King Arthur: Excalibur - Bernard Cornwell - E-Book
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Bernard Cornwell

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Beschreibung

Blut ist der Götter Lohn – der abschließende Band der großen Artus-Trilogie Arthurs Friedensherrschaft neigt sich dem Ende zu, es droht der Untergang der keltischen Reiche. Um die feindlichen Heere abwehren zu können, fordert die Priesterin Nimue ein hohes Opfer. Aber Arthur weigert sich, seinen Sohn hinzugeben. Mit Merlins Hilfe gelingt ihm das Unmögliche, der Sieg über die Sachsen. Doch längst schwelt die Glut im eigenen Land: Mordred, der Krüppelkönig, hasst seinen Vormund seit langem. Und in der Nacht, in der die Toten auf Erden wandeln, macht sich Nimue daran, mit Feuer und mit Blut die alten Götter herbeizurufen.

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Bernard Cornwell

King Arthur: Excalibur

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Gisela Stege

Über dieses Buch

Blut ist der Götter Lohn

 

Arthurs Friedensherrschaft neigt sich dem Ende zu, es droht der Untergang der keltischen Reiche. Um die feindlichen Heere abwehren zu können, fordert die Priesterin Nimue ein hohes Opfer. Aber Arthur weigert sich, seinen Sohn hinzugeben. Mit Merlins Hilfe gelingt ihm das Unmögliche, der Sieg über die Sachsen. Doch längst schwelt die Glut im eigenen Land: Mordred, der Krüppelkönig, hasst seinen Vormund seit langem. Und in der Nacht, in der die Toten auf Erden wandeln, macht sich Nimue daran, mit Feuer und mit Blut die alten Götter herbeizurufen.

 

Der abschließende Band der großen Artus-Trilogie

Vita

Bernard Cornwell, geboren 1944 in London und aufgewachsen in Essex, arbeitete nach seinem Geschichtsstudium an der University of London lange als Journalist bei der BBC, wo er das Handwerk der gründlichen Recherche lernte (zuletzt als «Head of Current Affairs» in Nordirland). 1980 heiratete er eine Amerikanerin und lebt seither in Cape Cod und in Charleston/South Carolina. Weil er in den USA zunächst keine Arbeitserlaubnis erhielt, begann er Romane zu schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er als unangefochtener König des historischen Abenteuerromans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 30 Millionen Exemplare. Die Queen zeichnete ihn mit dem «Order of the British Empire» aus.

 

«Neben den mitreißenden Schlachtenszenen überzeugt der Autor vor allem mit seiner Kunst, eine versunkene Epoche klug und detailreich zum Leben zu erwecken.» The New York Times Book Review

Excalibur ist John und Sharon Martin gewidmet

Dramatis Personae

Aelle: ein Sachsenkönig

Agricola: Kriegsherr von Gwent

Amhar: Arthurs illegitimer Sohn und Loholts Zwillingsbruder

Argante: Prinzessin von Demetia, Oengus mac Airems Tochter

Arthur: Uthers illegitimer Sohn, Kriegsherr von Dumnonia, später Gouverneur von Siluria

Arthur-bach: Arthurs Enkel, Gwydres und Morwennas Sohn

Balig: Bootsmann, Derfels Schwager

Balin: ein Krieger Arthurs

Balise: ehemaliger Druide von Dumnonia

Bors: Lancelots Champion und Cousin

Brochvael: König von Powys nach Arthurs Zeit

Budic: König von Broceliande, vermählt mit Arthurs Schwester Anna

Byrthig: König von Gwynedd

Caddwg: Bootsmann und ehemaliger Diener Merlins

Ceinwyn: Cuneglas’ Schwester, Derfels Gefährtin

Cerdic: ein Sachsenkönig

Cildydd: Magistrat von Aquae Sulis

Clovis: König der Franken

Culhwch: Arthurs Cousin, ein Krieger

Cuneglas: König von Powys

Cywyllog: ehemalige Geliebte Mordreds, eine Dienerin Merlins

Dafydd: der Schreiber, der Derfels Geschichte übersetzt

Derfel: (ausgesprochen Derwel) der Erzähler, einer von Arthurs Kriegern, später Mönch

Diwrnach: König von Lleyn

Eachern: einer von Derfels Speerkämpfern

Einion: Culhwchs Sohn

Emrys: Bischof von Durnovaria, später Bischof von Isca in Siluria

Erce: eine Sächsin, Derfels Mutter

Fergal: Argantes Druide

Galahad: Lancelots Halbbruder, einer von Arthurs Kriegern

Gawain: Prinz von Broceliande, König Budics Sohn

Guinevere: Arthurs Gemahlin

Gwydre: Arthurs und Guineveres Sohn

Hygwydd: Arthurs Schildknappe

Igraine: Königin von Powys nach Arthurs Zeit, vermählt mit Brochvael

Issa: Derfels stellvertretender Befehlshaber

Lancelot: exilierter König von Benoic, inzwischen Verbündeter von Cerdic

Lanval: ein Krieger Arthurs

Liofa: Cerdics Champion

Lladarn: Bischof in Gwent

Loholt: Arthurs illegitimer Sohn, Amhars Zwillingsbruder

Mardoc: Mordreds und Cywyllogs Sohn

 

Meurig: König von Gwent

Mordred: König von Dumnonia

Morfans: «der Hässliche», ein Krieger Arthurs

Morgan: Arthurs Schwester, vermählt mit Sansum

Morwenna: Derfels und Ceinwyns Tochter, vermählt mit Gwydre

Niall: Befehlshaber und Argantes Schwarzschildgarde

Nimue: Merlins Priesterin

Oengus mac Airem: König von Demetia, Führer der Schwarzschilde

Olwen, die Silberne: Anhängerin von Merlin und Nimue

Perddel: Cuneglas’ Sohn, später König von Powys

Peredur: Lancelots Sohn

Pyrlig: Derfels Barde

Sagramor: Befehlshaber von einer Kriegshorde Arthurs

Sansum: Bischof von Durnovaria, später Bischof im Kloster Dinnewrac

Scarach: Issas Gemahlin

Seren (1): Derfels und Ceinwyns Tochter

Seren (2): Gwydres und Morwennas Tochter, Arthurs Enkelin

Taliesin: «leuchtende Stirn», ein berühmter Barde

Tewdric: ehemaliger König von Gwent, jetzt christlicher Einsiedler

Tudwal: Mönch im Kloster Dinnewrac

Uther: ehemaliger König von Dumnonia, Mordreds Großvater, Arthurs Vater

Orte

Die mit * gekennzeichneten Orte sind erfunden.

