Kimba - Natalie Schunicht - E-Book

Kimba E-Book

Natalie Schunicht

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Beschreibung

Plötzlich ist sie da, die Angst. Natalie bekommt dann keine Luft mehr, ihr Herz rast und sie zittert. Seit ihrer Kindheit leidet die junge Frau an einer Angststörung. Sie fürchtet sich vor Menschenmengen, überfüllten Bussen und geht monatelang nicht vor die Tür. Selbst eine Therapie hilft nicht. Doch dann bekommt sie einen kränkelnden Hund geschenkt, den sonst keiner haben will. Von Kimba lernt Natalie, sich durchzubeißen, Vertrauen aufzubauen und das Leben zu meistern.

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmungKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11

Über dieses Buch

Plötzlich ist sie da, die Angst. Natalie bekommt dann keine Luft mehr, ihr Herz rast und sie zittert. Seit ihrer Kindheit leidet die junge Frau an einer Angststörung. Sie fürchtet sich vor Menschenmengen, überfüllten Bussen und geht monatelang nicht vor die Tür. Selbst eine Therapie hilft nicht. Doch dann bekommt sie einen kränkelnden Hund geschenkt, den sonst keiner haben will. Von Kimba lernt Natalie, sich durchzubeißen, Vertrauen aufzubauen und das Leben zu meistern.

Über die Autorin

Natalie Schunicht wird 1983 in Borken geboren und ist gelernte Kauffrau für Büromanagement. Als sie 14 ist, stirbt ihre Mutter an Krebs, und Natalie kommt in ein Heim. Sie entwickelt zunehmend Ängste, die sie auch durch zahlreiche Therapien und Klinikaufenthalte nicht in den Griff bekommt. Das ändert sich erst, als ein ängstlicher Hundewelpe in ihr Leben tritt. Heute lebt Natalie im Münsterland und arbeitet für eine bekannte Hundezüchterin.

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Originalausgabe

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Matthias Auer, Bodman-Ludwigshafen

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de unter Verwendung eines Motivs von © Anne Brand – Fotostudio

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0416-8

luebbe.de

lesejury.de

Für Kimba

Ein Hund ist mehr als ein Haustier: Er ist ein Freund, ein Vertrauter, ein Seelentröster – ein persönlicher Schutzengel!

Kapitel 1

»Aber Natalie, du bist ja viel zu dünn angezogen!«

Frau Krüger, meine Lehrerin, steht mir auf dem Pausenhof gegenüber und sieht mich mitleidig an. »Es ist sehr frisch heute, und mit deiner dünnen Bluse erkältest du dich. Bitte geh ins Klassenzimmer und hol deine Jacke.«

Es stimmt. Es ist viel zu kalt, und ich friere entsetzlich. Schon auf dem Schulweg am Morgen habe ich richtig geschlottert, konnte mich dann aber im Unterricht etwas aufwärmen. Jetzt, draußen auf dem zugigen Schulhof, ist mir bitterkalt. Aber ich versuche, mir das nicht anmerken zu ­lassen.

Lisa, eine der Mitschülerinnen, die mich ständig hänseln, hat sich allerdings schon lustig gemacht und spöttisch: »Natalie hat keine Jacke. Natalie hat keine Jacke!« herumposaunt.

Ich habe mich daraufhin in eine Ecke neben den Toilettentrakt gestellt, mich kleingemacht und gehofft, dass sie mich in Ruhe lässt und die Pause möglichst rasch vorübergeht.

Aber nun hat mich Frau Krüger entdeckt, und ich muss zurück ins Schulgebäude. Ich bin 10 Jahre alt und gehe in die 4. Klasse einer Grundschule in der Nähe von Borken im Münsterland.

Zu gern würde ich gleich eine kuschelige Jacke vom Haken nehmen. Doch leider hängt da keine, weil ich überhaupt keine Winterjacke besitze. Die vom letzten Jahr passt nicht mehr, und eine neue wollen Mama und Papa mir nicht kaufen. »Du hast genug Klamotten«, hat meine Mutter entschieden und mir verboten, sie noch einmal darauf anzusprechen. Später meinte sie noch, dass ich sowieso schon genug koste und sie es leid sei, mich »teures Blag« ständig neu einzukleiden. Das war vor zwei Wochen, und seitdem gehe ich ohne dicke Jacke in die Schule. Aber außer den Mädchen aus meiner Klasse ist das zum Glück noch niemandem aufgefallen.

»Natalie, komm, wir gehen zusammen«, sagt Frau Krüger, als sie mein Zögern bemerkt. Sie muss spüren, dass etwas nicht stimmt, denn plötzlich legt sie mir ganz vertraut den Arm um die Schulter und schiebt mich vorsichtig Richtung Schuleingang.

