Julia – Ein Pferd für zwei - Christiane Gohl - E-Book

Julia – Ein Pferd für zwei E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Julia hat nach dem Umzug aufs Land neue Reiterfreunde gefunden, zusammen gründen sie eine Pferdehaltergemeinschaft. Zwei junge Reitanfängerinnen wollen sich Julia und ihren Freunden anschließen. Doch ihr Pferd ist alt und sollte eigentlich nicht mehr geritten werden. Es kommt zum Streit...Dies ist der zwölfte Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl.-

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Christiane Gohl

Julia – Ein Pferd für zwei

 

Saga

Julia – Ein Pferd für zwei

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1999, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013045

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Ein Pony in der Küche

»Wir sollten eine Grillparty geben«, überlegte Nickie. Die junge Frau hockte auf einem umgedrehten Wassereimer und sah Julia und Gloria beim Streichen der Weidehütte zu. Ihren Anteil an diesem Werk hatte Nickie bereits erledigt. Auf der Rückseite des Stalls, die einer Straße und damit den Blicken der Nachbarn zugewandt war, prangte ein buntes Bild: Dargestellt waren vier Ponys auf der Weide und darüber ein großer bunter Regenbogen. Es sah aus wie eine der Kinderbuchillustrationen, mit denen Nickie ihr Geld verdiente.

»Zur Stalleinweihung?«, fragte Julia. »Eine super Idee! Wir könnten die Jungs von der freiwilligen Feuerwehr einladen – und all die anderen, die uns beim Bau geholfen haben.«

Und das waren viele! Julia hatte sich selbst gewundert, wie viele Helfer ihr Stiefvater Klaus und ihre Freundin Nickie organisiert hatten. Klaus war mit dem halben Dorf verwandt und fast alle seine Cousins und Onkel arbeiteten in der Land- und Forstwirtschaft. Mithilfe ihrer Trecker und Spezialbohrer hatten sie den Holzzaun rund um Klausʼ Grundstück und den Elektrozaun nebenan ruckzuck aufgebaut. Inzwischen zeigte sich das erste Grün auf der frisch eingesäten Weide und seit dem Wochenende stand auch die Weidehütte. Dabei wiederum waren Nickies Freunde sehr hilfreich gewesen. Die hübsche junge Frau hatte auf dem Feuerwehrfest ihren Scharm spielen lassen und sofort waren fünf junge Männer zum Helfen angerückt. Sobald das Gras gewachsen war, würden die Ponys ihre neue Haltungsanlage beziehen können.

»Und die Nachbarn nicht zu vergessen!«, ergänzte Gloria die Gästeliste. »Um die können wir uns gar nicht genug bemühen. Walters hatten immer Probleme mit ihren Nachbarn. Einmal passte ihnen der Pferdegeruch nicht, dann nervten sie die Geräusche, wenn wir Sonntagmorgen vor dem Turnier verladen haben ... Hier will ich Frieden mit den Anwohnern. Zumal wir so viele Pferde haben ...«

Walters waren die Vorbesitzer von Glorias nussbraunem Ponywallach Rainbow. Sie hatten das Pferd als Turnierpony für ihre Tochter Laura gehalten, es dann aber verkauft, weil die Erfolge ausblieben. Nun gehörte es Gloria und teilte sich die Weide mit Julias und Nickies Pferden.

»Dann würde ich mal als Erstes das Pony aus der Küche holen!«, erklang plötzlich Olafs Stimme von der Straße herüber. Der Junge kam gerade von einem Ausritt zurück. Er saß auf seinem Isländer Godi und zeigte grinsend in Richtung Wohnhaus. »Sonst kriegt Julias Mutter gleich Schreikrämpfe! Von hier aus sieht man gerade noch Coffees Hinterteil im Haus verschwinden!«

»Das heißt, Megan ist schon drin!«, schrie Nickie, sprang auf und rannte zum Haus. Ihr langes schwarzes Haar flatterte hinter ihr her.

