Julia – Neue Pferde, neue Freunde - Christiane Gohl - E-Book

Julia – Neue Pferde, neue Freunde E-Book

Christiane Gohl

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Beschreibung

Im elften Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl zieht Protagonistin Julia aufs Land. Sie benötigt daher einen neuen Stall für ihr Pferd "Coffee". Eine Unterstellmöglichkeit bietet sich auf einem Bauernhof. Dort kann sie ihren jungen Hengst kostenlos unterbringen, wenn sie dafür bei der Arbeit mithilft . Doch schnell merkt Julia, dass die Abmachung ungerecht ist...-

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Christiane Gohl

Julia – Neue Pferde, neue Freunde

 

Saga

Julia – Neue Pferde, neue Freunde

 

Copyright © <as per original material>

Published by Arrangement with Christiane Gohl.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1998, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728013038

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Umzugspläne

»Ich will nicht umziehen!« Julia zerrte den Kamm so heftig durch Dannys lange Mähne, dass der dunkelbraune Reitponywallach sich überrascht nach ihr umsah. »Und erst recht nicht so weit weg!«

»He, wenn du weiter so grob mit meinem Pferd umgehst, wirst du dir bald wünschen, in Timbuktu zu wohnen!«, schimpfte Stephanie. »Es hat Jahre gedauert, bis die Mähne so lang war. Also tob deine Wut woanders aus!« Die junge Frau warf Julia eine weichere Bürste zu. »Ich weiß sowieso nicht, weshalb du dich so anstellst. Die Gegend, in die ihr zieht, ist doch wunderschön! Als wir den Wanderritt durch die Senne gemacht haben, hast du stundenlang davon geschwärmt. Und jetzt wirst du fast mittendrin wohnen.«

»Den Wanderritt hat sie aber mit dir und Danny gemacht, und nicht mit dem neuen Mann ihrer Mutter«, bemerkte Kathi messerscharf. Das rothaarige Mädchen war mit dem Putzen seiner Stute Pretty Girl fertig und griff nun nach dem Sattelzeug. »Gib’s zu, Julia, dir stinkt nicht der Umzug, sondern die Hochzeit!«

»Mir stinkt das alles!«, rief Julia und ließ ihren Zorn jetzt an der Putzbürste aus, die sie wie wild am Striegel abstrich. »Ich will nicht, dass meine Mutter diesen blöden Klaus heiratet, und ich will auch nicht aus dieser Stadt weg und von meiner Schule und von euch allen. Wenn ich wenigstens wüsste, was aus Coffee werden soll! Aber den haben meine liebe Mami und ihr Liebster ja gar nicht erst eingeplant!« »Komm, Julia, jetzt werde nicht ungerecht«, meinte Stephanie und beruhigte ihre Violetta, die aufgeregt hin und her trat. Die Stute schien zu meinen, Julia ärgere sich über sie. »Dieser Klaus hat dir doch sogar angeboten, Coffee einen Stall im Garten aufzustellen.«

Coffee, Julias zweijähriger Connemarawallach, hatte seinen Namen gehört und kam von der Weide in den Auslauf. Julia strich geistesabwesend über seine weiche Nase und zupfte dann ein paar Härchen aus seinem kaffeebraunen Fell. Jetzt, Anfang März, begannen die Pferde, ihr Winterfell zu verlieren.

»Daran siehst du, wie blöd er ist«, maulte Julia und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was soll Coffee allein mit einem Stall im Garten? Er braucht doch Gesellschaft und Spielgefährten und einen richtigen Auslauf und eine Weide und all das!«

»Also ganz so blöd, wie du behauptest, wird der Mann schon nicht sein«, widersprach Stephanie. »Immerhin ist er Universitätslehrer und da erwarten sie meines Wissens eine gewisse Grundintelligenz... Allerdings werden wohl keine Kenntnisse über Pferdehaltung und -aufzucht geprüft. Du kannst Klaus kaum einen Vorwurf machen, nur weil er nicht weiß, wie man ein Pony hält! Aber überleg mal: Auf Dauer ist die Idee eines Stalls im Garten gar nicht so schlecht! Das Haus liegt doch auf dem Land, da kann man sicher Weiden anpachten. Und vielleicht sogar ein weiteres Pferd in Pension nehmen, damit Coffee nicht einsam ist. Guck dir das Anwesen doch erst mal genau an!«