Eigentlich möchte ich nicht mitgehen, denn ich schäme mich, dass ich keine Winterjacke habe. Ich lehne mich deshalb auch etwas störrisch zurück, trotte aber dann doch wie ein Sträfling neben ihr her zum Schulgebäude.

Gleich wird die Wahrheit ans Tageslicht kommen, denn ich kann keine Jacke herbeizaubern, und mit jedem Schritt breitet sich das mulmige Gefühl in meiner Magengegend weiter aus.

Frau Krüger ahnt, was los ist.

»Hast du keine Jacke?«, fragt sie leise und sieht mich mitleidig an, als ich mit gesenktem Blick den Kopf schüttle.

»Okay!«, meint sie dann und lächelt. »Ich glaube, du bist schon ein bisschen verschnupft, und verschnupfte Kinder sollten in der Pause im Klassenraum bleiben. Und ich spreche einmal mit deinen Eltern.«

Wenig später sitze ich im leeren Klassenraum an der Heizung und habe ein leckeres Käsebrot vor mir liegen, daneben steht eine Tasse mit warmem Kakao. Frau Krüger hat mir beides spendiert. Sie ist toll.

Ich vermute, sie telefoniert nun mit meinen Eltern und konfrontiert sie damit, dass ich wiederholt nicht richtig angezogen gewesen sei und wiederholt kein Frühstück bei mir gehabt hätte.

Sie hat schon oft bei meinen Eltern angerufen. Das letzte Mal hat sie sie daran erinnert, dass ich dringend Sportschuhe für die Turnhalle bräuchte. Sie meldete sich aber auch schon, weil ich eine Woche lang mit denselben Sachen in die Schule gekommen war und sich Mitschüler beschwert hatten, da meine Kleidung nicht mehr sauber war. Damals haben mir alle ständig »Dreckmaus« nachgerufen.

Frau Krüger will mir helfen. Dafür bin ich ihr dankbar. Aber ich weiß auch, dass sich bei mir zu Hause niemand darum schert, was sie sagt.

Deshalb mache ich mir auch jetzt nichts vor. Ich freue mich nicht mehr auf das, was sein kann, weil es sowieso nie sein wird. Ich freue mich hingegen über das, was gerade da ist: ein wunderbares Käsebrot, das mir vom ersten Bissen an so gut schmeckt wie keines je zuvor.

Neugierig klappe ich die beiden Hälften auseinander. Das frische, weiche Brot ist sogar mit Butter beschmiert, und der golden schimmernde Käse schmeckt ungewohnt würzig.

Ich klappe die Brothälften wieder zusammen und beiße erneut herzhaft in die Scheiben, schließe dabei die Augen und genieße.

Aber ich muss vorsichtig schlucken. Denn wenn ich großen Hunger habe und mein Magen ganz leer ist, bekomme ich Bauchweh, wenn ich zu schnell esse.

Allerdings fällt es mir schwer, langsam zu essen. Denn ich habe immer etwas Angst, hungern zu müssen, und beginne sofort zu schlingen, wenn ich leckeres Essen sehe, das für mich bestimmt ist.

Doch heute will ich es anders, besser machen.

Ich setze mich deshalb auf einen Stuhl am Fenster und sehe auf die große Uhr, die über der Klassenzimmertür hängt. Es ist prima. Ich habe noch reichlich Zeit und kann langsam essen und meine Gedanken schweifen lassen …

Wenn das Lisa sehen könnte!

Lisa ist die Anführerin der gemeinen Mädchen, die mich immer triezen. Sie ist immer die Erste, die hässliche Bemerkungen macht, und wenn sie anfängt, ziehen andere nach, und schnell bin ich wieder das Klassenopfer.

Lisa bringt immer die herrlichsten Pausenbrote mit in die Schule. Sie hat eine rote Butterbrotdose, und wenn sie die in der Pause öffnet, ist sie jedes Mal mit etwas ganz Besonderem gefüllt. Lisa hat immer die besten Schulbrote dabei, mal mit Wurst, mal mit Käse belegt, dazu Obst oder Möhren.

Ich liebe Möhren, aber bei uns gibt es die selten. Es gibt sogar Tage, da gibt es überhaupt nichts mehr. Da ist schon morgens der Kühlschrank leer und die Brottrommel auch, und dann knurrt später in der Schule mein Magen so laut, dass ich den Unterricht störe.

Das sind die Tage, an denen mir Lisa ihre rote Butterbrotdose weit geöffnet vor die Nase hält, »Riech doch mal, riech doch mal« ruft und dann mit ihrer Freundin Annalena kichernd vor meinen Augen in die leckeren Sachen beißt und mir genüsslich etwas vorkaut.

Anfangs habe ich in solchen Momenten geweint. Aber mittlerweile flenne ich nicht mehr. Ich will nicht, dass sie meine Tränen sehen. Weil ich weiß, dass sie sich daran ergötzen, wenn ich leide.

