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Bernard Cornwell

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Beschreibung

Winter über Avalon – Bernard Cornwells phantastische Artus-Trilogie Britannien im 5. Jahrhundert: Die Tage der großen Dunkelheit sind angebrochen. An die Römerherrschaft erinnert kaum noch etwas und über das Meer dringen die Heere der Sachsen auf die Insel. Eine tödliche Bedrohung, denn die Bündnisse zwischen den keltischen Reichen sind zu zerbrechlich, um dem Ansturm auf Dauer standzuhalten. Als Großkönig Uther Pendragon stirbt und sein Nachfolger noch ein hilfloses Kind ist, gibt es nur einen Mann, der den Thron halten kann: Uthers Bastardsohn. Sein Name ist Arthur.

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Bernard Cornwell

King Arthur: Der Winterkönig

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Gisela Stege

Über dieses Buch

«Von allen lebenden und toten Autoren, die ich je gelesen habe, schreibt Bernard Cornwell die besten Schlachtszenen». George R. R. Martin

 

Britannien im 5. Jahrhundert: Die Tage der großen Dunkelheit sind angebrochen. An die Römerherrschaft erinnert kaum noch etwas und über das Meer dringen die Heere der Sachsen auf die Insel. Eine tödliche Bedrohung, denn die Bündnisse zwischen den keltischen Reichen sind zu zerbrechlich, um dem Ansturm auf Dauer standzuhalten. Als Großkönig Uther Pendragon stirbt und sein Nachfolger noch ein hilfloses Kind ist, gibt es nur einen Mann, der den Thron halten kann: Uthers Bastardsohn. Sein Name ist Arthur.

 

Der Auftakt der großen Artus-Trilogie.

Vita

Bernard Cornwell, geboren 1944 in London und aufgewachsen in Essex, arbeitete nach seinem Geschichtsstudium an der University of London lange als Journalist bei der BBC, wo er das Handwerk der gründlichen Recherche lernte (zuletzt als «Head of Current Affairs» in Nordirland). 1980 heiratete er eine Amerikanerin und lebt seither in Cape Cod und in Charleston/South Carolina. Weil er in den USA zunächst keine Arbeitserlaubnis erhielt, begann er Romane zu schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 30 Millionen Exemplare. Die Queen zeichnete ihn mit dem «Order of the British Empire» aus.

 

«Cornwell ist auf dem Höhepunkt seines Könnens: Eindrucksvoll gelingt es ihm, hochintelligent und mit historischer Präzision eine längst vergessene Epoche zu strahlendem Leben zu erwecken.» The New York Times

Der Winterkönig ist für Judy – in Liebe.

Dramatis Personae

Aelle: Ein sächsischer König

Agricola: Kriegsherr von Gwent, König Tewdrics Feldherr

Ailleann: Arthurs Geliebte, Mutter seiner Zwillingssöhne Amhar und Loholt

Amhar: Illegitimer Sohn Arthurs

Anna: Arthurs Schwester, Gemahlin König Budics von Broceliande

Arthur: Uthers illegitimer Sohn und Mordreds Protektor

Balise: Ein alter dumnonischer Druide

Ban: König von Benoic, Lancelots und Galahads Vater

Bedwin: Bischof von Dumnonia, Hauptberater des Königs

Bleiddig: Ein Häuptling aus Benoic

Bors: Champion von Benoic

Brochvael: König von Powys nach Arthurs Zeit

Cadwallon: König von Gwynedd

Cadwy: Vasallenfürst aus Dumnonia, der die Grenze zu Kernow bewacht

Caleddin: Druide, längst verstorben, der Merlins Handschrift anfertigen ließ

Cavan: Derfels stellvertretender Hauptmann

Cei: Arthurs Kindheitsfreund, inzwischen einer seiner Krieger

Ceinwyn: Prinzessin von Powys, Cuneglas’ Schwester und Gorfyddyds Tochter

Celwin: Ein Priester, der in Ynys Trebes forscht

Cerdic: Ein sächsischer König

Culhwch: Arthurs Cousin, einer seiner Krieger

Cuneglas: Kronprinz von Powys, Gorfyddyds Sohn

Dafydd ap Gruffud: Schreiber, der Derfels Geschichte übersetzt

Derfel Cadarn: Der Erzähler, geborener Sachse, Mündel Merlins und einer von Arthurs Kriegern

Diwrnach: Irischer König von Lleyn, einem Land, das früher Henis Wyren genannt wurde

Druidan: Ein Zwerg, Befehlshaber von Merlins Wache

Elaine: Königin von Benoic, Lancelots Mutter

Galahad: Prinz von Benoic, Lancelots Halbbruder

Gereint: Vasallenfürst von Dumnonia, Lord der Steine

Gorfyddyd: König von Powys, Cuneglas’ und Ceinwyns Vater

Griffid ap Annan: Owains Hauptmann

Gudovan: Merlins Schreiber

Guendoloen: Merlins verlassene Gemahlin

Guinevere: Prinzessin von Henis Wyren, Leodegans Tochter und spätere Gattin Arthurs

Gundleus: König von Siluria

Gwlyddyn: Zimmermann aus Ynys Wydryn

Helledd: Prinzessin von Elmet, die sich mit Cuneglas von Powys vermählt

Hygwydd: Arthurs Schildknappe

Hywel: Merlins Verwalter

Igraine: Königin von Powys, vermählt mit Brochvael und Derfels Gönnerin in Dinnewrac

Igraine von Gwynedd: Arthurs Mutter (ebenfalls Mutter von Morgan, Anna und Morgause)

Iorweth: Ein Druide aus Powys

Issa: Einer von Derfels Speerkämpfern

Ladwys: Gundleus’ Geliebte

Lancelot: Kronprinz von Benoic, Bans Sohn

Lanval: Ein Krieger Arthurs, Befehlshaber von Guineveres Leibwache

Leodegan: Ex-König von Henis Wyren, Schatzmeister, Guineveres Vater

Ligessac: Befehlshaber von Mordreds Leibwache, der später zu Gundleus überläuft

Llywarch: Nach Owain Befehlshaber von Mordreds Leibwache

Loholt: Arthurs illegitimer Sohn, Amhars Zwillingsbruder

Lunete: Derfels erste Gefährtin, später Hofdame von Guinevere

Lwellwyn: Schreiber im Schatzamt von Dumnonia

Maelgwyn: Mönch in Dinnewrac

Mark: König von Kernow, Tristans Vater

Melwas: König der Belger, Vasall von Dumnonia

Merlin: Lord von Avalon, ein Druide

Meurig: Kronprinz von Gwent, Tewdrics Sohn

Mordred: Kindkönig von Dumnonia

Morfans: «Der Hässliche», ein Krieger Arthurs

Morgan: Arthurs Schwester, eine Priesterin Merlins

Morgause: Arthurs Schwester, vermählt mit König Lot von Lothian

Nabur: Christlicher Magistrat in Durnovaria, Mordreds gesetzlicher Vormund

Nimue: Merlins Geliebte, eine Priesterin

Norwenna: Uthers Schwiegertochter, Mordreds Mutter

Oengus Mac Airem: Irischer König von Demetia, König der Schwarzschilde

Owain: Uthers Champion, ein Kriegsherr von Dumnonia

Pellinore: Wahnsinniger König, auf Ynys Wydryn eingesperrt

Ralla: Gwlyddyns Ehefrau, Mordreds Amme

Sagramor: Arthurs numidischer Befehlshaber

Sansum: Christlicher Priester und Bischof und Derfels Vorgesetzter in Dinnewrac

Sarlinna: Ein Kind, das das Massaker von Dartmoor überlebt hat

Sebile: Morgans sächsische Sklavin

Tanaburs: Ein Druide aus Siluria

Tewdric: König von Gwent

Tristan: Kronprinz von Kernow

Tudwal: Novize in Dinnewrac

Uther: König von Dumnonia, Großkönig von Britannien, der Pendragon

Valerin: Häuptling aus Powys, einstmals mit Guinevere verlobt

Orte

Alle Orte, die mit * markiert sind, wurden geschichtlich nachgewiesen.

 

Abona*: Avonmouth, Avon

Aquae Sulis*: Bath, Avon

Branogenium*: Römisches Fort. Leintwardine, Hereford & Worcester

Burrium*: Tewdrics Hauptstadt. Usk, Gwent

Caer Cadarn: Dumnonias Königshügel, South Cadbury Hill, Somerset

Caer Dolforwyn*: Powys’ Königshügel. Nahe Newtown, Powys

Caer Lud*: Ludlow, Shropshire

Caer Maes: White Sheet Hill, Mere, Wiltshire

Caer Sws*: Gorfyddyds Hauptstadt. Caersws, Powys

Calleva*: Grenzbefestigung. Silchester, Hampshire

Coel’s Hill*: Coles Hügel, Hereford & Worcester

Corinium*: Cirencester, Gloucestershire

Cunetio*: Mildenhall, Wiltshire

Dinnewrac: Ein Kloster in Powys

Durnovaria*: Dorchester, Dorset

Durocobrivis*: Dunstable, Bedfordshire

Glevum*: Gloucester

Isca*: Exeter, Devon

Lindinis*: Römische Stadt. Ilchester, Somerset

Lugg Vale*: Mortimer’s Cross, Hereford & Worcester

Magnis*: Römische Festung. Kenchester, Hereford & Worcester

Mai Dun*: Maiden Castle, Dorchester, Dorset

Ratae*: Leicester

Die Steine*: Stonehenge

Toteninsel*: Portland Bill, Dorset

Venta*: Winchester, Hampshire

Ynys Mon*: Anglesey

Ynys Trebes: Hauptstadt von Benoic. Mont St.-Michel, Frankreich

Ynys Wair*: Lundy Island

Ynys Wydryn*: Glastonbury, Somerset

Erster TeilEine Geburt im Winter

Es war einmal in einem Land, das man Britannien nannte. Bischof Sansum, den Gott vor allen anderen Heiligen, lebend oder tot, segnen möge, sagt, man müsse diese Erinnerungen mit all dem anderen Unrat der gefallenen Menschheit in den tiefsten Höllenschlund werfen, denn diese Geschichten handeln von den letzten Tagen, bevor die große Dunkelheit über das Licht unseres Herrn Jesus Christus kam. Es sind Geschichten von jenem Land, das wir Lloegyr, Verlorenes Land, nennen, von jenem Land, das einstmals unser war, das unsere Feinde aber nun England nennen. Es sind Geschichten von Arthur, dem Kriegsherrn, dem «König, der niemals war», dem Feind Gottes und – Jesus und Bischof Sansum mögen mir vergeben – dem besten Mann, den ich je gekannt habe. Wie habe ich um Arthur geweint!