Aquae Sulis: Bath, Avon

Beadewan: Baddow, Essex

Burrium: Usk, Gwent

Caer Ambra*: Amesburry, Wiltshire

Caer Cadarn*: South Cadbury, Somerset

Camlann: realer Ort unbekannt; hier Dawlish Warren, Devon

Celmeresfort: Chelmsford, Essex

Cicucium: römische Festung bei Sennybridge, Powys

Corinium: Cirencester, Gloucestershire

Dun Caric*: Castle Cary, Somerset

Dunum: Hod Hill, Dorset

Durnovaria: Dorchester, Dorset

Glevum: Gloucester

Gobannium: Abergavenny, Monmouthshire

Isca (Dumnonia): Exeter, Devon

Isca (Siluria): Caerleon, Gwent

Lactodurum: Towcester, Northamptonshire

Leodasham: Leaden Roding, Essex

Lindinis: Ilchester, Somerset

Lycceword: Letchworth, Hertfordshire

Mai Dun: Maiden Castle, Dorset

Moridunum: Carmarthen

Mynydd Baddon: realer Ort unbekannt; hier Little Solsbury Hill bei Bath

Sorviodunum: Old Sarum, Wiltshire

Steortford: Bishop’s Stortford, Hertfordshire

Thunreslea: Thundersley, Essex

Venta: Winchester, Hampshire

Wicford: Wickford, Essex

Ynys Wair: Lundy Island, Bristol Channel

Ynys Wydryn: Glastonbury, Somerset

Erster Teil

Die Feuer von Mai Dun

Frauen. Wie stark sie diese Erzählung bestimmen!

Als ich begann, Arthurs Geschichte aufzuschreiben, dachte ich, es werde eine Erzählung von Männern werden, eine Chronik der Schwerter und Speere, gewonnener Schlachten und neugezogener Grenzen, gebrochener Verträge und vernichteter Könige, denn ist das nicht die Art, wie Geschichte erzählt wird? Wenn wir die Genealogie unserer Könige aufsagen, nennen wir nicht die Namen der Mütter und Großmütter, sondern sagen Mordred ap Mordred ap Uther ap Kustennin ap Kynnar und so fort, bis ganz zum großen Beli Mawr zurück, der unser aller Vater ist. Die Geschichte ist ein Bericht, der von Männern erzählt und von Männern gemacht wird, in dieser Erzählung von Arthur jedoch leuchten die Frauen wie das Aufschimmern der Lachse in pechdunklem Wasser.

Männer machen Geschichte, und ich kann nicht leugnen, dass es Männer waren, die Britannien den Niedergang brachten. Zu Hunderten waren wir allesamt mit Leder und Eisen bewehrt, mit Schild und Schwert und Speer bewaffnet, und wir glaubten, Macht über Britannien zu besitzen, denn wir waren Krieger; und dennoch bedurfte es eines Mannes und einer Frau, um Britanniens Niedergang herbeizuführen, und von den beiden war es die Frau, die den größeren Schaden anrichtete. Sie sprach einen Fluch aus, und ein ganzes Heer ging zugrunde, und diese Erzählung ist von nun an ihre Geschichte, denn von nun an war sie Arthurs Feindin.

«Wer?», wird Igraine wissen wollen, wenn sie dies liest.

Igraine ist meine Königin. Sie ist schwanger, und das bringt uns allen große Freude. Ihr Gemahl ist König Brochvael von Powys, unter dessen Schutz ich heute im kleinen Kloster Dinnewrac lebe und Arthurs Geschichte aufschreibe. Ich schreibe auf Verlangen Königin Igraines, die zu jung ist, um den Kaiser, den Imperator, gekannt zu haben. So nennen wir Arthur nämlich, den Kaiser, Amherawdr in der britannischen Sprache, obwohl Arthur selbst diesen Titel kaum jemals benutzte. Ich schreibe in der sächsischen Sprache, weil ich erstens ein Sachse bin und weil Bischof Sansum, der Heilige, der über unsere kleine Gemeinschaft in Dinnewrac wacht, mir niemals erlauben würde, Arthurs Geschichte aufzuschreiben. Sansum hasst Arthur, schmäht sein Andenken und bezeichnet ihn als Verräter; deswegen haben Igraine und ich dem Heiligen erklärt, ich schriebe ein Evangelium unseres Herrn Jesus Christus in der sächsischen Sprache, und da Sansum weder Sächsisch spricht noch überhaupt lesen und schreiben kann, ist uns die Täuschung bisher gelungen.

Die Geschichte wird jetzt trauriger und schwieriger zu erzählen. Manchmal, wenn ich an meinen geliebten Arthur denke, sehe ich seine Glanzzeit wie einen strahlend sonnigen Tag zur Mittagsstunde, aber wie schnell doch die finsteren Wolken kamen! Später haben sich die Wolken, wie wir sehen werden, geteilt, und die Sonne erhellte wieder seine Landschaft; dann jedoch senkte sich die Nacht hernieder, und seitdem haben wir keine Sonne mehr gesehen.

Es war Guinevere, welche die Mittagssonne verdunkelte. Es geschah während des Aufstands, als Lancelot, den Arthur für seinen Freund gehalten hatte, den Thron von Dumnonia an sich zu reißen versuchte. Hilfe erhielt er dabei von den Christen, denen von ihren Anführern, darunter Bischof Sansum, eingeredet wurde, es sei ihre heilige Pflicht, das Land von den Heiden zu befreien und die Insel Britannien so auf die Wiederkehr des Herrn Jesus Christus im Jahre 500 vorzubereiten. Außerdem bekam Lancelot vom Sachsenkönig Cerdic Hilfe, der im Tal der Themse einen bedrohlichen Angriff führte, um Britannien zu teilen. Hätten die Sachsen das Severn-Meer erreicht, wären die britannischen Königreiche des Nordens von denen des Südens abgeschnitten worden, doch durch die Gnade der Götter besiegten wir nicht nur Lancelot und seinen christlichen Pöbel, sondern außerdem Cerdic selbst. Bei diesem Sieg entdeckte Arthur jedoch Guineveres Verrat. Er fand sie nackt in den Armen eines anderen Mannes, und damit war seine Lebenssonne vom Himmel verschwunden.

«Ich verstehe das nicht», sagte Igraine eines Tages im Spätsommer zu mir.

«Was versteht Ihr nicht, liebe Lady?», fragte ich sie.

«Arthur hat Guinevere doch geliebt, nicht wahr?»

«Das hat er.»

«Warum konnte er ihr dann nicht verzeihen? Ich habe Brochvael diese Nwylle ja auch verziehen.» Nwylle war Brochvaels Geliebte gewesen, hatte sich aber eine Hautkrankheit zugezogen, die ihre Schönheit entstellte. Ich selbst argwöhnte – ohne sie jemals danach zu fragen –, dass Igraine einen Zauber benutzt hatte, um ihrer Rivalin die Krankheit anzuhängen. Meine Königin bezeichnet sich zwar als Christin, aber das Christentum ist keine Religion, die ihren Anhängern den Trost der Rache gönnt. Dafür muss man zu den alten Weibern gehen, die wissen, welche Kräuter man pflücken und welche Zaubersprüche man unter dem abnehmenden Mond aufsagen muss.

«Ihr habt Brochvael verziehen», bestätigte ich, «aber hätte Brochvael Euch auch vergeben?»

Sie erschauerte. «Natürlich nicht! Der hätte mich lebendig verbrannt, aber so lautet das Gesetz.»

«Arthur hätte Guinevere auch verbrennen lassen können», sagte ich, «und es gab viele Männer, die ihm genau das geraten haben, aber er liebte sie, liebte sie leidenschaftlich, und deswegen vermochte er sie weder zu töten noch ihr zu verzeihen. Jedenfalls anfangs nicht.»

