Ein Traumpferd für Julia - Christiane Gohl - E-Book

Ein Traumpferd für Julia E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Julia soll ihr eigenes Pferd bekommen! Im sechsten Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchserie von Christiane Gohl nimmt die junge Protagonistin der Buchreihe Julia an einem Reitturnier teil. Zum ersten Mal begleitet sie auch ihr Vater zu solch einer Veranstaltung. Der ist begeistert von Julias Können und möchte seiner Tochter ein eigenes Pferd kaufen. Doch die Suche nach einem geeigneten Pferd ist gar nicht so einfach. Wird Julia dennoch ihr Traumpferd finden? -

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Christiane Gohl

Ein Traumpferd für Julia

 

Saga

Ein Traumpferd für Julia

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1996, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728012987

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Ein Turnierstart mit Folgen

»Die nächste Starterin ist Nummer 73, Julia Wiegand auf Dark Dan.«

Julia holte tief Luft und lenkte Danny aus der Reihe der anderen Reiter und Pferde. Insgesamt warteten noch acht Paare auf ihren Start in dieser Reining, einer Dressurprüfung für Westernpferde.

Danny, der dunkelbraune Reitponywallach, hatte die Zeit vor dem Start genutzt, um ein wenig zu dösen. Hoffentlich war er jetzt wach genug für seinen Auftritt! Auch Julia mußte sich konzentrieren. Die Dressuraufgabe wurde auswendig geritten.

Angaloppieren bei Punkt A, Stopp bei Punkt B. Julia kitzelte ihr Pony mit den Sporen. Rasches Reagieren auf leichte Hilfen gehörte nicht zu Dannys Stärken. Jetzt sprang er aber brav in ruhigem Rechtsgalopp an und bewegte sich in gerader Linie auf Punkt B zu. Der Stopp geriet leider etwas unsicher. Julia ärgerte sich. Hätte sie ihr Gewicht tiefer in den Sattel gebracht, wäre das nicht passiert! Bevor sie die jetzt geforderten drei Schritte rückwärts anging, warf sie einen raschen Blick zu Stephanie hinüber. Dannys Besitzerin stand neben Julias Mutter und Julias Freundin Kathi bei den Zuschauern am Rand der Reitbahn. Sie nickte Julia ermutigend zu.

Das Rückwärtsrichten ging hervorragend. Danny bewegte sich zügig und auf gerader Linie. Hoffentlich klappte jetzt auch der Linksgalopp, den Danny nicht mochte! Aber Julia hatte lange genug geübt. Sie gab die Hilfen sicher und deutlich, und das Pferd sprang richtig an. Noch ein Stopp. Diesmal hielt Danny genau an der Marke. Stephanie lächelte Julia zu.

Unter den Zuschauern gab es gerade einige Unruhe. Julia sah, wie ihr Vater auf den Platz neben ihrer Mutter schlüpfte. Hatte er es doch noch geschafft zu kommen! Nun sollte er auch etwas sehen. Konzentriert gab Julia die Hilfen zum Roll Back. Danny sprang perfekt herum und galoppierte hinaus.

Erleichtert klopfte Julia ihrem Pony den Hals und freute sich, weil einige Zuschauer klatschten. Viele waren es nicht, aber bei diesem kleinen Westernturnier war ohnehin nicht viel los. Das Publikum bestand fast nur aus Eltern und Freunden der Teilnehmer. Julia rutschte von Dannys Rücken und nahm ihren Cowboyhut ab. Wie auf jedem Westernturnier sah es auf der Reitanlage aus, als habe man sich an den Drehort eines Westernfilms verirrt. Überall standen Leute in Jeans und Cowboystiefeln. Julia interessierte sich allerdings nicht besonders für die Szenerie. Ihr war es viel wichtiger, die Ritte ihrer Konkurrenten zu beobachten. Inzwischen waren Stephanie, Kathi und Julias Eltern herangekommen.