Julia wischte rasch ihre Hände an der Jeans ab und jagte hinter Nickie her. Wie waren die Ponys bloß aus dem Paddock gekommen? Gloria und sie hatten ihn extra mit einem Elektroband gesichert. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, ausgerechnet die beiden Jungpferde hinter das Haus zu stellen. Olafs Godi und Nickies ältere Stute Piazza hätten sicher weniger Ärger gemacht. Aber Coffee bei sich zu haben, war schon immer Julias größter Wunsch gewesen. Und so stand der zweijährige Wallach jetzt mit seiner gleichaltrigen Freundin, Nickies Welsh-Pony Megan, im Garten ihres Stiefvaters. Oder auch nicht. Vor Megan war noch nie ein Zaun sicher gewesen!

Als Julia, dicht gefolgt von Gloria, das Haus erreichte, war Nickie gerade dabei, den milchkaffeefarbenen Connemara rückwärts aus der Küche zu schieben. Zum Glück war nicht viel passiert. Da es seit Tagen nicht geregnet hatte, waren Coffees kleine Hufe sauber und hatten keine Spuren auf dem Teppich hinterlassen. Das junge Pferd hatte offenbar sofort den Zuckerspender entdeckt und mit seiner Erforschung begonnen.

»Aber wo ist Megan?«, wunderte sich Julia.

»Keine Ahnung! Im Wohnzimmer?« Gloria traute der kleinen Stute eine sehr zielstrebige Eroberung der Wohnung zu.

»Kann nicht sein, dann wäre mehr kaputt!«, bemerkte Nickie mit Kennerblick. »Megan hätte nie im Leben die Stühle stehen lassen – mal ganz abgesehen davon, dass ihr der Brotkorb nicht entgangen wäre. Sie muss ...«

»Schafft sofort das Pferd aus dem Beet!« Der Aufschrei kam von Julias Mutter, die gerade aus ihrem Auto stieg. Coffee erschrak derart, dass er sich auf der Hinterhand herumwarf und Richtung Weide davonstob. So blieb Frau Gronau wenigstens der Anblick des Ponys in ihrer Küche erspart. Julia wischte rasch den Zucker auf, bevor sie den anderen nach draußen folgte.

»Das blöde Vieh frisst die ganzen Blumen!« Entrüstet schwenkte Frau Gronau ihre Einkaufstüten, um Megan aus dem Garten zu scheuchen. Das war ein Fehler. Die kleine Stute, die sich bisher ruhig und selbstvergessen mit der Vertilgung einiger Ringelblumen beschäftigt hatte, riss alarmiert den Kopf hoch. Ihre herzförmige Blesse leuchtete auf, die riesengroßen Augen richteten sich auf die Verfolgerin und dann kam Leben in Megan! Unvermittelt, die letzte Ringelblume noch im Maul, setzte sie sich in Trab und sauste kreuz und quer durch den Garten. Welsh Cobs haben kräftige Trabbewegungen und Megan machte ihrer Rasse alle Ehre. Ihre starken, runden Hufe hinterließen tiefe Löcher in den frisch angelegten Beeten. Julia seufzte. Sie konnte sich gut vorstellen, wer das wieder in Ordnung bringen musste! Megan verschwand um die Ecke Richtung Straße. Dort war der Rasen frisch eingesät. Julia schwante Schreckliches.

»Nicht treiben!«, rief Nickie, als Frau Gronau Megan nachsetzen wollte. »Das heizt sie nur an. Ich rufe sie.«

»Nicht mehr nötig, Olaf hat sie!« Gloria gab Entwarnung.

Olaf hatte Godi vor dem Gartentor zur Straße angehalten, um die Ausbrecher im Zweifelsfall daran zu hindern, das Grundstück zu verlassen. So konnte er Megan den Weg abschneiden, bevor sie den Rasen erreichte. Neben Godi blieb sie auch tatsächlich sofort stehen. Nickie kam Olaf mit einem Strick zu Hilfe und führte ihr Pony zurück zur Weide. Julia besah den Schaden. Die Blumenbeete hatten einiges abbekommen, aber wenigstens gab es keine Löcher im Rasen!

»Ich habe euch tausendmal gesagt, ihr sollt das hintere Gartentor zumachen, wenn ihr zur Weide durchgeht! Auch wenn die Pferde im Paddock stehen!« Frau Gronau begann ihre Standpauke.

»Aber ich hab’s zugemacht!«, rechtfertigte sich Julia und spielte nervös mit ihrem Pferdeschwanz. Hatte sie wirklich? So ganz sicher war sie sich da natürlich nicht ...

