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Dass der spanische König Fernando I. 1063 sein Reich unter seinen Kindern aufteilt, soll für alle verhängnisvoll werden. Sancho, der älteste Sohn, will alles für sich und nichts für seine Geschwister: Rücksichtslos nimmt er zuerst García das Königreich Galizien weg, dann beraubt er Alfonso der Herrschaft über León. Ihre Schwester Urraca aber (die "Infantin Elster"), hängt an Alfonso mit einer Zuneigung, die über Geschwisterliebe hinausgeht, und verhilft ihm zur Flucht aus dem Gefängnis und dem Kloster, wohin ihn Sancho verbannt hat. Als Sancho mit seinen Truppen zur Belagerung ihrer Stadt Zamora heranrückt und Rodrigo Díaz, genannt El Cid, als Unterhändler ihr die Forderung überbringt, ihrem Bruder die Stadt auszuliefern, lehnt sie empört ab. Die Belagerung zieht sich über ein halbes Jahr hin und zehrt an den Kräften der Eingeschlossenen. Da erscheint El Cid ein zweites Mal, diesmal um sich ganz in den Dienst von Urraca, seiner Jugendliebe, zu stellen. Die beiden, die ihre Liebe zueinander nicht mehr verbergen, sinnen über einen Ausweg aus der aussichtslos erscheinenden Lage nach. Dieser Ausweg wird zur Ermordung Sanchos führen und sowohl Urraca wie auch Rodrigo Díaz für den Rest ihres Lebens belasten... Mit verblüffender Offenheit enthüllt die Infantin dies alles in einem autobiografischen Bericht, den die Historikerin Lidia Pidal neunhundert Jahre später in einem spanischen Kloster aufstöbert. Urraca und ihr Geliebter El Cid stehen durch diese Enthüllungen in einem völlig neuen Licht da: Er, der nicht immer so edle Ritter, gerät durch die Verwicklung in die Mordgeschichte in Zwiespalt mit seinem neuen Herrn Alfonso VI., was erst die spätere (weitgehend unhistorische) Legendenbildung möglich macht. Die in ihren Widersprüchen gefangene Infantin Elster aber wird vor dem Hintergrund der unerbittlichen Machtkämpfe im von den Männern dominierten mittelalterlichen Spanien als Emblem der unbeirrten und selbstbewussten Kämpferin sozusagen rehabilitiert.
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Seitenzahl: 113
Veröffentlichungsjahr: 2017
André Link
Urraca von Zamora
© 2017 André Link
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7345-7368-2
Hardcover:
978-3-7345-7369-9
e-Book:
978-3-7345-7370-5
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André Link
Infantin Elster
Urraca von Zamora
Roman
Foemina mente dira
Soror hunc vita expoliavit
Iure quidem dempto
Non flevit fratre perempto
Die Schwester, eine arge Frau,
nahm ihm das Leben und
in ihrer Ruchlosigkeit
weinte sie nicht (einmal) um ihn
Inschrift am Grabmal von König
Sancho II. im Kloster von Oña
Als Treffpunkt hatte ich diePlaza Mayorvorgeschlagen: Zentraler geht es nicht. Dennoch kam sie eine halbe Stunde zu spät. Aber wir waren in Spanien, und warum sollen Mediävisten da pünktlicher sein als ihre Landsleute?
Ich vertrieb mir die Zeit, indem ich an meinem übersonnten Restauranttisch sitzend an einem Sherry nippte und das Treiben auf derPlazabeobachtete. Um die Reiterstatue Philipps III. flimmerte es golden und purpurn. Unter ständigem Aufklappen seines roten Holzschnabels suchte da ein exotisches Vogelwesen in einem Aufzug aus bunten Federn und Pailletten den Passanten ein paar Münzen zu entlocken. Die obligaten lebenden Statuen fehlten natürlich nicht. Vor dem Gebäude derPanaderíaam nördlichen Ende derPlazawippten Kostüme von Matadoren und Flamenco-Tänzerinnen an Kleiderbügeln. Ob die Abzocker allerdings erwarteten, dass die Touristen diese kauften oder sich ihnen ablichten lieβen, war aus der Ferne nicht zu erkennen.