«Dann war er ein Narr!», behauptete Igraine. Sie ist noch jung und verfügt über die wundervolle Gewissheit der Jugend.

«Er war sehr stolz», erklärte ich, aber wenn Arthur deswegen ein Narr war, dann waren wir anderen ebenfalls Narren. Nachdenklich hielt ich inne. «Er wollte so vieles», fuhr ich fort. «Er wollte ein freies Britannien, er wollte die Sachsen besiegen, in seiner Seele jedoch wollte er ständig von Guinevere hören, dass er ein guter Mann sei. Und als sie dann mit Lancelot schlief, war das für Arthur der Beweis dafür, dass er weniger wert war als dieser. Das war natürlich nicht die Wahrheit, aber es schmerzte ihn dennoch. Und wie es ihn schmerzte! Noch nie habe ich einen Mann gesehen, der so schrecklich litt. Sie hat ihm das Herz zerrissen.»

«Und dann hat er sie gefangen gesetzt?», fragte Igraine.

«Dann hat er sie gefangen gesetzt», bestätigte ich und dachte daran, wie er mich gezwungen hatte, Guinevere in den Schrein zum heiligen Dornbusch zu bringen, wo Morgan, Arthurs Schwester, ihre Gefängniswärterin wurde. Die eine war Heidin, die andere Christin, und der Tag, an dem Guinevere auf dem Gelände des Heiligtums eingesperrt wurde, gehörte zu den wenigen Gelegenheiten, da ich sie jemals weinen sah. «Sie wird dort bleiben», sagte Arthur zu mir, «bis zu dem Tag, an dem sie stirbt.»

«Männer sind Narren», behauptete Igraine und warf mir einen kurzen Blick zu. «Seid Ihr Ceinwyn jemals untreu geworden?»

«Nein», antwortete ich aufrichtig.

«Hättet Ihr es je gern getan?»

«Aber ja! Die sinnliche Begierde hört nicht auf, und wenn man noch so glücklich ist, Lady. Außerdem – wie viel ist die Treue wert, wenn sie nie auf die Probe gestellt wird?»

«Ihr findet, dass Treue wertvoll ist?», erkundigte sie sich, und ich fragte mich, welcher junge hübsche Krieger im Caer ihres Gemahls ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Ihre Schwangerschaft würde vorerst natürlich jegliche Dummheiten verhindern, aber ich fürchtete das, was danach eventuell geschah. Vielleicht geschah ja gar nichts.

Ich lächelte. «Wir wünschen uns, dass die, die wir lieben, uns treu sind, Lady; ist es daher nicht durchaus verständlich, dass sie dasselbe von uns erwarten? Treue ist ein Geschenk, das wir denjenigen geben, die wir lieben. Arthur gab sie Guinevere, sie aber vermochte sie nicht zu erwidern. Sie wollte etwas anderes.»

«Was denn?»

«Glanz und Ruhm. Arthur aber hielt nichts davon. Er errang zwar Ruhm, sonnte sich aber nicht darin. Sie wünschte sich eine Eskorte von eintausend Reitern, bunte Banner, die im Wind flatterten, und dass ihr die ganze Insel Britannien zu Füßen lag. Alles, was er wollte, war jedoch Gerechtigkeit und gute Ernten.»

«Und ein freies Britannien und den Sieg über die Sachsen», hielt Igraine mir ironisch vor.

«Das auch», räumte ich ein. «Aber er wünschte sich noch etwas anderes. Und zwar mehr als alles Übrige.» In der Erinnerung daran musste ich lächeln, dachte mir dann jedoch, dass dieser letzte von Arthurs Wünschen vermutlich am schwierigsten zu erfüllen war und dass die wenigen von uns, die seine wahren Freunde waren, niemals glaubten, dass dieser Wunsch sein sehnlichster war.

«Nur weiter», forderte Igraine, die fürchtete, ich sei eingenickt.

«Er wünschte sich ein Stück Land», sagte ich, «eine Halle, ein bisschen Vieh, einen eigenen Schmied. Ein ganz normaler Mensch wollte er sein. Er wünschte sich, dass andere Männer sich um Britannien kümmerten, während er sein persönliches Glück suchte.»

«Das er niemals fand?», erkundigte sich Igraine.

«Er hat es gefunden», versicherte ich ihr. Doch nicht in jenem Sommer nach Lancelots Aufstand. Das war ein Blutsommer, eine Periode der Vergeltung, eine Zeit, da Arthur Dumnonia zu zähneknirschender Unterwerfung zwang.

Lancelot war südwärts in sein Land der Belgen geflohen. Arthur hätte ihn nur allzu gern verfolgt, doch Cerdics sächsische Eroberer waren vorerst die größere Gefahr. Gegen Ende des Aufstands waren sie bis nach Corinium vorgedrungen und hätten auch diese Stadt eingenommen, hätten die Götter nicht eine Seuche gesandt, die ihr Heer dezimierte. Die Eingeweide der Männer entleerten sich unaufhörlich, sie spien Blut und wurden so schwach, dass sie sich nicht mehr aufrecht halten konnten. Und dann, als die Seuche auf dem Höhepunkt war, fielen Arthurs Streitkräfte über sie her. Cerdic versuchte noch, seine Männer zu sammeln, aber die Sachsen waren überzeugt, dass alle Götter sie verlassen hatten, und stürzten sich Hals über Kopf in die Flucht. «Aber sie werden wiederkommen», versicherte mir Arthur, als wir inmitten der blutigen Überreste von Cerdics besiegter Nachhut standen. «Im nächsten Frühjahr werden sie wiederkommen», sagte er. Dann reinigte er Excaliburs Klinge mit seinem blutbesudelten Mantel und stieß das Schwert in die Scheide zurück. Er hatte sich einen Bart stehen lassen. Der Bart war grau und ließ ihn älter, viel älter wirken, während der Schmerz über Guineveres Verrat sein langes Gesicht hohlwangig gemacht hatte, sodass Männer, die Arthur vor diesem Sommer noch nie gesehen hatten, seine Erscheinung einschüchternd fanden. Aber er tat nie etwas, um diesen Eindruck ein wenig zu mildern. Früher war er ein geduldiger Mensch gewesen, nun aber lauerte sein Zorn unmittelbar unter der Haut und konnte bei der kleinsten Provokation ausbrechen.

Es war ein Blutsommer, eine Periode der Vergeltung, und Guineveres Schicksal war es, in Morgans Heiligtum eingesperrt zu sein. Arthur hatte seine Gemahlin dazu verurteilt, lebendig begraben zu sein, und seine Wachen hatten Befehl, sie dort auf ewig gefangen zu halten. Guinevere, eine Prinzessin von Henis Wyren, war für die Außenwelt verloren.

 

«Sei nicht albern, Derfel!», fuhr Merlin mich eine Woche später an. «In zwei Jahren wird sie wieder draußen sein! In einem, vermutlich! Wenn Arthur wollte, dass sie aus seinem Leben verschwindet, hätte er sie den Flammen übergeben, und genau das hätte er mit ihr tun sollen! Es gibt doch nichts, was das Verhalten der Frauen so positiv beeinflusst wie ein schöner Scheiterhaufen, aber erzähl das mal Arthur! Genauso gut könnte man gegen Wände reden. Dieser Schwachkopf liebt die Frau! Und er ist wahrhaftig ein Schwachkopf. Denk doch mal nach! Lancelot lebt noch, Mordred lebt noch, Cerdic lebt noch, und Guinevere lebt noch! Jeder, der auf dieser Welt ewig leben will, scheint gut beraten zu sein, wenn er sich Arthur zum Feind macht. Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Danke der Nachfrage.»