»Hab ich ja schon ...«, meinte Julia und überlegte. »Man könnte dort vielleicht wirklich Pferde halten. Der hintere Garten ist ungefähr so groß wie das hier.« Mit einer Handbewegung umriss sie das Grundstück rund um Stephanies Gartenhaus, das immerhin den Stall, einen Sandauslauf und eine kleine Weide umfasste. »Aber bis Klaus dort einen Stall gebaut hat, ist Coffee alt und grau.«

»Den geschicktesten Eindruck macht der Mann ja wirklich nicht«, mischte Kathi sich ein. »Neulich habe ich beobachtet, wie er an einer Tankstelle den Ölstand geprüft hat. Hinterher sah er aus, als hätte er in dem Zeug gebadet!«

»Ich weiß«, kicherte Julia. »Sein bester Anzug war total verschmiert.«

Stephanie grinste. »Julias Mutter hat es eben nicht mit den Handwerkern. Ihr erster Mann kriegt doch auch keinen Nagel in die Wand. Aber vielleicht hat Klaus ja einen etwas begabteren Bruder oder er schwimmt im Geld und engagiert einen Bauunternehmer. Kommt Zeit, kommt Rat.«

»Coffee und ich haben aber keine Zeit!«, erwiderte Julia heftig. »Wir sollen in den Osterferien umziehen und der komische Garten ist noch nicht mal richtig eingezäunt. Was soll ich bloß machen?«

»Jetzt erst mal aufsatteln, sonst kommen wir nicht mehr vor der Dunkelheit aufs Pferd. Und dann das, was alle anderen Leute in deiner Situation auch machen würden: Erstens könntest du die Umgebung deiner künftigen Wohnung abklappern. Vielleicht hat dort ja gerade jemand einen Stall gebaut und sucht händeringend ein Pensionspferd. Und zweitens kannst du eine Anzeige in ›Sattelfest‹ schalten: ›Ich ziehe im April nach Elbentrup bei Oerlinghausen. Wer nimmt mein Pony in Pension?‹« Stephanie zog ihrer graufalben Stute das Zaumzeug über und machte Anstalten, sie hinauszuführen. Kathi wartete schon. Julia beeilte sich, Danny den Sattel aufzulegen.

»Dann muss ich wohl eine Anzeige schalten«, überlegte sie. »Denn hinfahren und die Nachbarschaft absuchen kann ich im Moment nicht. Glaubst du wirklich, da meldet sich jemand?«

»Aber ja! Verlass dich drauf. Die Gegend ist doch landwirtschaftliches Nutzungsgebiet und Zuchtgebiet für Westfälisches Warmblut. Im Notfall kriegst du dein Pferd bei irgendeinem Bauern unter, der ein oder zwei Zuchtstuten und die entsprechende Nachzucht hält. Aber nun komm endlich!« Stephanie schwang sich in den Sattel.

Während die drei durch die grauen Straßen der Vorstadt ritten, um zu ihrem Reitgelände im Naherholungsgebiet Rauhforst zu kommen, regten sich in Julia erstmals positive Gedanken rund um den Umzug.

»Jedenfalls muss Coffee nicht so viel Asphalt treten, wenn ich ihn mal einreite«, meinte sie. »In der Gegend dort gibt es reichlich Wald und Feldwege.«

»Und bestimmt nicht so viele Leute und Hunde«, seufzte Stephanie, als sie endlich den Rauhforst erreichten. Nachdem es drei Tage lang in Strömen geregnet hatte, wimmelte es an diesem ersten regenfreien Nachmittag im Wald von Spaziergängern. Die drei ritten Slalom um zwei Hunde, die mitten auf dem Weg ihr Geschäft verrichteten, wichen einem auf dem Reitweg trainierenden Jogger aus und flohen vor zwei Motocross-Fahrern mit knatternden Maschinen.