»Ich auch«, sagte Nickie. »Und ich bin als Letzte gekommen. Aber ich fürchte, einfach zumachen reicht nicht. Megan kriegt so ein Tor ohne weiteres auf.«

»Sie meinen, Ihr Pferd hat das Tor selbst geöffnet?« Frau Gronau konnte es nicht glauben.

»Megan macht noch ganz andere Sachen. Tut mir Leid, Frau Gronau. Morgen bringe ich ein Schloss mit – und zwar eins mit Zahlen, das ist am sichersten. Ansonsten spielt Megan nämlich so lange an dem Schlüssel herum, bis sie ihn umgedreht hat.«

»Das darf doch nicht wahr sein! Banksafes knackt sie aber nicht, oder?« Frau Gronau schaute misstrauisch in Megans hübsches Ponygesicht.

»Wenn ich mal in Geldnot komme, probiere ich’s aus«, lächelte Nickie. »Das Hauptproblem sehe ich darin, Megan unbemerkt durch die Schalterhalle zu kriegen!«

 

»Das mit der Party sollten wir jedenfalls im Auge behalten«, meinte Julia und schwang die Harke. Nickie und Gloria halfen ihr, die Schäden im Garten wieder in Ordnung zu bringen, während Olaf den Elektrozaun sicherte. Als er später zu ihnen stieß, erzählten sie ihm von der Idee.

»Wenn’s denn sein muss«, brummte Olaf. Er hatte offenbar nicht die geringste Lust auf einen Abend mit der freiwilligen Feuerwehr. Allerdings sah auch er die Notwendigkeit ein, sich für die viele Hilfe zu bedanken. »Wir können den Grill vor dem Stall aufstellen und die Tische und Stühle drinnen, falls es regnet. Groß genug ist er ja.«

Das stimmte, die Weidehütte bot Raum für einige Tische und Stühle, erst recht wenn man den überdachten Vorplatz mitnutzte. Nickie, Julia und Gloria machten sich sofort an die Zusammenstellung der Gästeliste.

»Hüpfers laden wir aber nicht ein!«, erklärte Julia entschieden. Pit und Ilka Hüpfer waren ihre ersten Bekannten gewesen, als sie vor drei Monaten aus dem Ruhrgebiet hierher aufs Land gezogen war. Das Ehepaar hatte ihr angeboten, Coffee kostenlos bei sich unterzustellen, wenn Julia beim Bau der Zäune helfen würde. Doch kaum hatte Coffee sein neues Zuhause bezogen, schon wurde Julia von Hüpfers nach Strich und Faden ausgenutzt. Sie musste wochenlang hart arbeiten und schließlich trotzdem noch Geld bezahlen. Auch Olaf und Gloria hatten mit der Familie schlechte Erfahrungen gemacht.

»Garantiert nicht!«, lachte Gloria. »Obwohl ich sie schon gerne neidisch machen würde! Die dachten doch, wir wären auf sie angewiesen. Und jetzt haben wir diese schönen Weiden und Ställe und all das!«

Das viele Land verdankten die vier Julias Stiefvater Klaus. Während es für Nickie, Gloria und Olaf unmöglich gewesen war, Land in dem ostwestfälischen Dorf Elbentrup anzupachten, hatte Klaus dank seiner verwandtschaftlichen Beziehungen damit keine Probleme. Sein Onkel Heinrich verpachtete ihm drei Hektar Land direkt neben seinem Haus – reichlich Platz für Julias Coffee und die Pferde ihrer neuen Freunde. Zusammen brachten sie es auf acht Pferde, denn Olaf hatte den Sommer über neben Godi noch zwei junge Quarterhorses in Beritt. Bis die frisch gesäten Weiden der Haltergemeinschaft gewachsen waren, grasten die Pferde auf Onkel Heinrichs Land.

»Trotzdem: Die Einweihungsfeier lasse ich mir von Pits blödem Gequassel nicht verderben«, meinte Julia. »Außerdem können wir vielleicht auch noch Stühle und Tische in die Garage stellen. Mal sehen, was meine Mutter und Klaus davon halten. Die sollten wir sowieso erst mal fragen. Schließlich müssen alle Gäste über ihr Grundstück.«

Annette und Klaus Gronau fanden das Ganze eine hervorragende Idee.