»Ihr wart gut!« lobte Stephanie und streichelte Dannys Nase. »Bestimmt werdet ihr plaziert.«

»Ja, du warst phantastisch«, erklärte Julias Vater, während er seine Tochter begrüßte. »Tut mir leid, daß ich’s nicht eher geschafft habe, Julia, aber ich hatte einen Klienten da und. . .«

»Einen Klienten? Heute, am Sonntag?« erkundigte sich Julias Mutter. Julias Eltern waren seit drei Jahren geschieden, aber die Arbeitswut ihres Ex-Mannes ging Frau Wiegand immer noch auf die Nerven.

»Ja. Wir haben seinen Prozeß gewonnen, und darauf wollte er ein Glas Sekt mit mir trinken! Aber ich kam ja gerade noch zurecht für Julias Auftritt. Du bist wirklich toll geritten!«

Julia bemühte sich, gleichzeitig die anderen Reiter in der Prüfung zu beobachten und Danny daran zu hindern, seinen Kopf an ihrer Jeans zu reiben. Dem Pony paßte das gar nicht, und es suchte prompt nach neuen Opfern. Bevor Julia Danny stoppen konnte, hatte er den eleganten Anzug ihres Vaters mit grünlichen Schaumspuren versehen.

»Paß doch auf, Julia! Dein Pferd sabbert!« rief Herr Wiegand entsetzt. Die anderen lachten über seinen angewiderten Gesichtsausdruck.

Julia hatte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Turniergeschehen zugewandt. Es sah wirklich aus, als wäre ihr Ritt nicht schlecht gewesen. Die meisten anderen machten erheblich mehr Fehler. Dafür saßen sie fast alle auf Pferden, die für die Westernreitweise geeigneter waren als Danny. Die meisten hatten Quarterhorses, und ein Junge ritt einen hübschen Appaloosa.

Gerade wollte Julia das zu Kathi sagen, als die Stimme des Ansagers ertönte: »Zur Plazierung einreiten: Nummer 18, 5, 68, 73, 3 und 10!«

»Du bist dabei, Julia!« rief Kathi begeistert. Das rothaarige Mädchen begann aufgeregt, Dannys Kopfstück über seiner langen Mähne zu ordnen. Da sie keine richtige Bürste hatte, fuhr sie mit ihrem eigenen Kamm durch das seidige Haar des Pferdes.

»Ich brauch’ den auch noch mal!« erklärte Julia, nahm ihr den Kamm aus der Hand und glättete ihren braunen Pferdeschwanz.

»Julia müßte mindestens vierte werden!« raunte Kathi Stephanie zu, während Julia und die anderen Plazierten einritten. »Zwei von den anderen Pferden sind einmal nicht richtig angaloppiert!«

»Julia müßte Erste sein!« kommentierte Herr Wiegand. Er hatte seine Tochter vorher noch nie auf dem Pferd gesehen und war jetzt ganz begeistert, welch gute Figur sie auf Danny machte.

»Das Mädchen auf dem Schecken wird Erste«, sagte Stephanie knapp. »Das Pferd machte alles perfekt.«

Das Mädchen auf dem Schecken gewann tatsächlich, Julia wurde dagegen erst als fünfte aufgerufen. Kathi schnappte nach Luft, weil sie nach einem der Pferde plaziert wurde, das falsch angaloppiert war. Dennoch strahlte Julia, und alle klatschten, so kräftig sie konnten.

»Ist es nicht toll? Mein erstes Westernturnier und gleich eine Schleife!« Julia konnte gar nicht mehr aufhören, Danny zu knuddeln. Kathi bewunderte die aufwendige, rosafarbene Rosette.

»Aber von Rechts wegen hättest du Erste sein müssen!« meinte Julias Vater. »Oder doch mindestens Zweite!«

»Von Rechts wegen hätte sie Dritte sein müssen«, sagte Stephanie. »Aber bei dem Richter überhaupt plaziert zu werden ist für Julia schon eine tolle Sache.«

»Wieso das denn?« fragte Herr Wiegand aufgebracht. »Hat der Mann was gegen Julia?«

»Gegen Julia nicht, mehr gegen Danny. Der Richter ist bekannt dafür, daß er nur Pferde gelten läßt, die zu den traditionellen Westernrassen gehören.«

»Und das tut Ihr Pferd nicht?« Herr Wiegand warf Danny einen argwöhnischen Blick zu.

