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Two hearts, one cause Yu studiert ihr Traumfach Meeresbiologie in Hawai'i und kann es kaum erwarten, ihre Ideen zur Rettung der Weltmeere umzusetzen. Über die Semesterferien nimmt sie an einem Rechercheprojekt teil, bei dem nach Lösungen für das Korallensterben gesucht wird. Geleitet wird es von Dr. Kit Lewis, einem neuen Dozenten an der Uni. Schon seit Monaten freut sich Yu darauf, ihn kennenzulernen, da sie ein großer Fan seiner Arbeit ist. Doch ihre erste Begegnung ist eine Vollkatastrophe. Die beiden können sich nicht ausstehen, bis sie bemerken, dass sie vielleicht doch mehr verbindet, als sie dachten ... Mit ihrer Island-Summer-Reihe entführt dich die SPIEGEL-Bestsellerautorin Carina Schnell nach Hawai'i. Freu dich auf Hängematten am Strand, bunte Surfbretter und das Rauschen der Wellen. Perfekte Lektüre zum Wegschmökern! ⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓ Diese Tropes erwarten dich in »Keep my Heart Safe«: He falls first, Enemies to Lovers, Forbidden Love ⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓⁓ »Was, wenn das Paradies vor unseren Augen zerstört wird?« Dieser Satz lässt Carina Schnell seit ihrer Reise nach Hawai'i nicht mehr los. Sie hat sich dort in die wunderschöne Landschaft und die Mentalität der Einheimischen verliebt, aber auch die Auswirkungen des Massentourismus erlebt. Geschickt webt die Autorin das Thema jetzt in ihre neue romantische New-Adult-Reihe ein, in der Hoffnung, dass uns das Paradies noch lange erhalten bleibt, wenn wir alle etwas zu dessen Schutz beitragen.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
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Cover & Impressum
Triggerwarnung
Kapitel 1
Kit
Kapitel 2
Yumo
Kapitel 3
Kit
Kapitel 4
Yumo
Kapitel 5
Kit
Kapitel 6
Yumo
Kapitel 7
Kit
Kapitel 8
Yumo
Kapitel 9
Kit
Kapitel 10
Yumo
Kapitel 11
Kit
Kapitel 12
Yumo
Kapitel 13
Kit
Kapitel 14
Yumo
Kapitel 15
Kit
Kapitel 16
Yumo
Kapitel 17
Yumo
Kapitel 18
Kit
Kapitel 19
Yumo
Kapitel 20
Yumo
Kapitel 21
Yumo
Kapitel 22
Kit
Kapitel 23
Kit
Kapitel 24
Yumo
Kapitel 25
Kit
Kapitel 26
Yumo
Kapitel 27
Yumo
Kapitel 28
Kit
Kapitel 29
Yumo
Kapitel 30
Kit
Kapitel 31
Yumo
Kapitel 32
Yumo
Kapitel 33
Yumo
Kapitel 34
Kit
Kapitel 35
Yumo
Kapitel 36
Yumo
Kapitel 37
Yumo
Kapitel 38
Kit
Kapitel 39
Yumo
Kapitel 40
Kit
Kapitel 41
Yumo
Kapitel 42
Yumo
Kapitel 43
Kit
Kapitel 44
Yumo
Kapitel 45
Kit
Epilog
Yumo
Zwei Wochen später
Nachwort der Autorin
Danksagung
Content Note
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Liebe Lesende,
in diesem Buch werden Themen behandelt, die bei manchen Menschen ungewollte Reaktionen auslösen können. Diese sind auf am Ende des Buchs aufgelistet. Wer möchte, kann dort vorab reinschauen.
Wir wünschen euch das bestmögliche Leseerlebnis.
Carina Schnell
und der Piper Verlag
Vor dem strahlend blauen Himmel wiegen sich Palmwedel im Wind. Einen Moment lang blicke ich durch die Glastür des Flughafengebäudes zu ihnen auf, während ich versuche, mich innerlich für den nächsten Schritt zu wappnen. Noch trennt mich die Scheibe von der neuen Welt, die draußen auf mich wartet. Noch höre ich nur das Summen Dutzender Gespräche und eine Durchsage, die knisternd durch die Lautsprecher dringt. »Willkommen im Paradies.« Doch ich kann mir das leise Rascheln der Palmen bereits vorstellen. Den Wind auf meiner Haut fühlen. Das Salz in der Luft schmecken. Bisher hat es mich noch nie an einen Ort wie Hawaiʻi verschlagen, aber Küstenleben ist Küstenleben, schätze ich.
Hinter mir räuspert sich jemand, und mir fällt auf, dass ich im Weg stehe. Also atme ich ein letztes Mal tief durch, schultere meine schwarze Reisetasche und stoße endlich die Tür auf, um mein neues Leben zu beginnen.
Feuchte Hitze trifft mich wie ein Hammerschlag, und mir entweicht ein verblüfftes Keuchen. Orientierungslos bewege ich mich weiter vorwärts, während sich Schweißperlen auf meiner Stirn bilden. Nur wenige Schritte später klebt mir mein schwarzes T-Shirt bereits am Rücken. Es ist, als würde ich durch zähflüssige Lava waten. Von wegen Paradies – im Moment fühlt sich das hier eher wie der Vorhof zur Hölle an.
Vor dem Terminal wartet eine ganze Taxi-Armee, und ich flüchte mich eilig in den nächstbesten Wagen. Als mich kühle Luft begrüßt, seufze ich erleichtert auf. Der Fahrer starrt mich durch den Rückspiegel an, und ich erkenne, dass mein sonst eher blasses Gesicht krebsrot ist.
»Hi«, krächze ich, weil meine Kehle plötzlich wie ausgedörrt ist. »Ich möchte nach Kāneʻohe. Um genau zu sein, nach … einen Moment bitte.« Mit meinen schweißfeuchten Fingern gelingt es mir kaum, mein Handy aus der hinteren Hosentasche zu ziehen und die Adresse meiner vorübergehenden Bleibe aufzurufen. Dabei fallen mir Strähnen in die Stirn, die ich mit der freien Hand fortstreiche. Selbst meine Haare kommen nicht mit diesem Klima klar.
Ich nenne dem Fahrer die Adresse, und er nickt, was mich wenigstens ein bisschen beruhigt. Seufzend lasse ich mich zurücksinken und schnalle mich an, während er den Blinker setzt und aus der Parkbucht ausschert.
Als ich mir mit dem Unterarm Schweiß von der Stirn wische, treffen sich unsere Blicke erneut im Rückspiegel. »Sind Sie zum ersten Mal auf Oʻahu?«, fragt mich der Fahrer mit belustigtem Tonfall.
»Ja.«
»Machen Sie hier Urlaub?«
»Nein, ich ziehe für einen Job hierher.«
Seine buschigen Brauen heben sich. »Dafür haben Sie sehr wenig Gepäck dabei.«
»Jap.« Ich tätschle das schwarze Fake-Leder meines Weekenders. »Brauche nicht viel.«
»Was machen Sie denn beruflich, wenn ich fragen darf?«
Wir verlassen das schattige Flughafengelände und fahren in den gleißenden Sonnenschein. Kurz schaue ich aus dem Fenster, wo ich bisher nicht viel mehr als Beton sehe, und frage mich, ob ich dem Mann die kurze oder die lange Version geben soll. Doch wem mache ich schon etwas vor? Wenn es um meine Arbeit geht, konnte ich mich noch nie zurückhalten. Von Google Maps weiß ich, dass wir eine etwa zwanzigminütige Fahrt vor uns haben, was ausreichen sollte, um ihm ein grobes Verständnis meiner Arbeit zu vermitteln.
