Johann Georg August Wirth - Axel Herrmann - E-Book

Johann Georg August Wirth E-Book

Axel Herrmann

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Beschreibung

Der gebürtige Oberfranke Johann Georg August Wirth (1798–1848) trat 1832 als Organisator und Hauptredner beim Hambacher Fest ins Rampenlicht der Geschichte. Durch seine Reden und Schriften forderte der unerschrockene Publizist sogar den bayerischen König Ludwig I. und den mächtigen österreichischen Staatskanzler Metternich heraus – wofür er einen hohen Preis zahlte. Von seinen Anhängern und Verehrern als "Vorkämpfer für Einheit, Recht und Freiheit" gefeiert, umweht ihn heute der Mythos eines Mitbegründers des freiheitlich-demokratischen Deutschland. Auf diesen Sockel möchte ihn der Autor nicht stellen. Vielmehr zeichnet er ein differenziertes Bild mit allen Brüchen und Schattenseiten des Lebens von Wirth, der sich auch als Jurist, Nationalökonom und historischer Schriftsteller zu seiner Zeit einen Namen gemacht hat.

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kleine bayerische biografien

herausgegeben vonThomas Götz

AXEL HERRMANN

Johann Georg August Wirth

Ein politisches Leben zwischenRestauration und Revolution

kleine bayerische biografien

Biografien machen Vergangenheit lebendig: Keine andere literarische Gattung verbindet so anschaulich den Menschen mit seiner Zeit, das Besondere mit dem Allgemeinen, das Bedingte mit dem Bedingenden. So ist Lesen Lernen und Vergnügen zugleich.

Dafür sind gut 100 Seiten genug – also ein Wochenende, eine längere Bahnfahrt, zwei Nachmittage im Café. Wobei klein nicht leichtgewichtig heißt: Die Autoren sind Fachleute, die wissenschaftlich Fundiertes auch für den verständlich machen, der zwar allgemein interessiert, aber nicht speziell vorgebildet ist.

Bayern ist von nahezu einzigartiger Vielfalt: Seine großen Geschichtslandschaften Altbayern, Franken und Schwaben eignen unverwechselbares Profil und historische Tiefenschärfe. Sie prägten ihre Menschen – und wurden geprägt durch die Männer und Frauen, um die es hier geht: Herrscher und Gelehrte, Politiker und Künstler, Geistliche und Unternehmer – und andere mehr.

Das wollen die KLEINEN BAYERISCHEN BIOGRAFIEN: Bekannte Personen neu beleuchten, die unbekannten (wieder) entdecken – und alle zur Diskussion um eine zeitgemäße regionale Identität im Jahrhundert fortschreitender Globalisierung stellen. Eine Aufgabe mit Zukunft.

DR. THOMAS GÖTZ, Herausgeber der Buchreihe, geboren 1965, studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie. Er lehrt Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Regensburg und legte mehrere Veröffentlichungen, vor allem zu Stadt und Bürgertum in Bayern und Tirol im 18., 19. und 20. Jahrhundert, vor. Darüber hinaus arbeitet er im Museums- und Ausstellungsbereich.

Inhalt

I.Johann Georg August Wirth – eine Annäherung an seine Person

II.Mitgift seines Lebens

Die preußische Ära in Franken / Die Textil- und Handelsstadt Hof / Die Familie Wirth / Schule und Bildung / Hof wird bayerisch

III.Auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben

Ein Armutszeugnis für Wirth / Karl Ludwig Sand und die Burschenschaften / Eintritt in Berufs- und Ehestand

IV.Die Bayreuther Jahre

Biedermeier in Bayreuth / Bayerisches Rechtswesen / Nationalökonomie / Die Krankheit des Staates / Romantisches Geschichtsbild / Die Idee der Freiheit und Menschenwürde