»Nein. Danny ist eine Mischung aus verschiedenen Rassen. Sein Vater war Araber, die Mutter eine Kreuzung. Aber ich finde, er ist hervorragend gelungen!« sagte Stephanie und streichelte ihr Pferd.

»Warum haben Sie ihn heute nicht selbst geritten?« wollte Julias Vater wissen.

»Weil es ein reines Jugendturnier ist. Ein ganz kleines. Der Verein will im nächsten Jahr etwas Größeres veranstalten und übt jetzt erst mal mit den Kindern. Aber die Organisation ist gut, findet ihr nicht?«

Julia und Kathi nickten. Der Turnierplatz war nett hergerichtet, Abreiteplatz und Viereck sauber geharkt, und der Ablauf der Prüfungen erfolgte im Rahmen des Zeitplans. Natürlich gab es auch einen Getränkewagen und den Stand eines Reitsportgeschäftes.

»Wenn nächstes Jahr ein größeres Turnier stattfindet, werde ich mit Violetta starten.« Violetta war Stephanies zweites Pferd, eine junge Connemara-Stute. Zur Zeit hatte sie ein Fohlen und wurde nicht geritten.

»Und diese Pferde, diese Westernpferde – kann man die kaufen?« fragte Herr Wiegand.

»Klar kann man die kaufen!« kicherte Julia. »Woher sollten die anderen Reiter sie sonst wohl haben?«

»Du meinst, die anderen Kinder hier haben alle eigene Pferde?«

»Na, alle vielleicht nicht, aber fast alle. Es ist ganz selten, daß jemand ohne eigenes Pferd Turniere reitet.« Julia sattelte Danny ab.

»Du hast also kein Pferd, mit dem du hier starten kannst?« wandte Herr Wiegand sich jetzt an Kathi.

»Ich habe eine Hannoveranerstute«, erzählte Kathi. »Pretty geht auf normalen Turnieren Dressur.«

»Es sieht aus, als habe alle Welt ein Pferd, nur unsere Tochter nicht!« Fred Wiegand sah seine geschiedene Frau mißbilligend an. »Warum habt ihr mir das nie erzählt?«

Annette Wiegand seufzte. »Fred, wenn Julia dir noch nie etwas über ihr trauriges, pferdeloses Dasein vorgejammert hat, so bist du sicher der einzige in unserem gesamten Bekanntenkreis! Soweit ich mich erinnere, redet sie seit drei Jahren fast ausschließlich von Pferden.«

»Seit drei Jahren? Reitest du wirklich schon drei Jahre, Julia? Ich dachte, diese Geschichte mit dem Pony sei noch nicht so lange her.« Herr Wiegand hatte Julia einmal zu einem Pferdehändler begleitet, nachdem ihr Pflegepony überraschend verkauft worden war.

»Ja. Das war vor zwei Jahren.« Julias Mutter klang jetzt genervt. »Kurz bevor Julia die Reitgelegenheit bei Frau Heiden bekam. Wofür wir im übrigen ewig dankbar sein müssen, weil sich die Sache mit dem eigenen Pony damit erst mal erledigt hat.« Sie nickte Stephanie zu.

»Aber nach drei Jahren Reiten kann man doch wirklich darüber reden!« meinte Herr Wiegand. »So lange bleibt schließlich kaum ein Kind bei der Stange! Und Julia ist begabt, das haben wir heute gesehen. Was meinen Sie, Frau Heiden, sollte sie nicht ein eigenes Pferd haben? Eins, mit dem man solche Turniere gewinnen kann?«

Julia blickte Stephanie flehend an. Aber Stephanie sagte wie immer nur ihre Meinung.