Heute ist ein kalter Tag. Die Berge sind totenfahl, die Wolken dunkel. Es wird noch vor Anbruch der Nacht zu schneien beginnen, aber Sansum wird uns den Segen eines Feuers unzweifelhaft verweigern. Es sei gut, sagt der Heilige, das schwache Fleisch zu kasteien. Ich bin jetzt alt, aber Sansum, Gott möge ihm noch viele Jahre gewähren, ist noch älter, also kann ich mein Alter nicht als Argument anführen, um den Holzverschlag aufzuschließen. Da Sansum einfach sagen wird, unsere Leiden seien ein Opfer für Gott, der mehr gelitten habe als wir alle zusammen, werden wir sechs Brüder im Halbschlaf vor Kälte zittern; morgen wird überdies der Brunnen zugefroren sein, und Bruder Maelgwyn wird an der Kette hinabklettern und mit einem Stein das Eis aufschlagen müssen, bevor wir etwas zu trinken bekommen.

Dennoch ist die Kälte nicht die schlimmste Plage des Winters, denn die vereisten Wege werden verhindern, dass Igraine das Kloster besucht. Igraine ist unsere Königin; die Gemahlin König Brochvaels. Sie ist dunkel und zierlich, sehr jung und so lebendig, dass es wie Sonnenwärme an einem Wintertag ist. Sie kommt hierher, um zu beten, ihr möge ein Sohn geschenkt werden, verbringt aber mehr Zeit im Gespräch mit mir als in der Zwiesprache mit der Muttergottes oder ihrem gesegneten Sohn. Sie redet mit mir, weil sie so gern die Geschichten von Arthur hört, und ich habe ihr im vergangenen Sommer alles erzählt, woran ich mich erinnern konnte, und als mir nichts mehr einfiel, brachte sie mir einen Stapel Pergament, eine Hornflasche voll Tinte und ein Bündel Gänsefedern für Federkiele. Arthur trug Gänsefedern als Helmzier. Diese Federn sind nicht so groß und nicht so weiß, doch als ich gestern den Strauß Kiele gegen den Winterhimmel hielt, glaubte ich einen wundervollen, schuldbewussten Augenblick lang, hinter den Federn sein Gesicht zu sehen. Einen kurzen Augenblick lang fauchten der Drache und der Bär wieder über ganz Britannien, um den Heiden Angst einzuflößen, aber dann musste ich niesen und sah, dass ich nichts als eine Handvoll Federn hielt, die mit Gänsekot verklebt und zum Schreiben kaum geeignet waren. Auch die Tinte ist hier schlecht: nichts als Lampenruß, gemischt mit Gummiharz aus Apfelrinde. Die Pergamentseiten sind besser. Sie sind aus Lammhäuten hergestellt, die noch aus den Tagen der Römer stammen, und waren früher mit einer Schrift bedeckt, die keiner von uns lesen konnte, aber Igraines Frauen schabten die Häute ab, bis sie schneeweiß waren. Sansum sagt, es wäre besser, wenn Schuhe aus diesen Lammhäuten gemacht würden, doch die abgeschabten Häute sind zu dünn, um sie zu Schuhwerk zu verarbeiten, und außerdem wagt Sansum es nicht, Igraine zu kränken und sich dadurch die Freundschaft König Brochvaels zu verscherzen. Unser Kloster liegt nicht mehr als einen halben Tagesmarsch von den feindlichen Speerkämpfern entfernt, und selbst unser kleines Vorratshaus könnte unsere Feinde verlocken, über den Schwarzen Fluss in die Berge und in Dinnewracs Tal vorzudringen, hätten Brochvaels Krieger nicht Befehl, uns zu beschützen. Allerdings könnte wohl nicht einmal Brochvaels Freundschaft Sansum mit der Vorstellung versöhnen, dass Bruder Derfel einen Bericht über Arthur, den Feind Gottes, verfasst. Deswegen haben Igraine und ich den ehrwürdigen Heiligen angelogen und ihm erklärt, ich schriebe an einer Übersetzung des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus in der Zunge der Angelsachsen. Da der gesegnete Heilige die Sprache der Feinde weder spricht noch lesen kann, müssten wir ihn lange genug irreführen können, um die Geschichte bis zu ihrem Ende aufzuschreiben.

Und irregeführt werden muss er, denn kurz nachdem ich begonnen hatte, ebendieses Pergament zu beschreiben, kam der heilige Sansum zu mir herein. Er trat ans Fenster, spähte in den trüben Himmel hinauf und rieb sich die hageren Hände. «Ich liebe die Kälte», verkündete er, weil er wusste, dass ich anders denke.

«Am schlimmsten spüre ich sie in meiner fehlenden Hand», erwiderte ich freundlich. Es ist die Linke, die mir fehlt, und den knotigen Stumpf meines Handgelenks benutze ich, um beim Schreiben das Pergament festzuhalten.

«Jeder Schmerz ist eine gesegnete Mahnung an die Leiden unseres geliebten Herrn», sagte der Bischof, wie ich erwartet hatte. Er stützte sich auf den Tisch, um zu betrachten, was ich geschrieben hatte. «Erklär mir, was diese Wörter bedeuten, Derfel», verlangte er.

«Ich schreibe die Geschichte von der Geburt des Jesuskindes», log ich.

Er starrte auf das Pergament und zeigte mit dem schmutzigen Fingernagel auf seinen eigenen Namen. Er vermag einige Buchstaben zu entziffern, und sein Name muss ihm auf dem Pergament so deutlich ins Auge gefallen sein wie ein Rabe im Schnee. Dann kicherte er wie ein boshaftes Kind und drehte eine meiner weißen Haarsträhnen um seine Finger. «Ich war nicht anwesend bei der Geburt unseres Herrn, Derfel, und dennoch lese ich da meinen Namen. Schreibst du etwa Ketzerisches, du Ausgeburt der Hölle?»

«Herr», erwiderte ich demütig, während er mein Gesicht dicht auf meine Arbeit hinabdrückte, «ich habe mit dem Evangelium begonnen, indem ich hier festhielt, dass ich nur durch die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und mit Erlaubnis seines größten Heiligen Sansum …» – hier rückte ich meinen Finger auf seinen Namen – «in der Lage bin, die frohe Botschaft von Jesus Christus aufzuschreiben.»

Er zerrte so stark an meinen Haaren, dass er mir einige davon ausriss; dann trat er zurück. «Du bist die Brut einer sächsischen Hure», sagte er, «und einem Sachsen hat man noch nie trauen können. Sieh dich vor, Sachse, dass du dich nicht gegen mich versündigst.»

«Gnädigster Herr», sagte ich zu ihm, aber er ging schon davon und hörte mich nicht mehr. Es gab eine Zeit, da beugte er vor mir das Knie und küsste mein Schwert, jetzt aber ist er ein Heiliger, während ich nicht mehr als der elendigste aller Sünder bin. Und ein frierender Sünder dazu, denn das Licht vor unseren Mauern ist trügerisch, grau und voller Bedrohung. Bald schon wird der erste Schnee fallen.

Schnee lag auch damals, als Arthurs Geschichte begann. Das war vor einem Menschenleben, im letzten Jahr der Regierungszeit Großkönig Uthers. Gemäß der römischen Zeitrechnung war es 1233 Jahre nach der Gründung ihrer Stadt, obwohl wir in Britannien die Jahre gewöhnlich vom Schwarzen Jahr an zählen, jenem Jahr, in dem die Römer die Druiden auf Ynys Mon niedermachten. Nach dieser Rechnung beginnt Arthurs Geschichte im Jahre 420, obwohl Sansum, Gottes Segen über ihn, unsere Zeit vom Datum der Geburt unseres Herrn Jesus Christus an zählt, die, wie er glaubt, 480 Winter vor all diesen Ereignissen liegt. Wie immer man die Jahre aber auch zählen mag, es ist lange her, es war einmal in einem Land namens Britannien, und ich war dabei.

Folgendermaßen ist es geschehen.

 

Es begann mit einer Geburt.

In einer bitterkalten Nacht, als das Königreich still und weiß unter dem abnehmenden Mond lag.

In der Halle schrie Norwenna. Und schrie.