V.Im Kampf um die Pressefreiheit

Die Julirevolution in Frankreich und ihre Folgen / Der »Kosmopolit« / Allianz mit Cotta / Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf, Medienzar und Industriepionier / Vormärz / Die Deutsche Tribüne / Die Rheinpfalz – Bayerns freiheitlicher Westen / Der Deutsche Press- und Vaterlandsverein / Philipp Jakob Siebenpfeiffer – Wegbereiter und Weggefährte Wirths / Freiheitsbäume

VI.Das Hambacher Fest

Die Vorgeschichte / Inszenierung des Festes / Schwarz-Rot-Gold / Wirths Hambacher Rede / »Das Volk liebt, wo die Könige hassen« – aus Wirths Hambacher Rede / Nachwirkungen und Reaktionen

VII.In den Mühlen der Justiz

Untersuchungshaft in Zweibrücken / Assisengericht / Assisenprozess in Landau / Die Rechte des deutschen Volkes – Wirths Verteidigungsrede / »Der ideale Staat« – aus Wirths Verteidigungsrede / »Der überzeugte Republikaner« – aus Wirths Verteidigungsrede / Zuchtpolizeisträfling in Zweibrücken und Kaiserslautern / Die Kulturgeschichte der Menschheit / Festungshaft in Passau

VIII.Verbannung und Exil

Verbannung in Hof / Die Ehre, nicht Wohnort von Wirth zu sein / Im französischen Exil / Amalie Lemmé, Mäzenin und Priesterin der Freiheit / Das Schweizer Exil / Die Rheinkrise 1840 / Historiker oder politischer Schriftsteller? / Wirth über die Bedrohung Deutschlands durch »gallo-romanische« und slawische Völker

IX.Der verspätete Revolutionär

Zwischen Evolution und Revolution / Wirth über die Rolle deutscher Fürsten in der Revolution 1848 und die Aufgabe von Republikanern bei Staatsumwälzungen / Wirths Wahl in die Nationalversammlung / Die Wahlen zur Frankfurter Nationalversammlung / Der allzu frühe Tod des Abgeordneten Wirth

X.Nachleben im Wandel der Zeit

Johann Georg August Wirth – ein zweiter Moses? / Wo steht Wirth? / Gedenken in Wirths Vaterstadt Hof

Anhang

Zeittafel / Literaturverzeichnis / Bildnachweis

I.Johann Georg August Wirth – eine Annäherung an seine Person

Als im Vorfeld der Feierlichkeiten zum 200. Geburtstag und zum 150. Todestag von Johann Georg August Wirth 1998 in Hof der Gedanke aufkam, für den großen Sohn der Stadt ein Denkmal zu errichten, waren sich die Beteiligten, darunter der Autor dieser Biografie, einig, Wirth als Person nicht auf einen Sockel zu stellen. Vorbei waren die Zeiten, wo man gekrönte Häupter, aber auch Geistesgrößen und Dichterfürsten wie Goethe und Schiller erhöhte, damit sie vom Volk ehrfurchtsvoll bestaunt werden konnten. Eine solche Vorgehensweise hätte sicher nicht im Interesse Wirths gelegen. In Hof entschied man sich daher für einen Entwurf des ebenfalls in der Saalestadt geborenen Künstlers Andreas Theurer, der einen zentralen Aspekt aus dem Leben des Publizisten Wirth herausgriff und ihn in Form einer aufgeschlagenen Seite der Deutschen Tribüne in den Blickpunkt des Betrachters rückte.

Auch der Verfasser will Wirth nicht auf einen Sockel stellen, sondern im Gegenteil ihn wieder erden. Wirth war kein Übermensch und erst recht kein Mythos, zu dem er von einigen Gralshütern der freiheitlich-parlamentarischen Demokratie stilisiert worden ist. Freilich darf man die Bedeutung Wirths auch nicht auf seine Rolle beim Hambacher Fest reduzieren. Er besitzt in herkömmlichen Darstellungen über den Vormärz einen festen Stammplatz und in diesem Zusammenhang tauchen Philipp Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth wie Dioskuren im Spotlight der Geschichte auf, um dann meist ebenso, wie sie erschienen sind, wieder im Dunkeln der Vergangenheit zu verschwinden.