Sie wollen mich auch leiden sehen, wenn sie über meine Kleidung herziehen und mich als »Kellerassel« beschimpfen oder wenn sie sich über meine alten Malstifte und die abgewetzten Hefte lustig machen.

Ich habe eben keine neuen Sachen. Oft sind in meinen Heften bereits Seiten herausgerissen, weil ich sie von meinen Geschwistern übernommen habe. Außerdem bin ich froh, überhaupt Hefte zu haben.

Aber für Lisa, Annalena und die anderen ist meine sichtbare Armut nur das Startzeichen, um mich auszulachen und richtig fertigzumachen.

»Gib doch mal den Müll her«, haben die beiden einander erst vor Kurzem gerufen und mein Schulheft dann gleich in den Papierkorb geworfen.

Manchmal wehre ich mich dagegen und brülle zurück, dass sie blöd seien und mich zufriedenlassen sollten, aber sie hören nicht auf, sondern ziehen mich so lange weiter auf, bis auch die anderen aus der Klasse alle mitmachen und ich irgendwann weglaufe, nach Hause.

Aber da geht es in der Regel nicht besser zu.

»Bist du dumme Göre wieder abgehauen?«, begrüßt mich meine Mutter, wenn ich schwer atmend vom Rennen nach Hause komme, und beschimpft mich gleich weiter. »Du bist zu doof, um zur Schule zu gehen. Kein Wunder, dass sie dich da nicht haben wollen. Denen gehst du auch auf den Wecker, genauso wie uns.«

Und dann macht sie sich über die Schule lustig. »Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass gleich wieder diese komische Frau Krüger anruft. Danke dafür!«

Mamas Beschimpfungen und ihre ständige Kritik tun mir allerdings nur noch ein bisschen weh. Denn ich habe mich längst daran gewöhnt.

»Mama kann nichts dafür«, sagt mein Vater immer, wenn er mich manchmal, wenn er gut drauf ist, vor den Ausbrüchen meiner Mutter in Schutz nimmt. Was er damit meint, weiß leider jeder in unserem kleinen Ort: Mama trinkt und spielt und was sie gerade mehr und häufiger macht, kann niemand sagen.

Eigentlich ist meine Mutter Verena eine tolle Frau. Sie sieht hübsch aus, hat eine sehr frauliche Figur, lange schwarzgelockte Haare und saphirblaue Augen. Mama kann lustig sein, lachen, Witze erzählen.

Aber leider kommt das immer seltener vor. In letzter Zeit liegt sie meist nur noch auf dem Sofa, sieht fern und hält eine Dose Bier in der Hand. Ihre Augen strahlen auch nicht mehr, sondern sehen häufig stumpf und müde aus.

Vom sicheren Sofa aus versucht sie, das Familienleben zu koordinieren, und das ist recht turbulent. Ich habe nämlich noch fünf Geschwister. Zum einen sind da meine zwei großen Brüder, Fabian, der fünf Jahre, und Julian, der drei Jahre älter ist. »Die beiden sind eben in einem schwierigen Alter«, sagt meine Mutter immer, wenn sie sich mal wieder in die Haare bekommen und dabei nicht zimperlich miteinander umgehen. Sie gehen nur unregelmäßig zur Schule, hocken am liebsten in ihren Zimmern und vertrödeln die Zeit. Fabian liebt es zu zeichnen, und Julian putzt ständig seine Angel­utensilien.

Mama interessiert sich allerdings nicht dafür, was sie machen. Sie ist froh, wenn die beiden beschäftigt sind und sie selbst in Ruhe lassen.

Dafür lassen sie aber mich nicht in Ruhe: Wenn ich ihnen im Weg stehe, knuffen sie mir kräftig in die Seite, und ab und zu hauen sie auch einfach zu. Ich habe gelernt, ihnen aus dem Weg zu gehen und mich nicht blicken zu lassen, wenn sie mal wieder »nicht gut drauf« sind, was eigentlich immer der Fall ist.

Zudem habe ich noch drei kleinere Geschwister. Sophia ist zwei Jahre jünger als ich, Lucas vier, und unser Nesthäkchen Jonas ist gerade mal zwei.

Weil Mama häufig nur teilnahmslos daliegt und fernsieht, kümmere ich mich viel um die drei Kleinen. Zum Glück trinkt sie neuerdings nicht mehr. Sie war ein paar Wochen in einer Entzugsklinik, und das hat ihr geholfen. Aber sie macht eben auch nichts. Wenn ich aus der Schule komme und Mama es mal wieder »nicht geschafft« hat, Mittagessen zu kochen, übernehme ich das, sofern ausreichend Vorräte da sind. Allerdings geht es häufig daneben. Ich habe mir in letzter Zeit schon einige Mal am Tauchsieder mächtig die Finger verbrannt.