Es war Mitternacht. Der Himmel war klar, trocken und sternenglitzernd. Die Erde war so hart wie Eisen gefroren, die Bäche eiserstarrt. Dass der Mond abnahm, war ein schlechtes Vorzeichen. In seinem matten Licht schienen die langgestreckten westlichen Landstriche kalt und bleich zu glühen. Da seit drei Tagen weder Schnee gefallen war noch Tauwetter eingesetzt hatte, war fast die ganze Welt weiß. Nur die Bäume, die der Wind vom Schnee befreit hatte, standen schwarz und vielfach verzweigt vor dem winterlich trostlosen Land. Unser Atem bildete Wolken, trieb aber nicht davon, denn um diese klare Mitternachtsstunde ging kein Wind. Die Erde wirkte so tot und still, als hätte Belenus, der Sonnengott, sie verlassen und einer endlosen kalten Leere überantwortet. Und es war wirklich kalt – eine bittere, tödliche Kälte. An den Traufen der großen Halle von Caer Cadarn hingen lange Eiszapfen, genau wie an dem Torbogen, durch den sich früher an diesem Tag der Tross des Großkönigs durch die Schneewehen gekämpft hatte, um die Prinzessin in diese hoch gelegene Stätte der Könige zu bringen. In Caer Cadarn wurde der Königsstein verwahrt; dies war der Ort der Königswahl, und nur hier, erklärte der Großkönig, dürfe sein Erbe geboren werden.

Wieder begann Norwenna zu schreien.

Ich hatte noch nie die Geburt eines Kindes mit angesehen, und so Gott will, werde ich auch nie eine zu sehen bekommen. Ich habe eine Stute fohlen sehen und beobachtet, wie Kälber in die Welt hineingleiten, ich habe das leise Winseln einer werfenden Hündin gehört und die Wehen einer gebärenden Katze gespürt, doch nie habe ich das Blut und den Schleim gesehen, von denen die Schreie einer Frau begleitet werden. Und wie Norwenna schrie! Obwohl sie versuchte, sich zu beherrschen, wie die Frauen später berichteten. Manchmal riss das Schreien plötzlich ab. Dann hing die darauf folgende Stille über der ganzen Hochburg, und der Großkönig hob den schweren Kopf aus den Fellen und lauschte so aufmerksam, als läge er in einem Dickicht und die Sachsen wären in der Nähe, nur dass er in der Hoffnung lauschte, die plötzliche Stille möge den Moment der Geburt kennzeichnen, den Moment, da sein Königreich wieder einen Erben hatte. Er lauschte, und in der Stille der frosterstarrten Befestigungen hörten wir das schreckliche raue Geräusch, mit dem seine Schwiegertochter atmete, und einmal, nur ein einziges Mal, ein jämmerliches Wimmern. Der Großkönig wandte sich halb um, als wollte er etwas sagen, dann aber setzten die Schreie wieder ein, und sein Kopf sank in die dichten Felle zurück, sodass in der verschatteten Höhle, die von der schweren Pelzkapuze und dem Pelzkragen gebildet wurde, nur noch das Glitzern seiner Augen zu sehen war.

«Ihr solltet Euch nicht auf den Wällen aufhalten, Lord König», sagte Bischof Bedwin.

Uther winkte mit einer behandschuhten Hand, als wollte er sagen, Bedwin könne gern hineingehen, dorthin, wo die Feuer brannten, doch Großkönig Uther, Pendragon – Oberster Feldherr – von Britannien, werde sich nicht von der Stelle rühren. Er wollte auf Caer Cadarns Wällen stehen, damit er auf das vereiste Land und in die stille Luft hinausblicken konnte, wo die Dämonen lauerten. Aber Bedwin hatte recht, der Großkönig hätte in dieser rauen Nacht nicht auf der Wacht vor Dämonen sein sollen. Uther war alt und krank, und dennoch hing die Sicherheit des Königreichs von seinem aufgedunsenen Körper und seinem trägen, traurigen Verstand ab. Vor sechs Monaten noch war er voll Lebenskraft gewesen, dann aber war die Nachricht vom Tod seines Erben gekommen. Mordred, sein Lieblingssohn und der einzige überlebende Sohn seiner Gemahlin, war im Tal des Weißen Pferdes von einer sächsischen Breitaxt niedergemäht worden und dann verblutet. Durch seinen Tod hatte das Königreich keinen Erben mehr, und ein Königreich ohne Erben ist ein verfluchtes Königreich, aber in dieser Nacht würde Mordreds Witwe, so es der Wille der Götter war, Uthers Erben zur Welt bringen. Es sei denn natürlich, das Kind war ein Mädchen – dann wäre das ganze Leid umsonst gewesen und das Königreich zum Untergang verdammt.

Uthers schwerer Schädel hob sich aus dem Pelzwerk, das dort, wo sich sein Atem in den Fellen niederschlug, eisverkrustet war. «Wird alles getan, Bedwin?», erkundigte sich Uther.

«Alles, Lord König, alles», versicherte Bischof Bedwin. Er war der engste Berater des Königs und, wie Prinzessin Norwenna, ein Christ. Als sie ihre warme römische Villa im nahen Lindinis verlassen sollte, hatte Norwenna protestiert und ihren Schwiegervater angeschrien, sie werde nur nach Caer Cadarn gehen, wenn er verspreche, die Hexen der alten Götter fern zu halten. Sie wollte unbedingt eine christliche Geburt, und Uther, der sich verzweifelt einen Erben wünschte, hatte versprochen, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Jetzt intonierten Bedwins Priester ihre Gebete in einem Gemach neben der Halle, wo Weihwasser versprengt worden war, ein Kreuz über dem Kreißlager hing und ein zweites unter Norwennas Körper gelegt worden war. «Wir beten zur heiligen Jungfrau Maria», erklärte Bedwin, «die Jesu Christi gebenedeite Mutter wurde, ohne ihren geheiligten Körper durch fleischliches Wissen zu besudeln, und …»

«Halt!», grollte Uther. Der Großkönig war kein Christ und verabscheute jeden Versuch, ihn zu bekehren, obwohl er zugestand, dass der Christengott vermutlich nicht weniger Macht besaß als alle anderen Götter auch. Doch die Ereignisse dieser Nacht stellten seine Toleranz auf eine überaus harte Probe.

Und genau das war der Grund, warum ich damals dort war. Ich war ein Kind an der Grenze zur Männlichkeit, ein bartloser Botenjunge, der verfroren neben dem Sessel des Königs auf den Wällen von Caer Cadarn kauerte. Ich war von Ynys Wydryn gekommen, Merlins Halle, die am nördlichen Horizont lag. Meine Aufgabe war es, Morgan und ihre Helferinnen zu holen, die in der Lehmhütte eines Schweinehirten am Fuß des Westhangs von Caer Cadarn warteten. Prinzessin Norwenna mochte sich die Mutter des Christengottes als Hebamme wünschen, doch Uther stand mitsamt den älteren Göttern bereit, um sofort einzugreifen, falls dieser neuere, jüngere versagen sollte.

Und der Christengott versagte tatsächlich. Norwennas Schreie ebbten ab, aber ihr Wimmern wurde immer verzweifelter, bis Bischof Bedwins Gemahlin endlich aus der Halle kam und zitternd neben dem Sessel des Großkönigs niederkniete. Das Baby, berichtete Ellin, wolle nicht kommen, und die Mutter liege, wie sie fürchte, im Sterben. Bei dieser zweiten Feststellung winkte Uther lässig ab. Die Mutter galt nichts, einzig das Kind zählte, und auch nur dann, wenn es ein Junge war.

«Lord König …», begann Ellin nervös, aber Uther hörte ihr schon nicht mehr zu.

Er versetzte mir einen Klaps auf den Kopf. «Geh, Junge», befahl er, und ich verließ seinen Schatten, sprang in den Innenhof der Burg hinab und rannte quer über die weiße, mondbeschattete Fläche zwischen den Gebäuden. Die Wachen am Westtor sahen mich vorbeilaufen. Dann rutschte ich aus und schlug auf der Eisbahn des Westganges lang hin, glitt weiter durch den Schnee, zerriss meinen Umhang an einem Baumstumpf und landete mit Wucht in einem eisbeladenen Brombeergestrüpp, aber ich spürte nichts als die ungeheure Last auf meinen Schultern: das Schicksal eines Königreichs. «Lady Morgan!», schrie ich, als ich mich der elenden Hütte näherte. «Lady Morgan!»

Sie musste sich schon bereitgehalten haben, denn augenblicklich wurde die Hüttentür aufgestoßen. Die Goldmaske, die ihr Gesicht bedeckte, schimmerte im Mondschein. «Lauf los!», kreischte sie mir zu. «Lauf los!» Und ich machte kehrt, um den Berg wieder hinaufzuhasten, während um mich herum eine Schar von Merlins Waisenkindern durch den Schnee keuchte. Sie trugen Küchenkessel und -töpfe, die beim Laufen aneinanderstießen, mussten sie aber, als der Hang zu steil und zu schwierig wurde, vorauswerfen und ihnen dann nachklettern. Morgan folgte ein wenig langsamer, unterstützt von ihrer Sklavin Sebile, die alle erforderlichen Zaubermittel und Kräuter trug. «Zünde die Feuer an, Derfel!», rief Morgan zu mir herauf.

«Feuer!», schrie ich atemlos, während ich durch den Torbogen stolperte. «Feuer auf den Wällen! Feuer!»

Bischof Bedwin protestierte gegen Morgans Eingreifen, aber der Großkönig wandte sich zornig gegen seinen Ratgeber, und der Bischof kapitulierte vor dem älteren Glauben. Seine Priester und Mönche wurden aus ihrer improvisierten Kapelle geholt und erhielten Befehl, auf alle Wälle brennende Holzscheite zu tragen und die Scheite dort mit Holz und Flechtwerk aus den Hütten an der Nordwand der Burg aufzuschichten. Die Feuer knisterten, dann flammten sie hoch in die Nacht hinein. Rauch hing in der Luft und bildete ein Schutzdach, das die bösen Geister täuschte und von dem Ort fern hielt, an dem eine Prinzessin und ihr Kind im Sterben lagen. Wir Kinder liefen mit den Kesseln um die Wälle herum und hämmerten unablässig auf sie ein, um die bösen Geister durch den grässlichen Lärm noch mehr zu verwirren. «Schreit!», befahl ich den Kindern von Ynys Wydryn, und immer mehr kamen aus den Hütten der Burg, um unseren Lärm zu verstärken. Die Wachen schlugen mit den Speerschäften auf ihre Schilde, und die Priester warfen immer wieder Scheite auf die zwölf Holzstöße, während wir anderen mit lautem Geschrei die bösen Geister herausforderten, die durch die Nacht herbeigeflogen kamen, um Norwennas Geburtswehen mit einem Fluch zu belegen.