Worin bestehen aber die Gründe, sich heute noch mit der Biografie eines Mannes zu beschäftigen, der in seinem Leben vielleicht mehr Niederlagen einstecken musste, als er Erfolge feiern konnte. Wirth war bekanntlich kein Staatsmann oder herausragender Politiker in einem festen Amt; als Publizist stand er eher in der zweiten oder dritten Reihe aller politisch aktiven Persönlichkeiten. Gerade deswegen sollte er aber im Hinblick auf seine Breitenwirkung nicht unterschätzt werden. Denn mit dem konsequenten und unerschrockenen Auftreten Wirths mussten sich sogar der bayerische König Ludwig I. und der beinahe allmächtige österreichische Staatskanzler Fürst Metternich mehr beschäftigen, als es ihnen lieb war. Mit anderen Worten: Auch die Männer der ersten Reihe waren niemals so autonom, wie es ein verkürztes Geschichtsdenken glauben macht. Ihr Handeln war im positiven wie im negativen Sinne zum großen Teil ein Reflex auf die Meinungen und Einflüsse nachrangiger Gestalten. An dieser Tatsache hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn immer mehr Frauen in führende Positionen einrücken. Wenn man also historische Prozesse wirklich verstehen will, kommt es auch auf die biografische Erhellung scheinbar untergeordneter Mitspieler an. Im Spiegel jener Personen lassen sich überdies die spezifischen kulturellen und sozioökonomischen Verhältnisse einer bestimmten Epoche sichtbar machen.

Eine gute Biografie zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass sie nicht vom Lebensende der betreffenden Person her erzählt wird. Nur so kann vermieden werden, dass erst für eine spätere Lebensphase geltende Einsichten und Urteile den Blick auf die Entwicklung eines Menschen in ihrer Gesamtheit verstellen. Genauso wenig darf die Darstellung auf ein besonderes Ereignis – im Falle Wirths das Hambacher Fest – fokussiert werden. Die vorliegende Biografie versucht deshalb, das Leben von Johann Georg August Wirth mit all seinen Möglichkeiten und Brüchen, Höhen und Tiefen in der gebotenen Kürze chronologisch nachzuzeichnen. Der Autor ist sich bewusst, dass mit der fesselnden Lebensbeschreibung von Michail Krausnick aus dem Jahre 1997 und der quellenmäßig sehr fundierten und detailreichen Dissertation von Elisabeth Hüls 2004 bereits biografische Maßstäbe für Wirth gesetzt wurden. Dennoch bleiben nicht nur Fragen offen; die Quellenlage eröffnet auch manche Spielräume für andere Akzentsetzungen und andere Interpretationen. Letztlich teilt Johann Georg August Wirth das Schicksal mit so vielen anderen Menschen, dass man sich seiner Person nur so gut wie möglich annähern kann, ohne den Anspruch zu erheben, ihn vollständig erfasst und verstanden zu haben.

II.Mitgift seines Lebens

Man schrieb das Jahr 1798, als Johann Georg August Wirth am 20. November in Hof im »Voigtlande« geboren wurde. In diesem Jahr hatte Napoleon seine Expedition nach Ägypten begonnen, deren kulturelle Frucht die wissenschaftliche Erforschung des Landes am Nil werden sollte. In Wien erlebte derweil das Oratorium Die Schöpfung von Joseph Haydn seine Uraufführung und Friedrich Schiller vollendete seine Ballade Die Bürgschaft. Solche geistigen Bereicherungen des Lebens wurden in der fränkischen Provinzstadt wohl kaum wahrgenommen, dafür aber die Teuerung der Getreidepreise und ein gewisser Niedergang des produzierenden Gewerbes umso mehr. Als Ursache sah der damalige Verfasser der Hofer Altstadtchronik das Wirken der französischen Revolutionsarmeen. Aus der zeitlichen Distanz heraus darf konstatiert werden, dass die wirtschaftliche Lage im Geburtsjahr Wirths noch keineswegs so dramatisch war, wie sie der Chronist glauben machen möchte.