Mein Vater Karl-Friedhelm ist groß und schlank und sieht sympathisch aus. Papa ist gelernter Maler, arbeitet aber im Vertrieb eines kleinen Unternehmens. Er versucht ab und zu noch, uns etwas Familienleben zu ermöglichen. Dann geht er mit uns in den Wald zum Pilze sammeln oder auf die Kirmes, und wir dürfen Karussell fahren. Aber die anfänglich gute Stimmung kippt immer recht schnell. Ich glaube, dass ihm alles über den Kopf wächst und er deshalb ständig herumjammert: Das Leben ist immer »ach so hart« und der Arbeitsplatz »ach so anstrengend« und das Ganze überhaupt »ach so nervig«.

Papa meckert, immer und überall, und scheint mit allem unzufrieden. Das bekommen wir dann zu spüren, und mittlerweile schreit er oft genauso unkontrolliert herum wie unsere Mutter und setzt uns genauso brutal zu wie sie. Ich kann die Schimpfwörter, mit denen er mich und meine Geschwister tituliert, gar nicht alle aufzählen, so viele sind es. Aber »Drecksbrut«, »Rattenbande« und »Blagenpack« sind immer dabei. Er will uns damit erziehen und auf den richtigen Weg bringen, schreit ständig herum, damit wir wissen, was wir machen sollen: Es muss alles jetzt sein, sofort, weil er uns sonst »den Arsch versohlt, bis wir Sterne sehen«, und nicht zu selten werden die Drohungen auch umgesetzt.

Doch was heute gilt, ist morgen für ihn schon wieder anders. Er hat keinen Plan, und damit haben wir auch keinen.

Meistens ist er sowieso irgendwo unterwegs, besucht jemanden aus seiner großen Familie. Ansonsten sieht er auch fern, wie Mama. Allerdings trinkt er dabei nicht und stört sich furchtbar daran, wenn Mama ausnahmsweise auch nur einen Schluck Alkohol trinkt, und dann ergibt ein Wort das andere, und das Ganze gipfelt meist in einem lautstarken und häufig auch handfesten Familienstreit.

Wir Kinder ziehen uns dann schnell in unsere Zimmer zurück, und irgendwann knallen Türen, und unsere Eltern sind weg und wir Kinder allein.

Meist gehen sie dann direkt in ihre Stammkneipe »Bei Dieter«, so heißt der Wirt dort. Mutter spielt sich dann die Sorgen am Automaten weg, und Papa hält große Reden über die Ungerechtigkeit des Lebens.

»Ein Schwätzer«, sagen viele.

»Mein siebtes Kind«, sagt meine Mutter.

Die beiden Großen sollen dann auf uns aufpassen, aber die denken gar nicht daran. Sie machen einfach weiter ihr Ding. Also bin ich für die Kleinen verantwortlich, und das macht mir häufig richtig Angst. Wenn Jonas schreit, auch wenn ich ihn gefüttert und gewindelt habe, oder sich Sophia und Lucas in die Haare bekommen und ich sie nicht trennen kann, fühle ich mich hilflos und regelrecht ausgeliefert und bekomme furchtbare Angst, dass mir alles entgleitet und ich das allein nicht packe.

In meinem Kopf drehen sich dann die schlimmsten Gedanken. Oft stelle ich mir vor, dass meine Eltern einen Unfall haben und nicht wiederkommen. Aber meine Fantasie ist grenzenlos: Jonas verschluckt sich und erstickt. Lucas stürzt und verletzt sich am Kopf. Sophia bekommt hohes Fieber und wacht nicht mehr auf. Alles kann passieren. Jetzt. Sofort.

Zwischen all diesen Horrorbildern in meinem Kopf beginnt mein Herz zu stolpern, ach was, zu rasen. Dann wird mir ganz schummerig vor Augen, und alles dreht sich um mich herum, und die Angst schnürt mir die Kehle zu. Mein Mund wird ganz trocken, meine Hände verkrampfen, und ich kann häufig kaum mehr sprechen. Ich bekomme keine Luft mehr, japse und röchle, immer verzweifelter, voller Todesangst.

Ich möchte dann zu meinen Eltern laufen, damit sie mir helfen und die Angst nachlässt. Aber ich kann ja nicht weg. Ich kann doch die Kleinen nicht alleinlassen.

Doch manches Mal, wenn sie fest schlafen, renne ich einfach los, nach draußen, und suche meine Eltern. Mitten in der Nacht irre ich dann durch die Straßen. Mama finde ich häufig in einer Spielothek vor einem Automaten. Falls ich Glück habe, geht sie mit mir nach Hause. Aber wenn Papa dann irgendwann auch heimkehrt, geht der Zoff gleich wieder los, denn er macht ihr Vorwürfe, dass sie »unser letztes Geld« verzockt.