Morgan, Sebile, Nimue und ein kleines Mädchen begaben sich in die Halle. Norwenna schrie, doch ob sie gegen die Ankunft von Merlins Frauen protestierte oder weil das widerspenstige Kind ihr den Körper zerriss, war nicht zu erkennen. Weitere Schreie ertönten, als Morgan die christlichen Helferinnen hinauswies. Sie schleuderte die beiden Kreuze in den Schnee und warf eine Handvoll Beifuß, das Kraut der Frauen, ins Feuer. Wie Nimue mir später erzählte, hatten sie Eisenklumpen in das feuchte Bett gelegt, um die bösen Geister zu vertreiben, die sich dort bereits befanden, und sieben Adlersteine um den Kopf der Leidenden arrangiert, um die guten Geister von den Göttern herabzurufen.

Sebile, Morgans Sklavin, befestigte einen Birkenzweig über der Tür der Halle und schwenkte einen weiteren über dem Körper der Gebärenden, die sich in furchtbarem Schmerz hin und her warf. Nimue kauerte in der Türöffnung nieder und urinierte auf die Schwelle, um die bösen Feen der Halle fern zu halten; dann fing sie etwas Urin mit den Händen auf und trug ihn zu Norwennas Bett, wo sie als weitere Vorsichtsmaßnahme das Stroh damit benetzte, auf dass die Seele des Kindes nicht im Moment der Geburt gestohlen wurde. Morgan, deren Goldmaske im Flammenschein glänzte, schob Norwennas Hände fort, damit sie einen Talisman aus seltenem Bernstein zwischen die Brüste der Prinzessin legen konnte. Das kleine Mädchen, eins von Merlins Findelkindern, wartete angsterfüllt am Fuß des Bettes.

Der Rauch von den frisch entzündeten Feuern verbarg die Sterne. In den Wäldern am Fuß von Caer Cadarn begannen Wesen zu heulen, die der Lärm, der über ihnen ausgebrochen war, geweckt hatte, während Großkönig Uther zum untergehenden Mond aufblickte und betete, er möge Morgan nicht zu spät geholt haben. Morgan war Uthers Tochter, das erste von vier illegitimen Kindern, die der Großkönig mit Igraine von Gwynedd gezeugt hatte. Uther wäre es zweifellos lieber gewesen, wenn Merlin selbst gekommen wäre, aber Merlin war schon seit Monaten fort, ins Nichts hineingegangen, war, wie es uns zuweilen schien, auf immer verschwunden, und Morgan, die bei Merlin gelernt hatte, musste nun seinen Platz einnehmen in dieser eisigen Nacht, in der wir mit Töpfen klapperten und schrien, bis wir heiser waren, um die böswilligen Unholde von Caer Cadarn fern zu halten. Selbst Großkönig Uther beteiligte sich an dem Lärm, obwohl das Geräusch, mit dem er seinen Stab auf den Rand der Brustwehr stieß, kaum wahrzunehmen war. Bischof Bedwin lag betend auf den Knien, während seine Frau, die man aus dem Kreißraum verstoßen hatte, weinte und klagte und den Christengott anrief, er möge den heidnischen Hexen vergeben.

Aber die Zauberkraft wirkte, denn es wurde ein Kind geboren. Der Schrei, den Norwenna im Augenblick der Geburt ausstieß, klang schlimmer als alles, was vorangegangen war. Es war der Schrei eines Tieres in äußerster Qual, eine Klage, furchtbar genug, um die ganze Nacht zum Schluchzen zu bringen. Wie Nimue mir später erzählte, hatte Morgan diesen Schmerz ausgelöst, indem sie ihre Hand in den Geburtskanal schob und das Kind mit brutaler Gewalt ans Licht der Welt zerrte. Mit dem Blut seiner gequälten Mutter bedeckt, kam das Kind endlich hervor, und Morgan rief dem erschrockenen Mädchen zu, es zu nehmen, während sie selbst die Nabelschnur abband und durchbiss. Es war wichtig, dass das Neugeborene von einer Jungfrau gehalten wurde; deshalb hatte sie das kleine Mädchen in die Halle mitgenommen, aber es war zu Tode verängstigt und wollte sich dem besudelten Stroh nicht nähern, auf dem Norwenna lag und keuchte. Das blutverschmierte Kind lag so reglos, als wäre es tot geboren. «Nimm es!», schrie Morgan, aber das Mädchen brach in Tränen aus und lief davon; also nahm Nimue das Kind vom Bett und reinigte ihm den Mund, damit es seinen ersten, keuchenden Atemzug tun konnte.

Die Zeichen standen alle so schlecht! Der Mond mit seinem Hof verblasste, und die Jungfrau war vor dem Säugling geflohen, der jetzt laut zu schreien begann. Uther hörte den Schrei, denn ich sah, dass er die Augen schloss, während er zu den Göttern betete, es möge ein männliches Kind sein.

«Soll ich?», fragte Bischof Bedwin zögernd.

«Geht!», fuhr Uther ihn an, und der Bischof kletterte die Holzleiter hinab, raffte sein Gewand und eilte über den zertrampelten Schnee bis zum Eingang der Halle. Dort blieb er einige Sekunden stehen; dann kam er, mit beiden Händen wedelnd, zu uns auf die Brustwehr zurückgelaufen.

«Gute Nachrichten, Lord König, gute Nachrichten!», rief Bedwin, als er die Leiter ungeschickt wieder hinaufstieg. «Ganz ausgezeichnete Nachrichten!»

«Ein Knabe», nahm Uther ihm die Worte aus dem Mund.

«Ein Knabe!», bestätigte Bedwin. «Ein gesunder Junge!»

Ich kauerte neben dem Großkönig und sah, wie ihm die Tränen in die Augen traten, als er zum Himmel emporblickte. «Ein Erbe», sagte Uther mit einem so tiefen Staunen in der Stimme, als hätte er nicht recht zu hoffen gewagt, dass ihm die Götter gewogen waren. Mit einer pelzumhüllten Hand tupfte er sich die Tränen ab. «Das Königreich ist gesichert, Bedwin», sagte er.

«Gelobt sei Gott, Lord König, es ist gesichert», bestätigte Bedwin.

«Ein Knabe», wiederholte Uther. Dann wurde sein mächtiger Körper plötzlich von einem furchtbaren Hustenanfall geschüttelt. Er musste nach Luft ringen. «Ein Knabe», wiederholte er abermals, als sein Atem wieder ruhiger ging.

Nach einer Weile erschien Morgan. Die untersetzte Frau kam die Leiter empor und warf sich vor dem Großkönig zu Boden. Ihre Goldmaske glänzte; sie verbarg das Grauen, das darunter verborgen lag. Mit seinem Stab berührte Uther ihre Schulter. «Erhebe dich, Morgan», sagte er und tastete unter seinem Gewand nach einer Goldspange, mit der er sie belohnen wollte.

Aber Morgan nahm sie nicht an. «Der Knabe», sagte sie unheilverkündend, «ist verkrüppelt. Er hat einen missgebildeten Fuß.» Ich sah, wie Bedwin sich bekreuzigte, denn ein verkrüppelter Prinz war das schlechteste Omen der ganzen eisigen Nacht. «Wie schlimm ist es?», fragte Uther.

«Nur der Fuß», antwortete Morgan mit ihrer rauen Stimme. «Das Bein ist normal gewachsen, Lord König, aber der Prinz wird niemals springen.»

Ganz tief aus seinem wärmenden Pelzumhang kam Uthers leises Kichern hervor. «Könige springen nicht, Morgan», erklärte er. «Sie schreiten, sie regieren, sie reiten, und sie belohnen ihre guten, ehrlichen Diener. Nimm das Gold!» Damit reichte er ihr die Spange abermals. Es war ein wunderschön gearbeitetes Schmuckstück aus schwerem Gold, geformt zu einem Drachen, Uthers Talisman.

Aber Morgan wollte es noch immer nicht annehmen. «Und dieser Knabe ist das letzte Kind, das Norwenna jemals gebären wird, Lord König», warnte sie Uther. «Wir haben die Nachgeburt verbrannt, und sie hat kein Geräusch gemacht.» Die Nachgeburt wurde ins Feuer geworfen, sodass das leise knallende Geräusch, mit dem sie platzte, verkünden konnte, wie viele Kinder die Mutter noch bekommen würde. «Ich habe genau aufgepasst», sagte Morgan, «doch alles blieb still.»

«Die Götter wollten, dass sie still bleibt», behauptete Uther zornig. «Mein Sohn ist tot», fuhr er dann tonlos fort, «wer also sollte Norwenna einen Knaben schenken, der zum König geboren ist?», Morgan hielt inne. «Ihr, Lord König», sagte sie schließlich.

Bei dieser Vorstellung kicherte Uther, dann ging das Kichern in lautes Lachen und schließlich abermals in einen quälenden Hustenanfall über, bei dem er sich im Krampf vornüberbeugte, weil ihn die Lunge so sehr schmerzte. Endlich ließ der Husten nach, und er sog mit einem zitternden Atemzug kalte Luft ein. Dann schüttelte er den Kopf. «Norwennas einzige Pflicht war es, einen Knaben zu gebären, Morgan, und diese Pflicht hat sie erfüllt. Unsere Pflicht ist es nun, ihn zu beschützen.»

«Mit aller Dumnonia zur Verfügung stehenden Macht», ergänzte Bedwin diensteifrig.