»Ich bin Meeresbiologe«, erkläre ich. »Erforsche Korallen, insbesondere das Korallensterben. Die University of Hawaiʻi hat mir einen Lehrstuhl angeboten, und über den Sommer leite ich ein Forschungsprojekt auf Coconut Island.«
»Ah, Sie meinen Moku o Loʻe.«
»Ja, richtig.« Hitze steigt mir in die Wangen, da ich bisher nicht herausgefunden habe, wie man den Originalnamen der Insel ausspricht, auf der ich die nächsten acht Wochen verbringen werde. Jetzt weiß ich es.
»Und was tun Sie da genau?«
»Grob zusammengefasst züchten wir Korallen, die besonders anpassungs- oder widerstandsfähig sind, was Veränderungen in ihrer Umwelt angeht, und pflanzen sie in abgestorbene Riffe, um diese neu zu beleben. Dabei werten wir unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte aus, wie erfolgreich diese Methode ist, um in Zukunft möglichst viele verloren geglaubte Riffe wiederherzustellen.«
Im Rückspiegel erkenne ich, dass er die goldbraune Stirn runzelt, während er auf den Highway fährt und sich in den zähen Verkehr einfädelt. »Wie soll das gehen? Was tot ist, ist tot, oder nicht?«
»Was Korallen betrifft, stimmt das nicht. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Riffe durchaus in der Lage sind, sich zu regenerieren, vorausgesetzt, wir Menschen lassen sie lange genug in Ruhe. Tatsächlich war es ein positiver Nebeneffekt der Pandemie, dass sich einige sonst stark vom Massentourismus belastete Riffe während dieser Zeit erholen konnten.«
»So ist das also.« Der Fahrer kratzt sich an der kahlen Stelle an seinem Hinterkopf. »Dann besteht noch Hoffnung für die Ozeane?«
Er scheint zu wissen, dass das Korallensterben katastrophale Auswirkungen auf den allgemeinen Zustand der Weltmeere hat, was ihn mir sympathisch macht.
Ich beuge mich ein wenig zu ihm vor. »Ich werde Sie nicht anlügen: Fünfzig Prozent der Korallenriffe sind weltweit bereits abgestorben. Wenn wir diese Entwicklung nicht aufhalten, verlieren wir innerhalb der nächsten dreißig Jahre fünfundsiebzig bis hundert Prozent aller Riffe. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich kann Ihnen versichern, dass eine Menge Leute mit Hochdruck an Lösungen arbeiten.«
Er schnaubt. »Um etwas zu reparieren, das wir Menschen gar nicht erst hätten kaputt machen dürfen.« Wir verlassen den Highway, und meine Aufmerksamkeit wird von den vielen bunten Häusern vor dem Fenster abgelenkt. Es geht stetig bergauf.
»Da haben Sie recht«, antworte ich, ohne den Blick von der vorbeiziehenden Landschaft zu lassen. »Vieles können wir nicht mehr rückgängig machen, sondern nur versuchen, Schlimmeres abzuwenden. Aber was die Korallen angeht, bietet sich uns die Chance, den angerichteten Schaden zumindest teilweise wiedergutzumachen.«
Er schweigt einen Moment und murmelt dann etwas von wegen »Klingt zu gut, um wahr zu sein«. Als ich mich ihm wieder zuwende, wirkt er ein wenig misstrauisch. »Was wollen Sie eigentlich mitten in Kāneʻohe? Sie meinten doch, Sie würden auf Moku o Loʻe wohnen und arbeiten. Die Adresse, die Sie mir genannt haben, befindet sich in einem Wohngebiet. Meine Schwägerin wohnt in der Straße.«
»Das ist das Haus eines Kollegen. Ich übernachte bei ihm, bevor ich morgen für die Dauer des Forschungsprojekts nach Moku o Loʻe ziehe.« Beim Sprechen stolpere ich über die Laute, an die mein Mund nicht gewöhnt ist.
Der Fahrer lächelt jedoch und korrigiert mich nicht. »Schönes Fleckchen Erde«, sagt er. »Es wird Ihnen dort gefallen.«
Ich erwidere sein Lächeln und blicke dann wieder aus dem Fenster. Draußen hat sich die Landschaft drastisch verändert. Die Straße ist nur noch zweispurig und wird zu beiden Seiten von Bäumen flankiert. Dahinter ragen zu meiner Linken saftig grüne Steilhänge auf. Dank meiner Reisevorbereitungen weiß ich, dass wir das Hochland in der Mitte der Insel überqueren müssen, um an die gegenüberliegende Küste von Oʻahu, die windward side, zu gelangen. Trotzdem verschlägt es mir beim Anblick der majestätischen Berge den Atem.
Als es wieder bergab geht, wird die Straße schnell einspurig, und wir fahren an weiteren holzvertäfelten Häusern mit blühenden Vorgärten, einer Tankstelle und einigen Geschäften vorbei. Schließlich werden wir von einem Schild in dem kleinen Städtchen Kāneʻohe begrüßt. Während wir die breite Hauptstraße entlangfahren, habe ich erneut einen atemberaubenden Ausblick auf die üppig bewachsenen Steilhänge, und ich beginne zu verstehen, dass sie auf Oʻahu wohl nie fern sind. Bisher kann ich das Meer nicht sehen, doch die Gewissheit, dass es sich ganz in der Nähe befindet, lässt mein Herz schneller schlagen. Ich muss dem Drang widerstehen, die Fensterscheibe herunterzulassen, um das Salz in der Luft zu schmecken.
Kurz darauf biegt der Fahrer in eine Straße ein und bleibt vor einem weißen Haus stehen, das von hohen Büschen gesäumt wird. »Wir sind da.«
Als er mir den Preis nennt, ist es auch schon wieder vorbei mit meiner neu gefundenen Euphorie. Während ich den Schock verdaue, krame ich in meiner Hosentasche nach den Scheinen und reiche sie ihm, inklusive Trinkgeld. Sich auf Oʻahu fortzubewegen wird definitiv nicht billig. Zum Glück habe ich mich vor meinem Umzug darauf vorbereitet, dass das Leben hier viel teurer ist als in Boston, und ein bisschen was zur Seite gelegt.
Ich schnappe mir meine Tasche vom Sitz und beuge mich vor, um dem Fahrer meine Hand hinzuhalten. »Danke für das nette Gespräch.«
Er dreht sich zu mir um, ergreift meine Hand und schüttelt sie. »Viel Erfolg mit Ihrem Projekt. Ich hoffe, damit können Sie etwas bewirken.«
»Danke. Sie können uns jederzeit auf der Insel besuchen und sich ein Bild von unserem Fortschritt machen.«
Vor Überraschung schießen seine Brauen in die Höhe. »Klingt gut.«
»Dann vielleicht bis bald.«
Nachdem ich ausgestiegen bin und die Autotür hinter mir zugeworfen habe, stelle ich meine Tasche auf den Gehsteig und schirme die Augen mit der Hand ab. Die Sonne brennt erbarmungslos auf mich nieder, und ich beginne sofort wieder zu schwitzen. Ich wünschte, ich hätte an eine Sonnenbrille gedacht. Blinzelnd sehe ich mich um und entdecke Makoa, der über den gepflegten Rasen vor dem Haus auf mich zukommt. Obwohl wir uns bisher nur über Videoanrufe gesehen haben, erkenne ich meinen geschätzten Kollegen sofort. Beruflich hatten wir schon mehrfach Kontakt, und ich freue mich darauf, nun vor Ort mit ihm zusammenarbeiten zu können.