»Im Grunde bist du zu beneiden, Julia«, sagte Kathi, als sie schließlich resigniert Richtung Heimat abbogen. »Ich jedenfalls würde gern auf dem Land leben. Wir kommen dich auch bestimmt mal besuchen, nicht, Stephanie?«

»Garantiert. Ich muss doch sehen, wie sich mein Fohlen entwickelt.« Julias Coffee war der Sohn von Stephanies Stute Violetta und die junge Frau wollte ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren.

»Aber jetzt schreiben wir erst mal die Anzeige und geben sie den Leuten bei ›Sattelfest‹ durch. Sonst kriegen wir sie nämlich auch mit meinen Beziehungen nicht mehr in die März-Ausgabe!« Stephanie war Redakteurin bei der Fachzeitschrift. Insofern hatte sie gute Chancen, die Anzeige auch noch nach Redaktionsschluss unterzubringen.

 

Zwei Wochen später stürmte Julia aufgeregt in Stephanies Sattelkammer und warf drei Briefe auf die Futterkiste: »Hier sind die ersten Angebote! Mit so schnellen Reaktionen hatte ich wirklich nicht gerechnet!«

Tatsächlich hatte Julia sogar befürchtet, überhaupt keine Briefe zu bekommen. Die Anzeigenredakteurin hatte Stephanie nämlich am Telefon falsch verstanden und statt »Elbentrup« »Elfentrup« in die Anzeige gedruckt. Julia hatte sich furchtbar darüber geärgert, aber Stephanie sah das nicht so eng.

»Ist doch nur ein Druckfehler«, tröstete sie Julia. »Das wird jeder sofort erkennen. Außerdem: Zwei Dörfer mit so ähnlichen Namen wird es in der Nähe von Oerlinghausen schon nicht geben. Eine Verwechslung ist da ganz unmöglich!«

Und nun waren tatsächlich Angebote da! Kathi und Stephanie sahen Julia über die Schultern, während sie mit zitternden Fingern den ersten Briefumschlag öffnete. Der Inhalt war verheißungsvoll. Ein bunter Prospekt flatterte ihnen entgegen. Julia sah einladende Ställe und herrliche Weiden, auf denen sich Ponys unterschiedlicher Größe tummelten. Sie las ihren Freundinnen den beiliegenden Brief vor:

»›Anbei übersenden wir Ihnen einen Prospekt unserer Reitschule. Wir züchten und halten Welshponys und geben Reitunterricht für Jugendliche und Erwachsene. Außerdem nehmen wir Pferde in Pension und in Aufzucht. Zu unserer Junghengst- und Wallachherde gehören zurzeit zwei dreijährige Welshcobs, ein Reitponyjährling und zwei Zweijährige, ein Warmblut und ein Lipizzaner. Ihr Connemara würde sich dort sicher wohl fühlen. Wir freuen uns auf Ihre Antwort. Mit freundlichen Grüßen, Familie Klose‹.«

»Das klingt toll!«, meinte Kathi und blätterte in dem Prospekt.

»Und die Anlagen sehen gut aus«, fügte Stephanie hinzu. »Da könnte ich fast drüber nachdenken, Svaboda auch einen Sommer in Aufzucht zu geben. Kleine, gemischte Gruppen und persönliche Betreuung, dazu Julia in der Nähe – den Spaß würde ich ihr gerne gönnen! Da könnte sie mal so richtig rennen und toben!« Stephanie warf einen liebevollen Blick durch die Tür in den Auslauf.

Svaboda, ihr russisches Stutfohlen, stand neben Coffee und knabberte Heu. Dabei blieben ihre Ohren aber wachsam gespitzt. Die kleine Stute entspannte sich selten vollkommen. Svaboda war eine Kreuzung zwischen Araber und Achal-Tekkiner. Ihr goldenes Fell und die tiefschwarze, seidige Mähne, der kleine, ausdrucksvolle Kopf mit den riesigen dunklen Augen und der zierliche Körperbau machten sie zu einer ungewöhnlichen Schönheit. Leider hatte man sie schon als Fohlen von Russland nach Deutschland transportiert und ihr Vertrauen zu den Menschen damit tief gehend zerrüttet. Seit Stephanie sie zu sich genommen hatte, wurde das allerdings besser. Svaboda war nun fast zwei Jahre alt und zumindest gegenüber bekannten Menschen relativ zutraulich. Die Auswahl einer Aufzuchtweide für ein so empfindliches Pferd wollte jedoch gut überlegt sein.