DIE PREUSSISCHE ÄRA IN FRANKEN

Bereits 1791 waren die fränkischen Fürstentümer Ansbach und Bayreuth an Preußen gefallen, nachdem der des Regierens überdrüssige Markgraf Karl Alexander zugunsten der hohenzollernschen Verwandten in Berlin Verzicht geleistet und sich mit der Dame seines Herzens, Lady Craven, nach England ins Privatleben zurückgezogen hatte. König Friedrich Wilhelm II. sandte seinen Leitenden Minister Karl August Freiherr von Hardenberg mit vizeköniglichen Vollmachten ausgestattet nach Franken, um von den beiden Markgrafschaften Besitz zu ergreifen und sie im Geiste der Aufklärung des Spätabsolutismus zu reformieren. Begünstigt durch den Frieden von Basel 1795, mit dem Preußen aus der Reihe der Koalitionäre im Krieg gegen Frankreich ausschied, brach Hardenberg die verkrusteten, teilweise noch aus dem Mittelalter stammenden Verwaltungsstrukturen auf. Seine große Leistung bestand neben der Einführung des Allgemeinen Preußischen Landrechts in der Trennung von Justiz und Verwaltung sowie in einer klaren Gliederung der Behörden. Gerade diese Form von Gewaltenteilung sah der erwachsene Wirth später für eine unabhängige Justiz und einen liberalen Staat als unabdingbar an. In Hof blieb die Selbstverwaltung der Stadt durch einen Magistrat unter Aufsicht eines Polizeidirektors bestehen. Gleichzeitig stärkten die Reformen die Wirtschaftskraft der Stadt. Das Bürgertum und mit ihm die Familie Wirth fühlte sich in dem moderneren und größeren Staatswesen gut aufgehoben.

Diese hoffnungsvolle Entwicklung Hofs endete abrupt im Jahre 1806 mit der unbedachten Kriegserklärung Preußens an Frankreich und der vernichtenden Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt. Mit dem Aufmarsch französischer Truppen auf der Heerstraße über Hof erlebte die Bevölkerung wie im Dreißigjährigen und im Siebenjährigen Krieg wiederum die Schrecken militärischer Einquartierungen. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 fand sich das Fürstentum Bayreuth dann als Provinz im französischen Kaiserreich wieder. Der französische Gouverneur Camille de Tournon beließ es bei den preußischen Verwaltungsstrukturen und bemühte sich redlich, die Kriegslasten so gering wie möglich zu halten. Für Napoleon stellte das ehemalige Fürstentum jedoch von Anfang an nur ein Kompensationsobjekt für künftige Territorialverschiebungen dar.

DIE TEXTIL- UND HANDELSSTADT HOF

Unter den drei großen Städten der Markgrafschaft Bayreuth erstrahlte die Residenzstadt Bayreuth spätestens seit dem Wirken der Markgräfin Wilhelmine (1709–1758), der Schwester des Preußenkönigs Friedrich II., in repräsentativem fürstlichem Glanz, während sich die aufstrebende Hugenottenstadt Erlangen 1743 der Gründung einer landesherrlichen Universität erfreuen konnte. Dagegen schlug in der äußerlich unscheinbaren Stadt an der Saale das wirtschaftliche Herz des Fürstentums. Seit dem 15. Jahrhundert wurde in Hof Baumwolle verarbeitet und je nach Mode gefertigte Baumwolltücher stellten einen weithin gefragten Exportartikel dar. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts fand fast jeder vierte im Baumwollgewerbe der beiden Fürstentümer Ansbach und Bayreuth Beschäftigte seine Arbeit in Hof. Der Anteil des hier geschaffenen Produktionswertes lag innerhalb des Bayreuther Fürstentums bei nahezu 50 %. Zudem hatten sich in Hof mehrere mazedonische Baumwollgroßhändler niedergelassen, die nicht nur die Region mit mazedonischer, levantinischer und westindischer Baumwolle versorgten, sondern die Saalestadt zu einem der größten Baumwollmärkte Deutschlands machten.

