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Lisa ist auf der Suche nach ihrem Mr. Allright, nicht ahnend, dass dieser Wochenende für Wochenende direkt vor ihrer Nase steht. Aber Liebe macht ja bekanntlich blind. Daher ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass sich die Wunsch-Erfüllerin Angel sich dieses hoffnungslosen Falls annimmt.
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Seitenzahl: 98
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Kapitel eins
Kapitel zwei
Kapitel drei
Kapitel vier
Kapitel fünf
Kapitel sechs
Kapitel sieben
Kapitel acht
Kapitel neun
Kapitel zehn
Kapitel elf
Kapitel zwölf
Kapitel dreizehn
»Deal!«
Deal?
Habe ich tatsächlich Deal gesagt? Ich reiße die Augen auf und mein Oberkörper schnellt in die Vertikale, was mir einen stechenden Schmerz im Lendenwirbelbereich einbringt. Ich bereue umgehend diesen Frevel an meiner Wirbelsäule, die durch viel zu viele Stunden auf meinem durchgesessenen uralten Bürostuhl, reichlich lädiert ist. Mein dröhnender Schädel zwingt meinen Körper sofort zurück in die Horizontale, meine Harnblase jedoch meldet ihre Bedürfnisse nach einer unverzüglichen Leerung an. Ansonsten übernähme sie keine Haftung für die Unannehmlichkeiten, die aus einer weiteren Verzögerung resultieren könnten, meldet sie dem Kleinhirn, da der größere Teil meines Nervensystems sich noch nicht aktiv an den Geschehnissen dieses Sonntagnachmittages beteiligt. Also schwinge ich meine Beine über die Bettkante und richte mich ein weiteres Mal auf, diesmal jedoch deutlich Rücken schonender.
Ich gewähre dem Karussell, das sich hinter meiner Stirn unaufhörlich dreht, einen Moment Zeit, um die aktuelle Fahrt zu beenden.
Dann peile ich die Schlafzimmertür als erste Etappe auf den Weg zum angrenzenden Badezimmer an. Noch gehorchen meine Beine den Befehlen meines Oberstübchens nicht so geschmeidig wie sie sollten, aber mit jedem Schritt wächst die Sicherheit in die erlernten Fähigkeiten.
Auf dem Rückweg erspare ich mir den Blick in den Spiegel. Ich weiß auch so wie ich aussehe. Dazu braucht es kein Bild, das mir diese eitle silber-beschichtete Glasfläche schonungslos entgegen-schleudern würde. Und zwar genau in dem Moment, in dem sie auch nur einen meiner beiden Augäpfel habhaft werden würde. Könnte man nicht Zauberspiegel entwickeln, die einen immer blendend aussehen lassen, egal wie hart die vorangegangene Nacht auch gewesen sein mochte? Das wäre ein todsicheres Ding für Die Höhle des Löwen.
Trotz geschlossener Augen bin ich in der Lage, mein Aussehen, mit dem ich sicherlich sofort eine Anstellung in einer Geisterbahn bekommen würde, detailliert zu beschreiben. Ich werde mich, entgegen dem ausdrücklichen Rat meiner besten Freundin Maja, mal wieder nicht abgeschminkt haben. Sie hatte diese Bitte jedes Mal gebetsmühlenartig runtergeleiert wenn wir uns nach einer durchtanzten Nacht frühmorgens getrennt hatten.
Meistens hatte ich artig genickt, um fünf Minuten später ins Bett zu fallen, natürlich noch in kompletter Maskerade.
Wimperntusche, Lidschatten und Lipgloss werden mittlerweile eingetrocknet sein und es sich in den winzigen Vertiefungen rund um meinen Mund und meinen Augen gemütlich gemacht haben. Fältchen, eine niedliche Verharmlosung eines Nomens als Beschreibung der unumstößlichen Tatsache, dass jetzt, mit Anfang dreißig, bereits die besten Jahre hinter mir liegen. Ich gurgele ein paar Mal und spüle meinen Mund aus, um den schalen Geschmack von kaltem Rauch und abgestandenem Bier von der Oberfläche meiner Zunge zu entfernen. Zu viel Alkohol, zu viel Zigaretten, dafür zu wenig Schlaf und Lisa wieder alleine nach Hause. Ich schlurfe zurück ins Schlafzimmer und werfe einen kurzen Blick auf mein Smartphone. Erst dreizehn Uhr, definitiv zu früh zum Aufstehen.