»Dabei können wir gleich unsere Hochzeit nachfeiern!«, meinte Klaus. »Die Leute im Dorf liegen mir sowieso dauernd in den Ohren, weil ich darauf noch nicht so richtig einen ausgegeben habe. Und ein paar meiner Studenten wollte ich auch schon immer mal einladen. Das schiebe ich seit Wochen vor mir her. Jetzt verbinden wir einfach alles und feiern ein richtig großes Sommerfest!« Klaus war Hochschullehrer in Bielefeld. Er hatte Julias Mutter im letzten Jahr bei einem Seminar über englische Literatur kennen gelernt. Vor ein paar Monaten hatten die beiden geheiratet. Der Grund für Julias Umzug.

»Ein paar Pferde müsst ihr dann aber in den Garten stellen, damit die Kinder der Gäste was zum Streicheln haben«, fügte Klaus noch hinzu. Er fand langsam Gefallen an den vierbeinigen Rasenmähern – jedenfalls an den pflegeleichten unter ihnen. Megan, die gerade ihre Vorderhufe auf der unteren Zaunlatte platziert hatte und nun auch noch die obere erklimmen wollte, bedachte er mit einem eher misstrauischen Blick. »Es muss ja nicht gerade dieses dort sein ...«

Sommerfest mit Pferden

Die Einweihungsparty wurde ein voller Erfolg. Die Sonne strahlte vom Himmel, und eigentlich war das Zelt, das Klaus vorsichtshalber gemietet hatte, gar nicht nötig. Es herrschte ein munteres Kommen und Gehen, die Leute wanderten zwischen dem Zelt und dem Stall, in dem das Buffet aufgebaut war, hin und her, und auch auf der Pferdeweide war einiges los. Die Kinder der Nachbarschaft ließen sich begeistert auf Godi, Piazza und Rainbow herumführen. Selbst Megan zeigte sich von ihrer besten Seite. Die kleine Stute glänzte mit ein paar Zirkuskunststücken.

»Megan braucht eben Publikum«, meinte Nickie. »Das normale Leben lastet sie nicht aus. Vielleicht sollte ich sie an einen Wanderzirkus verkaufen!« Die junge Frau saß mit Julia etwas abseits vom Trubel und vertilgte eine Bratwurst. Bisher hatte sie sich den Jungs von der Feuerwehr gewidmet, aber jetzt war Gloria mal an der Reihe. Die beiden beobachteten, wie ihre Freundin mit einem nach dem anderen tanzte und flirtete. Gloria sah heute besonders hübsch aus. Sie trug ein buntes Sommerkleid und hatte ihr strubbeliges, kurzes Haar in Form geföhnt. Auch Olaf engagierte sich brav in der Gästebetreuung. Er stand hinter der Biertheke und zapfte fleißig. Laura, Julias Klassenkameradin und Rainbows Vorbesitzerin, lehnte an der Theke und redete auf ihn ein.

»An Lauras Stelle würde ich mal weniger Cola trinken und Würstchen essen«, bemerkte Julia kritisch. »Sie geht immer mehr auseinander.«

»Ja, sie ist der Typ«, meinte Nickie fachkundig. »Aber um bei ihrer Größe wirklich dick zu werden, müsste sie wahrscheinlich Tag und Nacht essen!«

Laura war für ihr Alter ungewöhnlich groß, fast einen Meter achtzig. Gleichzeitig hatte sie bereits sehr weibliche Formen und wirkte viel älter als die zierliche Julia. Ob Olaf das mochte? Abgesehen von ihren Rundungen, war Laura recht hübsch. Vor allem hatte sie wunderschönes Haar: Es war honigblond und dick und reichte Laura fast bis zur Hüfte. Julia dachte seufzend an ihre langweiligen Strähnen. Aber was Olaf anging: Wahrscheinlich unterhielt er sich nur deshalb so lange mit Laura, weil er mehr von ihrem neuen Pferd wissen wollte.

»Das neue Pferd ist jedenfalls ein glatter Fehlkauf«, erzählte Nickie weiter. »Eigentlich soll es ganz fantastisch sein. Gloria ist begeistert davon, wie es geht. Aber es ist halt ein Pony im Arabertyp und unter der großen Laura wirkt es wohl wie ein Eselchen. Aber still jetzt, da kommt Frau Walter!«

Lauras Mutter näherte sich zusammen mit einer anderen Frau, die sich als Frau Laubenkötter vorstellte.