»Aber habt ihr euch die Anfahrtsskizze mal angeguckt?«, fragte die kritische Kathi. »Hier steht weit und breit nichts von Oerlinghausen!«

»Oh, nein, ich glaub’s nicht!«, stöhnte Julia. »Lest mal hier: ›Der Elfenhof, unser Welshpony-Gestüt, liegt am Ortsrand von Elfentrup bei Herford!‹ Von wegen ›Elfen und Elben – alles gleich‹!«

»Tatsächlich«, murmelte Stephanie und fuhr mit den Fingern durch ihr blondes Haar. Das tat sie immer, wenn sie aufgeregt oder zerknirscht war. »Tut mir Leid, Julia, war mein Fehler!«

»Oder der von dieser Anzeigentante«, meinte Kathi. »Wie auch immer – der Elfenhof kommt jedenfalls nicht für Coffee infrage. Hoffen wir mal, dass wenigstens die anderen Angebote in der richtigen Gegend liegen! «

Bei dem zweiten Brief war das leider nicht der Fall. Auch seine Schreiberin, eine junge Frau mit zwei Reitponys, lebte bei Elfentrup. Abgesehen davon klang das Angebot ebenfalls interessant: Frau Evert besaß eine Stute und deren zweijährigen Sohn, für den sie ein Gesellschaftspferd suchte. Sie bot ordentlich eingezäunte Hangweiden mit Unterstand praktisch zum Selbstkostenpreis. Für die Aufzucht sicher eine gute Alternative zu der deutlich teureren Unterkunft auf dem Gestüt.

»Tja – und hier die letzte Chance«, sagte Kathi und griff nach dem Brief. »Abgestempelt in... Oerlinghausen! Vielleicht hast du doch noch Glück, Julia!«

Nervös zerriss Julia den Umschlag. Der Inhalt war ein einfaches liniertes Blatt, offensichtlich aus einem Ringbuch gerissen. Julia las vor:

»›Wir sind eine junge Familie, die sich hier zwischen Elbentrup und Ahsenstein eine kleine biologische Landwirtschaft aufbauen will. Dazu gehört die Zucht von Fjordpferden. Wir haben einen jungen Hengst im Alter Ihres Connemarawallachs. Zu unserem Hof gehören zwölf Hektar Grünland, naturbelassen mit Bachlauf, altem Baumbestand und Hängen. Die Pferde finden reichlich Schatten in natürlichen Unterständen aus Buschwerk. Die Weiden sind artenreich und werden ausschließlich biologisch gedüngt und schonend bearbeitet. Da wir noch im Aufbau sind, bieten wir Ihnen an, Ihr Pferd den Sommer über kostenlos aufzunehmen. Dafür helfen Sie uns beim Zaunbau und bei der Heuernte. Im Winter – und erst recht im nächsten Jahr, wenn Offenstall, Reitplatz und möglicherweise Reithalle fertig gestellt sind – können wir uns dann über einen angemessenen Pensionspreis unterhalten. Wir freuen uns über einen Anruf, bei dem wir Näheres besprechen können. Viele Grüße, Peter und Ilka Hüpfer‹.«

»He, das klingt ja super«, freute sich Kathi. »Kostenlose Aufzucht auf 12 Hektar Waldwiesen. Traumhaft!«

»Das hört sich aber auch nach Arbeit an«, meinte Stephanie skeptisch. »Wenn die das ganze Land einzäunen wollen, ist Julia den halben Sommer beschäftigt! Und wer weiß, ob sie das Angebot überhaupt so stehen lassen, wenn sie hören, dass Julia erst vierzehn ist. Möglicherweise erwarten sie eine Fünfundzwanzigjährige mit Bodybuilding-Erfahrungen...«

»Nun sei mal nicht so negativ!«, rief Julia. »Ich finde auch, der Brief klingt nett. Und anrufen kann ja nichts schaden. Wollen wir jetzt noch reiten oder soll ich gleich nach Hause fahren und mich ans Telefon hängen?«