Ich sollte mir einen Nachschlag holen, denn in wenigen Stunden ist das Wochenende schon wieder vorbei und eine neue öde Woche steht mir bevor.
Nicht nur auf meinem Gesicht, sondern auch auf dem Kopfkissen, hat mein aufwendiges, aber letztendlich nutzloses Make-up, eindeutige Spuren hinterlassen. Den Bezug werde ich später abziehen und in die Wäsche schmeißen.
Jetzt brauche ich erst einmal noch ’ne Mütze Schlaf. Ich lasse mich auf die Matratze fallen und ziehe mir die Decke bis zur Stirn. Doch anstatt wieder selig einzuschlafen, tauchen kuriose Bilder des gestrigen Abends vor meinem geistigen Auge auf. Sind die real oder entstammen sie dem krassen Traum, dem ich vor wenigen Minuten durch den eindringlichen Alarm meiner Blase entrissen worden war? Normalerweise habe ich die Inhalte meiner Träume – und ich träume häufig – direkt nach dem Aufstehen vergessen. Sowie ich ins Bad geschlurft bin, sind sie weg. Ich habe mal gelesen, dass das Gehirn aufräumt und jeglichen unnötigen Informationsballast abwirft, sobald man durch eine Tür geht. Diesem Phänomen ist es geschuldet, dass man, nachdem man einen Raum betreten hat, oft nicht mehr weiß, was man dort eigentlich wollte. Offensichtlich fielen meine Träume bis jetzt stets diesen rigorosen Aufräumaktionen meines zentralen Nervensystems zum Opfer. Aber, warum kann ich mich gerade heute praktisch an jedes einzelne Wort dieser bizarren Begegnung erinnern, obwohl ich, wie mir gerade siedend heiß einfällt, keinen blassen Schimmer habe, wie ich nach Hause, geschweige denn ins Bett gekommen bin?
»Hey.«
»Selber hey«, antwortete ich und musterte mein Gegenüber. Die Frau sah gut aus, zu gut. Sie lächelte mich an. Ich runzelte die Stirn. Musste ich sie kennen? Nein, ich hatte sie hier noch nie gesehen. Sie wäre mir bestimmt schon einmal aufgefallen. Schließlich war dies mein Stammclub, und ich verbrachte jedes verdammte Wochenende hier auf meiner verzweifelten Suche nach Mr. Allright.
»Bist du öfters hier?«, fragte sie und neigte ihren Kopf ein wenig. Was wollte sie von mir?, dachte ich, während mich ihre hellblauen Augen durch eine dichte Reihe schwarzer, unverschämt langer Wimpern musterten. Ihre schmale Nase harmonierte perfekt mit ihren hohen Wangenknochen. Ihre vollen, aber nicht zu prallen Lippen, waren leicht geöffnet und glänzten feucht, und zwar ganz ohne den Einsatz eines kosmetischen Hilfsmittels.
In meinem Kopf machte es KLICK und umgehend sprangen sämtliche Alarmglocken an. War auch sie auf der Suche, aber im Gegensatz zur mir nach Ms. Right? Hatte ich, natürlich völlig unbeabsichtigt, falsche Signale ausgesendet?
Okay, ich gebe zu, über die Jahre habe ich meine Ansprüche an meinen Traummann bereits deutlich runtergefahren. Aber ein MANN sollte es definitiv noch sein!
»Ab und zu«, antwortete ich deshalb vage und blickte demonstrativ an ihr vorbei auf die kleine Tanzfläche im hinteren Teil des Clubs. Ich hoffte, meine knappe Antwort und meine abweisende Körpersprache würden ihr deutlich zu verstehen geben, dass ich – egal wie verzweifelt ich auch sein mochte – keinerlei Interesse an ihr hatte.