«Neugeborene sterben leicht», warnte Morgan die beiden Männer mit ihrer harten Stimme.

«Dieses nicht», behauptete Uther heftig, «dieses nicht. Er wird zu dir nach Ynys Wydryn gebracht, Morgan, und du wirst deine ganze Kunst einsetzen, um sicherzustellen, dass er am Leben bleibt. Hier, nimm die Spange!»

Endlich akzeptierte Morgan die Drachenspange. Das verkrüppelte Kind schrie immer noch, die Mutter wimmerte, rings um die Wälle von Caer Cadarn aber feierten die Topfschläger und Feuerwächter die Nachricht, dass unser Königreich wieder einen Erben hatte. Dumnonia hatte einen Edling, einen Kronprinzen, und die Geburt eines Edlings war Anlass für ein reichhaltiges Festmahl und großzügige Geschenke. Das blutige Stroh aus dem Kreißlager wurde aus der Halle geholt und in ein Feuer geworfen, bis die Flammen hoch und hell loderten. Ein Kind war geboren worden; nun brauchte das Kind nur noch einen Namen. An diesem Namen konnte jedoch kein Zweifel bestehen. Nicht der geringste. Uther stemmte sich aus seinem Sessel und baute sich groß und grimmig auf Caer Cadarns Brustwehr auf, um den Namen seines neugeborenen Enkels zu verkünden, den Namen seines Erben und des Edlings seines Königreichs. Das im Winter geborene Kind sollte den Namen seines Vaters tragen.

Mordred.

 

Norwenna und das Kind kamen zu uns nach Ynys Wydryn. Man brachte sie in einem Ochsenkarren über die östliche Landbrücke bis zum Fuß des Tor. Vom windigen Gipfel aus beobachtete ich, wie die kranke Mutter und der verkrüppelte Säugling aus ihrem Lager aus Pelzdecken gehoben und auf einer Tragbahre aus Leinwand den Weg bis zur Palisade hinaufgeschafft wurden. Es war ein kalter Tag; eine bittere, schneegleißende Kälte, die in die Lungen biss und die Haut rissig machte. Norwenna wimmerte, als sie mit ihrem warm eingepackten Kind durch die Landpforte von Tor Ynys Wydryn getragen wurde.

So hielt Mordred, Edling von Dumnonia, Einzug in Merlins Reich.

Ynys Wydryn war trotz des Namens – Glasinsel – keine echte Insel, sondern eher eine bergige Landzunge, die in ein Brachland aus Marschen, Bächen und weidengesäumten Sümpfen ragte, wo Riedgras und Schilf wucherten. Es war ein reiches Land, denn es gab Wildvögel, Fische, Lehm und Kalkstein, der an den Hügeln am Rand des Flutbrachlandes, das man auf Knüppeldämmen überquerte, mühelos abgebaut werden konnte. Unvorsichtige Besucher, die sich auf diesen Dämmen bewegten, ertranken zuweilen, wenn der Wind hart aus Westen kam und eine hohe Flutwelle über die Feuchtgebiete blies. Im Westen, wo das Land anstieg, lagen Apfelgärten und Weizenfelder, und im Norden, wo weiße Hügel an die Marschen grenzten, weideten Rinder und Schafe. Es war wirklich ein gutes Land, und in seinem Herzen lag Ynys Wydryn.

Das Land gehörte Lord Merlin. Man nannte es Avalon. Schon sein Vater und Großvater hatten dort regiert, und sämtliche Leibeigenen und Sklaven, die man vom höchsten Punkt des Tor aus sehen konnte, arbeiteten für Merlin. Dieses reiche Land, dessen Erzeugnisse in den Flutbächen gefangen oder auf dem fetten Boden der Flusstäler im Binnenland angebaut wurden, verschaffte Merlin den Reichtum und die Freiheit, die er brauchte, um Druide zu sein. Früher einmal war Britannien das Land der Druiden gewesen, aber die Römer hatten sie zuerst erschlagen und dann ihre Religion gezähmt, sodass es selbst jetzt, zwei Generationen nach dem Abzug der Römer, nur noch eine Handvoll der alten Priester gab. Ihren Platz hatten die Christen eingenommen, und nun schwappte das Christentum um den alten Glauben wie eine windgepeitschte Sturmflut durch die von Dämonen bewohnten Riedwiesen von Avalon.

Avalons Insel Ynys Wydryn war eine Ansammlung grasbewachsener Hügel, alle von ihnen kahl, bis auf den Tor, den steilsten und höchsten. Sein Gipfel bildete ein Plateau, auf dem Merlins Halle errichtet worden war, und unterhalb der Halle breiteten sich die weniger wichtigen Gebäude aus. Sie waren von einer Palisade umgeben, die waghalsig an der oberen Kante jener Grashänge des Tor errichtet worden war, an denen man in den alten Tagen vor der Invasion der Römer eine Reihe von Terrassen angelegt hatte. Ein schmaler Pfad wand sich über die uralten Terrassen in zahlreichen Kurven zum Gipfel empor, und jene, die den Tor auf der Suche nach Heilung oder Weissagung aufsuchten, mussten diesem Pfad folgen, der bewusst so angelegt war, um die bösen Geister zu verwirren, die Merlins Halle sonst vielleicht belästigt hätten. Zwei weitere Pfade führten die Hänge des Tor direkt hinab, einer im Osten zur Landbrücke zwischen Ynys Wydryn und dem Festland, der andere vom Meerestor im Westen zu der Siedlung am Fuß des Tor, wo Fischer, Federwildjäger, Korbflechter und Hirten lebten. Diese Wege waren die normalen Zugänge zum Tor, die Morgan durch ständige Gebete und Zaubersprüche von bösen Geistern frei hielt.

Dem westlichen Pfad widmete Morgan besondere Aufmerksamkeit, denn er führte nicht nur zur Siedlung hinunter, sondern auch zum Christenschrein von Ynys Wydryn. Während der Römerzeit hatte Merlins Urgroßvater den Christen gestattet, auf seine Insel zu kommen, und seither hatten sie sich durch nichts wieder vertreiben lassen. Wir Kinder des Tor wurden ermuntert, die Mönche mit Steinen zu bewerfen, Tierdung über ihre Holzpalisade zu schleudern oder die Pilger auszulachen, die durch das Törchen huschten, um einen Dornbusch unmittelbar neben der eindrucksvollen Steinkirche anzubeten, die von den Römern erbaut worden war und das Anwesen der Christen noch immer beherrschte. In einem Jahr hatte Merlin einen ähnlichen Dornbusch auf dem Tor aufstellen lassen, den wir dann alle zusammen «anbeteten», indem wir sangen, tanzten und uns verneigten. Die Christen im Dorf erklärten, ihr Gott werde uns erschlagen, doch nichts geschah. Schließlich verbrannten wir unseren Dornbusch und mischten seine Asche unters Schweinefutter, aber der Christengott ignorierte uns immer noch. Ihr Dornbusch besitze Zauberkräfte, behaupteten die Christen, er sei von einem Fremden nach Ynys Wydryn gebracht worden, der mit angesehen habe, wie der Christengott an einen Baum genagelt wurde. Gott möge mir vergeben, aber in jenen fernen Tagen lachte ich über solche Geschichten. Damals verstand ich nicht, was der Dornbusch mit dem Mord an einem Gott zu tun haben sollte, inzwischen aber ist es mir natürlich klar, obwohl ich eingestehen muss, dass der heilige Dornbusch, falls er noch immer auf Ynys Wydryn wächst, nicht derselbe Dornbusch ist, der dem Stab des Joseph von Arimathia entsprang. Das weiß ich genau, denn eines dunklen Winterabends, als Merlin mich ausschickte, um eine Flasche frisches Wasser von der heiligen Quelle am südlichen Fuß des Tor zu holen, sah ich, wie die Christenmönche einen kleinen Dornbusch ausgruben, um damit den großen Busch zu ersetzen, der innerhalb ihrer Palisade eingegangen war. Der heilige Dornbusch ging immer ein, obwohl ich nicht sagen kann, ob das von dem Kuhmist kam, mit dem wir ihn bewarfen, oder ganz einfach, weil der arme Busch überladen war mit Tuchstreifen, welche die Pilger an seine Zweige banden. Die Mönche vom heiligen Dornbusch wurden jedenfalls reich, gemästet durch die großzügigen Gaben der gläubigen Pilger.

Die Mönche von Ynys Wydryn waren hoch erfreut, dass Norwenna zu uns gekommen war, denn nun hatten sie einen Grund, den steilen Pfad emporzuklimmen und ihre Gebete mitten ins Zentrum von Merlins Festung zu tragen. Prinzessin Norwenna – noch immer eine verbissene und scharfzüngige Christin, obwohl es der Jungfrau Maria nicht gelungen war, ihrem Kind auf die Welt zu helfen – befahl, dass die Mönche jeden Morgen eingelassen würden. Ich weiß nicht, ob Merlin sie auf dem Gelände geduldet hätte – Nimue jedenfalls verfluchte Morgan dafür, dass sie die Erlaubnis gegeben hatte –, aber Merlin hielt sich in jenen Tagen nicht in Ynys Wydryn auf. Seit über einem Jahr hatten wir unseren Meister nicht mehr gesehen, doch das Leben in seiner sonderbaren Feste ging auch ohne ihn weiter.