»Kit! Aloha.« Wir schütteln uns die Hand, und er klopft mir freudestrahlend auf die Schulter. »Wie war die Anreise?«
»Hervorragend.« Ich drehe mich zu dem Fahrer um und winke. Er hupt einmal zum Abschied, bevor er davonfährt. »Ich wurde sehr nett auf Oʻahu empfangen.«
»Freut mich zu hören. Kann ich dir irgendwas abnehmen?« Makoa reckt sich, um über meine Schulter zu spähen, als erwarte er, noch mehr Gepäck am Straßenrand vorzufinden.
»Nein, das passt. Ich habe nur die eine Tasche.« Als er verblüfft blinzelt, füge ich schnell hinzu: »Ein paar größere Sachen wie Möbel lasse ich mir mit einem Container hinterherschicken. In den ersten Wochen brauche ich auf Moku o Loʻe ja nicht viel.«
Das scheint Makoa als Stichwort zu nehmen. »Mein Angebot steht«, erinnert er mich mit leicht besorgtem Tonfall. »Es ist noch nicht zu spät, dich umzuentscheiden und stattdessen bei mir und James zu wohnen. Und falls es dir unter den ganzen Studierenden mal zu viel wird, kannst du auch immer gern kurzfristig zu uns fliehen.«
»Danke, Mann. Aber ich bevorzuge es, mich voll und ganz auf das Projekt einzulassen. Totale Immersion und so.«
»Das sagst du jetzt. Ich frage dich nach der ersten Woche noch mal.«
»Meinst du wirklich, dass ich einen Inselkoller bekommen werde?«
»Das nicht, aber wenn die Studierenden jede Nacht durchfeiern und du keinen Schlaf bekommst, wirst du mir noch dankbar für mein Angebot sein.«
Ich lache. »Sollte ich mich in einen übermüdeten Zombie verwandeln, komme ich gerne darauf zurück.«
Makoa wirkt nicht überzeugt, zuckt aber mit den Schultern. »Jedenfalls habe ich dafür gesorgt, dass du die beste Bleibe auf der Insel bekommst.«
»Weit weg von den Studierenden, was?«
»So weit wie möglich, ja, aber es ist nun mal ein recht kleines Eiland. Und jetzt komm erst mal rein.« Er deutet auf sein Haus. »Wir sollten dich schnellstens in den Schatten bringen. Dein Nacken ist schon ganz rot.«
»Großartig«, grummle ich, schultere meine Reisetasche und folge ihm ums Haus herum. Dahinter tut sich ein üppig bewachsener Garten auf.
»Hast du Hunger? James kocht sein berühmtes Lau Lau, das ist ein traditionelles hawaiianisches Gericht mit Schweinefleisch und Fisch. Es müsste in einer halben Stunde fertig sein.«
»Klingt gut.« Er hat mir bereits verraten, dass sein Partner leidenschaftlich gerne kocht.
Wir kommen an einem Pool vorbei, und ich muss dem Drang widerstehen, mir mein durchgeschwitztes T-Shirt vom Leib zu reißen und sofort hineinzuspringen.
»Ich zeige dir erst mal dein Zimmer«, fährt Makoa fort. »Du hast ein eigenes Bad, wo du dich frisch machen kannst. Würdest du dich vor dem Essen gerne ausruhen?« Stirnrunzelnd mustert er mich von der Seite. »Du siehst … mitgenommen aus.«
Ich lache und fahre mir durch das sicher heillos zerzauste Haar. »So schlimm, was? Tatsächlich habe ich mich so akribisch auf alles andere vorbereitet, dass ich ganz vergessen habe, mich auf etwas so Banales wie das Wetter einzustellen. Ich meine, wie hoch ist die Luftfeuchtigkeit hier bei euch? Neunzig Prozent?«
Während Makoa mir die Hintertür aufhält, wirft er einen raschen Blick auf sein Handy. »Heute sind es zweiundneunzig Prozent.«
Auf mein Stöhnen hin entweicht ihm ein Lachen. »Tja, was soll ich sagen, Kit? Willkommen auf Hawaiʻi!«
Wohlig seufzend vergrabe ich meine nackten Zehen im Gras. Ein letztes Mal neige ich die Gießkanne und lasse den verbliebenen Inhalt auf die körnige Erde meiner Monstera Deliciosa Variegata tropfen. Dann lege ich den Kopf in den Nacken und blicke an der Pflanze hinauf, deren herzförmige Blätter sich am Verandapfosten entlang bis fast aufs Dach recken. Die Strahlen der Abendsonne streichen über mein Gesicht, und ich schließe die Lider. Meine Welt schrumpft, und einen Augenblick lang gibt es nichts als die Wärme auf meinem Gesicht, das feuchte Gras unter meinen nackten Sohlen, das Rascheln der vielen Blätter, die mich von allen Seiten umgeben. Ich werde eins mit der Natur, spüre sie um mich pulsieren – im Takt meines eigenen Herzens. Dieses Herz, das schon den ganzen Tag ein kleines bisschen zu schnell klopft und auch jetzt trotz des friedlichen Moments nicht zur Ruhe kommen will.
Mit einem frustrierten Laut öffne ich die Augen und stelle die Gießkanne ab. »Ach, Monty, was soll ich nur tun?«, sage ich zu der Monstera. »Wenn das so weitergeht, bin ich morgen zu gar nichts zu gebrauchen.«
Mit dem Zeigefinger fahre ich über die weiße Panaschierung, die sich von dem Blattgrün abhebt und dieses Exemplar so besonders macht. Die Farbe erinnert mich an Wellenschaum. Wellenschaum erinnert mich an den Ozean. Der Ozean erinnert mich wiederum an Korallen, und wenn es um Korallen geht, überkommt mich schon seit meiner Kindheit jedes Mal die traurige Gewissheit, dass sie vom Aussterben bedroht sind. Und damit sind meine Gedanken nun unwiderruflich beim morgigen Tag angekommen. Dieser Tag, auf den ich hinfiebere, seit ich vor ein paar Wochen die Zusage für mein absolutes Traumprojekt erhalten habe.
Streng genommen hat mich in den letzten Wochen so gut wie alles daran erinnert – von den Zeichnungen an den Wänden in meinem Zimmer, über einen Rettet die Weltmeere-Sticker an einem vorbeifahrenden Auto, bis hin zu einer wie eine Koralle geformten Wolke am Himmel. Das liegt wohl daran, dass ich vor lauter Vorfreude nur noch an das Projekt denken kann. Selbst das Einschlafen fällt mir seit ein paar Tagen schwer. Sobald ich die Augen schließe, befinde ich mich bereits auf Moku o Loʻe. Und wann immer ich in den letzten Wochen neben dem Lernen für die Uniprüfungen etwas Zeit erübrigen konnte, bin ich tatsächlich auf die Insel gefahren, um mich bestmöglich auf die Gegebenheiten vor Ort einzustellen. Was lächerlich ist, weil ich mich praktisch schon mein ganzes Leben auf dieses Projekt vorbereite. Ich wurde bereit geboren. Doch warum fühle ich mich dann jedes Mal, als müsste ich mich übergeben, wenn ich an morgen denke?
Weil es dir viel bedeutet, flüstert eine Stimme in meinem Inneren und trifft damit voll ins Schwarze. Es bedeutet mir sogar so viel, dass ich es kaum in Worte fassen kann. Dennoch habe ich es in letzter Zeit immer wieder versucht, weil mir das hilft, meine Gedanken zu ordnen. Auch jetzt juckt es mich in den Fingern, meine Nervosität aus mir herausfließen zu lassen und auf Papier zu bannen.