Ich ignorierte ihre Anwesenheit demonstrativ, doch die Hartnäckigkeit, mit der sie einfach neben mir stehen blieb, verringerte in zunehmendem Maße meine Chancen, heute Abend ein männliches Wesen auf mich aufmerksam zu machen und es eventuell abzuschleppen. Gerade jetzt, kurz nach drei, ging es in die sogenannte Crunch Time! (Anm. der Autorin: Begriff aus dem Handball, für die spielentscheide Phase) Also in die Phase des Abends, in dem die Entscheidung fiel, ob frau alleine oder in Begleitung nach Hause ging.
Ich wollte nicht unhöflich sein, aber ich musste handeln und zwar sofort.
»Nichts für ungut, äh …?«
»Angel.«
Änschel, na klar! Sie sprach ihren Namen englisch aus, wie auch sonst! Sie wollte wohl besonders hipp gelten. Sei ’s drum. Ich holte tief Luft und begann erneut.
»Meinetwegen … Angel, das hier«, ich ließ meinen Arm einen Rundumschlag ausführen, der den ganzen Club inklusive Garderobe, Ausgang und sogar den Toilettenbereich umfasste, »ist mein Jagdrevier.«
»Waidmanns Heil«, wurde ich direkt von meinem anhänglichen Gegenüber unterbrochen.
»Bitte?«
»Sagt man doch so unter Jägern, oder nicht?«, kam es prompt zurück.
»Keine Ahnung«, antwortete ich, zunehmend genervt.
»Und, schon Beute gemacht?«, erdreistete sich Angel zu fragen, meine patzige Antwort einfach ignorierend.
»Ja, äh ... nein, heute noch nicht«, stammelte ich. Angels ständige Unterbrechungen brachten mich völlig aus dem Konzept.
»Hm«, machte sie und runzelte ihre faltenfreie Stirn. »Soll ich dir vielleicht helfen?«
Soweit kommt es noch, dass Angel für mich einen Typen klar macht!
»Nein, danke«, lehnte ich schroff ab.
»Wäre kein großes Ding«, bot sie unverhohlen an.
Für dich nicht, schon klar, dachte ich bitter und wandte mich von ihr ab, in der Hoffnung, dass sie mich dann endlich in Ruhe lassen würde.
»Welcher Mann würde dir denn gefallen?«, hörte ich Angels Stimme dicht an meinem Ohr.
Ich drehte mich erneut zu ihr um und schaute ihr direkt ins Gesicht. Angel trug eine absolut unschuldige, aber entschlossene Miene zur Schau. War die echt oder nur verdammt gut geschauspielert? Mir wurde klar, dass Angel nicht locker lassen würde. Also gab ich auf und schaute mich im Club um.
»Okay«, sagte ich schließlich, »links neben dem Pfeiler. Der große Blonde, dunkle Jeans, weißes Hemd.«
»Gute Wahl«, meinte Angel nach kurzer Begutachtung meiner spontanen Auswahl.
»Und was genau wünschst du dir?«
Einen unvergesslichen One-Night-Stand, was denn sonst, dachte ich.
Angels rechte Augenbraue zuckte für einen kurzen Moment in die Höhe. Entweder sie las gerade meine Gedanken oder dechiffrierte meine Mimik. Stand mir mein Bedürfnis wirklich so deutlich auf der Stirn geschrieben? In fetten roten Lettern? Angels perfekt gezupfte Augenbraue befand sich wieder exakt auf der Höhe der anderen.
Wie sehr wünschte ich mir, ich könnte meine Augenbrauen ebenfalls einzeln bewegen.
Immer wenn ich das versuchte, gipfelten meine Bemühungen in einer Grimasse, mit schiefem Mundwinkel und unschönen Falten auf der Stirn.
Ich beneidete die Menschen, die diese Fähigkeit besaßen, und diese dann auch noch zur richtigen Zeit, in richtiger Dosierung einzusetzen wussten.