«Ich habe Euch zuvor schon danach gefragt», antwortete ich geduldig, «aber Ihr habt mich ignoriert.»

«Ach ja, mein Gehör, Derfel! Fast ganz weg.» Er schlug sich aufs Ohr. «Taub wie ein alter Eimer. Das ist das Alter, Derfel, nichts als das Alter. Ich verfalle zusehends.»

Er tat natürlich nichts dergleichen, sondern sah besser aus, als er seit langer Zeit ausgesehen hatte, und sein Gehör war bestimmt noch genauso scharf wie seine Augen, und die waren, obwohl er über achtzig war, noch immer so scharf wie die eines Falken. Merlin verfiel nicht, sondern schien über eine ganz neue Kraft zu verfügen, eine Kraft, die von den Kleinodien Britanniens stammte. Diese dreizehn Kleinodien waren alt, so alt wie Britannien, und jahrhundertelang verloren gewesen, aber Merlin hatte sie wiedergefunden. Die Kraft der Kleinodien sollte dazu dienen, die alten Götter nach Britannien zurückzuholen. Diese Kraft war noch nie auf die Probe gestellt worden, doch nun, im Jahr des Aufstands in Dumnonia, wollte Merlin sie benutzen, um einen gigantischen Zauber zu wirken.

Ich hatte Merlin am selben Tag aufgesucht, an dem ich Guinevere nach Ynys Wydryn brachte. Es hatte schwere Regenfälle gegeben, und ich hatte den Tor in der Hoffnung erklommen, Merlin auf seinem Gipfel zu finden, musste jedoch feststellen, dass die Hügelkuppe leer und verwaist war. Früher einmal hatte Merlin auf dem Tor eine große Halle besessen, mit einem Traumturm an einem Ende, aber die Halle war niedergebrannt worden. Ich hatte in den Ruinen des Tor gestanden und dabei eine tiefe Niedergeschlagenheit empfunden. Arthur, mein Freund, war zutiefst verletzt. Ceinwyn, meine Frau, war weit fort in Powys. Morwenna und Seren, meine beiden Töchter, waren bei Ceinwyn, während Dian, meine Jüngste, in der Anderwelt weilte, wohin sie einer von Lancelots Schwertkämpfern geschickt hatte. Meine Freunde waren tot oder in weiter Ferne. Die Sachsen rüsteten sich, um im neuen Jahr gegen uns zu kämpfen, mein Haus lag in Schutt und Asche, und mein Leben kam mir trostlos vor. Vielleicht hatte mich Guinevere mit ihrer Traurigkeit angesteckt, aber an jenem Vormittag auf Ynys Wydryns regengepeitschtem Hügel fühlte ich mich einsamer denn jemals zuvor in meinem Leben. Also kniete ich in der schlammigen Asche der Halle nieder und betete zu Bel. Ich bat den Gott, uns zu retten, und flehte Bel wie ein Kind um ein Zeichen an, dass wir den Göttern nicht gleichgültig waren.

Das Zeichen kam eine Woche später. Arthur war nach Osten geritten, um die sächsische Grenze zu berennen, während ich auf Caer Cadarn geblieben war, um auf die Heimkehr von Ceinwyn und meinen beiden Töchtern zu warten. Irgendwann in jener Woche begaben sich Merlin und Nimue, seine Begleiterin, in den großen, leeren Palast bei Lindinis, in dem ich gelebt hatte, während ich unseren König Mordred erzog; und als Mordred großjährig wurde, hatte man Bischof Sansum den Palast gegeben, der ihn in ein Kloster umwandelte. Inzwischen waren Sansums Mönche wieder vertrieben, von rachsüchtigen Speerkämpfern aus den weiten römischen Hallen hinausgejagt worden, sodass der riesige Palast abermals leer stand.

Es waren die Einheimischen, die uns verrieten, dass sich der Druide im Palast aufhielt. Da sie von Erscheinungen erzählten, von wunderbaren Zeichen und Göttern, die in der Nacht wandelten, ritt ich zum Palast hinunter, wo ich jedoch keinerlei Spuren von Merlin fand. Draußen vor dem Palast kampierten zwei- bis dreihundert Menschen, welche begeistert die Geschichten von den nächtlichen Visionen bestätigten, und als ich das hörte, wurde mir das Herz schwer. Dumnonia hatte gerade den Irrsinn eines Christenaufstands hinter sich, der von einem nicht weniger wahnwitzigen Aberglauben genährt worden war, und nun schien es, als wollten die Heiden die Raserei der Christen noch übertreffen. Ich stieß das Tor des Palastes auf, durchquerte den weiten Innenhof und schritt durch die leeren Hallen von Lindinis. Ich rief Merlins Namen, erhielt aber keine Antwort. In einer der Küchen entdeckte ich einen warmen Herd, in einem anderen Raum Zeichen dafür, dass er kürzlich ausgefegt worden war, nichts davon wies aber darauf hin, dass sich dort noch etwas anderes aufhielt als Ratten und Mäuse.

Und dennoch versammelten sich im Lauf des Tages immer mehr Menschen in Lindinis. Sie kamen aus allen Teilen Dumnonias, und ihre Gesichter sprachen von einer erschütternden Hoffnung. Sie brachten ihre Krüppel und ihre Kranken und warteten geduldig bis zur Abenddämmerung, dem Zeitpunkt, da das Palasttor aufgestoßen werden würde und sie in den äußeren Hof gehen, hinken, kriechen und getragen werden konnten. Ich hätte schwören können, dass sich bis dahin niemand im Palast aufgehalten hatte, und doch musste irgendjemand das Tor geöffnet und die großen Fackeln entzündet haben, von denen die Bogengänge des Hofes erleuchtet wurden.

Ich folgte der Menge, die sich in den großen Hof drängte. Begleitet wurde ich von Issa, meinem stellvertretenden Befehlshaber, und wir beide blieben in unseren langen, dunklen Mänteln gleich innerhalb des Tores stehen. Nach meiner Einschätzung bestand die Menschenmenge aus Leuten vom Land. Sie waren ärmlich gekleidet und hatten die dunklen, abgezehrten Gesichter jener, die schwer arbeiten müssen, um dem Boden eine magere Ernte abzuringen, doch im Schein der Fackeln sah ich in diesen Gesichtern die Hoffnung leuchten. Arthur hätte das Ganze gehasst, denn er war stets dagegen gewesen, leidenden Menschen Hoffnung auf übernatürliche Rettung vorzutäuschen, aber wie sehr brauchten all diese Menschen die Hoffnung! Frauen hielten kranke Säuglinge empor oder schoben verkrüppelte Kinder vor sich her, und alle lauschten begierig den wunderbaren Erzählungen von Merlins Erscheinungen. Da dies die dritte Nacht der Wunder war, wollten inzwischen so viele Menschen die Wunder sehen, dass der Hof nicht alle fasste. Manche hockten sich auf die Mauer hinter mir, andere drängten sich im Toreingang, doch niemand wagte es, die Arkade zu betreten, die sich an drei Seiten um den Hof zog, denn dieser von Säulen gestützte und überdachte Gang wurde von vier Speerkämpfern bewacht, welche die Menge mit ihren langen Waffen in Schach hielten. Diese vier Krieger waren Schwarzschilde, irische Speerkämpfer aus Demetia, Oengus mac Airems Königreich, und ich fragte mich, was sie so weit von ihrer Heimat entfernt zu suchen hatten.