Dann fiel es wie eine Gewitterwolke in den strahlenden Maitag: Lidia Pidal war aufgetaucht. Eine groβe, magere Person in einem schlichten gelben Schneiderkostüm, das eine gewisse Vornehmheit andeutete. Die brüsken Bewegungen lieβen allerdings ein fahriges Wesen erkennen. Sie nahm Platz und sagte:
„Entschuldigen Sie die Verspätung. Warten Sie schon lange?“
„Ach, nicht der Rede wert. Ich dachte, diePlaza Mayorist ein guter Ort, um sich in der Mittagszeit zu treffen, und essen kann man ja auch hier …“
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab (wobei unübersehbar war, dass sie reichlich Wimperntusche verwendete) und überflog das bunte Treiben aus argwöhnisch zusammengekniffenen Augen. „Sehr touristisch, das Ganze, aber wenigstens geht es schnell.“
„Haben Sie es eilig?“
„Ach, wissen Sie, ein bisschen Zeit wird man sich in der Mittagspause schon nehmen können.“ Sie war bereits beim Studieren der Speisekarte. Ziemlich überflüssig bemerkte ich: „Auf dem Tagesmenü ist Salat oder Suppe, Fisch und ein Nachtisch.“
„Nehmen Sie das? Gut, ich auch. Dann geht es wenigstens schnell.“
Wir schwiegen, bis die Getränke kamen. Ich genehmigte mir ein Viertel Weiβwein, sie trank Mineralwasser. Sie nahm zuerst einen hastigen Zug, dann schüttelte sie ihr glattes, brünettes Haar zurück, in dem eher chaotisch einige hellere Strähnen flirrten, und fragte: „Was interessiert Sie so sehr an Doña Urraca?“
„Oh, es ist doch eine sehr interessante Persönlichkeit. Und von einiger Bedeutung in der spanischen Geschichte.“
„Das ist sie. Ich hoffe nur, wir meinen dieselbe Person. Der Name Urraca war ja nicht selten im asturisch-kastilischen Königshaus. Am bedeutendsten war ihre Nichte, die Nachfolgerin ihres Bruders Alfonso VI., die eigentlich die erste regierende Königin Kastiliens war.“
„Ach.“
„Und dann gab es noch ein Jahrhundert später eine Infantin Urraca, wegen der Königin Eleonore von England im Alter von über achtzig Jahren die Pyrenäen überquerte, um sie mit dem französischen Thronfolger zu verheiraten. Allerdings fiel ihre Wahl nicht auf Urraca, sondern auf deren Schwester Blanca, die dann die Frau von Ludwig VIII. und Mutter von Ludwig dem Heiligen werden sollte.“
„Na ja, wer will schon eine Frau heiraten, die nach einem schwarzen Vogel benannt ist.“
Mein einfältiges Lächeln tat sie mit einem strengen schwarzumwimperten Blick ab. „Elster sind schlaue Tiere, die sich nicht für dumm verkaufen lassen.“
„Natürlich. Natürlich.“ Der Reissalat kam, den ich gar nicht so übel fand. Hals und Kinn vorstreckend, pickte sie wie ein groβer Vogel darin herum. „Mexikanisch, wie?“
„Kubanisch, glaube ich.“
„Hm“. Wieder kniff sie die Augen zu. „Also, was interessiert sie an Doña Urraca? Wollen Sie über sie schreiben?“
„Vielleicht. Zuerst will ich Erkundigungen einziehen. – Darum habe ich Sie ja kontaktiert, Señora Pidal. Und ich bin Ihnen wirklich dankbar, dass Sie sich die Zeit genommen haben …“
Sie winkte unwirsch ab, dann wischte sie sich mit der Serviette ein Reiskorn von ihrem zappeligen Kinn. „In der Tat, sie war eine starke Persönlichkeit. Sie hat ihre Epoche geprägt wie kaum eine Frau des Mittelalters. Und doch kommt sie in den Augen der meisten Historiker nicht sehr gut davon.“