»Na ja, unbegabt ist Julia bestimmt nicht. Aber drei Jahre Reiten sind noch nicht viel. Und was das ›bei der Stange bleiben‹ im Reitsport angeht, so wissen wir das erst, wenn sie einmal einen Freund hatte. Die meisten Mädchen kommen dann ab von den Pferden.«

»Aber dann könnte man das Pferd doch wieder verkaufen«, meinte Herr Wiegand.

»Wenn Sie es behandeln wollen wie ein Kleidungsstück, das man anlegt und auszieht, wie’s einem paßt, natürlich. Aber ein Pferd ist ein Lebewesen. Das möchte sein Zuhause möglichst lange behalten!«

Herr Wiegand hörte jedoch darüber hinweg. Er fand die Idee ›Ein Pferd für Julia‹ die beste seit langem. In der letzten Zeit hatte er sich wenig mit seiner Tochter beschäftigt, weshalb ihn ein schlechtes Gewissen plagte. Wenn er ihr nun ein Pferd kaufte, konnte er sonntags mit ihr zum Turnier fahren und zusehen, wie sie Schleifen gewann.

»Diese Westernpferde. Wo kauft man die?« fragte er etwas unvermittelt.

»Na hier zum Beispiel!« sagte Kathi belustigt und wies auf den Verkaufsstand mit Lederzeug, an dem sie gerade vorbeigingen. Er gehörte zu einem Westernausbildungsstall: ›Circle Crown Ranch, Joe und Silvia Leitner – Ausbildung und Zucht von Quarterhorses‹.

Ohne noch weiter zu überlegen, ging Herr Wiegand auf den Stand zu und sprach den Verkäufer an. Julia vergaß vor Spannung fast zu atmen.

»Das kann er nicht ernst meinen!« sagte Frau Wiegand zu Stephanie.

»Sieht aber fast so aus«, gab die zurück.

»Sie haben zwei oder drei Verkaufspferde, die sich für uns eignen würden!« meldete Herr Wiegand. »Was ist, Julia, wollen wir sie uns nächsten Samstag angucken? Ich darf Julia doch außer der Reihe abholen, Annette, oder?«

Frau Wiegands Entgegnung ging in Julias Freudengeschrei unter.

Besuch bei Coffee

»Natürlich komme ich mit auf die Circle Crown Ranch. Obwohl ich diesen überstürzten Pferdekauf nicht für die beste Idee halte!«

Stephanie füllte eine große Portion Möhren in einen Eimer und trug ihn zu ihrem Auto. Sie wollte Violetta und ihr Fohlen Coffee besuchen, die in der Nachbarstadt mit einer anderen Fohlenstute die Weide teilten. Julia hatte eigentlich nur fragen wollen, ob sie bei ihrem geplanten Pferdekauf mit Stephanies Beratung rechnen konnte. Aber jetzt nutzte sie die Gelegenheit, mitzufahren und Coffee wiederzusehen.

»Wieso findest du es denn nicht gut?« erkundigte sich Julia. »Es ist doch toll von meinem Papi, mir ein Pferd zu kaufen!«

»Ich finde das nicht gut oder schlecht, sondern in erster Linie unüberlegt! Nachdem der Mann sich jahrelang nie darum gekümmert hat, wie du reitest, bei wem und auf welchem Pferd, spielt er plötzlich Weihnachtsmann und zieht ein Pferd aus dem Sack!« Stephanie hielt Julia die Wagentür auf. »Wo wollt ihr es eigentlich unterstellen?«

Julia sah ihre Freundin verständnislos an. »Ich dachte, bei dir!«

»Ach. Ist ja schön, daß du mir das erzählst, bevor das Pony vor der Tür steht! Aber bitte: Wenn es kommt, ehe ich nach Amerika fliege, kann es von mir aus bis zum Winter bleiben. Nur keine Pferdeumzüge, während ich weg bin!« Stephanie schlug die Autotür zu und fuhr an. Ihre Reise nach Amerika war lange geplant. Gemeinsam mit Freunden wollte sie vier Wochen durch den Westen und Süden der USA touren.