Das letzte Tageslicht wich aus dem Himmel, und Fledermäuse schossen über die Fackeln dahin, während die Menschen sich auf den Steinplatten niederließen und erwartungsvoll auf die Haupttür des Palastes starrten, die dem Hoftor genau gegenüber lag. Von Zeit zu Zeit stöhnte eine Frau. Kinder weinten und wurden zum Schweigen gebracht. Die vier Speerkämpfer hockten sich an den Ecken der Arkaden nieder.

Wir warteten. Es kam mir vor, als warteten wir stundenlang, sodass meine Gedanken abschweiften und ich an Ceinwyn und meine tote Tochter Dian dachte, als im Palast plötzlich ein lautes metallenes Dröhnen ertönte – fast so, als hätte jemand mit einem Speer gegen einen Kessel geschlagen. Die Menge keuchte auf, einige Frauen erhoben sich und wiegten sich im Fackelschein. Sie schwenkten die Hände in der Luft und riefen die Götter an, doch keine Erscheinung zeigte sich, und die riesige Palasttür blieb geschlossen. Ich berührte das Eisen an Hywelbanes Heft, und das Schwert verlieh mir Sicherheit. Die wachsende Erregung der Menge war beunruhigend, aber längst nicht so beunruhigend wie die Umstände dieses Ereignisses selbst, denn ich hatte noch nie erlebt, dass Merlin für seine Magie Publikum brauchte. Im Gegenteil, er verachtete die Druiden, die große Volksmengen um sich versammelten. «Jeder Scharlatan kann Schwachköpfe beeindrucken», pflegte er zu sagen; aber hier und heute hatte ich den Eindruck, dass er es war, der die Schwachköpfe zu beeindrucken versuchte. Sein Publikum war bereit, es stöhnte erregt und wiegte sich, und als das tiefe, metallische Dröhnen abermals ertönte, erhoben sich die Menschen und begannen laut Merlins Namen zu rufen.

Dann flogen die Flügel der Palasttür auf, und die Menge wurde allmählich still.

Ein paar Herzschläge lang gab es in der Türöffnung nichts anderes zu sehen als ein schwarzes Loch; dann tauchte aus der Dunkelheit ein junger Krieger in voller Kampfrüstung auf und blieb auf der obersten Stufe des Bogengangs stehen.

Er hatte nichts Magisches an sich, höchstens vielleicht seine Schönheit. Ein anderes Wort gab es nicht dafür. In einer Welt der verkrümmten Gliedmaßen, der verkrüppelten Beine, kropfigen Hälse, vernarbten Gesichter und müden Seelen war dieser Krieger schön. Er war groß, schlank, goldblond und hatte ein ruhiges Gesicht, das man eigentlich nur als freundlich, ja sanft beschreiben konnte. Seine Augen waren von einem auffallenden Blau. Da er keinen Helm hatte, fiel ihm das Haar, so lang wie das eines Mädchens, bis weit über die Schultern herab. Er trug einen glänzend weißen Brustpanzer, weiße Beinschienen und eine weiße Schwertscheide. Seine Rüstung wirkte kostbar, und ich fragte mich, wer er war. Ich glaubte die meisten Krieger von Britannien zu kennen – jedenfalls jene, die sich eine solche Ausrüstung wie die des jungen Mannes leisten konnten –, aber er war mir unbekannt. Er lächelte den Menschen zu, hob dann beide Hände und bedeutete uns, niederzuknien.

Issa und ich blieben stehen. Vielleicht war es die Arroganz der Krieger, vielleicht wollten wir auch nur über die Köpfe der anderen hinwegsehen können.

Der langhaarige Krieger sprach kein Wort, aber sobald die Leute auf den Knien lagen, lächelte er ihnen dankend zu; dann wanderte er den Bogengang entlang und löschte die Fackeln, indem er sie aus ihren Halterungen nahm und in bereitstehende Wasserfässer tauchte. Das Ganze war, wie mir auffiel, eine wohleinstudierte Inszenierung. Immer dunkler wurde es auf dem Hof, bis nur noch die beiden Fackeln rechts und links von der großen Palasttür Licht spendeten. Da es kaum Mondenschein gab, war die Nacht ungemütlich dunkel.

Der weiße Krieger stand zwischen den beiden letzten Fackeln. «Kinder Britanniens», sagte er mit einer Stimme, die zu seiner Schönheit passte, einer sanften, von Wärme erfüllten Stimme, «betet zu euren Göttern! Die Kleinodien Britanniens befinden sich innerhalb dieser Mauern, und bald schon wird ihre Macht entfesselt werden; doch damit ihr diese Macht erkennt, werden wir erst einmal die Götter selbst zu uns sprechen lassen.» Damit löschte er die letzten beiden Fackeln, und im ganzen Hof herrschte Dunkelheit.

Nichts geschah. Die Menschen murmelten; sie riefen Bel an, Gofannon, Grannos und Don und baten sie, ihnen ihre Macht zu beweisen. Ich bekam eine Gänsehaut und packte Hywelbanes Heft fester. Konnte es sein, dass uns die Götter umschwebten? Ich blickte zu einer Gruppe von Sternen hinauf, die zwischen den Wolken hindurchglitzerten, und stellte mir die großen Götter dort oben, in diesen hehren Höhen vor, als Issa plötzlich hörbar die Luft anhielt. Ich ließ meinen Blick nach unten wandern.

Und dann hielt auch ich hörbar die Luft an.

Denn aus dem Dunkel war ein Mädchen aufgetaucht, kaum mehr als ein Kind an der äußersten Schwelle zur Frau. Ein zierliches Mädchen, bezaubernd in seiner Jugend und sehr graziös in seiner Schönheit – und so nackt wie ein neugeborener Säugling. Sie war schlank, mit kleinen, hohen Brüsten und langen Beinen, und trug in der einen Hand einen Strauß Lilien und in der anderen ein Schwert mit schmaler Klinge.

Sprachlos starrte ich sie an. Denn in der Dunkelheit, der kalten Dunkelheit, die auf den wärmenden Schein der Fackeln gefolgt war, leuchtete sie. Sie leuchtete wirklich. Sie glänzte wie ein schimmerndes weißes Licht. Es war kein helles Licht, es blendete nicht, es war einfach da wie Sternenstaub auf ihrer weißen Haut. Es war ein ungleichmäßiges, pudriges Leuchten, das von ihrem Körper ausging, von ihren Beinen, Armen und Haaren, doch nicht von ihrem Gesicht. Die Lilien leuchteten, und auch auf der langen, schlanken Klinge ihres Schwertes strahlte der Glanz.