„Weil sie ihren Bruder ermorden lieβ?“
„Das ist nicht erwiesen. Aber es stimmt, sie ist über die Maβen verteufelt worden. Kein Wunder, denn schlieβlich haben nur Männer über sie geschrieben.“
Dem Reis folgte ein in weiβer Sauce schwimmender Fisch, bei dem man unmöglich zu erkennen war, um welche Art es sich handelte. Er war latschig und faserig, die ihn begleitenden Kartoffeln dafür steinhart. Angewidert schmiss Lidia Pidal ihre Gabel hin. „Nicht zu glauben, mit wie viel Dreck man die Arme beworfen hat! In denRomancerosder fahrenden Sänger heiβt es, sie sei von der anscheinend ungerechten Teilung des Reiches durch ihren Vater so aufgebracht gewesen, dass sie androhte, sie würde ihren Leib dem Erstbesten verkaufen: einem Mauren für Geld, einem Christen unentgeltlich. Historisch gesehen ist das natürlich barer Unsinn, denn immerhin gab ihr Vater ihr Zamora und die Oberaufsicht über sämtliche Klöster des Reiches.“
Grimmig leerte sie ihr Glas, und die Kellnerin, die sich von hinten näherte, wies sie in hartem Ton an: „Bringen Sie den Nachtisch, wir haben nicht viel Zeit.“
„Flanoder Torte, Señora?“
„Torte.“ Und, zu mir gewandt: „Genau wie die inzestuöse Beziehung zu ihrem Bruder Alfonso, die man ihr unterstellt. Das hat sich irgendein obskurer Schreiberling aus den Fingern gesogen. Ein Muslim, das sagt bereits alles.“
Die Torte war widerlich süβ, mein Gegenüber vertilgte sie dennoch, wenn auch mit einem unverhohlenen Ausdruck des Widerwillens. Ich wagte einzuschieben: „Und ihre Liebe zuEl Cid…“
„Vorgebliche Liebe! Spinnereien und Spekulationen, männliche Voreingenommenheit und eine Inkompetenz, die jeder Beschreibung spottet! Da gibt es nicht wenig gerade zu rücken. Worum ich mich mein Leben lang bemüht habe.“ Sie funkelte mich wütend an, wie um jeden Widerspruch im Keim zu ersticken – wovor ich mich natürlich wohl hütete. „Es hat mir den Ruf einer fanatischen Feministin und - Sektiererin eingebracht.“
„Nein!“
„Jawohl, jawohl. Doña Urraca von Zamora ist in der Geschichte sozusagen noch ein unbeschriebenes Blatt, und nur weil ich mich bemühe, Licht in die Dunkelheit zu bringen, fallen meine Herren Kollegen über mich her und behandeln mich wie ein schwarzes Schaf. Sie haben keine Ahnung, wie engstirnig und gehässig es bei den sogenannten Intellektuellen zugeht!“
„Doch, doch“, sagte ich. „Ich war schlieβlich Journalist.“
„Und jetzt wollen Sie über sie schreiben! Ja, warten Sie wenigstens, bis ich mit meinen Recherchen zu Ende bin!“
„Nichts lieber als das. Ich hoffe nur, Sie werden mir einen kleinen Einblick in Ihr wissenschaftliches Werk gestatten ...“
„Nun, mein Lieber, Sie werden Augen machen, das kann ich Ihnen versprechen.“
Erneut hielt sie nach der Kellnerin Ausschau. „Auf den Kaffee verzichte ich. Den können wir irgendwo trinken, wo es etwas weniger laut und ordinär zugeht.“
„Äh, ja …“
Nachdem ich hastig die Rechnung beglichen hatte, stiefelte ich Lidia Pidal nach, die in weit ausholenden Schritten diePlaza Mayorhinter sich brachte.