Nach einem letzten Blick auf Monty die Monstera lasse ich die Gießkanne links liegen und eile die Verandastufen hinauf. Sorgfältig säubere ich meine nackten Füße mit der Bürste, die an einem Nagel am Türrahmen hängt, bevor ich ins Haus schlüpfe. Alles ist ruhig. Meine Eltern sind nicht zu Hause. Ich drehe eine Runde durchs Wohnzimmer und die Küche, um die Jalousien zu öffnen, sodass die schattenliebenden Pflanzen, die sämtliche Fensterbretter, Kommoden und Regale zieren, ein wenig Abendlicht abbekommen. Dann geht es weiter ins Bad, wo ich mir die Hände wasche, um sie von Erdresten zu befreien. Erst dann betrete ich mein Zimmer, das am Ende des Flurs liegt.
Die Wände sind von oben bis unten mit meinen Zeichnungen behangen, die verschiedene Korallenarten und Meereslebewesen zeigen und deren Anblick mir sonst immer ein Lächeln entlockt. Diesmal nehme ich sie jedoch kaum wahr, während ich zielstrebig auf den Schreibtisch zusteuere. Ich muss ein paar Unibücher, Notizzettel und die eine oder andere halb leere Kaffeetasse zur Seite schieben, bis ich mein Journal entdecke. Mit einem triumphierenden Laut ziehe ich das Büchlein mit dem meerblauen Einband unter einer Packung Pflanzendüngestäbchen hervor. Glücklicherweise finde ich kurz darauf auch mein Mäppchen mit den Finelinern.
Auf dem Weg zurück zur Tür nehme ich mir vor, das Chaos baldmöglichst zu beseitigen. In den letzten Wochen hatte ich einfach keine Zeit zum Aufräumen, obwohl Mom mich mehrfach darum gebeten hat.
Bevor ich auf den Flur hinausgehe, fällt mein Blick auf den gepackten Koffer, der offen auf dem Boden vor meinem Bett liegt. Ganz oben türmen sich fünf Packungen meiner Lieblingssonnencreme, SPF 50+, ohne die ich niemals das Haus verlasse. Erneut macht sich die Nervosität flatternd in meiner Brust bemerkbar. »Morgen«, flüstere ich. Morgen ist es endlich so weit.
Zurück auf der Veranda lasse ich mich mit meinem Journal in der Hand auf die Bank sinken. »Hi, Don«, begrüße ich den Philodendron, der direkt neben mir an einer Rankhilfe die Hauswand hinaufklettert. Ich positioniere eins der gepunkteten Kissen an der Armlehne, lehne mich mit dem Rücken dagegen und strecke die Beine vor mir auf der Bank aus. Die nackten Füße überkreuze ich über den Knöcheln und bette mein Journal auf die Oberschenkel. Beinahe andächtig schlage ich es auf.
Auf der ersten Seite begrüßt mich die E-Mail von Dr Kit Lewis, die ich ausgedruckt und hineingeklebt habe. Stolz wallt in mir auf, während ich sie zum tausendsten Mal lese.
Sehr geehrte Frau Yoshida,
vielen Dank für Ihr Interesse am diesjährigen HIMB-Sommerprojekt mit dem Thema »Renaturierung von Oʻahus Riffen: multifaktorielle Analyse der Stressresilienz bei endemischen und zuchtoptimierten Korallenformen«. Ihre Bewerbung habe ich mit Interesse gelesen und freue mich, Ihnen heute auch im Namen des Hawaiʻi Institute of Marine Biology und der International Coral Reef Society mitzuteilen, dass Sie für die Teilnahme am Projekt ausgewählt wurden.
Um eine möglichst intensive Auseinandersetzung mit dem Thema zu gewährleisten, werden alle Teilnehmenden dazu angehalten, die für das Projekt vorgesehenen acht Wochen auf Moku o Loʻe zu verbringen. Dafür werden Unterkünfte auf der Insel zur Verfügung gestellt.
Alle weiteren Details folgen zeitnah in einer separaten E-Mail.
Wir sehen uns im Juni!
Mit freundlichen Grüßen
Kit Lewis, PhD
University of Hawaiʻi at Mānoa
Department of Oceanography
Die wenigen Zeilen haben sich mir längst ins Gedächtnis gebrannt, doch ich werde nie genug davon bekommen, sie zu lesen. Glasklar erinnere ich mich an den Moment, als ich die E-Mail geöffnet und so laut gequietscht habe, dass sich einige Kommilitonen in der Unibibliothek empört zu mir umgedreht haben. Eine E-Mail von Dr Kit Lewis höchstpersönlich – das erschien mir in dem Moment vollkommen surreal, obwohl ich mich ja für sein Projekt beworben hatte. Dieser Augenblick der Euphorie wurde nur von dem Tag übertroffen, an dem ich erfahren habe, dass mein größtes akademisches Vorbild ab nächstem Semester an der University of Hawaiʻi lehren wird. In einem seiner Kurse zu sitzen und in den Genuss seines intellektuellen Genies zu kommen, ist ein weiterer Lebenstraum, den ich in nicht allzu ferner Zukunft von meiner Liste abhaken kann. Doch nun darf ich ihn im Rahmen des Projekts bereits vor Beginn des neuen Semesters kennenlernen.
Wie es wohl ist, sich mit ihm zu unterhalten? Mit ihm zusammenzuarbeiten? Wie er wohl ist? Diese Fragen habe ich mir schon tausendmal gestellt. Das Internet gibt nämlich nicht viel über ihn her. Keine Fotos, keine persönlichen Informationen. Neben seinen akademischen Veröffentlichungen und ein paar Artikeln in wissenschaftlichen Magazinen, die über ihn als einen der jüngsten Pioniere auf dem Gebiet der Korallenforschung berichten, lässt sich kaum etwas über ihn herausfinden. Aber ab morgen werde ich endlich die Gelegenheit bekommen, ihm meine Fragen persönlich zu stellen – nur vielleicht nicht alle auf einmal.
Als Schritte auf dem Weg ertönen, der durch den Pflanzendschungel zur Veranda führt, werde ich aus meinen Tagträumen gerissen.
»Yu-chan!« Mein Vater duckt sich unter dem ausladenden Hibiskusstrauch hindurch und hebt eine Hand zum Gruß. »Ist deine Mutter noch nicht zu Hause?«
Ich winke zurück und schüttle den Kopf. »Sie hat angerufen. Macht mal wieder Überstunden.«
Dad kommt die Stufen herauf. In seinen klobigen Arbeitsschuhen sind seine Schritte schwerfällig. Er beugt sich zu mir runter und gibt mir einen raschen Kuss auf den Scheitel. »Dann wasche ich mir schnell den Baustellenschmutz ab und bereite danach das Abendessen vor. Sie wird sich freuen, wenn sie zu einem gedeckten Tisch nach Hause kommt.«
»Ich komme gleich rein und helfe dir.«
»Nein. Du bleibst schön hier sitzen und genießt die Ruhe.« Vielsagend deutet er auf das aufgeschlagene Journal auf meinem Schoß. »Ich weiß doch, dass morgen dein großer Tag ist.«
»Danke, Dad. Ich bin echt nervös.« Bei dem Gedanken an morgen ist mein Mund plötzlich ganz trocken, und ich schlucke so laut, dass Dad es gehört haben muss.
»Yu-chan.« Lächelnd streicht er mir übers Haar. »Morgen erfüllt sich einer deiner Träume. Es ist in Ordnung, deswegen aufgeregt zu sein.«
»Ein bisschen vielleicht schon, aber so stark, dass ich deswegen nicht schlafen kann?«
Nun runzelt er die Stirn und macht Anstalten, sich neben mich auf die Bank zu setzen. Rasch ziehe ich die Knie an, um ihm Platz zu machen. Erdbrocken rieseln aus seiner Arbeitskleidung, und seine sonst schwarzen Haare sind von einer grauen Staubschicht überzogen.