»Weder noch«, meinte Stephanie. »Dahinten stehen zwei Säcke mit Kunstdünger, die heute noch auf der Weide verstreut werden wollen. Da kannst du gleich ein bisschen ›Mithilfe bei der Landwirtschaft‹ proben. Außerdem erreichst du diesen Peter Hüpfer jetzt sowieso nicht. Der muss auf seinem Hof arbeiten, solange es hell ist.«

Am Abend hatte Julia ihn gleich beim ersten Versuch an der Strippe. Der junge Mann klang sympathisch und schwärmte fast eine halbe Stunde lang von seinen Pferden und dem Hof. Julias Jugend schien ihm nichts auszumachen.

»Herr Hüpfer sagt, es mache nichts, dass ich erst vierzehn bin und nicht so viel arbeiten kann«, erzählte Julia Kathi begeistert. »Es geht ihm mehr um die Bereitschaft als um die Leistung. Er findet es toll, wenn Mädchen wie ich ein junges Pferd aufziehen, statt gleich ein erwachsenes Reitpferd zu kaufen. Und der Hof muss irre sein, einfach irre! Allein der Laufstall, in dem die Pferde jetzt sind, ist so groß wie unsere halbe Reithalle. Da kann Coffee auch mit rein, solange die Weiden noch nicht fertig sind. Die Stuten und der Hengst stehen zurzeit noch zusammen, weil beide Stuten tragend sind. Und eine Kuh ist mit dabei. Ist das nicht lustig? Nächsten Sonntag kann ich mir alles ansehen. So langsam freue ich mich richtig auf den Umzug!«

»Und das ist wirklich alles umsonst?«, fragte Kathi noch einmal. Sie konnte es einfach nicht glauben.

Traumweiden kostenlos!

Am nächsten Sonntag lud Klaus, Julias künftiger Stiefvater, ihr Fahrrad auf den Dachgepäckträger seines Autos. Von seinem Haus bis zum Hof der Hüpfers würde sie vier Kilometer radeln müssen und das wollte sie gleich ausprobieren. Beim Verladen des Fahrrads machte Klaus, ein schlaksiger hellblonder Mann mit freundlichen, hellen Augen und gepflegtem Dreitagebart, drei Kratzer in den Lack seines Golfs. Julias richtiger Vater wäre über eine solche Schramme an seinem Wagen außer sich geraten. Aber Klaus nahm es gelassen.

»Davon fährt das Ding nicht schlechter«, sagte er mit einem Lächeln und hielt Julia und ihrer Mutter galant die Türen auf. »Hauptsache, das Fahrrad hat nichts abgekriegt und wir finden wirklich einen guten Platz für Julias Pferd!«

Klaus Gronau und Annette Wiegand, Julias Mutter, waren über das Angebot der Hüpfers mindestens so froh wie Julia. Sie trennten Julia nur ungern von ihren Freunden und Schulkameraden und freuten sich umso mehr darüber, dass nun wenigstens Coffee gut untergebracht war.

»Wir fahren dich auch wirklich gern zum Stall«, bot Klaus zum x-ten Mal an, während er Julias Fahrrad vor seinem Haus in Elbentrup ablud. Es war ein solides Einfamilienhaus am Rand des Dorfes, umgeben von einem großen verwilderten Garten. Um das Anwesen herum lagen bestellte Felder. Die hellgrünen Halme von Winterweizen und Gerste streckten sich in Reih und Glied der ersten Frühlingssonne entgegen. Nur auf einem der Äcker wuchsen Gras, Getreidehalme und Unkraut wild durcheinander. Offensichtlich handelte es sich um Brachland.

»Nein, danke«, meinte Julia. »Es ist so ein schöner Tag – ich freue mich schon aufs Fahrradfahren. Außerdem habt ihr sicher was anderes zu tun!«

Julias Mutter nickte. Sie würde noch lange damit beschäftigt sein, Klaus’ chaotischen Haushalt in ein gemütliches Heim zu verwandeln. Heute wollte sie erst mal die Gardinen in Angriff nehmen. Klaus schien die ohnehin etwas abenteuerlichen Kreationen vor seinen Fenstern seit Jahren nicht gewaschen zu haben.