Und sie war wirklich recht sonderbar. Merlin selbst war der Eigenartigste aller Bewohner von Ynys Wydryn, aber es hatte ihm gefallen, eine ganze Schar entstellter, verkrüppelter und halb wahnsinniger Kreaturen um sich zu versammeln. Majordomus und Befehlshaber der Wache war Druidan, ein Zwerg. Er war kaum größer als ein fünfjähriges Kind, besaß aber das Ungestüm eines voll ausgewachsenen Kriegers und legte tagtäglich Beinschienen, Brustharnisch, Helm, Mantel und Waffen an. Er haderte mit dem Schicksal, das ihn zu klein geschaffen hatte, und rächte sich an den einzigen Wesen, die noch kleiner waren: den Waisen, die Merlin überall so achtlos auflas. Nur wenige von Merlins Mädchen wurden von Druidan nicht leidenschaftlich verfolgt, doch als er versuchte, Nimue in sein Bett zu verschleppen, hatte er dafür heftige Prügel einstecken müssen. Merlin schlug ihn auf den Kopf, zerriss ihm die Ohren, spaltete ihm die Lippen und färbte seine Augen blau, während die Kinder und die Wachen an der Palisade jubelten. Die Wachen, die Druidan befehligte, waren alle lahm, blind oder verrückt und einige von ihnen alles zusammen, aber kein Einziger war so verrückt, Druidan zu mögen.

Nimue, meine Freundin und Kindheitsgefährtin, war Irin. Die Iren waren Briten, aber sie waren nie von den Römern beherrscht worden und hielten sich deswegen für besser als die Festlandbriten, die sie überfielen, ausplünderten, versklavten und kolonisierten. Wären die Sachsen nicht so furchteinflößende Feinde gewesen, wir hätten die Iren für die schlimmsten von Gottes Geschöpfen gehalten, obwohl wir uns von Zeit zu Zeit mit ihnen gegen andere britische Stämme verbündeten. Nimue war ihrer Familie bei einem Überfall entrissen worden, den Uther gegen die irischen Siedlungen in Demetia geführt hatte. Demetia lag jenseits des Severn-Meeres, der großen Meeresbucht, die vom Severn-Fluss gespeist wurde. Sechzehn Gefangene waren bei jenem Überfall gemacht worden, und alle wurden nach Dumnonia geschickt, um dort als Sklaven zu dienen, doch während die Schiffe die Bucht überquerten, kam ein schrecklicher Sturm von Westen, und das Schiff mit den Gefangenen versank bei Ynys Wair. Nimue allein überlebte und kam, wie es hieß, aus dem Meer geschritten, ohne nass zu sein. Das sei, behauptete Merlin, ein Zeichen dafür, dass Manawydan, der Meeresgott, sie liebte, obwohl Nimue selbst erklärte, es sei Don gewesen, die mächtigste Göttin, die ihr das Leben gerettet habe. Merlin wollte ihr den Namen Vivien geben, einen Namen, der Manawydan gewidmet war, aber Nimue ignorierte den Namen und behielt ihren eigenen. Nimue setzte fast immer ihren Kopf durch. Mit wacher Neugier und absoluter Selbstsicherheit wuchs sie in Merlins verrücktem Haushalt auf, und als Merlin sie, nachdem etwa dreizehn oder vierzehn Sommer ihres Lebens vergangen waren, in sein eigenes Bett befahl, gehorchte sie, als hätte sie schon immer gewusst, dass es ihr Schicksal war, seine Geliebte und damit, wie es nun einmal Brauch war, die zweitwichtigste Person von ganz Ynys Wydryn zu werden.

Obwohl Morgan diese Position nicht ohne Kampf aufgab. Von allen seltsamen Gestalten an Merlins Hof war Morgan die groteskeste. Sie war Witwe und dreißig Jahre alt, als Norwenna und Mordred unter ihren Schutz gestellt wurden, und diese Aufgabe war angemessen, denn Morgan war nicht minder hochgeboren als sie. Sie war das erste der vier illegitimen Kinder – drei Mädchen und ein Junge –, die Großkönig Uther mit Igraine von Gwynedd gezeugt hatte. Ihr Bruder war Arthur, und bei einer so hohen Abkunft und einem solchen Bruder hätte man meinen sollen, dass ehrgeizige Männer sogar die Mauern der Anderwelt eingerissen hätten, um die Hand der Witwe zu erringen. Aber Morgan war als junge Ehefrau in einem brennenden Haus eingeschlossen gewesen. Ihr junger Gemahl hatte dabei den Tod gefunden, und Morgan hatte gräßliche Brandwunden erlitten. Die Flammen hatten ihr das linke Ohr geraubt, das linke Auge versengt, die Haare von der linken Kopfhälfte gebrannt, das linke Bein verkrüppelt und den linken Arm verkrümmt. Nimue, die Morgan nackt gesehen hatte, erzählte mir, dass die linke Hälfte ihres Körpers verrunzelt, grausigrot und entstellt war, an einigen Stellen eingeschrumpft, an anderen überdehnt, und insgesamt schauerlich abstoßend. Wie ein verfaulter Apfel, erklärte mir Nimue, nur viel schlimmer. Morgan war ein Wesen aus einem Albtraum, aber für Merlin war sie eine Lady seiner Halle, und er hatte sie zu seiner Seherin ausgebildet. Von einem Goldschmied des Großkönigs hatte er eine goldene Maske anfertigen lassen, die sich wie ein Helm um ihren zerstörten Kopf schmiegte. Diese Goldmaske hatte ein Loch für ein Auge, einen Schlitz für ihren verzerrten Mund und bestand aus feinem, dünnem Gold, das mit Spiralen und Drachen ziseliert war und vorn das Abbild des Cernunnos trug, des Gehörnten Gottes, der Merlins Beschützer war. Die goldgesichtige Morgan trug stets Schwarz, hielt ihre zerstörte Linke mit einem Handschuh bedeckt und war weithin berühmt für ihre Heilkraft und seherische Begabung. Darüber hinaus war sie die übellaunigste Frau, die mir jemals begegnet ist.

Sebile, Morgans Sklavin und Begleiterin, war etwas sehr Seltenes: eine große Schönheit mit Haaren von der Farbe hellen Goldes. Sie war eine Sächsin, die bei einem Überfall geraubt worden war, und nachdem die Kriegsbande sie eine Zeit lang vergewaltigt hatte, war sie, wirres Zeug stammelnd, nach Ynys Wydryn gekommen, wo Morgan ihren Geist geheilt hatte. Dennoch war sie immer noch ein wenig seltsam – nicht bösartig verrückt, aber über alle Vorstellungen von Torheit hinaus töricht. Sie legte sich zu jedem Mann – nicht etwa, weil sie das wollte, sondern weil sie sich fürchtete, es nicht zu tun –, und Morgan konnte sie durch nichts davon abbringen. Jahr um Jahr gebar sie ein Kind, obwohl nur wenige ihrer blondhaarigen Kinder überlebten und jene, die nicht starben, von Merlin als Sklaven an Männer verkauft wurden, die goldhaarige Kinder schätzten. Sebile belustigte ihn, obwohl aus ihrem Wahn nichts von den Göttern sprach.

Ich mochte Sebile, weil auch ich Sachse war und Sebile sich mit mir in meiner Muttersprache unterhielt, sodass ich in Ynys Wydryn mit beiden Sprachen aufwuchs, mit der Sprache der Sachsen und jener der Briten. Eigentlich hätte ich Sklave sein müssen, aber als ich noch klein war, kleiner sogar noch als der Zwerg Druidan, war ein feindlicher Trupp aus Siluria an die Nordküste von Dumnonia gekommen und hatte die Siedlung überfallen, in der meine Mutter Sklavin war. König Gundleus von Siluria hatte den Trupp angeführt. Meine Mutter, die, wie ich vermute, ganz ähnlich wie Sebile aussah, wurde vergewaltigt, während ich zu der Todesgrube geschleppt wurde, in der Tanaburs, Silurias Druide, als Dank an den Großen Gott Bel für die reiche Beute, die ihnen der Überfall eingebracht hatte, ein Dutzend Gefangene opfern wollte. O Gott, wie gut ich mich an jene Nacht erinnere! An die Brände, die Schreie, die trunkenen Vergewaltigungen, die ausgelassenen Tänze, und dann an den Moment, als Tanaburs mich in das schwarze Loch mit dem angespitzten Holzpfahl schleuderte. Ich überlebte unversehrt und stieg so gelassen aus der Todesgrube, wie Nimue aus dem tödlichen Meer gekommen war, und Merlin, der mich fand, hatte mich als Kind des Bel bezeichnet. Er nannte mich Derfel, gab mir ein Zuhause und ließ mich als freien Menschen aufwachsen.

Der Tor wimmelte von solchen Kindern, die den Göttern entrissen worden waren. Merlin hielt uns für etwas Besonderes und meinte, wir würden zu einem neuen Orden von Druiden und Priesterinnen heranwachsen, der ihm helfen könnte, in dem von den Römern verderbten Britannien die alte, die wahre Religion wieder erstarken zu lassen. Doch da er niemals Zeit hatte, uns etwas zu lehren, wurden die meisten von uns Bauern, Fischer oder Ehefrauen. Während meiner Zeit auf dem Tor schien nur Nimue von den Göttern gezeichnet worden zu sein und wuchs zur Priesterin heran. Ich selbst wollte nie etwas anderes sein als Krieger.

Diesen Ehrgeiz hatte ich von Pellinore. Pellinore war der Favorit unter allen Kreaturen, die Merlin aufnahm. Er war ein König, aber die Sachsen hatten ihn seines Landes und seiner Augen beraubt, und die Götter hatten ihm den Verstand genommen. Er hätte auf die Toteninsel geschickt werden müssen, wohin die gefährlichen Verrückten gebracht wurden, aber Merlin ordnete an, dass er auf dem Tor behalten werden sollte – in einem kleinen Gehege wie dem, in dem Druidan seine Schweine hielt. Er lebte dort nackt. Sein langes weißes Haar reichte ihm bis an die Knie, und seine leeren Augenhöhlen tränten ständig. Er tobte ununterbrochen, haderte endlos mit seinem Schicksal, doch Merlin hörte sich seinen Unsinn aufmerksam an und destillierte daraus Botschaften der Götter. Alle fürchteten Pellinore. Er war durch und durch verrückt und unbezähmbar wild. Einmal kochte er eins von Sebiles Kindern auf seinem Feuer. Und doch – warum, weiß ich nicht – mochte mich Pellinore seltsamerweise. Ich schlüpfte zwischen den Stangen seines Geheges hindurch, er tätschelte mich und erzählte mir Geschichten von Schlachten und wilden Jagden. Auf mich wirkte er nie wie ein Verrückter, und er verletzte weder mich noch Nimue; doch schließlich waren wir beide, wie Merlin immer wieder betonte, Lieblinge des Bel.