»Möchtest du darüber reden?«
Ich winke ab. »Wird schon werden. Ich glaube, wenn Tag eins erst mal vorbei ist, wird sich auch die Nervosität legen. Der erste Eindruck ist einfach so wichtig, weißt du? Ich will es nicht vermasseln.«
Dad zieht die schwarzen Brauen zusammen. »Aber es ist doch kein Beliebtheitswettbewerb, sondern ein akademisches Forschungsprojekt. Ich weiß, dass du mit deiner Arbeit alle aus den Socken hauen wirst. Das ist es, was zählt.«
Bei der Vorstellung, wie ich Dr Kit Lewis aus den Socken haue, muss ich lachen. »Ich werde mir Mühe geben.«
»Das tust du immer.« Ächzend erhebt er sich, um ins Haus zu gehen.
»Ich komme gleich nach!«
Mit einem strengen Blick schüttelt er den Kopf, doch ich strecke ihm bloß die Zunge heraus.
Nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, blättere ich zu der nächsten leeren Seite im Journal und krame in meinem Mäppchen nach dem blauen Fineliner. Da öffnet sich die Tür wieder, und Dad kommt mit einer Schale in den Händen heraus. Selbst von Weitem erkenne ich die bunten Kugeln, die sich darin türmen.
Meine Brauen schießen in die Höhe. »Süßes vor dem Abendessen?«
»Ich glaube, das hast du gerade nötig.« Er zwinkert mir zu. »Aber verrate es nicht deiner Mutter.«
»Danke, Dad!« Strahlend nehme ich die Schüssel entgegen. »Du verwöhnst mich.«
»Du bist meine einzige Tochter. Das ist mein Job.«
Eilig schnappe ich mir ein Mochi und schiebe es mir in den Mund. Als mir die Eisfüllung auf der Zunge zergeht, seufze ich wohlig auf. »Himmlisch. Da geht es mir direkt besser.«
Lachend verschwindet Dad im Haus, und ich höre kurz darauf durch das gekippte Fenster, wie im Bad die Dusche angeht.
Nachdem ich mir ein weiteres Mochi gegönnt habe, wische ich mir die Finger an der Serviette ab, die Dad in weiser Voraussicht dazugelegt hat. Dank seinem Pep Talk und dem Mochi-Eis ist meine Nervosität tatsächlich abgeflaut. Während sich der Zucker in meinem Blut ausbreitet, bleibt nichts als Vorfreude auf den morgigen Tag übrig.
Lächelnd streiche ich die offene Seite meines Journals glatt und ziehe die Kappe vom Fineliner. In die obere Ecke kommt das heutige Datum, dann schreibe ich in meiner schönsten Schrift direkt in die Mitte der Seite: Erkenntnis des Tages.
Einen Moment betrachte ich die Schüssel mit den kleinen runden Glücklichmachern und füge dann hinzu:
Nervosität lässt sich gut mit Mochi-Eis bekämpfen.
Küstenleben ist nicht gleich Küstenleben – was mir endgültig bewusst wird, als ich am nächsten Morgen aus Makoas Wagen steige und von einem glühend heißen Windstoß begrüßt werde. Gleichzeitig schmecke ich zum ersten Mal seit meiner Ankunft Salz in der Luft, und mein Herz macht einen freudigen Sprung. Ein Gefühl von Heimat überkommt mich, auch wenn es an dieser Küste nicht unterschiedlicher aussehen könnte als in Alaska, Boston oder Norwegen. Gierig lecke ich mir über die Lippen und lasse das vertraute Rauschen der Wellen über mich hinwegbranden. Wenigstens das ist überall auf der Welt gleich.
Ich drehe mich einmal um mich selbst und lasse den Blick schweifen. Vor mir erstreckt sich das Meer, während sich hinter mir grüne Berge jenseits der Stadt gen Himmel recken.
»Schön, was?«
Ich zucke zusammen. So versunken war ich in den Anblick, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie Makoa ebenfalls ausgestiegen ist und sich zu mir gesellt hat.
»Hat was von einem kitschigen Postkartenmotiv.«
Er lacht. »Das ist der Lilipuna Pier. Von hier aus nehmen wir das Shuttleboot rüber zur Insel.« Ich folge seinem ausgestreckten Finger mit dem Blick. Der hölzerne Steg reicht weit aufs Wasser hinaus. An seinem Ende mache ich ein weißes Boot aus. »Lass mich noch schnell den Wagen parken. Du kannst schon mal vorgehen und es dir an Bord gemütlich machen.«
»Alles klar.« Ich nehme mein Gepäck aus dem Auto – Makoas Partner hat darauf bestanden, mir selbst gemachte Snacks mitzugeben – und betrete den hölzernen Steg.
Zunächst schlendere ich gemächlich dahin und genieße den ungehinderten Blick auf die in der Sonne glitzernden Wellen. Direkt vor mir liegt Moku o Loʻe, die Insel, die ich bereits von vielen Online-Fotos kenne. In echt verschlägt mir ihr Anblick jetzt trotzdem den Atem. So nah wirkt sie, dass es aussieht, als ob man hinschwimmen könnte. Vor ihrer Küste weicht das tiefblaue Wasser einer hellen, fast grünlichen Farbe, die sich einmal um das gesamte Eiland zieht. Das ist das Korallenriff – eins von vielen in dieser Bucht. Ohne mein bewusstes Zutun werden meine Schritte immer schneller, je näher ich dem Ende des Stegs komme. Nach meiner langen Reise kann ich es kaum erwarten, endlich am Ziel anzukommen.
Als ich das Motorboot erreiche, bin ich überrascht, wie klein es ist. Es sieht nicht so aus, als hätten mehr als sechs Personen darauf Platz.
»Sie müssen einer der Studierenden sein«, begrüßt mich ein Mann, der soeben von Bord springt. Er trägt eine weinrote Baseballkappe, und unter seinem dichten grauen Bart kann ich seinen Mund kaum erkennen. Die sich um seine Augen vertiefenden Fältchen verraten mir jedoch, dass er mich angrinst.
»Guten Morgen.« Während ich auf ihn zugehe, schenke ich ihm ein nachsichtiges Lächeln, da es mir oft passiert, dass mich Leute mit einem Studenten verwechseln. »Nicht ganz. Ich bin Projektleiter.« Ich zeige ihm die an einem Band um meinen Hals baumelnde Karte, die mich als Professor der University of Hawaiʻi und Gast des Hawaiʻi Institute of Marine Biology ausweist.
Mit zusammengekniffenen Augen starrt er darauf. »Willkommen, Herr Professor Doktor Lewis. Mein Name ist Bernie.«
Ich schlage in seine ausgestreckte Hand ein und schüttle sie. »Freut mich, Bernie. Bitte nennen Sie mich Kit.«
»In Ordnung, Professor Kit.« Er scheint mein Amüsement nicht zu bemerken und fährt direkt fort. »Kommen Sie immer gern auf mich zu, sollten Sie irgendwas brauchen. Mein Boot steht Ihnen und den Projektteilnehmenden jeden Tag zur Verfügung. Wir fahren stündlich rüber. Wochentags von sechs bis siebzehn Uhr. Und an Wochenenden und Feiertagen von acht bis siebzehn Uhr. Außerhalb der Zeiten oder wenn es mal spontan sein muss, können Sie mich auch telefonisch erreichen. Ich oder mein Kollege sind in fünfzehn Minuten da. Die Nummer hängt im Sekretariat auf der Insel.«
»Klingt gut. Danke, Bernie.«
Einladend deutet er auf sein Motorboot. »Kommen Sie an Bord.«
Das kleine weiße Gefährt schaukelt stark, als ich es betrete, doch meine Beine sind seeerprobt und tragen mich problemlos zu der vordersten Sitzbank im Schatten einer Überdachung. Ich lehne mich nicht an, da mir mein T-Shirt bereits wieder am Rücken klebt.