»Ich bin die Schwiegertochter Ihrer Nachbarn«, erklärte sie. »Immer wenn wir die Eltern meines Mannes besuchen, freuen wir uns über Ihr lustiges Wandbild. Zuerst hatten meine Schwiegereltern ja etwas Sorge, weil sie jetzt direkt auf die Rückwand des Stalls gucken. Aber mit dem Bild ist er direkt ein Schmuckstück! «

Nickie lächelte geschmeichelt und zwinkerte Julia zu. Die Aktion »Frieden mit den Nachbarn« war offensichtlich erfolgreich.

»Wir sprachen übrigens gerade von Lauras neuem Pferd«, wandte sich Julia an Frau Walter. »Gloria sagt, es wäre fantastisch.«

Frau Walter, eine sehr ehrgeizige Turniermutter, strahlte. »Oh ja, das ist es. Laura kommt viel besser mit ihm zurecht als mit Rainbow. Es ist aber auch eine ganz andere Klasse. Es war mal Zweiter im Bundesponychampionat. Unter Miriam Kettner. Der Tochter von ...«

» ...Blanca Kettner, der Reitlehrerin. Heißt es nicht Schneeweißchen?«, fragte Julia.

»Schneewittchen. Aber sonst hast du Recht. Woher weißt du das denn?« Frau Walter war offensichtlich überrascht von Julias Kenntnissen. Sie nahm das Mädchen nicht ganz für voll, seit Julia erzählt hatte, sie bevorzuge den Westernreitstil gegenüber Dressur und Springen.

»Frau Kettner hat eine Zeit lang in meinem früheren Reiterverein unterrichtet«, erzählte Julia. »Ich hatte oft bei ihr Unterricht. Auch zusammen mit Miriam. Aber wir mochten Frau Kettner nicht besonders. Sie ist unheimlich hart zu Reitern und Pferden ...«

»Nun ja, das muss man wohl, wenn man die Olympiamannschaft trainieren will«, meinte Frau Walter von oben herab. »Gloria nimmt Laura auch ganz schön ran!«

Julia nickte höflich und verkniff sich ein Grinsen. Gloria war eine gute und vor allem begeisterte Reitlehrerin, und Laura konnte glücklich sein, von ihr trainiert zu werden. Aber mit Blanca Kettners Unterrichtsstunden waren Glorias freundliche Korrekturen wirklich nicht zu vergleichen. Frau Kettners Schülerinnen waren nach der Stunde stets völlig erschöpft und am Boden zerstört gewesen. Wenn Laura nach Glorias Unterricht stöhnte, so lag das eher daran, dass sie vollkommen unsportlich war. Außerdem forderte Rainbow einigen Krafteinsatz beim Treiben. Das neue Pony ging sicher besser vorwärts.

»Komm ruhig mal vorbei und sieh es dir an«, meinte Frau Walter gönnerhaft. »Sie natürlich auch, Frau Stern! Laura reitet Schneewittchen sicher gern vor.«

Nickie und Julia nickten eifrig. »Klar, ich liebe neue Pferde!«, meinte Julia.

»Wirklich?«, mischte sich Frau Laubenkötter ein, die bisher still dabeigesessen hatte. »Dann ... Ich habe nämlich ein Anliegen an dich ... und Sie, Frau Stern. Aber vielleicht muss ich da ja auch Herrn Dr. Gronau fragen. Ich wollte nur mal vorfühlen. Meine Tochter ...«

»Sagen Sie’s ruhig!«, lächelte Nickie. »Wenn’s um Pferde geht, sind Sie bei uns bestimmt nicht ganz falsch. Falls Ihre Tochter allerdings Anglistik studieren will ...«

»Aber nein, sie ist doch erst acht!«, lachte Frau Laubenkötter. »Es ist bloß so ... Sie haben hier ja ziemlich viel Platz. Für Pferde, meine ich. Und unsere Sarah reitet doch nun seit einiger Zeit ... Allerdings gefällt uns der Unterricht im Reitstall nicht besonders.«

Julia nickte. Darüber hatte sie bisher wenig Gutes gehört.