Begünstigt wurde diese Entwicklung durch den Umstand, dass Hof im Schnittpunkt mehrerer Fernhandelsstraßen lag. So kreuzten sich in der Saalestadt die Verbindungen von Augsburg und Nürnberg nach Leipzig sowie die von Magdeburg und Halle nach Regensburg. Zudem führte die Frankenstraße, auch Sächsische Bergstraße genannt, von Hof über Freiberg in Sachsen nach Dresden, wo sie Anschluss an die Hohe Straße Richtung Schlesien fand. So waren Hofer Kaufleute nicht nur auf den bekannten Messeplätzen Leipzig, Nürnberg und Frankfurt/Main vertreten, sondern es versammelten sich – einem Bericht des französischen Gouverneurs zufolge – auch »Kaufleute aus Sachsen, Böhmen und anderen Gegenden« auf »den großen Messen in Hof«. Und Wirth erinnerte sich in seiner Autobiografie, den Denkwürdigkeiten aus meinem Leben, noch »deutlich« an die »beträchtlichen Güterzüge«, die er in seiner Knabenzeit »täglich« sah. Kein Wunder, wenn die Saalestadt neben einer kaiserlichen auch eine kursächsische Poststation beherbergte, von denen man nach den Worten des Landeshauptmannes Philipp Ludwig von Weitershausen »nicht allein durch ganz Deutschland, sondern auch durch ganz Europa die besten und schleunigsten Bestellungen« machen konnte.

DIE FAMILIE WIRTH

Johann Georg August Wirth entstammte einer angesehenen Hofer Postmeisterfamilie. Sein Großvater Johann Gottlob Joachim Wirth betrieb seit 1765 als kaiserlicher Reichspostmeister die Posthalterei, also die Geschäftsstelle, während der Onkel als Poststallmeister für die Erledigung der Ritte und Fahrten verantwortlich war. Diese Aufgabe fiel 1794 Wirths Vater Johann Adam Gottlieb zu. Als 1799 auch die Expedition der kursächsischen Post Wirths Großvater übertragen wurde, nahm die Familie Wirth im Hofer Postwesen eine Monopolstellung ein.

Alter Poststall in Hof, Unteres Tor 4, mit Gedenktafel für Johann Georg August Wirth. Das Gebäude wurde im 19. und 20. Jh. lange Zeit als Gastwirtschaft unter der Bezeichnung »Poststall« oder »Bayerischer Hof« genutzt.

Wirth beschrieb seinen Vater als einen tatkräftigen Mann, kühnen Reiter und leidenschaftlichen Jäger, »lebhaft bis zur Heftigkeit« und »bei Gefahren trotz des angeborenen Feuers kaltblütig und geistesgegenwärtig«. Auf der anderen Seite sei er »gütig und mild« gewesen und habe sich – »begabt mit dem weichsten Herzen« – stets als Wohltäter der Armen erwiesen. Ein Sturz vom Pferde leitete ein längeres Siechtum ein, das den erst Dreiunddreißigjährigen am 6. Dezember 1803 zum Tode führte. Noch auf dem Sterbebett soll er sich um die Versorgung seiner Frau und ihrer fünf unmündigen Kinder gekümmert haben. Da Wirth beim Ableben seines Vaters erst fünf Jahre alt war, entspricht das in den Denkwürdigkeiten gezeichnete Bild des Poststallmeisters wohl vor allem der in der Familie gepflogenen Tradition.