Hinter mir wird Makoa herzlich von Bernie begrüßt. Kurz darauf lässt er sich neben mich auf die Bank fallen. »Freie Platzwahl, was?«
»Ja, wir sind unter uns. Es scheint sonst niemand zur Insel zu wollen.«
»Überrascht mich nicht. Für die Öffentlichkeit ist sie nur im Rahmen von geführten Touren zugänglich, die einmal im Monat stattfinden. Die meisten Projektteilnehmenden trudeln im Laufe des Nachmittags ein. Andere, die hier in der Nähe wohnen, stoßen erst morgen früh dazu.« Mit einem zufriedenen Zungenschnalzen reibt er sich die Hände. »Wir haben also noch ein paar Stunden unsere Ruhe, und ich kann dir alles zeigen.«
»Gott sei Dank«, antworte ich sarkastisch, da ich seine Abneigung gegenüber den Studierenden nicht teile. Vielmehr freue ich mich darauf, sie alle bald kennenzulernen.
Während Bernie alles fürs Ablegen vorbereitet, hole ich mein Fernglas aus der Tasche. Als ich es mir vor die Augen halten will, um die Insel näher zu betrachten, spüre ich Makoas Blick auf mir.
»Wow, damit könntest du jemanden erschlagen.«
Ich senke das Fernglas und sehe ihn fragend an.
»Du machst keine halben Sachen, was?«
»Ich bin bloß gern vorbereitet.«
Er deutet auf das Fernglas. »Aber in weniger als fünfzehn Minuten kannst du dir sowieso alles aus nächster Nähe ansehen.«
»Na ja, ich komme aber nicht alle Tage in den Genuss, zum ersten Mal die Insel unter die Lupe zu nehmen, auf der ich die nächsten acht Wochen verbringen werde.«
»Da hast du wohl recht.« Er lässt den Blick zu dem Eiland schweifen. »Ich vergesse manchmal, wie besonders dieser Ort ist, weil ich fast jeden Tag herkomme.«
»Bereit?«, ertönt da Bernies Stimme hinter uns.
Makoa gibt ihm einen Daumen hoch, und er startet den Motor. Überraschend schnell sausen wir los. Wind pustet mir entgegen. Hier an der Küste ist es nicht ganz so unerträglich stickig wie im Landesinneren. Mit einem erleichterten Seufzen schließe ich die Augen und lasse meine feuchte Stirn trocknen.
Als ich die Lider wieder öffne, ist da nichts als Wasser um mich herum – und vor mir die Insel. Je näher wir ihr kommen, desto mehr Details erkenne ich nun auch mit bloßem Auge. Die Küste ist mit Büschen und Bäumen bewachsen, hier und da ragen Palmen aus dem Dickicht. Ein Vogelschwarm zieht über den strahlend blauen Himmel.
Plötzlich stößt Bernie einen Ruf aus und deutet aufs Meer. Ich drehe den Kopf, erkenne einige dunkle Schemen unter Wasser, die neben dem Boot herschwimmen. Im nächsten Moment teilt sich die Oberfläche, und eine vorwitzige Schnauze schiebt sich hervor, gefolgt von einem glänzenden Körper, der sich mit beeindruckender Kraft in die Luft katapultiert. »Delfine!«
Ich beuge mich über die Reling, bewundere die Tiere, die in einer perfekten Choreografie aus den Fluten springen und ihre kunstvollen Sprünge darbieten.
»Die wirst du hier oft zu Gesicht bekommen«, ruft Makoa mir über das Knattern des Motors zu. »Sie schwimmen gern im Kielwasser mit und genießen die Strömung.«
»Die Glücklichen«, antworte ich. Am liebsten würde ich mich zu ihnen ins Wasser stürzen, um mich abzukühlen.
Die Delfine begleiten uns noch ein Stück – blitzschnell dahinsausende Schemen unter der Oberfläche, die sie dann und wann durchbrechen –, doch schließlich wird das Wasser zu seicht, da wir uns der Insel nähern. Bernie drosselt das Tempo und steuert eine Anlegestelle in einer kleinen Bucht an.
»Willkommen auf Coconut Island«, ruft er uns zu, nachdem der Lärm des Motors verebbt ist.
»Den Spitznamen hat die Insel übrigens erhalten, weil Prinzessin Bernice Pauahi Bishop hier einst mehrere Kokosnussbäume gepflanzt hat«, erklärt Makoa. »Die Insel war früher im Besitz der königlichen Familie von Hawaiʻi.«
»Ich weiß«, antworte ich. »Außerdem gehört die Prinzessin zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten in der Geschichte der hawaiianischen Inseln und hat zum Beispiel die Kamehameha-Schulen gestiftet, die sich bis heute auf die Ausbildung von Kindern hawaiianischer Abstammung spezialisieren.«
»Natürlich weißt du längst Bescheid.« Makoa tut so, als würde er sich mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen. »Man wird nicht mal eben zum ›jüngsten Pionier auf dem Gebiet der Korallenforschung‹, wenn man keine ernst zu nehmenden Recherche-Skills mitbringt.«
»Ich würde sagen, dass das eher zur Allgemeinbildung zählt, wenn man hier lebt.«
»Aber du bist doch gerade erst angekommen.«
»Wie gesagt: Ich bin gerne vorbereitet. Und wenn es nach der Universität geht, werde ich eine sehr lange Zeit hierbleiben.«
»Sie haben dir ein richtig gutes Angebot gemacht, was?«
Ich nicke. »Eins, das ich nicht ausschlagen konnte.«
»Wenn du Harvard für uns sausen lässt, muss es verdammt gut gewesen sein.« Er schnalzt mit der Zunge und steht auf, sodass das Boot wackelt. »Und wenn du dich wirklich für hawaiianische Geschichte interessierst, habe ich dir noch viel zu zeigen.«
»Darauf hatte ich gehofft.«
Wir sammeln unser spärliches Gepäck ein und bedanken uns bei Bernie für die Überfahrt. Nachdem wir von Bord gegangen sind, führt mich Makoa einen Weg entlang, der sich über eine von Büschen gesäumte Wiese schlängelt. Blütenduft hüllt uns von Kopf bis Fuß ein. Vögel trillern in den umstehenden Bäumen. Das Meer ist nie fern und blitzt alle paar Schritte durch Öffnungen im üppigen Grün auf. Über unseren Köpfen wiegen sich Palmen in der Brise. Schließlich tut sich vor uns eine weitere von mehreren Gebäuden umstandene Bucht auf. Auf fast allen Hausdächern erkenne ich Solaranlagen.
»Das ist das administrative Herz der Insel«, erklärt Makoa. »Hier findest du alles, was du brauchst – zum Leben und Unterrichten.« Mit einer ausholenden Handbewegung deutet er auf die in der Bucht liegenden Boote. »Die stehen dir jederzeit zur Verfügung. Schnorchel- und Tauchausrüstung wird dir natürlich auch gestellt.«
»Gut. Meine kommt nämlich erst in etwa zwei Wochen auf Oʻahu an. Der Container lässt auf sich warten.«
»Kein Problem. Wir heißen hier oft Gastdozierende oder Forschende willkommen, die nicht lange bleiben und sich alles vor Ort ausleihen.«
Die Sonne funkelt auf den Wellen, während wir an den schaukelnden Booten vorbeilaufen.