Das leuchtende Mädchen schritt durch die Arkaden. Sie schien die Menschen im Hof nicht zu bemerken, die ihr ihre verdorrten Glieder und kranken Kinder entgegenstreckten. Sie beachtete sie nicht, sondern schritt leicht und zierlich, das überschattete Gesicht den Steinen zugewandt, durch den Säulengang. Ihre Schritte waren federleicht. Sie schien in sich gekehrt, in ihre eigenen Träume versunken zu sein, während die Menschen stöhnten und nach ihr riefen, aber sie hatte keinen Blick dafür. Sie ging einfach weiter. Das seltsame Licht schimmerte auf ihrem Körper, auf ihren Armen und Beinen und auf ihrem langen schwarzen Haar, das ihr tief ins Gesicht hing, ein Gesicht, das wie eine schwarze Maske inmitten dieses unheimlichen Leuchtens stand, und doch spürte ich irgendwie – instinktiv vielleicht –, dass ihr Gesicht schön war. Sie kam fast ganz bis dorthin, wo Issa und ich standen, und dann hob sie auf einmal diesen pechschwarzen Schatten ihres Gesichts, um in unsere Richtung zu blicken. Ich roch etwas, das mich ans Meer erinnerte, doch dann war sie, so unvermittelt, wie sie aufgetaucht war, blitzschnell durch eine Tür verschwunden, und die Zuschauer seufzten auf.

«Was war das?», fragte Issa mich flüsternd.

«Ich weiß es nicht», gab ich zurück. Ich hatte Angst. Dies war kein Wahn, sondern etwas Reales, denn ich hatte es deutlich gesehen. Aber was war es? Eine Göttin? Doch warum hatte ich das Meer gerochen? «Vielleicht war es einer von Manawydans Geistern», sagte ich zu Issa. Manawydan war der Meeresgott, und dessen Nymphen würden zweifellos nach salziger Meeresluft riechen.

Wir mussten sehr lange auf die zweite Erscheinung warten, und als sie kam, war sie weit weniger eindrucksvoll als die leuchtende Meeresnymphe. Auf dem Palastdach tauchte eine Gestalt auf, eine schwarze Gestalt, die sich langsam als bewaffneter Krieger entpuppte. Er trug einen Mantel und einen monströsen Helm, der vom Geweih eines starken Hirsches gekrönt war. Der Mann war im Dunkeln kaum zu sehen, doch als eine Wolke den Mond freigab, erkannten wir, was er war, und die Menge stöhnte auf, als er mit ausgebreiteten Armen über uns stand, während sein Gesicht von den Wangenstücken des riesigen Helmes verborgen war. Er trug Speer und Schwert. Sekundenlang blieb er da stehen, dann verschwand auch er, obgleich ich schwören könnte, gehört zu haben, wie bei seinem Verschwinden ein Ziegel von der hinteren Seite des Daches rutschte.

Gerade als er verschwand, tauchte das nackte Mädchen wieder auf, nur schien es diesmal, als materialisiere sie sich auf der obersten Stufe des Bogenganges. Eben war noch alles dunkel gewesen, dann stand plötzlich ihr langer, schlanker Körper da, still, aufrecht und leuchtend. Wieder blieb ihr Gesicht im Dunkeln verborgen, sodass es wie eine Schattenmaske wirkte, die von lichtdurchglänztem Haar gerahmt wurde. Ein paar Sekunden lang stand sie still; dann vollführte sie einen langsamen Tanz, setzte die Füße zierlich auf den Zehenspitzen in einem verschlungenen Muster, das sich auf derselben Stelle hin und her und im Kreis bewegte. Beim Tanzen blickte sie ständig zu Boden. Mir schien, als sei dieses unirdische Leuchten auf ihre Haut gemalt worden, denn wie ich entdeckte, war es an einigen Stellen intensiver als an anderen, aber von Menschenhand stammte es sicherlich nicht. Issa und ich lagen jetzt auch auf den Knien, denn dies musste ein Zeichen der Götter sein. Es war Licht in der Dunkelheit, Schönheit inmitten von versunkenem Glanz. Die Nymphe tanzte, während das Leuchten ihres Körpers allmählich verglomm, und dann, als sie nur noch die Andeutung einer schimmernden Schönheit im Schatten der Arkaden war, hielt sie inne, spreizte, uns zugewandt, Arme und Beine und war verschwunden.

Unmittelbar darauf wurden zwei brennende Fackeln aus dem Palast gebracht. Inzwischen lärmte die Menge, rief laut ihre Götter an und verlangte Merlin zu sehen. Und schließlich erschien auch er in der Tür des Palastes. Der weiße Krieger trug eine der brennenden Fackeln, die einäugige Nimue die andere.

Merlin kam an die oberste Stufe und blieb dort in seinem langen, weißen Gewand stehen. Er ließ die Menge ungestört weiterrufen. Sein grauer Bart, der ihm fast bis an die Taille reichte, war zu Zöpfen geflochten, die mit schwarzen Bändern umwickelt waren; die langen, weißen Haare hatte er ebenfalls geflochten und umwickelt. In der Hand trug er seinen schwarzen Stab, den er zum Zeichen, dass die Leute still sein sollten, nach einer Weile würdevoll anhob. «Hat es eine Erscheinung gegeben?», erkundigte er sich neugierig.

«Ja, ja!», riefen die Zuschauer. Und Merlins altes, schlaues, boshaftes Gesicht nahm einen Ausdruck freudiger Überraschung an, ganz als hätte er nicht gewusst, was möglicherweise im Hof passiert war.

Er lächelte; dann trat er beiseite und winkte mit seiner freien Hand. Zwei kleine Kinder, ein Junge und ein Mädchen, kamen aus dem Palast; zwischen sich trugen sie den Kessel von Clyddno Eiddyn. Die meisten Kleinodien Britanniens waren geringe Gegenstände, ja sogar alltägliche, der Kessel dagegen war ein echtes Kleinod und dasjenige, das von allen dreizehn die größte Macht besaß. Es handelte sich um eine riesige Silberschale, die mit einem goldenen Muster aus Kriegern und Hirschen geschmückt war. Die beiden Kinder schwankten unter der schweren Last des Kessels, doch es gelang ihnen, ihn neben dem Druiden abzusetzen. «Ich bin im Besitz der Kleinodien von Britannien!», verkündete Merlin, und als Antwort seufzte die Menge auf. «Bald schon, sehr bald», fuhr er fort, «wird die Macht der Kleinodien entfesselt, wird Britannien wiederhergestellt werden. Und unsere Feinde werden zerbrochen werden!» Hier hielt er inne, um die Jubelrufe im Hof verklingen zu lassen. «Heute Abend habt ihr die Macht der Götter gesehen, doch was ihr gesehen habt, ist eine Kleinigkeit, etwas ganz Unbedeutendes. Bald schon wird es ganz Britannien erleben, doch wenn wir die Götter rufen wollen, brauche ich eure Hilfe!»

Die werde er bekommen, riefen die Menschen, und Merlin lächelte sie strahlend an. Dieses wohlwollende Lächeln machte mich misstrauisch. Ein Teil von mir spürte, dass er seinen Scherz mit den Menschen trieb, aber selbst Merlin, sagte ich mir, kann ein Mädchen nicht im Dunkeln leuchten lassen. Ich hatte die Kleine gesehen; ich wollte so unendlich gern glauben, und die Erinnerung an diesen biegsamen, schimmernden Körper überzeugte mich davon, dass uns die Götter nicht verlassen hatten.