Julia schwang sich aufs Rad und fuhr los. Erst mal nach links, bis zu einer Kreuzung. Die Straße war schmal und kaum befahren. Was für ein Unterschied zu dem Verkehr in Bochum! Auf dem Weg zu Stephanie hatte sie die halbe Innenstadt durchfahren müssen. Dieser Weg hier führte an Feldern und Bauernhöfen vorbei, rechts lag ein kleines Wäldchen. Allerdings war die Gegend deutlich hügeliger als Bochum. Schon auf den ersten zwei Kilometern kam Julia ins Schwitzen. An der Kreuzung bog sie in eine Siedlung ab, durchquerte sie und folgte einer Straße, an deren Seiten sich weite Felder erstreckten. Dies war die Strecke zwischen Elbenborn und Ahsenstein. Hier gab es kaum Häuser, nur vereinzelte Bauernhöfe inmitten von Feldern und Wiesen. Pferde und Kühe sah Julia nicht – aber die waren im März ja auch noch nicht auf der Weide.

Zum Hof der Hüpfers ging es dann steil bergab. Die Straße schlängelte sich in Serpentinen durch ein verwunschenes Waldstück. Julia fand das toll. Sie ließ ihr Fahrrad hinunterrollen und sauste mit Schwung in eine kleine, bäuerliche Siedlung: Ein wunderschön restauriertes Bauernhaus links, eine Gärtnerei rechts – und dahinter sollte dann auch gleich der Hof der Hüpfers sein. Julia schoss um die Kurve – und landete beinahe in einer wuselnden Schar kleiner schwarzer Vierbeiner. Julia griff in die Bremsen und das Rad geriet quietschend ins Schlingern. Julia konnte gerade noch den Tieren ausweichen, als sie sich auch schon im Straßengraben wieder fand. Zum Glück war der Graben nicht tief und mit weichem, hohem Gras bewachsen. Schnell checkte Julia ab, dass weder ihr noch dem Rad etwas passiert war. Aber was um Himmels willen waren das für Tiere? Beim Aufrappeln beobachtete Julia, wie sich die kleinen schwarzen Wesen nervös quietschend um ein besonders großes und dickes Exemplar scharten. Dieses schien seine Artgenossen mit zuckendem Rüssel durchzuzählen und gab dabei Töne von sich, die etwa wie »Kusskuss« klangen.

»Hast du dir was getan?«, fragte eine Stimme hinter Julia. Ein älterer Herr mit weißem Haar und freundlichem, rundem Gesicht kam vom Gelände der Gärtnerei auf sie zu.

»Zuerst dachte ich nicht, aber jetzt habe ich wohl Halluzinationen...«, murmelte Julia. »Ich glaube, ich bin im Zoo. Jedenfalls sehe ich überall Hängebauchschweine!«

Der alte Herr lachte. »Da kann ich dich beruhigen, die Viecher sind ganz real. Gehören zu dem komischen Hof da unten.« Er wies auf die Senke, in der Julias Beschreibung nach der Hof der Hüpfers liegen musste. »Die Leute züchten Hängebauchschweine. Angeblich schmecken die besser als unsere normalen Hausschweine. Aber wenn du mich fragst, liegt das nicht so sehr an der Rasse, sondern an der Ernährung. Wenn du ein Hausschwein mit den Köstlichkeiten aus unserer Gärtnerei fütterst, kriegt es wahrscheinlich auch so was wie Rosenaroma.«

»Wieso aus Ihrer Gärtnerei?«, fragte Julia. Sie war immer noch etwas verdattert.

»Weil sich die Viecher mehr bei uns herumtreiben als in ihrem eigenen Stall! Letzte Woche haben sie bei uns Baumschösslinge für über hundert Mark gefressen und davor wüteten sie in unseren Fleißigen Lieschen. Wir finden das langsam nicht mehr komisch, aber bei den Leuten ist ja nichts zu holen. Ich versuche zwar immer, ein wachsames Auge auf den Zufahrtsweg zu haben, um die Biester rechtzeitig zurücktreiben zu können. Aber immer gelingt mir das natürlich nicht...«