»Um die Insel rum herrscht allgemein nicht viel Betrieb auf dem Wasser«, fährt Makoa fort. »Wir befinden uns in einer geschützten Umgebung. Bis fünfundzwanzig Fuß jenseits der Ausläufer des Riffs darf niemand fischen oder Wasserlebewesen jeglicher Art entnehmen. Auch die Studierenden dürfen Letzteres nur mit unserer Genehmigung.«
»Ist notiert.«
Kurz schauen wir im Sekretariat vorbei, wo Makoa mich einer freundlichen Frau namens Alice vorstellt, an die ich mich jederzeit wenden kann, wenn ich Fragen habe. Sie überreicht mir eine Karte der Insel und einen Universalschlüssel, der sämtliche Türen in den öffentlichen Gebäuden öffnet.
»Ansonsten finden sich in diesem Gebäudekomplex die Labore, die Unterrichtsräume und die Bibliothek«, erklärt Makoa, während er mich wieder nach draußen führt. »Es gibt auch einen kleinen Laden, wo du die wichtigsten Sachen wie Zahnpasta, Klopapier, Snacks und natürlich Bier kaufen kannst.«
»Dem werde ich nachher zuallererst einen Besuch abstatten.«
Schmunzelnd deutet Makoa auf meine kleine Reisetasche. »Eine Tube Zahnpasta hat wohl nicht mehr reingepasst, was?«
»Für die Reise habe ich mich auf das Wesentliche konzentriert.« Grinsend ziehe ich meine Nintendo Switch aus der Seitentasche und wedle damit vor seinem Gesicht herum. »Konnte ja nicht ahnen, dass es Probleme mit meinem Container geben würde.«
Makoa lacht. »Man muss Prioritäten setzen.«
Am äußersten Rand verjüngt sich die Bucht zu einem Kanal, der das Meerwasser ins Innere der Insel leitet. Zwei Brücken führen auf die andere Seite, doch wir bleiben auf unserer und laufen an dem breiten Kanal entlang. Das Wasser ist so klar, dass ich bis auf den Grund schauen kann. Dort erkenne ich einige dunkle Schemen. Sie erinnern mich stark an … »Sind das Hammerhaie?«
Makoa nickt. »Hier befindet sich unser Shark Tank. Die Haie, die du hier siehst, haben wir als verletzte oder verwaiste Jungtiere in der Kāneʻohe-Bucht aufgelesen und hergebracht, damit sie in Sicherheit aufwachsen können, bis wir sie später wieder freilassen.«
»Beeindruckend«, murmle ich und kann es kaum erwarten, mir die kleinen Haie näher anzusehen.
»Weißt du, was noch viel beeindruckender ist?« Als ich Makoa fragend ansehe, glänzen seine dunklen Augen und sein Lächeln ist breit. »Die Hammerhaie sind praktisch deine Nachbarn, denn du«, er deutet auf ein kleines Haus direkt am Kanalufer, »wohnst hier.«
Abrupt bleibe ich stehen, denn damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet. »Ich dachte, ich komme in einem der Wohnheime unter.«
»Das ist normalerweise auch so«, erklärt Makoa. »Auf der Insel gibt es mehrere Unterkünfte mit jeweils sechs bis acht Betten, aber du musst dir dein temporäres Heim mit niemandem teilen. Dafür habe ich gesorgt.«
»Es wäre wirklich kein Problem gewesen, mit Kollegen zusammenzuwohnen.«
»Ich weiß.« Makoa wirft sich in die Brust. »Aber es muss schließlich einen Vorteil haben, dass du mit dem stellvertretenden Direktor des Hawaiʻi Institute of Marine Biology befreundet bist. Außerdem ist es hier über den Summer Break meistens sehr ruhig. Neben eurem Projekt wird kaum Forschung betrieben, weshalb viele Betten frei sind.«
»Danke, Makoa.« Ich schlage ihm auf die Schulter.
»Ach.« Er winkt ab. »Glaub ja nicht, dass das uneigennützig ist. Mir kommt es doch auch zugute, dich hier auf der Insel zu haben. Dann können wir endlich die Details für unseren gemeinsamen Vortrag ausarbeiten.«
Ich grinse, da Makoa so ziemlich der uneigennützigste Mensch ist, den ich kenne. »Wie wär’s, wenn du heute Abend auf ein Bier vorbeikommst? Dann können wir direkt loslegen.«
»Deal.«
Als wir uns wieder in Bewegung setzen, beschleunigen sich meine Schritte wie von selbst. Das weiß gestrichene Holzhäuschen sieht bereits von Weitem so einladend aus, dass ich es kaum erwarten kann, es zu betreten. Vom Dach baumelt ein Schild, auf dem Hale Ulua steht. Ich erkenne den Namen meiner Unterkunft von der Info-Mail, die ich vor ein paar Wochen bekommen habe – nur hätte ich nie gedacht, dass es sich dabei um ein ganzes Haus handelt.
Wir steigen die vier Stufen zur Veranda hinauf. Neben der blauen Tür laden zwei Stühle zum Verweilen ein. Darauf sehe ich uns bereits mit unserem Bier sitzen. Sicher bekommt man hier viel Abendsonne.
Makoa überreicht mir den Schlüssel. »Willkommen in deiner Bleibe für die nächsten acht Wochen.«
Mit vorfreudig klopfendem Herzen drehe ich den Schlüssel im Schloss. Leise knarzend schwingt die Tür auf.
»Du hast ein eigenes Bad und eine Küchenzeile«, ertönt Makoas Stimme hinter mir. »Es müsste alles da sein. Bettwäsche, Handtücher, Kochutensilien. Sollte etwas fehlen, melde dich bei Alice und ihrem Team.«
Vor mir tut sich ein einzelnes Zimmer mit der von Makoa erwähnten Küchenzeile, einem Bett und einem Schrank auf. Eine angelehnte Tür führt ins angrenzende Bad.
Es ist klein und ein wenig in die Jahre gekommen, aber für meine Zwecke perfekt.
»Die Studierenden werden in einem größeren Gebäude, genannt Hale Hinalea, unterkommen, das sich näher an den Unterrichtsräumen befindet. Du solltest hier also, wie gesagt, deine Ruhe haben«, fährt Makoa fort.
Ich antworte nicht, habe bereits meine Tasche abgestellt und laufe durch den Raum, öffne den Kühlschrank, fahre mit den Fingern über den kleinen Esstisch und werfe einen Blick ins kleine, aber saubere Badezimmer.
»Ich würde dir gern die ganze Insel zeigen, aber ich habe gleich einen Termin mit meinem Team. Du kannst ja selbst eine Runde drehen. Schau auf jeden Fall in der Lagune vorbei, bevor die Studierenden eintreffen. Das ist ein künstlich angelegter Salzwasserteich. Daneben befindet sich eine Hütte, wo man gemeinsam kochen oder grillen kann. Es ist ein beliebter Treffpunkt für Studierende und Forschende gleichermaßen. Du kannst die Küche oder den Grill dort jederzeit nutzen oder auch Meetings dort abhalten.«
Seine Erklärungen dringen nur noch gedämpft zu mir durch, während ich wie magisch angezogen auf das Fenster neben dem Bett zusteuere.
»Kit?«
»Ja?« Abrupt an Makoas Anwesenheit erinnert, fahre ich zu ihm herum.
»Hast du irgendetwas von dem gehört, was ich gerade gesagt habe?«
»Ja. Salzwasserteich, Lagune, Grillhütte.«
»Okay.« Er schmunzelt. »Ich schaue dann also nachher für das versprochene Bier bei dir vorbei, bevor ich das Boot zurück nach Hause nehme.«
»Alles klar. Danke dir für die Führung. Ich werde schon zurechtkommen.«
»Daran habe ich keinen Zweifel. Aber fall vor lauter Entdeckungsdrang bitte nicht in den Shark Tank.«
»Ich werde mir größte Mühe geben. Bis nachher.«
»Bis dann.«
Er teilt mir noch das WLAN-Passwort mit, dann ist Makoa verschwunden. Sobald sich die Tür hinter ihm geschlossen hat, eile ich zum Fenster.