«Ihr müsst nach Mai Dun kommen!», sagte Merlin streng. «Ihr müsst kommen, solange ihr noch fähig dazu seid, und ihr müsst Lebensmittel mitbringen. Wenn ihr Waffen habt, müsst ihr sie mitbringen. In Mai Dun werden wir arbeiten, und die Arbeit wird lang und schwer sein, aber an Samhain, wenn die Toten wandeln, werden wir die Götter zusammenrufen. Ihr und ich!» Er hielt inne und richtete die Spitze seines Stabes auf die Menge. Der schwarze Stock zögerte, als suche er jemanden in dem Gedränge, bis er schließlich auf mich gerichtet wurde. «Lord Derfel Cadarn!», rief Merlin.

«Lord?», antwortete ich voller Verlegenheit, weil ich aus der Masse hervorgehoben wurde.

«Du wirst bleiben, Derfel. Die anderen können jetzt gehen. Kehrt in eure Häuser zurück, denn vor Samhain werden die Götter nicht wiederkommen. Kehrt in eure Häuser zurück, kümmert euch um eure Felder, und dann kommt nach Mai Dun. Bringt Äxte mit, bringt Lebensmittel mit und macht euch bereit, eure Götter in all ihrem Glanz zu sehen! Und nun geht! Geht!»

Gehorsam wandte sich die Menge zum Gehen. Viele hielten inne, um meinen Mantel zu berühren, denn ich gehörte zu den Kriegern, die den Kessel von Clyddno Eiddyn aus seinem Versteck auf Ynys Mon geholt hatten, und das machte mich – wenigstens für die Heiden – zum Helden. Auch Issa berührten sie, denn auch er war ein Krieger des Kessels, doch als sich die Menge verlaufen hatte, wartete er am Tor, während ich zu Merlin ging. Ich begrüßte ihn, aber er winkte ab, als ich mich nach seinem Befinden erkundigte, und fragte mich stattdessen, ob mir die seltsamen Geschehnisse des Abends gefallen hätten.

«Was war das?», fragte ich ihn.

«Was war was?», fragte er unschuldig zurück.

«Das Mädchen im Dunkeln», sagte ich.

In gespieltem Erstaunen riss er die Augen auf. «Sie war also wieder da, ja? Wie interessant! War es das Mädchen mit den Flügeln oder das Mädchen, das leuchtet? Das leuchtende Mädchen! Ich habe keine Ahnung, wer sie ist, Derfel. Ich kann nicht jedes Rätsel der Welt lösen. Du hast zu viel Zeit mit Arthur verbracht, daher glaubst du, genau wie er, dass es für alles eine ganz normale Erklärung gibt, aber die Götter lassen sich nur selten dazu herbei, sich klar auszudrücken. Könntest du dich nützlich machen und den Kessel hineintragen?»

Ich hob den riesigen Kessel an und schleppte ihn in die von Säulen getragene Halle des Palastes. Als ich den Raum vor ein paar Stunden betreten hatte, war er leer gewesen, jetzt aber standen da ein Ruhebett, ein niedriger Tisch und vier Eisenständer mit Öllampen. Vom Ruhebett her lächelte mir der junge, hübsche Krieger in der weißen Rüstung entgegen, dessen Haare so lang waren, während Nimue in einem schäbigen schwarzen Gewand mit einer dünnen, brennenden Wachskerze die Runde bei den Lampen machte.

«Dieser Raum war heute Nachmittag noch leer», sagte ich vorwurfsvoll.

«Das mag dir so vorgekommen sein», gab Merlin leichthin zurück, «aber vielleicht wollten wir uns dir nur nicht zeigen. Hast du Prinz Gawain schon kennengelernt?» Er deutete auf den jungen Mann, der sich erhob und grüßend vor mir verneigte. «Gawain ist der Sohn von König Budic von Broceliande», erklärte mir Merlin, «und somit Arthurs Neffe.»

«Lord Prinz», begrüßte ich Gawain. Ich hatte schon von ihm gehört, ihn aber noch nicht persönlich kennengelernt. Broceliande war das britannische Königreich hinter dem Meer in Armorica, und da die Franken in letzter Zeit seinen Grenzen schwer zusetzten, waren Besucher aus diesem Reich selten geworden.

«Es ist mir eine Ehre, Euch kennenzulernen, Lord Derfel», sagte Gawain höflich. «Euer Ruhm hat sich weit über Britannien hinaus verbreitet.»

«Sei nicht albern, Gawain», fuhr Merlin ihn an. «Derfels Ruhm hat sich nirgends verbreitet, es sei denn, vielleicht in seinem Dickschädel. Gawain ist hier, um mir zu helfen», erläuterte er.

«Wobei?», wollte ich wissen.

«Die Kleinodien zu beschützen, natürlich. Wie ich gehört habe, ist er ein gewaltiger Speerkämpfer. Stimmt das, Gawain? Bist du gewaltig?»

Gawain lächelte nur. Er wirkte nicht besonders gewaltig, denn er war ein noch sehr junger Mann von etwa fünfzehn, sechzehn Sommern und musste sich noch nicht rasieren. Das lange blonde Haar verlieh seinem Gesicht einen mädchenhaften Ausdruck, während sich die weiße Rüstung, die vorhin so kostbar auf mich gewirkt hatte, aus der Nähe als eine Schicht Kalktünche auf schlichtem Eisen entpuppte. Wären da nicht seine Selbstsicherheit und sein unbestreitbar gutes Aussehen gewesen, hätte man über ihn lachen können.

«Also, was hast du so getrieben, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben?», fragte mich Merlin, und dann erzählte ich ihm von Guinevere, woraufhin er mich höhnisch fragte, wie ich denn glauben könne, dass sie sich ihr Leben lang einsperren lasse. «Arthur ist ein Schwachkopf», behauptete er. «Guinevere mag klug sein, aber er braucht sie nicht. Er braucht etwas Schlichtes, Einfältiges, etwas, das sein Bett warm hält, während er sich um die Sachsen kümmert.» Er saß auf dem Ruhebett und lächelte, während die beiden Kinder, die den Kessel in den Hof hinausgetragen hatten, ihm einen Teller mit Brot und Käse und eine Flasche Met brachten. «Abendessen!», sagte er fröhlich. «Leiste mir Gesellschaft, Derfel, denn wir wollen mit dir reden. Setz dich! Du wirst feststellen, dass der Boden recht bequem ist. Setz dich neben Nimue.»

Ich gehorchte. Bis jetzt hatte mich Nimue ignoriert. Die Höhle ihres fehlenden Auges, das ein König ihr herausgerissen hatte, war mit einer Klappe bedeckt, und ihre Haare, die sehr kurz geschnitten worden waren, bevor wir südwärts zu Guineveres Seepalast zogen, waren nachgewachsen, wenn sie auch immer noch so kurz waren, dass sie ihr ein knabenhaftes Aussehen verliehen. Sie schien zornig zu sein, aber Nimue wirkte immer zornig. Sie hatte sich einer einzigen Sache verschrieben, der Suche nach den Göttern, und sie verachtete alles, was sie von dieser Suche ablenkte; daher hielt sie Merlins ironische Witzeleien vermutlich für Zeitverschwendung. Sie und ich waren zusammen aufgewachsen, und ich hatte ihr in den Jahren seit unserer Kinderzeit mehr als einmal das Leben gerettet, sie ernährt und sie gekleidet. Und dennoch behandelte sie mich immer noch, als sei ich ein unbedarfter Junge.