Eigentlich könnte jetzt alles von vorn beginnen, doch weil mein Vater zu müde, beziehungsweise meine Mutter zu depressiv ist, schlafen sie vor dem immer flimmernden Fernseher ein.

Morgens verschlafen sie häufig, und ich wecke die Kleinen. Frühstück gibt’s selten. Meistens essen wir erst mittags. Wenn nichts Brauchbares im Kühlschrank ist, schickt mich Mama auf »Schnorrtour«, wie sie immer sagt. Ich muss dann bei den Nachbarn klingeln und fragen, ob sie uns etwas leihen könnten. Was leihen heißt, weiß jeder: Es gibt nie etwas zurück.

Die Leute, bei denen ich klingle, sind in der Regel nett und stecken mir Nudeln, Käse oder etwas Gemüse zu. Daraus brutzele ich dann ein Essen für uns. Bei zwei meiner »Schnorr-Kontakte« habe ich auch richtig Anschluss gefunden.

Eine Anlaufstelle ist Evi, eine hübsche Frau mit lockigen blonden Haaren, die mit ihrem Mann Harry und den kleinen Kindern Carlotta und Matteo vor einiger Zeit in das Haus gegenüber gezogen ist. Carlotta ist erst drei Jahre alt, ihr Bruder Matteo sechs. Evi hat mich bei meinem ersten Besuch sofort in die Küche geholt, und ich durfte mir aussuchen, was ich zum Essen mitnehmen wollte. Ich habe mir Reis gewünscht und Tomaten, denn das mögen die drei Kleinen am liebsten.

Seitdem bin ich häufig bei Evi, und irgendetwas steckt sie mir immer zu. Harry hat mir auch geholfen, mein altes Fahrrad zu reparieren. Es ist schön, dass sie bei uns wohnen.

Mein anderer Kontakt ist Ulla, eine Frau im Alter meiner Omas. Meine eine Oma ist aber schon tot und die andere, die Mutter meines Vaters, kümmert sich wenig um uns Kinder. Wir sind ihr egal.

Seitdem ich einmal bei Ulla nach Essen gefragt habe, ruft sie mich oft, wenn ich auf dem Weg zur Schule bin.

»Sieh mal, was ich für dich habe«, sagt sie dann und steckt mir ein großes Stück selbst gemachten Kuchen zu. Aber sie hat auch Schokolade für mich, Bananen und vor Kurzem sogar eine Handvoll Erdbeeren. Ich liebe Erdbeeren, weshalb ich mich sehr darüber gefreut habe, denn bei uns gibt es nie welche.

Ulla ist klein und schlank, trägt immer einen langen Rock, eine silberne Brille und hochgesteckte Haare. Ich mag sie sehr. Denn sie ist immer für mich da.

Ich habe ihr schon viel von Mama und Papa erzählt und davon, was bei uns los ist. Sie hört dann stets ganz aufmerksam mit zur Seite gelegtem Kopf zu und gibt mir Ratschläge, wie ich mich verhalten solle. Und sie sagt etwas, das mir noch nie jemand gesagt hat: Sie sagt, dass ich mich auf sie verlassen könne.

Darüber freue ich mich besonders. Denn ich habe niemanden, auf den ich mich sonst verlassen kann. Meine Eltern kümmern sich mehr um sich als um uns Kinder. Die beiden Großen machen, was sie wollen, und die Kleinen klammern sich an mich.

Und wer kümmert sich um mich? Es ist niemand da, und darunter leide ich sehr. Ich bin allein, immer, und die Vorstellung, dass etwas passiert, was ich allein nicht bewältigen kann, verunsichert mich so sehr, dass ich Angst bekomme. Eine Angst, die immer stärker wird und mit der Zeit immer häufiger auftritt.

»Wenn etwas ist, kommst du zu mir«, hat Ulla einmal zu mir gesagt, und als ich noch am selben Tag wieder vor ihrer Tür stand, hat sie gelacht und mir sofort geholfen. Ich brauchte Geld für die Klassenkasse, und Ulla hat es mir gegeben.

Aber Ulla tut noch viel mehr für mich: Sie hört zu! Wenn ich mich in der Schule über Lisa ärgere, weil sie sich mal wieder über meine alten Sachen lustig gemacht oder meine Stifte versteckt hat, dann kann ich zu Ulla gehen und ihr all meinen Kummer anvertrauen.

»Lass dir doch von diesem dummen Mädchen nichts gefallen. Pfeif auf solche Kommentare«, sagt Ulla bei solchen Anlässen immer, und dabei streichelt sie mir liebevoll über den Arm. Und in diesen Momenten bei Ulla ist die Welt dann nicht mehr so düster und kalt für mich, sondern warm und wohlig.