Angel lächelte. In diesem Moment war ich mir absolut sicher, dass sie meine Gedanken lesen konnte.
»Also«, wiederholte Angel ihre Frage, »was genau wünschst du dir?«
Richtig, sie wartete noch auf eine Antwort.
»Vielleicht erstmal ein Date«, antwortete ich zögerlich. Der Rest wird sich dann hoffentlich von selbst ergeben, fügte ich in Gedanken hinzu.
»In Ordnung«, sagte Angel plötzlich völlig geschäftsmäßig, »ich bestätige deinen Wunsch.
Du möchtest ein Date mit dem großen jungen Mann, der dort drüben lässig an dem Pfeiler lehnt.«
Ich nickte und sie ebenfalls. Keine zehn Sekunden später tippte ein Finger behutsam an meine Schulter.
»Hallo«, sagte eine angenehme Stimme, die mir auf Anhieb sympathisch war. Eine Viertelstunde später wusste ich nahezu alles über Maik, inklusive seiner Handynummer.
Dreißig Minuten später hatte ich eine Einladung zum Abendessen für den nächsten Freitag in der Tasche.
Nachdem er sich mit einem smarten Lächeln und einem verheißungsvollen Kuss auf meine Wange verabschiedetet hatte, wandte ich mich Angel zu.
War wirklich sie es gewesen, die Maik dazu gebracht hatte, mich anzusprechen? Ich hatte jedenfalls keine auffälligen Handzeichen oder Manöver ihrerseits wahrgenommen.
»Gib zu, Maik und du, ihr beide steckt unter einer Decke. Wahrscheinlich lacht ihr euch später schlapp über mich.«
»Ich stecke mit niemandem unter einer Decke«, widersprach Angel ernst und schüttelte vehement den Kopf. »Du... du hast es doch gewollt, oder etwa nicht?«
»Ja, das schon, aber wie hast du das gemacht?«, fragte ich sie, doch diesmal zuckte Angel als Antwort nur mit den Schultern. Ein feines Lächeln umspielte dabei ihre Lippen.
»So einfach könnte es für dich von jetzt an immer sein«, meinte sie schließlich, »für den Rest deines Lebens. Du nennst deinen Wunsch und ich erfülle ihn dir.«
Ich lachte laut auf.
»Dann bist du also eine gute Fee«, sagte ich und grinste breit.
»Könnte man so sagen«, erwiderte sie trocken.
»Na sicher, und ich bin der Papst!«, entgegnete ich immer noch lachend. »Nun sag schon, wo steht der Kerl mit der versteckten Kamera?«
Das erste Mal an diesem Abend wirkte Angel überrascht.
»Kameramann, welcher Kameramann?«, fragte sie sichtlich irritiert.
»Na, der von Verstehen Sie Spaß?«
»Entschuldige, aber das sagt mir nichts, obwohl ich sonst mit euren Bräuchen und Sprichwörtern recht vertraut bin. Aber so lange bin ich ja auch noch nicht als Wunsch-Erfüllerin tätig.«
Ich prustete los.
»Wunsch-Erfüllerin, ist das ein Beruf?«
»Eher eine Berufung, der ich gefolgt bin«, antwortete sie mit ernster Miene.
Ab jetzt war mir klar: So gut aussehend Angel auch war, sie hatte mächtig einen an der Waffel. Vielleicht glaubte sie wirklich, sie sei eine gute Fee, die aus Versehen aus ihrem Märchen gefallen und im 21. Jahrhundert gestrandet war. Vielleicht war sie aber auch nur aus einer geschlossenen Anstalt geflohen. Sie erschien mir harmlos, und da ich mittlerweile Spaß an der Sache gefunden hatte, entschied ich mich, ihr Spiel weiterhin mitzuspielen. Zumal ich mein Minimalziel des Abends – ein Date – erreicht hatte.
»Dein Job ist es also, Wünsche zu erfüllen?«, fragte ich und Angel nickte.
»Wirklich jeden Wunsch und einfach so?«, hakte ich nach.