*
Einen Kaffee wollte sie dann doch nicht, stattdessen kaufte sie auf derPlaza de Orienteeine Büchse Cola, die sie in wenigen gierigen Schlücken leerte. „Aah! Das habe ich gebraucht. Wissen Sie, was Koffeinhaltiges hätte ich jetzt nicht vertragen.“
Ich nickte, verständnisvoll wie ein chinesischer Philosoph. Vor der Nachmittagshitze, die sich wie eine bleierne Haube über die Stadt gesenkt hatte, suchten wir zwischen den Büschen und barocken Statuen des Parks Schutz. Lidia Pidal saβ zurückgelehnt auf ihrer Steinbank, knabberte am Bügel ihrer Sonnenbrille und sah mit starren Blicken zum königlichen Palast hin. Ihre Gedanken schienen jedoch ganz woanders zu weilen.
Schlieβlich kehrte sie in die Realität zurück. Einen Moment sah sie einer verschleierten Frau zu, die ihr pausbäckiges und kulleräugiges Kind mit Schmalzgebäck vollstopfte, dann sagte sie: „Wie gesagt, ich bitte Sie nur, mit dem Schreiben zu warten, bis etwas Konkretes auf dem Tisch liegt. Ich arbeite Tag und Tag. Keine auf das Mittelalter spezialisierte Bibliothek, kein Archiv, keins von Urracas Klöstern, wo ich nicht wie eine Wühlmaus wüte … Aber es muss etwas zum Vorschein kommen, das kann ich beschwören … es muss einfach!“
In ihren Augen war ein seherisch-schwelgerischer Glanz, und der Sonnenbrillenbügel knirschte förmlich unter ihren Marderzähnen. Ich überlieβ sie ihren verstiegenen Gedankengängen und blickte zum Palast. Von der Almudena-Kathedrale bis zum Gitterwerk des Eingangs wand sich – mit einem S-förmigen Knick in der Mitte – eine endlose Besucherschlange. Aber schlieβlich ist derPalacio Realals Touristenmagnet einer der wenigen unumgänglichen Hotspots der spanischen Hauptstadt.
Das Schnauben neben mir verriet, dass die Wühlmaus wieder am Wüsten war. „Gut“, sagte sie und tastete mit den Zehen nach ihren Pumps, die sie abgestreift hatte. „Ich halte Sie per Mail auf dem Laufenden. In der Zwischenzeit können Sie ja versuchen, Ihrer Heldin rein physisch näher zu kommen. Fahren Sie nach León, wo sie begraben ist, nach Zamora, wo sie residierte. Zamora ist reizend – noch nicht überlaufen und vom Massentourismus pervertiert wie andere unsägliche Orte, wo sich die Besucher drängen, ohne selbst zu wissen warum. Und León ist allemal einen Abstecher wert. Ich empfehle Ihnen denParador,anscheinend der schönste Spaniens. Etwas teurer als normale Hotels, aber die Atmosphäre ist einmalig, und man isst und logiert dort vorzüglich.“
„Ja“, sagte ich. „Eigentlich wollte ich dort schon immer hin.“
„Dann tun Sie es jetzt. Wie gesagt, sollte ich etwas in Erfahrung bringen, melde ich mich bei Ihnen.“
„Das wäre wirklich riesig nett von Ihnen.“
„Versteht sich von selbst.“ Lidia Pidal schulterte ihre Hängetasche wie einen Ritterschild, kniff die Augen zusammen und riss meine Hand mit männlich-hartem Griff an sich, bevor sie sie ebenso resolut wieder loslieβ. „Und jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss weiter.“
*
Vom Bahnhof von León aus spazierte ich, meinen Rollkoffer hinter mir herziehend, durch die Grünanlagen an den Ufer des Bernesga zumParador, bis mich eine altertümliche Steinbrücke wissen lieβ, dass ich diesen erreicht hatte. Selbst wenn man darauf vorbereitet war, verschlug einem die Pracht des ehemaligen Kosters des Santiago-Ordens den Atem. Die platereske Überfülle der Auβenfassade schien ein weitläufiger, gefliester Platz widerzuspiegeln, aus dem einem tagsüber Wasserspiele und nachts Lichtspots entgegensprangen. Wanderte man durch die zum Teil verglasten Kreuzgänge, zwischen damastbezogenen Sesseln, unter wabenförmig in Holz und Stein skulptierten Decken und unter den entrückten Blicken von Heiligen und Putten, mochte man sich wie ein Ordensgroβmeister oder etwas bescheidener wie ein blasierter Tourist vorkommen. Vielleicht aber fragte man sich bloβ, was all dieser Prunk mit christlicher Bedürfnislosigkeit zu tun hat. Davon konnte man allenfalls etwas in der angebauten Kirche San Marcos spüren, wo wunderschönes Holzgestühl von der Empore aus das hoheitsvoll von einem Kreuzgewölbe überspannte Kirchenschiff überblickt.