Manchmal darf ich auch bei ihr fernsehen oder mit dem Playmobil-Haus der Kinder spielen und bin einfach nur selig. Abends zu Hause im Bett denke ich oft, wie mein Leben wohl wäre, wenn Ulla meine Oma oder noch besser meine Mutter wäre, so liebevoll und fürsorglich. Das wäre das Paradies.

Häufig sind tagsüber auch Betreuer vom Jugendamt da, die nach uns Kindern sehen und uns nach der Schule fragen. Wir haben zudem Haushaltshilfen zugeteilt bekommen, die aufräumen, Wäsche waschen und die Fenster putzen. Alle reden, reden, reden dann. Mama hört zu, ist freundlich und hilft auch mit, wenn es an die Hausarbeit geht. Aber wenn die Frauen gehen, geht auch Mama – in die Spielothek oder »ausnahmsweise« mit einer Dose Bier auf das Sofa.

Ja, das ist mein Familienleben, und ich wünschte mir, man würde in der Schule nicht allzu viel davon mitbekommen. Doch mein Heimatort ist klein, die Leute kennen uns, und ich weiß, wie sie über uns sprechen, weil ich es oft genug selbst gehört habe: Wir sind die Asis.

Das tut so weh …

»Ih, guckt mal, Natalie musste drinnen bleiben!« Lisa steht jetzt in der Tür des Klassenzimmers.

Die Pause ist vorbei. Der Unterricht beginnt. Innerhalb von Sekunden sind alle da, und Lisa schafft es wieder, die Klasse gegen mich aufzuhetzen.

»Was hast du denn ausgefressen?«, ruft sie provozierend, und ich denke daran, was Ulla immer sagt: »Lass dich von dem doofen Mädchen nicht aus der Reserve locken.«

Also setze ich mich auf meinen Platz und beame mich weg. Ich denke an etwas Schönes. An ein leckeres Eis, das ich vielleicht bald einmal bei Ulla bekomme.

»Asi, Asi«, ruft da Markus, ein dicker, rotgesichtiger Junge aus meiner Klasse, von ganz hinten.

»Hört ihr mal auf damit?!«

Frau Krüger ist gekommen und fordert Markus auf, sich hinzusetzen und den Mund zu halten.

Der Unterricht beginnt. Endlich ist Ruhe.

*

»Ich kann nicht mitkommen. Mein kleiner Bruder ist krank, und ich muss mich um ihn kümmern.«

Morgen startet unser Klassenausflug. Es geht in eine Jugendherberge nach Dülmen. Aber ich will auf keinen Fall mit und präsentiere Frau Krüger gleich nach dem Deutschunterricht diese Ausrede mit meinem kranken Geschwisterchen.

»Mach dir keine Sorgen wegen der Kosten. Das habe ich doch schon mit dem Schulamt geregelt«, sagt sie beruhigend. Ich weiß das, denn sie hat es mir schon vor einigen Wochen mitgeteilt. Damals habe ich mich auch riesig gefreut, mitfahren zu können, obwohl meine Eltern das Geld für die Fahrt nicht vorstrecken konnten. Die ganze Klasse wird auf einen Reiterhof fahren, und ich liebe Pferde. Aber jetzt will ich doch nicht mit. Denn wenn ich mitfahre, erwartet mich drei Tage lang die Hölle.

Ich habe nichts anzuziehen, nur die alten Lumpen von meinen Brüdern. Mama hat sie nicht mal gewaschen. Ich habe auch keinen passenden Schlafanzug und kein Waschzeug. Ich schäme mich, wenn alle sehen, dass ich wieder nichts dabeihabe. Sie werden mich deshalb den ganzen Tag nur hänseln.

»Ich bringe Kuchen mit«, habe ich Lisa erst gestern rufen hören, und die anderen haben von Schokobonbons gesprochen und tollen Getränken. Und ich? Ich werde mit nichts in den Bus einsteigen. Gut, bestimmt steckt mir Frau Krüger etwas zu. Aber wenn das jemandem auffällt, geht es auch wieder los: »Natalie hat nicht mal Bonbons«, wird Lisa durch den ganzen Bus brüllen und sich dann genüsslich händeweise ihren Kuchen in den Mund stopfen. Ach, ich hasse dieses Biest und will ihr am liebsten gar nicht mehr begegnen, auf keinen Fall aber drei ganze Tage mit ihr verbringen.

Ich bin deshalb so froh, dass mir heute Nacht die Ausrede mit dem kranken Bruder eingefallen ist.

»Aber Natalie, das ist doch nicht richtig, dass du dich immer um deine Geschwister kümmern musst. Ich rufe gleich mal deine Mutter an«, meint Frau Krüger auch sogleich und denkt vermutlich, dass sie damit etwas erreicht.