Durchaus möglich, dass Bel uns liebte, aber Guendoloen hasste uns. Sie war Merlins Gemahlin, inzwischen aber alt und zahnlos. Genau wie Morgan konnte sie hervorragend mit Kräutern und Zaubersprüchen umgehen, doch als ihr Gesicht durch eine Krankheit entstellt wurde, hatte Merlin sie verstoßen. Das war lange vor meiner Ankunft auf dem Tor geschehen, in einer Phase, die von allen «die Schlimme Zeit» genannt wurde, als Merlin wahnsinnig und weinend aus dem Norden zurückgekehrt war. Doch selbst als er wieder zu Verstand kam, holte er Guendoloen nicht zurück, gestattete ihr allerdings, in einer kleinen Hütte am Palisadenzaun zu leben, wo sie ihre Tage damit verbrachte, ihren Gemahl mit Bannsprüchen zu belegen und uns andere mit kreischenden Flüchen einzudecken. Druidan hasste sie besonders. Manchmal attackierte sie ihn mit einem Bratspieß. Dann hastete Druidan zwischen den Hütten hindurch, während Guendoloen hinter ihm herjagte. Wir Kinder feuerten sie, nach Zwergenblut lechzend, eifrig an, aber er schaffte es immer wieder, ihr zu entkommen.

Es war also ein recht seltsamer Ort, an den Norwenna mit dem Edling Mordred kam, und obwohl ich ihn als einen Ort des Schreckens geschildert haben mag, war er in Wirklichkeit eine wunderbare Zuflucht. Wir waren die privilegierten Kinder Lord Merlins, wir lebten frei, wir brauchten kaum zu arbeiten, wir lachten, und Ynys Wydryn, die Glasinsel, war für uns ein glückliches Zuhause.

Norwenna traf zur Winterzeit ein, als Avalons Moore mit Eis überzogen waren. In Ynys Wydryn gab es einen Zimmermann namens Gwlyddyn, dessen Frau einen kleinen Jungen im selben Alter wie Mordred geboren hatte; dieser Gwlyddyn machte uns Schlitten, und die Luft hallte von unseren fröhlichen Rufen wider, wenn wir die schneebedeckten Hänge des Tor hinabglitten. Ralla, Gwlyddyns Ehefrau, wurde zu Mordreds Amme bestimmt, und der Prinz wuchs und gedieh trotz seines verkrüppelten Fußes. Selbst Norwennas Gesundheitszustand besserte sich, als die bittere Kälte nachließ und die ersten Schneeglöckchen des Winters unter den Dornenhecken rings um die heilige Quelle am Fuß des Tor aufblühten. Die Prinzessin war nicht sehr kräftig, doch Morgan und Guendoloen verabreichten ihr Kräuter, die Mönche beteten, und wie es schien, ging ihre Wochenbettkrankheit endlich vorüber. Jede Woche brachte ein reitender Bote seinem Großvater, dem Großkönig, die neuesten Nachrichten über den Gesundheitszustand des Kronprinzen, und jede gute Nachricht wurde mit einem Goldstück, einem Horn voll Salz oder einer Flasche kostbaren Weines belohnt, die Druidan heimlich an sich brachte.

Wir alle warteten auf Merlins Rückkehr, aber er kam nicht; der Tor wirkte leer ohne ihn, obwohl unser Alltag sich kaum veränderte. Die Vorratslager mussten immer wieder aufgefüllt, die Ratten getötet und dreimal am Tag Feuerholz und Quellwasser den Berg hinaufgeschleppt werden. Gudovan, Merlins Schreiber, führte Buch über die Zahlungen der Pächter, während Hywel, der Verwalter, über die Besitzungen ritt, um sicherzustellen, dass keine Familie ihren abwesenden Lord um seine Steuern betrog. Gudovan und Hywel waren beide vernünftige, praktische, fleißige Männer, was, wie Nimue fand, bewies, dass Merlins exzentrische Neigungen dort endeten, wo sein Einkommen begann. Gudovan war es gewesen, der mir Lesen und Schreiben beibrachte. Eigentlich hatte ich so unkriegerische Dinge nicht lernen wollen, aber Nimue hatte darauf bestanden. «Du hast keinen Vater», erklärte sie mir, «deswegen wirst du dein Fortkommen mit Hilfe deiner eigenen Fähigkeiten suchen müssen.»

«Aber ich will Krieger werden!»

«Das wirst du auch», versicherte sie mir, «aber nur, wenn du Lesen und Schreiben lernst.» Tatsächlich besaß sie trotz ihrer Jugend eine so große Autorität, dass ich ihr glaubte und mir diese gelehrten Fertigkeiten längst angeeignet hatte, als ich erfuhr, dass ein Krieger sie nicht brauchte.

Also lehrte mich Gudovan Lesen und Schreiben, während mich Hywel, der Verwalter, in der Kunst des Kämpfens unterrichtete. Vor allem bildete er mich am Fechtstock aus, dem Knüppel der Bauern, die damit Schädel spalten konnten, mit dem man aber auch Schwertstreiche oder das Zustoßen mit dem Speer zu imitieren vermochte. Bevor er durch eine sächsische Streitaxt ein Bein verlor, war Hywel ein berühmter Krieger in Uthers Armee gewesen. Er ließ mich exerzieren, bis meine Arme stark genug waren, um ein schweres Schwert genauso mühelos und schnell zu schwingen wie einen Fechtstock. Die meisten Krieger, erklärte mir Hywel, verließen sich auf brutale Gewalt und Alkohol statt auf ihre Geschicklichkeit. Wie er mir sagte, würde ich Männern begegnen, die vor Met und Ale schwankten und deren einzige Kunst darin bestand, gigantische Schläge auszuteilen, die zwar einen Ochsen umhauen würden, aber ein nüchterner Mann, der die neun Schwertstreiche beherrsche, würde einen solchen Wüterich leicht besiegen. «Ich war betrunken», gestand er mir, «als Octha der Sachse mir das Bein abschlug. Aber jetzt schneller, Jungchen, schneller! Dein Schwert muss sie verwirren! Schneller!» Er war mir ein guter Lehrer, und die Ersten, die das zu spüren bekamen, waren die Söhne der Mönche in der unteren Siedlung von Ynys Wydryn. Sie hassten uns privilegierte Kinder des Tor, denn wir faulenzten, während sie arbeiten mussten, und liefen frei herum, während sie schufteten; deshalb jagten sie aus Rache hinter uns her und versuchten uns zu verprügeln. Eines Tages nahm ich meinen Übungsstock mit ins Dorf und schlug drei Christen damit blutig. Ich war schon immer groß für mein Alter gewesen, und die Götter hatten mich so stark wie einen Ochsen gemacht, deswegen schrieb ich ihnen meinen Sieg zu, obwohl Hywel mir dafür eine Tracht Prügel verabreichte. Die Privilegierten, sagte er, dürften Untergeordnete niemals ausnutzen, aber ich glaube, dass er trotzdem hoch erfreut war, denn am folgenden Tag nahm er mich mit auf die Jagd, und ich durfte mit dem Speer eines Mannes meinen ersten Keiler töten. Das geschah in einem nebligen Dickicht am Cam-Fluss, und ich war gerade erst zwölf Sommer alt. Hywel schmierte mir das Blut des Keilers ins Gesicht, schenkte mir die Hauer, die ich als Halskette tragen sollte, und schaffte den Kadaver sodann in seinen Mithrastempel, wo er den Veteranen, die den Gott der Krieger verehrten, ein üppiges Festmahl spendierte. Ich selbst durfte an diesem Festmahl nicht teilnehmen, doch eines Tages, versicherte mir Hywel, sobald mir ein Bart gewachsen sei und ich in der Schlacht meinen ersten Sachsen erschlagen habe, werde er mich in die Mysterien des Mithraskultes einführen.

Drei Jahre später träumte ich noch immer davon, Sachsen zu töten. Manche mögen es seltsam finden, dass ich, ein junger Sachse mit sachsenfarbenem Haar, so sehr darauf versessen war, den Briten meine Loyalität zu beweisen, aber ich war seit frühester Kindheit unter Briten aufgewachsen, und meine Freunde und Vorlieben, meine Alltagssprache, meine Erzählungen, Feindgefühle und Träume waren britisch. Auch war meine Haar- und Hautfarbe nicht außergewöhnlich. Die Römer hatten alle möglichen fremdartigen Menschen in Britannien zurückgelassen. Der verrückte Pellinore hatte mir sogar einmal von zwei Brüdern erzählt, die so schwarz wie Kohle waren, und bis ich Sagramor kennenlernte, Arthurs numidischen Befehlshaber, war ich überzeugt, dass er in seinem Irrsinn dumme Märchen zusammenspann.