»Das Pferd ist bestimmt da, bevor du wegfliegst!« versicherte Julia.

»Kann ja sein«, sagte Stephanie. »Dann hast du aber auch nur einen Unterstellplatz für zwei Monate. Spätestens im November kommen Violetta und Coffee zurück, und dann ist mein Stall voll.«

»Bis dahin finde ich schon was!« meinte Julia vage.

»Ja?« fragte Stephanie. »Wo denn? Du wohnst mitten in der Stadt, Julia, und du brauchst einen Offenstallplatz, den du mit dem Fahrrad erreichen kannst!«

»Vielleicht kann das Pferd erst mal im Reitstall stehen . . .«

»Bestimmt«, erklärte Stephanie und betätigte den Blinker, um auf die Autobahn zu fahren. »Im Reitstall kannst du sofort eine Box mieten. Aber dann steht dein Pferd auf engstem Raum in seinem eigenen Mist und guckt den ganzen Tag gegen die Wand.«

»Ich würde es natürlich jeden Tag auf die Weide bringen, wie Frankie.« Der Holsteinerwallach Frankenstolz war den Sommer über Julias Pflegepferd gewesen.

»Im Winter gibt es keine Weide, Julia! Das weißt du doch!«

Julia seufzte. »Aber vielleicht könnten wir auf Kathis Wiese in der Ringstraße den Auslauf befestigen!« kam ihr plötzlich eine Idee.

»Das wäre jedenfalls eine bessere Lösung als ›irgendwas‹!« sagte Stephanie streng. »Aber ihr müßtet bald damit anfangen. Wenn erst mal der übliche, herbstliche Dauerregen einsetzt, ist Stallbau kein Vergnügen! Das beste wäre, ihr würdet alles, einschließlich Pferdekauf, aufs nächste Frühjahr verschieben. Dann hättest du auch den ganzen Sommer Gelegenheit, mit deinem neuen Pferd vertraut zu werden.«

»Das kann ich doch auch im Winter!« protestierte Julia.

»Klar. Im Regen, auf verschlammten Wegen, bei Eisglätte . . .«

»Ich kann ja in der Halle reiten!« Julia wurde langsam ärgerlich.

»Wenn dein Pferd verkehrssicher ist! Zwanzig Minuten Ritt durch die Straßen sind kein Pappenstiel!«

»Es wird ja ein Westernpferd sein. Bestimmt ist es scheufrei. Guck mal, da ist Tonia. Sie macht Blanda zum Ausritt fertig.«

Stephanie war auf den Zufahrtsweg zu Violettas Weide abgebogen, und Julia zeigte auf den Anbindeplatz vor dem kleinen Haus, hinter dem die Pferde standen. Tonia Hellwig putzte ihre Islandstute, während das Fohlen Bragi frei herumlief. Der kleine Hengst kam sofort auf Julia und Stephanie zu, als die beiden ausstiegen.

»Hallo, schön, daß ihr kommt!« Tonia freute sich über den Besuch. »Wollt ihr was mit Violetta und Coffee unternehmen? Wenn ihr mögt, könnt ihr mitreiten. Julia kann Blanda nehmen, und ich sattle mir Pogo. Kleine Runde im Schritt. Wie wär’s?«

»Mit Begeisterung!« sagte Stephanie. »Ich habe mindestens vier Wochen nicht auf Violetta gesessen. Und dann sehen wir Pogo auch mal unter dem Sattel. Euer wievielter Ausritt ist es?«

»Der erste in Begleitung! Aber allein haben wir schon eine kleine Runde gemacht, und er war sehr brav.«

Tonia hatte den Haflingerwallach Pogo, das Pferd ihrer Schwester, vor kurzer Zeit eingeritten.

