabei auch ein Haus und einen Fahrer gefunden: Fang.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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