Sie kann ruhig anrufen. Mama ist doch völlig egal, ob ich fahre oder nicht. Sie wird sagen, dass ich machen könne, was ich wolle, basta.

Und genauso kommt es auch. Ich muss nicht mitfahren. Allerdings soll ich an den drei Tagen, an denen die Klasse unterwegs ist, in die Schule kommen. Das möchte ich aber auch nicht und gehe stattdessen zu Dr. Wurzbach, unserem Hausarzt, um mir ein Attest zu besorgen.

Dr. Wurzbach, ein kräftiger Mann mit Halbglatze und Goldbrille, ist neben Evi und Ulla meine dritte wichtige Anlaufstation. Er hat seine Praxis ganz bei uns in der Nähe. Das erste Mal bin ich bei ihm gewesen, als ich schlimm erkältet war. Mama hat mich mit Fieber zum Arzt geschickt. Ich wollte, dass sie mitkommt, aber sie hatte keine Zeit oder besser: keine Energie.

Ich glaube, ich habe Dr. Wurzbach damals sehr leidgetan, jedenfalls war er von Anfang an total nett zu mir. Er hat mir Medikamente mitgegeben, aber mir auch die Hand um die Schulter gelegt und ganz lieb mit mir gesprochen. Und zum Schluss sagte er einen Satz, der mir noch viele Tage später im Kopf herumspukte: »Du kannst immer kommen, wenn du dich nicht wohlfühlst!«

Und dabei hat er mir sanft über den Arm gestreichelt.

Als ich aus seiner Praxis kam, fühlte ich mich trotz meines Fiebers irgendwie beschwingt. Es war schön, dass es neben Ulla und Evi noch jemanden gab, der sich um mich sorgte und an den ich mich wenden konnte, wann immer ich mochte und es brauchte.

Ich gehe seitdem oft zu Dr. Wurzbach. Neuerdings auch, weil ich schlecht Luft bekomme. Irgendwie gehört das alles zusammen. Erst bekomme ich Angst, dann rast mein Herz, und danach bekomme ich keine Luft mehr und mir wird schwindelig. Vielleicht habe ich das von meinem Vater geerbt oder abgeguckt, denn ihm geht es zu Hause oft so. Er fasst sich ohne Vorwarnung an den Hals, japst verzweifelt und ruft mit angstvoll geweiteten Augen: »Hilfe, ich bekomme keine Luft, Hilfe, ich sterbe!« Ein schlimmes Bild.

So schlimm soll es bei mir nicht werden. Häufig gehe ich deshalb auch direkt aus dem Unterricht zu Dr. Wurzbach. Er hat mir geraten, in solchen Momenten Wasser in kleinen Schlucken zu trinken und an etwas zu denken, was ich gern mache: zum Beispiel malen. Ich male am liebsten die Natur. Sonne. Blumen. Bäume. Und genau das stelle ich mir dann vor.

Heute sage ich ihm, dass sein Trick mit dem Wasser nicht geholfen habe. Denn mein Herz rast schon den ganzen Tag heftig. Vermutlich, weil die Angst vor den kommenden Tagen in mir hochsteigt. Ich will nicht in eine fremde Klasse gehen, in der wieder alle über mich herfallen.

Als ich Dr. Wurzbach von meinen Beschwerden erzähle, nickt er sofort verständnisvoll.

»Ich verstehe«, sagt er und verrät mir noch einen weiteren Trick gegen mein Herzrasen.

»Du denkst wieder an etwas Schönes, und dann isst du dazu noch etwas Scharfes, am besten ein Pfefferminzbonbon. Du wirst sehen, das hilft.«

Er holt eine Blechdose mit besonders scharfen Bonbons aus dem Schreibtisch und legt sie mir hin. Danach schreibt er mir das ersehnte Attest, und ich bin total erleichtert.

»Weißt du was, du legst dich jetzt zu Hause ins warme Bett und ruhst dich aus«, meint er zum Abschied und streckt mir seine Hand entgegen. »Aber anschließend geht es wieder in die Schule, versprochen?«

Ich nicke. »Ja, auf jeden Fall.«

Und das mache ich auch. Denn Dr. Wurzbach lüge ich nicht an.

*

Unsere Toilette ist winzig, hat kein Fenster, und das Licht kann man nur vom Flur aus anknipsen.

Ich kauere auf dem Klodeckel und weine bitterlich.

Ich weiß nicht, wie lange ich hier schon sitze. Eine Stunde, zwei Stunden. Keine Ahnung. Aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit.