Sobald Mordred und seine Mutter bei uns eintrafen, wurde es eng auf dem Tor, denn Norwenna brachte nicht nur ihre Damen mit, sondern auch eine Truppe Krieger, die das Leben des Prinzen schützen sollten. Wir schliefen zu viert oder fünft in einer Hütte, und von uns allen war es nur Nimue und Morgan erlaubt, die inneren Gemächer der Burg zu betreten, denn das war Merlins eigenes Reich, und Nimue war die Einzige, die dort sogar schlafen durfte. Norwenna wohnte mit ihrem Hofstaat in der großen Halle, die mit dem Rauch zweier Feuer erfüllt war, die Tag und Nacht brannten. Diese Halle wurde von zwanzig Eichenpfosten gestützt, die Wände bestanden aus mit Lehm beworfenem Weidengeflecht, das Dach aus Stroh. Der Boden war nichts als gestampfte Erde, dicht mit Binsenbüscheln bedeckt, die zuweilen Feuer fingen und Panik auslösten, bis die Flammen ausgetreten waren. Merlins Gemächer waren durch eine Innenwand aus Lehmgeflecht, die nur von einer einzigen, kleinen Holztür durchbrochen wurde, von der Halle getrennt. Wie wir wussten, schlief, studierte und träumte Merlin in diesen Gemächern, die in einen Holzturm auf dem höchsten Punkt des Tor mündeten. Was in diesem Turm geschah, war für alle außer Merlin, Morgan und Nimue ein Geheimnis, und von den dreien wollte keiner etwas davon verraten, obwohl das Landvolk, das Merlins Turm aus meilenweiter Entfernung sehen konnte, Stein und Bein schwor, dort seien Schätze gehortet, die aus den Grabhügeln des Alten Volkes stammten.

Mordreds Leibwache wurde von einem Christen namens Ligessac befehligt, einem hochgewachsenen, mageren, habgierigen Mann, der besonders gut mit Pfeil und Bogen umgehen konnte. Wenn er nüchtern war – was selten vorkam –, konnte er einen Zweig auf fünfzig Schritt Entfernung spalten. Er lehrte mich einiges von seiner Kunst, wurde der Gesellschaft eines Knaben aber schnell müde und zog es vor, sich am Glücksspiel seiner Männer zu beteiligen. Er erzählte mir jedoch die wahre Geschichte von Prinz Mordreds Tod und damit den Grund, warum Großkönig Uther Arthur verflucht hatte. «Es war nicht Arthurs Schuld», berichtete Ligessac, während er ein Steinchen auf sein Wurfbrett warf. Alle Krieger hatten Wurfbretter, von denen einige kunstvoll aus Knochen gefertigt waren. «Sechs!», rief er triumphierend, während ich darauf wartete, die Geschichte von Arthur zu hören.

«Ich verdoppele», sagte Menw, einer aus der Prinzenwache, und warf seinen eigenen Stein. Er rollte über den Rand des Brettes und blieb auf einer Eins liegen. Weil er jedoch eine Zwei gebraucht hätte, um zu gewinnen, raffte er seine Steine vom Brett und fluchte.

Ligessac befahl Menw, seine Börse zu holen, damit er ihm seinen Gewinn auszahlte, dann erzählte er mir, wie Uther Arthur aus Armorica zu Hilfe gerufen hatte, um den riesigen Heerhaufen der Sachsen zu besiegen, der tief in unser Land vorgestoßen war. Arthur war, wie Ligessac sagte, mit seinen Kriegern gekommen, hatte aber seine berühmten Pferde zurückgelassen, denn der Hilferuf war dringend gewesen und hatte ihm keine Zeit gelassen, genügend Schiffe für Mann und Roß zu finden. «Nicht dass er die Pferde gebraucht hätte», erklärte Ligessac bewundernd, «denn er hat diese sächsischen Bastarde im Tal des Weißen Pferdes in die Falle gelockt. Dann entschied Mordred, dass er es besser könne als Arthur. Er wollte nämlich die Ehre selbst einheimsen.» Ligessac wischte sich die laufende Nase, dann blickte er suchend um sich, als wollte er sich vergewissern, dass niemand zuhörte. «Mordred hatte sich inzwischen betrunken», fuhr er in etwas leiserem Ton fort, «und die Hälfte seiner Mannen liefen splitternackt herum und schworen brüllend, sie könnten die zehnfache Zahl ihrer Gegner erschlagen. Wir hätten wirklich auf Arthur warten sollen, aber der Prinz befahl uns zu attackieren.»

«Ihr wart da?», fragte ich ihn in pubertärer Bewunderung.

Er nickte. «Mit Mordred. Großer Gott, wie die gekämpft haben! Umzingelt haben sie uns, und auf einmal waren wir fünfzig Briten, die entweder tot oder sehr schnell nüchtern waren. Ich verschoss meine Pfeile, so schnell es nur ging, unsere Speerträger formten den Schildwall, aber die feindlichen Krieger hieben mit Schwertern und Streitäxten auf uns ein. Ihre Trommeln gingen bumm-bumm-bumm, ihre Magier heulten, und ich dachte, ich wäre tot. Ich hatte keine Pfeile mehr und benutzte nur noch den Speer. Es können nur noch zwanzig Mann von uns am Leben gewesen sein, und wir alle waren am Ende unserer Kräfte. Das Drachenbanner war erobert worden, Mordred hauchte blutend sein Leben aus, und wir Übrigen kauerten uns zusammen, um auf das Ende zu warten; dann aber erschienen Arthurs Männer.» Er hielt inne und schüttelte bedrückt den Kopf. «Die Barden erzählen, an jenem Tag habe Mordred den Boden mit sächsischem Blut getränkt, mein Junge, aber es war nicht Mordred, es war Arthur. Er tötete und tötete. Er eroberte das Banner zurück, er erschlug die Magier, er verbrannte die Kriegstrommeln, er jagte die Überlebenden bis in die Dunkelheit hinein und tötete ihren Kriegsherrn bei Edwys Felsen im Licht des Mondes. Und das ist der Grund, warum die Sachsen vorsichtige Nachbarn sind, mein Junge: nicht etwa, weil Mordred sie besiegt hat, sondern weil sie glauben, dass Arthur nach Britannien zurückgekehrt ist.»

«Aber das ist er doch nicht», wandte ich traurig ein.

«Weil der Großkönig ihm nicht erlaubt zurückzukehren. Weil der Großkönig ihm die Schuld gibt.» Ligessac hielt inne und warf einen Blick in die Runde, um sich zu vergewissern, dass niemand mithörte. «Der Großkönig meint, dass Arthur Mordreds Tod wollte, damit er selber König wird, aber das ist nicht wahr. So ist Arthur nicht.»

«Und wie ist er?», fragte ich ihn.

Ligessac zuckte die Achseln, als wollte er andeuten, die Antwort darauf sei schwierig, doch ehe er antworten konnte, sah er, dass Menw zurückkehrte. «Kein Wort, Junge!», warnte er mich. «Kein einziges Wort!»

Wir alle hatten ähnliche Erzählungen gehört, aber Ligessac war der Erste, der mir gegenüber behauptete, an der Schlacht im Tal des Weißen Pferdes teilgenommen zu haben. Später sagte ich mir, dass er nicht dabei gewesen war, sondern nur irgendein Garn gesponnen hatte, um sich von einem leichtgläubigen Knaben bewundern zu lassen, doch sein Bericht war einigermaßen genau. Mordred war ein trunkener Tor und Arthur der wahre Sieger gewesen, und dennoch hatte Uther ihn übers Meer zurückgeschickt. Beide Männer waren Uthers Söhne, aber Mordred war der geliebte Erbe, während Arthur ein Emporkömmling und Bastard war. Allerdings vermochte Arthurs Verbannung nicht zu verhindern, dass jeder einzelne Dumnonier in diesem Bastard die größte Hoffnung des Landes sah: den jungen Krieger jenseits der Meere, der uns vor den Sachsen retten und die Verlorenen Lande von Lloegyr zurückerobern würde.

 

Die zweite Hälfte des Winters war mild. Zwar wurden hinter dem Erdwall, der die Landbrücke von Ynys Wydryn schützte, Wölfe gesichtet, doch keiner kam dicht an den Tor heran. Trotzdem fertigten einige der jüngeren Kinder Wolfszauber an, die sie in der Hoffnung, die Tiere würden über die Palisade springen und sich den Zwerg als Mahlzeit holen, hinter Druidans Hütte vergruben. Doch ihre Zauber wirkten nicht, und als der Winter den Rückzug antrat, begannen wir uns alle auf das große Frühlingsfest Beltane mit seinen lodernden Feuern und mitternächtlichen Festgelagen vorzubereiten. Aber dann gab es auf dem Tor eine noch größere Aufregung.

Gundleus von Siluria kam.

Zunächst erschien Bischof Bedwin. Er war der Berater, dem Uther das größte Vertrauen schenkte, und seine Ankunft versprach Abwechslung. Norwennas Dienerschaft wurde aus der Halle geschickt, und auf den Binsen wurden Webteppiche ausgebreitet, ein sicheres Zeichen dafür, dass eine wichtige Persönlichkeit kommen würde. Wir alle glaubten, es müsse Uther selbst sein, aber das Banner, das eine Woche vor Beltane auf der Landbrücke auftauchte, zeigte Gundleus’ Fuchs, nicht Uthers Drachen. Es war ein strahlender Morgen, als ich zusah, wie die Reiter am Fuß des Tor absaßen. Der Wind ließ ihre Umhänge wehen und zerrte an ihrem ausgefransten Banner, auf dem ich den verhassten Fuchskopf sah, bei dessen Anblick ich wütend aufschrie und das Zeichen zum Schutz gegen das Böse machte.

«Was ist?», erkundigte sich Nimue, die neben mir auf der östlichen Wachplattform stand.

«Das ist Gundleus’ Banner!», gab ich zurück. Ich sah die Überraschung in Nimues Blick, denn Gundleus war König von Siluria und mit König Gorfyddyd von Powys, Dumnonias eingeschworenem Feind, verbündet.

«Bist du sicher?», fragte mich Nimue.