Wirths Mutter Wilhelmina Augusta Albertina, eine Pfarrerstochter aus dem sächsischen Theuma, die der Sohn für »womöglich noch feuriger und heftiger« hielt als den Vater, machte fortan die Erziehung und gute Ausbildung der Kinder zu ihrer Lebensaufgabe. Doch blieben weitere Schicksalsschläge nicht aus. Schon kurze Zeit nach dem Tode des Vaters verstarb auch Wirths jüngerer Bruder Franz August. Als gegen Ende des Jahres 1813 infolge zahlreicher Truppendurchzüge das »Nervenfieber«, vermutlich das Fleckfieber, nach Hof eingeschleppt wurde, erkrankte der ältere Bruder Johann Sebastian Christian, ein »Jüngling von unbeschreiblicher Herzensgüte«, und erlag dieser Seuche im folgenden Jahr. Der Tod seines Bruders traf Wirth hart, noch mehr das bei ihm ebenfalls ausbrechende Nervenfieber. Obwohl er durch die geschickte Behandlung des Landarztes Gräfe gerettet wurde, fühlte er sich im Inneren »so öde, dass ich den Tod als Freund ersehnt hatte«. Nachdem auch die ältere Schwester verstorben war, wurde es einsam im Hause Wirth. Dem einzig überlebenden Bruder verblieb schließlich nur noch die jüngere Schwester, die aber bei einer Tante in Wunsiedel aufwuchs.

SCHULE UND BILDUNG

Nach eigenen Angaben besuchte Wirth schon mit vier Jahren die »Bürgerschule« seiner Heimatstadt. Hinter dieser vornehmen Umschreibung verbarg sich nur die Tristesse des damaligen deutschen Schulwesens. Da die vier Hofer Volksschullehrer einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte aus dem Schulgeld bezogen, drängten sich zeitweise bis zu 90 Kinder in einer engen Schulstube. Mehr als das Erlernen einiger elementarer Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen war da nicht zu erwarten. Überlegungen für den Bau eines zweckmäßigen Schulhauses und einer steuerbasierten Besoldung der Lehrer standen zwar im Raum, konnten jedoch in der relativ kurzen Zeit der preußischen Herrschaft nicht mehr realisiert werden. Für den lernbegierigen Knaben musste der Übertritt an das Hofer Gymnasium im Alter von acht Jahren wie eine Befreiung gewirkt haben. Das Gymnasium Albertinum zählte nicht nur zu den ältesten Lehranstalten seiner Art im späteren Königreich Bayern, sondern genoss auf Grund seines fast schon akademischen Niveaus einen ausgezeichneten Ruf.

Die Gedenktafel wurde zum 150. Geburtstag Wirths am 20. November 1948 von der Stadt Hof angebracht – mit falschem Todesdatum. Neuere Forschungen haben ergeben, dass Wirth nicht hier, sondern im Haus Ludwigstraße 28 geboren wurde.

Wirth fand vor allem an der griechischen Sprache so großen Gefallen, dass er sich schon in der Frühe um fünf Uhr an seinem Arbeitstisch einfand, »und wenn man mich aus Rücksicht auf die Gesundheit zuweilen nicht wecken ließ, so empfand ich bittern Verdruss«. In seinen Denkwürdigkeiten beschreibt Wirth, wie es ihm »noch jetzt gegenwärtig [sei], mit welcher Begeisterung wir den Schilderungen der Freiheit und der edlen Nationalzustände der Griechen und Römer zuhörten«. Auch wenn wir derartige Äußerungen über sich selbst als Schüler und den Unterricht am Hofer Gymnasium nicht als bare Münze nehmen können, so sollte nicht übersehen werden, dass der gereifte Schriftsteller hier seiner alten Schule ein literarisches Denkmal setzte.

Umso gravierender empfand Wirth den Einschnitt in sein Leben, als die königlich bayerische Regierung 1811 die ehrwürdige Hofer Lehranstalt mit einem »Federstrich« auflöste und der 13-jährige Jüngling gezwungen war, seine Studien am Bayreuther Gymnasium fortzusetzen.