»Unterricht geben wir aber nicht«, wehrte Nickie gleich ab. »Das müssen Sie verstehen. Wir müssten unsere Pferde dafür extra versichern und die meisten von ihnen sind auch noch ganz jung und bisher nicht angeritten.«

»Das wollte ich auch gar nicht fragen«, meinte Frau Laubenkötter und schien sich nun ein Herz zu fassen. »Es geht um ein eigenes Pferd. Wir möchten eins für Sarah kaufen, gemeinsam mit den Eltern ihrer Freundin Jenny. Jennys Onkel hat ein Gestüt. Aber wir brauchen einen Unterstellplatz. Im Reitstall ist es zu teuer.«

»Tjaa ...« Nickie schaute verständnisvoll, suchte aber offensichtlich nach einer Idee, um die Sache abzuschmettern. »Im nächsten Jahr ginge das vielleicht. Aber dieses Jahr, solange das Gras noch nicht hoch ist, stehen unsere Pferde selbst auf geliehenen Flächen. Bauer Bonse, der Onkel von Klaus Gronau, hat uns ausnahmsweise ein paar Wiesen zur Verfügung gestellt. Untervermieten können wir da nicht.«

»Ach, wenn’s weiter nichts ist!«, strahlte Frau Laubenkötter. »Den Heinrich Bonse kennen wir gut! Der ist mit meinem Vater zur Schule gegangen. Onkel Heinrich nimmt Sarahs Pferd bestimmt auf!«

Julia und Nickie wechselten einen Blick. Klassisches Eigentor! Wenn sie das Pferd der zwei Mädchen jetzt nicht nahmen, hatten sie auch noch Onkel Heinrich gegen sich.

»Na ja. Aber wir müssten schon noch mit den anderen reden«, meinte Nickie lahm. »Wir sind zu viert in der Haltergemeinschaft, wissen Sie, Olaf, Gloria, Julia und ich. Wenn da ein neues Pferd dazukommt, bedeutet das für uns eine Menge Mehrarbeit.«

»Mehrarbeit?«, fragte Frau Laubenkötter. »Wieso das denn? Die Mädchen können doch helfen! Und ihr Pferd versorgen sie natürlich allein. Da ist Sarah übrigens. Komm mal her, Sarah, wir reden über euer Pferd!«

Nickies Gesichtsausdruck war deutlich abzulesen, wie sie die Arbeitsleistung zweier Achtjähriger einschätzte. Julia sah die Sache nicht so verbissen. Gut, sie würden öfter mal für Sarah und Jenny mitmisten müssen. Aber sie konnte sich noch gut erinnern, wie sehr sie selbst sich ein Pferd gewünscht hatte, als sie in Sarahs Alter war.

»Mami, das Pferd hat einen Knicks gemacht! Genau wie vorhin bei Frau Stern. Und wenn man es etwas fragt, schüttelt es den Kopf oder nickt. Mit dem kann man sich richtig unterhalten!« Sarah war offensichtlich begeistert von Megan.

Nickie weniger. Die junge Frau sprang auf. »Soll das heißen, ihr spielt mit Megan? Tut mir Leid, Frau Laubenkötter, aber da muss ich jetzt erst mal einschreiten. Das Pferd ist noch sehr jung und sehr impulsiv. Auch wenn es jetzt mit den Kindern spielt, wird es vielleicht später nach ihnen beißen, wenn sie keine Leckerbissen mehr haben.« Nickie machte sich eilig auf den Weg.

Julia hatte inzwischen Zeit, sich Sarah genauer anzusehen. Das Mädchen sah nett aus. Es war ziemlich klein für sein Alter und sehr dünn. Große dunkelgrüne Augen beherrschten sein aufgewecktes Gesicht. Die dunklen, glatten Haare hatte Sarah mit einem Stirnband aus dem Gesicht verbannt.

»Wie lange reitest du denn schon, Sarah?«, fragte Julia.

»Bald zwei Monate!«, strahlte das Mädchen. »Und bis jetzt bin ich noch kein einziges Mal heruntergefallen. Aber auch wenn es mal passiert, schadet das gar nichts, meint unser Reitlehrer. Durch Runterfallen lernt man erst richtig reiten!«