Fabian und Julian haben mich eingeschlossen. Sie wollen sich rächen, weil sie glauben, ich hätte sie bei der Frau vom Jugendamt verpetzt. Aber das stimmt nicht. Sie hat bestimmt von einem Lehrer erfahren, dass die beiden nur unregelmäßig zur Schule gehen. Ich habe kein Sterbenswörtchen gesagt. Doch das haben sie mir nicht geglaubt und mich »zur Strafe« auf der Toilette eingesperrt, und weil sie wissen, dass ich mich in der Dunkelheit besonders fürchte, haben sie auch das Licht ausgeschaltet.

Ich weine, schreie, hämmere wie verrückt an die Tür. Ohne Erfolg! Niemand hört mich. Entweder wollen sie mich nicht hören, oder sie sind draußen im Park und lungern mit ihren Freunden auf dem Sportplatz herum.

Mama und Papa sind heute mit den Kleinen weg. Eigentlich sollte ich mit. Aber dann hatte ich wieder Herzrasen, und das ist mir zum Verhängnis geworden, wie schon so oft. Denn wenn ich allein mit den Großen bin, kommt es häufig vor, dass sie mich schikanieren. Sie haben mich auch schon geschlagen, mir Haare ausgerissen und mich gegen die Wand geschubst, einfach nur so, zum Spaß, um ihren Frust auszuleben.

Und heute haben sie mich eben eingeschlossen. Ich bin ihr Lieblingsopfer, weil ich mir nicht alles gefallen lasse und Widerstand leiste. Das stachelt sie auf und fordert sie heraus, mich immer häufiger und noch brutaler zu ärgern.

Jetzt sitze ich hier im Dunkeln und weiß nicht, wohin mit mir. Ich habe furchtbare Angst, wenn ich eingesperrt bin. Es ist dieses Ausgeliefertsein, das mir so zusetzt.

Ich weiß auch, warum das so ist. Ich habe mit Ulla darüber gesprochen, und sie hat es mir erklärt: Für mich ist mein Leben voller Gefahren und Unsicherheiten, und ich glaube, nur durchzukommen, wenn ich die Kontrolle behalte und alles um mich herum im Blick habe. Ich brauche das Gefühl, entkommen zu können, wenn es richtig brenzlig wird.

Jetzt aber kann ich nicht entkommen. Ich bin machtlos, schutzlos ausgeliefert und habe keinerlei Kontrolle über irgendetwas. Ich kann nur ausharren, und das macht mir ganz schlimme Angst.

Die Angst kommt in Wellen. Länger als fünf Minuten hält mein Körper das nicht aus, danach ebbt sie ab. Mein anfangs wild tobendes Herz beruhigt sich. Es pocht sich müde und ist danach irgendwie wie betäubt. Ich habe keine Kraft mehr zur Panik und harre nur noch bewegungslos aus.

Ich lehne an der Wand, mit geschlossenen Augen, und stelle mir vor, dass meine Eltern heimkommen und mich retten. Aber es sind nur Verschnaufpausen, bevor alles wieder von vorn beginnt. Es ist die berühmte Ruhe vor dem Sturm, der mit einer nächsten Angstattacke wieder losgeht.

Ich weiß nicht, wie lange ich so im Dunkeln ausharre. Irgendwann höre ich die Stimme meines Vaters. Er muss im Flur sein, und da schreie ich, so laut ich kann, um Hilfe.

Papa öffnet die Tür, und ich laufe heulend an ihm vorbei in mein Zimmer. Wenig später höre ich Mama brüllen: Die Großen dürfen uns Kleinen nicht ärgern, und wenn sie es trotzdem tun, setzt es »Backpfeifen«, wie Mama immer sagt. Wenig später höre ich es schon knallen, da kennt sie nichts …

*

»Wir machen einen Ausflug!«

Mama sitzt am Küchentisch und trinkt ihre zweite Tasse Kaffee. Im Fernsehen haben sie gerade gesagt, dass heute den ganzen Tag über die Sonne scheine und kein Regen zu erwarten sei. Es ist Mai und einer der ersten schönen Frühsommertage.

»Los, packt eure Sachen«, fordert sie uns auf. »In einer halben Stunde geht’s los.«

Mama ist richtig gut gelaunt. Das liegt an der Kur, die wir gemeinsam gemacht haben. Mama, ich und die drei Kleinen waren sechs Wochen am Bodensee zu einer Mutter-Kind-Kur. Dort hatten wir jeden Tag Programm mit Sport, Schwimmen und sogar Ausflügen. Ich habe das sehr genossen. Besonders das regelmäßige, leckere Essen und die viele gemeinsam verbrachte Zeit. Es war schön, sich als Familie zu fühlen.

Seit unserer Rückkehr unternimmt Mama auch zu Hause etwas mit uns. Wir sind schon, organisiert vom Kreuzbund, einer Selbsthilfegruppe für Alkoholkranke, mit der ganzen Familie in einem Märchenpark gewesen und in einem Zoo. Heute möchte Mama mit uns ins Freibad. Wir freuen uns riesig, haben aber auch Angst.