Hof wird bayerisch

Nachdem Napoleon 1810 das Fürstentum Bayreuth für 15 Millionen Francs dem bayerischen König Max I. Joseph überlassen hatte, wurde am 4. Juli das Besitzergreifungspatent in Hof verkündet. Fünf Tage später wurden die Amtsträger der Stadt auf den neuen Landesherrn vereidigt. Bei einem feierlichen Gottesdienst in der Michaeliskirche zum Abschluss der würdevollen Handlung fielen »Thränen des Dankes von den Augen der gerührten Anwesenden«. Sofern diese Empfindungen echt waren, so sollten die Beteiligten bald eines anderen belehrt werden. Wie Wirth in seinen Denkwürdigkeiten ausführt, hatte die preußische Regierung viel Geld in den Ausbau der Infrastruktur des Landes investiert, namentlich in den Bergbau, die Landwirtschaft und das Fabrik- und das Schulwesen. »In Ansehung des Handels hatte Preußen damals den Grundsatz niedriger Zölle, und diese waren wenigstens im Fürstenthum Baireuth so gering, daß sie z. B. im Hauptgrenzort Hof von einem einzigen Beamten verwaltet wurden. […] Kaum hatte aber Baiern Besitz ergriffen, so erschien eine Fluth von Verordnungen, welche alle Zustände des Landes zu ihrem Nachtheil umstießen. […] Zudem wurden die vorzüglichsten Beamten des Landes, welche durch langjährige Erfahrung mit den Bedürfnissen des Volkes vertraut waren, in andere bairische Provinzen versetzt, und an ihrer Stelle Altbaiern ernannt, die weder die Gesetze noch die Sitten unsres Landes kannten. […] Um das Unglück voll zu machen, sandten die Baiern zur Ablösung des einzigen preußischen Zollbeamten ein ganzes Heer von Zöllnern mit Einrichtungen, wodurch der Handel ungemein beschränkt ward.« Wirth krönte seine Kritik an den Maßregeln der bayerischen Regierung mit einer Anekdote, in der sich einmal mehr die von ihm geschätzte Hofer Spottlust offenbarte. Zum Bemühen der bayerischen Behörden, alle Zeichen der preußischen Herrschaft zu verwischen, »gehörte unter andern ein schwarzer Adler, welcher an das Thor des Kammeramts-Gebäudes in Hof gemalt war. Man ließ denselben sorgfältig überstreichen; doch so dick die Farbe auch aufgetragen wurde, immer kam der fatale Adler wieder zum Vorschein. Einige Leute hielten dieß für eine Vorbedeutung, daß das Land bald wieder preußisch werde, die meisten ergötzten sich dagegen an dem närrischen Vorfall, weil er Aerger der bairischen Beamten erregte, und wenn man den Anstreicher mit seinem dicken Pinsel auf das Kammeramtsgebäude zueilen sah, so hieß es unter krampfhaftem Gelächter: ›der Adler ist schon wieder da‹.«

Obwohl Wirth in Bayreuth auf manchen Bekannten aus seiner Hofer Gymnasialzeit stieß – so den ehemaligen Konrektor Johann Nikolaus Grimmer – fühlte er sich fern vom Elternhaus an der dortigen Lehranstalt nicht wohl. So verließ er Bayreuth bereits nach einem Jahr, um Fortkommen am Gymnasium in Plauen zu suchen. Indessen verschärften die französische Niederlage im Russlandfeldzug 1812 und der beginnende Freiheitskrieg gegen Napoleon die erste Lebenskrise Wirths. In der Hoffnung, einen Beitrag zur Vertreibung der Franzosen und zur Rückkehr der Preußen in seine Vaterstadt leisten zu können, trug er sich 1813 mit dem Gedanken, Soldat zu werden. Zu seinem Glück erfüllte er die militärischen Normen nicht und fand in dem Hofer Pfarrer Johann Gebhardt einen erfahrenen Pädagogen, der ihn durch Privatunterricht über Wasser hielt.

1814 fühlte sich Wirth wieder stabil genug, dass er von sich aus einen Schulabschluss am Gymnasium anstrebte. Da zu dieser Zeit die Lehranstalt in Hof immer noch geschlossen