»Fuck, yeah«, entfährt es mir. Tatsächlich habe ich einen ungehinderten Blick auf das glasklare Wasser des Kanals. Durch die Bäume am anderen Ufer mache ich hinter einem schmalen Strandabschnitt das Meer aus. Kaum zu glauben, dass ich die nächsten acht Wochen in diesem Paradies verbringen werde. Ja, das Hawaiʻi Institute of Marine Biology, kurz HIMB, ist zuallererst ein Forschungszentrum, aber mit den Palmen und Lagunen kommt es wie ein Ferienparadies daher. Eins, in dem ich mit meinem Team verdammt wertvolle Arbeit leisten werde.
Da ich es kaum erwarten kann, die Insel zu erkunden, lege ich nur einen kurzen Boxenstopp im Bad ein, um mir das durchgeschwitzte Shirt vom Leib zu schälen, Deo aufzutragen und mir Wasser ins erhitzte Gesicht zu spritzen. Ich ziehe mir ein frisches T-Shirt an und schlüpfe in meine Badeshorts, in denen ich hoffentlich weniger schwitzen werde.
Voller Tatendrang schnappe ich mir dann den Schlüssel und mache mich wieder auf den Weg nach draußen.
Die Insel ruft.
Mit einem Ächzen lasse ich meinen Wanderrucksack zu Boden fallen und hechte bäuchlings auf die untere Matratze des Stockbetts. Sie gibt so stark nach, dass mir sämtliche Federn in die Rippen piken, doch ich stoße trotzdem einen Jubelschrei aus.
»Wir sind hier!« Ich drehe mich auf den Rücken und starre zu dem fleckigen Lattenrost über mir auf. »Kannst du es fassen, Akiko? Wir sind wirklich und wahrhaftig hier.«
Meine Kommilitonin, und seit heute auch Mitbewohnerin, rümpft die Nase. »›Hier‹ ist ein ranziges Wohnheimzimmer. Entschuldige, wenn ich deine Begeisterung nicht teile.« Mit angeekelter Miene holt sie ein Fläschchen Desinfektionsmittel aus ihrer teuren Fumikoda-Handtasche und beginnt, den kleinen Tisch vor dem Fenster abzuwischen. Abgesehen von einem Kleiderschrank, finden sich keine weiteren Möbel in dem Raum, doch das ist nicht weiter schlimm, da wir in den kommenden Wochen wahrscheinlich die meiste Zeit in den Laboren und am Strand verbringen werden.
Während Akiko nun auch die Leitersprossen desinfiziert, die zu ihrem Bett hinaufführen, ziehe ich mein Journal aus dem Rucksack und schiebe es unter das Kopfkissen. Es fühlt sich gut an, an diesem neuen, aufregenden Ort etwas Vertrautes bei mir zu haben. Ein Stück Zuhause.
Seufzend wirft Akiko sich das lange fliederfarbene Haar über eine Schulter. Sie zückt ihr Handy, tippt auf dem Display herum und runzelt die Stirn. »Kriegst du das Wohnheim-WLAN?«
»Hab noch nicht nachgesehen.«
Ohne den Blick von ihrem Smartphone zu heben, läuft sie im Zimmer auf und ab. »Ich kann mich nicht verbinden.«
»Ist doch egal.« Ich setze mich auf. »Wir sollten lieber losziehen und die Insel erkunden.«
Sie flucht, als offenbar auch ihr nächster Log-in-Versuch fehlschlägt. »Du warst nach eigenen Angaben in den letzten zwei Wochen fünfmal hier, um genau das zu tun. Müsstest du dich nicht schon bestens auskennen?«
»Ich kenne die Insel, aber nicht die Leute. Glaubst du, dass außer uns schon welche da sind?« Mir kommt ein Gedanke, und ich springe so hastig auf, dass ich mir beinahe den Kopf am oberen Bettkasten stoße. »Ob Professor Lewis wohl schon da ist? Stell dir mal vor, wir treffen ihn irgendwo!« Allein die Vorstellung lässt mein Herz schneller schlagen.
»Wir lernen ihn doch sowieso morgen früh kennen. Dann hast du alle Zeit der Welt, ihn mit deinen drölfzigtausend Fragen zu löchern.«
»Du hast leicht reden. Wenigstens hast du ihn schon mal in Aktion gesehen und weißt, wie er aussieht.«
Durch ihre gut vernetzten Eltern, zwei bekannte Meeresbiologen, genießt Akiko gewisse Privilegien in der Branche.
»Das war eine große Konferenz. Er stand am Rednerpult, und ich saß ganz hinten.«
»Trotzdem bin ich neidisch.«
»Solltest du auch sein. Selbst von Weitem sah er ziemlich gut aus.« Endlich lässt sie ihr Handy sinken und tippt sich ans Kinn. »Wenn ich so drüber nachdenke, klang seine Stimme auch echt heiß.«
»Akiko!« empöre ich mich. »Hör auf, unseren Projektleiter zu sexualisieren. Wenn etwas sexy an ihm ist, dann ja wohl sein dickes, fettes Gehirn.«
Akiko verzieht das Gesicht. »Bitte mach mir nicht auch noch das letzte bisschen Spaß kaputt, das mir geblieben ist. Es ist schlimm genug, dass ich dank meiner Eltern acht Wochen auf dieser Insel festsitze.«
»Sei doch froh, dass dir deine Eltern den Platz besorgt haben. Andere Studierende würden dafür töten. Und dir ist schon klar, dass wir jederzeit von der Insel runterdürfen, oder?«
»Ich bin ja auch dankbar dafür, aber meine Vorstellung von einem perfekten Sommer sieht anders aus. Nicht alle sind so Hardcore drauf wie du. Gib’s zu, du würdest am liebsten jede freie Sekunde auf dieser Insel verbringen.«
»Na ja, ab und zu werde ich nach Hause fahren müssen. Jeden Donnerstag habe ich meinen Stand auf dem Farmers’ Market, ich muss mich um meine Pflanzen kümmern, und ich sollte auch nach meiner Mom sehen. In letzter Zeit arbeitet sie zu viel.«
»Also, ich für meinen Teil kann es kaum abwarten, bis die Woche rum ist und ich das Wochenende in meinem bequemen Bett mit Netflix und Lieferservice verbringen kann.«
Ich seufze. »Akiko, es ist ein verdammtes Privileg, hier zu sein.« Falls sie es wirklich vergessen hat, erinnere ich sie lieber noch einmal daran. »Das HIMB ist ein weltbekanntes Forschungsinstitut. Wir bekommen hier die einmalige Gelegenheit, die Korallenriffe direkt vor unserer Haustür zu studieren. Und dafür müssen wir nur einen kleinen Zuschuss für Kost und Logis bezahlen.«
»Ja, okay, wenn du es so ausdrückst, klingt es ziemlich cool. Ich sage ja bloß, dass sie das Wohnheim ruhig mal renovieren könnten. Und funktionierendes WLAN wäre auch nicht schlecht.« Als ich ihr einen strengen Blick zuwerfe, fügt sie mit zuckersüßer Stimme hinzu: »Natürlich, um uns die Arbeit zu erleichtern.«
»Okay, das reicht jetzt.« Ich packe sie am Arm und ziehe sie zur Tür. »Komm mit, ich zeige dir alles.«