Während Julia Blanda weiterstriegelte, ging Tonia mit Stephanie zur Weide, um die anderen Pferde zu holen. Gleich darauf schoß ein milchkaffeefarbenes Fohlen um die Hausecke. Offensichtlich hatte Coffee vor dem Weidetor gestanden und auf seinen Freund Bragi gewartet. Er mußte die Chance zu entwischen genutzt haben, als Tonia und Stephanie das Tor öffneten. Julia rief den übermütigen kleinen Kerl heran und verteilte Möhren. Inzwischen kamen Stephanie und Tonia mit Violetta und Pogo. Die Graufalbe Violetta tänzelte an der Hand, da sie schnell zu ihrem Sohn wollte. Coffee stürmte auf sie zu und nahm ein paar Schlucke Milch aus ihrem Euter.

»Außer Rand und Band, die beiden Fohlen!« lachte Tonia. »Ich schaue ihnen jeden Abend beim Spielen zu. Dann geht richtig die Post ab. Der arme Pogo ist manchmal ganz schön genervt, wenn ihm einer in die Mähne beißt, während der andere in seine Hinterbeine zwickt. Sie werden bestimmt traurig sein, wenn du deine Pferde nach Hause holst, Stephanie!«

»Du kannst sie doch hierlassen!« regte Julia hoffnungsfroh an. »Dann hätten wir auch Platz für . . .«

»Das könnte dir so passen!« meinte Stephanie. »Du hättest dein Pferd in meinem Stall, und ich müßte bei Eis und Schnee Auto fahren!«

»Soll Julia denn ein Pferd bekommen?« fragte Tonia. »Das ist ja eine Neuigkeit! Hast du im Lotto gewonnen, Julia?«

»So ähnlich«, grinste Stephanie.

Julia erzählte Tonia von den Ereignissen auf dem Turnier, während die drei ihre Pferde putzten.

»Und jetzt will dir dein Papa ein Turnierpferd kaufen! Ist ja ein Ding! Was manche Eltern für Einfälle haben!«

»Findest du es auch nicht gut?« fragte Julia und sattelte Blanda. »Keiner freut sich mit mir! Stephanie hat auch lauter Einwände!«

»Unsinn, Julia, natürlich freuen wir uns für dich! Wir sehen das Ganze nur etwas kritischer!« Stephanie zog Violettas Sattelgurt fest.

»Ich finde es vor allem nicht richtig, daß es gleich ein Turnierpferd sein soll!« fügte Tonia hinzu. »Ehrlich gesagt, hatte ich gehofft, du würdest Pogo mal kaufen. Meine Schwester kümmert sich überhaupt nicht um ihn. Die hat sich damals nur ein Pferd gewünscht, weil ich mir eins gekauft habe, und da sie der absolute Liebling meiner Eltern ist, hat sie gleich eins bekommen. Eines Tages standen Alexandra und mein Vater hier mit einem unerzogenen Jährling vor der Tür. Die Arbeit und die Kosten, Kastration und all das, blieben an mir hängen. Jetzt macht Alex Abitur und will studieren, da werde ich wohl bald die Erlaubnis kriegen, das Pferd zu verkaufen. Er wäre genau das Richtige für dich, Julia!«

Tonia sattelte den jungen Wallach sehr ruhig und vorsichtig. Pogo wandte ihr dabei den Kopf zu und beobachtete ihre Handgriffe aufmerksam. Er war ein hübscher, kräftiger Fuchs mit weißer Blesse und viel hellem Behang. Julia fand ihn sehr nett, aber inzwischen hatte sich der Gedanke an ein turnierfertiges Quarterhorse tief in ihr eingenistet. Da kam der kleine Pogo nicht mit.

Stephanie sah das offensichtlich anders. Während die drei ihre Pferde erstiegen und Julia und Stephanie die Führstricke der Fohlen ordneten, unterhielten die beiden Frauen sich weiter darüber, wie gut Pogo und Julia zusammenpaßten.