*
Es war noch ziemlich früh, und, da man seine Höhepunkte der Vorfreude wegen möglichst hinauszögern soll, wanderte ich zunächst in die Altstadt. Hier war natürlich in erster Linie die Kathedrale mit ihren leuchtenden Glasfenstern bemerkenswert.
Als ich wieder hinauskam, prasselte mir ein orkanartiger Platzregen entgegen. Wahre Kaskaden schlugen herab, vor denen verzagte Touristen unter Arkaden und Markisen Schutz suchten. Als der Regen etwas nachlieβ, stapfte ich waghalsig durch die über das Straβenpflaster flutenden Bäche und landete in einem Restaurant, das mit seinen als Bücher-Attrappen tapezierten Wänden sehr einladend aussah. Triefend und benommen, bestellte ich„Rape“, weil ich annahm, dass sich hinter diesem Wort irgendein wohlschmeckender Fisch verbarg. In Begleitung einer knackigen Salats sollte sich der gegrillte Seeteufel, den ich sonst eigentlich nicht besonders schätze, als Delikatesse herausstellen.
Der Regen hatte aufgehört, und so konnte ich gutgelaunt meine Streifzüge fortsetzen. ImPalacio de los Condes de Lunaerfuhr ich, im Rahmen der örtlichen Geschichte, einiges über Leóns Könige, all die Fernandos, Sanchos und Alfonsos, deren lange Reihe auf die westgotischen Herrscher zurückgeht. Ihr Ruhm, auf den Spanien noch heute stolz ist, gründet hauptsächlich in den Befreiungskriegen mit den Mauren, weshalb sich die christlichen Könige von Asturien und später von Kastilien-León auch selbstbewusst den Kaisertitel zulegten. Mit diesem Kapitel war ich bereits früher, in der mythischen Höhle von Covadonga und, während nebenan Präsident Aznar nach seiner gebügelten Hose rief, imHotel de la Reconquistain Oviedo sowie in den reich ausgemalten frühchristlichen Kirchlein im Umkreis der asturischen Hauptstadt in Berührung gekommen.
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Abends stöberte ich im Internet nach weiteren Details über Sanchos, Alfonsos und Urracas. Zu Urraca Fernández, Herrin von Zamora, gab es ein paar summarische Biographien und ein oder zwei Romane, deren devoter Ton und salbungsvolle Dialoge an Schwülstigkeit kaum zu überbieten waren. Detaillierte Sachbücher über die Prinzessin waren Mangelware, zumeist tauchte sie nur als Nebenfigur in spezialisierten Wälzern zu ihrer Epoche und ihrer Dynastie auf. Natürlich stieβ ich immer wieder auf dieProfesoraLidia Pidal, anerkannte, wenn auch nicht unumstrittene Kapazität auf dem Gebiet der spanischen Mittelalterforschung. Aus der Liste ihrer Veröffentlichungen, in Form von Büchern und Artikeln, zu schlieβen, hatte sie aus der Infantin Elster ihr Lebenswerk gemacht. Ihr - ausufernder - Blog hätte in Deutschland von akademischen Titeln gestrotzt. Hier aber auf ihrem gewohnten Terrain konzentrierte sie sich auf das Wesentliche und verteidigte, nicht gerade wissenschaftlich objektiv, dafür mit umso mehr Leidenschaft, ihre Sache gegen die Angriffe ebenso wenig objektiver und genauso verbissener Kritiker.
Das alles lieβ ich mir durch den Kopf gehen, während ich, während mir vom Bildschirm noch die durchdringenden schwarzumwimperten Späherblicke der Señora Pidal folgten, zum Fenster trat und meine schmerzenden Augen über das Uferried des Bernesga streifen lieβ.
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