Julia bemühte sich, nicht hinzuhören. Sie hatte auch genug mit Bragi zu tun. Das lebhafte Fohlen ließ sich alle paar Minuten etwas anderes einfallen, seine Führerin in Atem zu halten. Eben startete es mit Schwung durch und hätte Julia fast den Strick aus der Hand gerissen. Stephanie erging es mit Coffee kaum besser. Beide waren froh, als sie den Wald erreichten und die Fohlen loslassen konnten. Coffee und Bragi rannten eine Runde und kamen dann im schwebenden Trab zurück. Coffees milchkaffeefarbenes Fell, dem er seinen Namen ›Irish Coffee‹ verdankte, glänzte in der Abendsonne und Bragis leuchtend rotes nicht minder. Als die beiden an Pogo vorbeischossen, machte der Haflinger Anstalten, es ihnen gleichzutun. Aber Tonia hatte aufgepaßt. Ein leichtes Annehmen der gebißlosen Ausbildungszäumung genügte, Pogo zur Vernunft zu bringen.

Wirklich, ein sehr braves Pony, dachte Julia. Aber nichts für sie. Egal, was die anderen sagten, sie würde das absolute Traumpferd bekommen!

Liebe auf den ersten Blick

Julia und ihr Vater holten Stephanie wie verabredet am Samstag morgen ab. Zu Julias Überraschung war ihr Vater auf die Minute pünktlich. Diesen Tag hatte er sich wirklich mal freigenommen. Dafür mußten sie einige Minuten auf Kathi warten. Julias Freundin wollte beim Pferdekauf unbedingt dabeisein, mochte aber die morgendliche Reitstunde bei Herrn Holthoff nicht ausfallen lassen. Immerhin beeilte sie sich gewaltig und führte Pretty schon die Einfahrt hinauf, als Herr Wiegand vor der Villa von Stephanies Tante hielt.

»Hier wohnt deine Stephanie?« fragte Herr Wiegand beeindruckt und taxierte das große, alte Haus mit dem Rosengarten davor.

»Nein. Hier wohnt Stephanies Tante. Stephanie hat das alte Gartenhaus hinten im Park. Und der Park ist natürlich kein Park mehr, sondern eine Weide und ein Auslauf für die Ponys. Schau, da sind Kathi und Pretty! Sie muß nur noch absatteln, dann können wir los. Willst du eben den Stall ansehen?« Julia winkte Kathi und führte ihren Vater über die asphaltierte Zufahrt zu Stephanies Häuschen. Das Gartenhaus wirkte sehr anheimelnd, aber längst nicht so imponierend wie die Villa. Auch der kleine, selbstgebaute Holzstall mit dem Sandauslauf davor entlockte Herrn Wiegand keine Begeisterungsstürme. Dafür bewunderte er bereitwillig Kathis Pferd.

»Das ist also die Wunderstute! Bildschön sieht sie aus! Wie die Pferde, die man immer im Fernsehen sieht. Reitest du auch so – wie dieses Mädchen mit. . .« Herr Wiegand suchte nach dem Namen eines Weltmeisterschaftsanwärters, aber ihm fiel keiner ein. Pferdesport interessierte ihn nur am Rande.

»Ich mach’ mir nichts aus Meisterschaften!« lachte Kathi. »Ich reite zum Spaß. Zig Stunden Training am Tag wären mir viel zu öde! Eigentlich reite ich überhaupt nur Turniere, weil mein Vater es unbedingt will. Pretty und ich bummeln lieber durch den Wald.«

Fred Wiegand fand diese Ansicht befremdlich. »Aber du reitest gern Turniere, Julia?« vergewisserte er sich.

Julia nickte eifrig. »Bis jetzt ja. Aber Kathi meint, nach dem zehnten Start wird es langweilig.«

»Unsinn! Gewinnen ist immer wieder reizvoll! Du, Julia, nicht daß ich dir jetzt ein teures Pferd kaufe und dann . . .«

»Es fängt schon an«, sagte Kathi leise zu Stephanie, die gerade aus dem Haus trat und Herrn Wiegands letzte Bemerkung noch mitbekommen hatte. »Wenn Julia nicht aufpaßt, geht es ihr bald so wie mir, und sie muß bei jedem Turnier zittern, daß Daddy das Pferd verkauft, wenn sie nicht gewinnt!«