«Wer regiert Britannien?», fragte sie mich unvermittelt.

«Falsche Frage!», fuhr Merlin sie mit unerwarteter Heftigkeit an. «Das ist die falsche Frage!»

«Nun?», hakte sie nach, ohne sich um Merlins Zorn zu kümmern.

«Niemand regiert Britannien», antwortete ich.

«Richtige Antwort», warf Merlin rachsüchtig ein. Seine üble Laune hatte Gawain verwirrt, der hinter Merlins Ruhebett stand und Nimue besorgt musterte. Er hatte Angst vor ihr, aber das konnte ich ihm nicht verdenken. Die meisten Menschen hatten Angst vor Nimue.

«Und wer regiert Dumnonia?», fragte sie mich.

«Arthur», gab ich zurück.

Nimue warf Merlin einen triumphierenden Blick zu, aber der Druide schüttelte den Kopf. «Das Wort ist rex», sagte er, «rex, und wenn einer von euch auch nur die geringste Ahnung von Latein hätte, so wüsstet ihr, dass rex König heißt und nicht Kaiser. Das Wort für Kaiser ist imperator. Sollen wir alles aufs Spiel setzen, nur weil ihr ungebildet seid?»

«Arthur regiert Dumnonia», behauptete Nimue.

Merlin beachtete sie nicht. «Wer ist hier der König?», fragte er mich.

«Mordred, natürlich.»

«Natürlich», wiederholte er. «Mordred!» Er spie in Nimues Richtung. «Mordred!»

Sie wandte sich ab, als langweilte er sie. Ich war verwirrt, begriff nicht im Geringsten, was diese Diskussion sollte, und hatte auch keine Gelegenheit, danach zu fragen, weil die beiden Kinder wieder durch die verhangene Türöffnung kamen, um uns noch mehr Brot und Käse zu bringen. Als sie die Teller auf den Boden setzten, nahm ich eine Andeutung von Meeresgeruch wahr, denselben Duft nach Salz und Tang, der die nackte Erscheinung begleitet hatte, doch dann verschwanden die Kinder wieder durch den Vorhang, und mit ihnen war auch der Geruch verschwunden.

«Also», wandte sich Merlin mir mit der zufriedenen Miene eines Mannes zu, der bei einer Diskussion gewonnen hat, «hat Mordred Kinder?»

«Mehrere, vermutlich», antwortete ich. «Der hat doch ständig Mädchen vergewaltigt.»

«Wie es die Art der Könige ist», bestätigte Merlin obenhin. «Und der Prinzen. Hast du Mädchen vergewaltigt, Gawain?»

«Nein, Herr.» Die Frage schien Gawain zu schockieren. «Mordred war schon immer ein Vergewaltiger», sagte Merlin. «Darin kommt er nach seinem Vater und seinem Großvater, obwohl ich sagen muss, dass sie beide sehr viel sanfter waren als der junge Mordred. Uther konnte niemals einem hübschen Lärvchen widerstehen. Oder auch einem hässlichen, wenn er in der entsprechenden Laune war. Arthur dagegen neigte nie zu Vergewaltigungen. Darin ist er wie du, Gawain.»

«Freut mich zu hören», sagte Gawain, und Merlin verdrehte in gespielter Verzweiflung die Augen.

«Was wird Arthur also mit Mordred machen?», wandte der Druide sich wieder an mich.

«Er wird hier gefangen gehalten werden, Lord», sagte ich mit einer Geste, die den Palast umfasste.

«Gefangen gehalten!» Merlin schien belustigt zu sein. «Guinevere eingesperrt, Bischof Sansum hinter Gittern, wenn es so weitergeht, werden bald alle Menschen in Arthurs Leben gefangen gehalten werden! Wir werden alle von Wasser und verschimmeltem Brot leben müssen. Wie töricht dieser Arthur doch ist! Das Hirn aus dem Schädel prügeln sollte er Mordred!» Mordred war noch ein Kind gewesen, als er den Thron erbte, und während der Junge heranwuchs, hatte Arthur die königliche Macht ausgeübt; doch als Mordred großjährig wurde und Arthur getreu dem Versprechen, das er Großkönig Uther gegeben hatte, Mordred das Königreich übergab, hatte Mordred diese Macht missbraucht und sogar Arthurs Tod geplant. Diese Verschwörung hatte Sansum und Lancelot in ihrem Aufstand bestärkt. Jetzt sollte Mordred gefangen gehalten werden, obwohl Arthur fest entschlossen war, Dumnonias rechtmäßigen König, in dessen Adern das Blut der Götter floss, mit allen Ehren behandeln zu lassen. Nur Macht sollte ihm nicht wieder zugestanden werden. Er sollte in diesem schönen Palast unter Bewachung leben, jeden Luxus erhalten, den er sich wünschte, aber nie mehr Unruhe stiften können. «Du meinst also», fragte mich Merlin, «dass Mordred Kinder hat?»

«Dutzende, denke ich.»

«Falls du überhaupt jemals denkst», fuhr Merlin mich an. «Nenn mir einen Namen, Derfel! Nenn mir einen einzigen Namen!»

Ich überlegte einen Moment. Ich kannte Mordreds Sündenregister besser als jeder andere, denn ich war während der Kinderzeit sein Vormund gewesen, eine Aufgabe, die ich ebenso zögernd wie unzulänglich erfüllt hatte. Es war mir nie gelungen, ihm den Vater zu ersetzen, und obwohl sich Ceinwyn große Mühe gegeben hatte, ihm eine Mutter zu sein, hatte auch sie versagt. Der unglückselige Knabe war zu einem mürrischen und bösartigen Mann herangewachsen. «Es gab da mal eine junge Dienerin», sagte ich. «Mit der war er ziemlich lange zusammen.»

«Ihr Name?», verlangte Merlin, den Mund voll Käse.

«Cywyllog.»

«Cywyllog!» Der Name schien ihn zu belustigen. «Und du sagst, er habe dieser Cywyllog ein Kind gemacht?»

«Einen Knaben», bestätigte ich. «Falls er von ihm war, was aber vermutlich doch so ist.»

«Und diese Cywyllog», fuhr er messerwedelnd fort, «wo könnte die sich jetzt aufhalten?»

«Vermutlich irgendwo in der Nähe», antwortete ich. «Sie ist jedenfalls nicht mit uns in Ermids Halle umgezogen, und Ceinwyn hat eigentlich immer vermutet, dass Mordred ihr Geld gegeben hat.»

«War er ihr zugetan?» «Ich glaube schon, ja.»

«Wie beruhigend zu wissen, dass wenigstens etwas Gutes in diesem grässlichen Knaben steckt. Cywyllog, was? Meinst du, dass du sie finden kannst, Gawain?»

«Ich werd’s versuchen, Lord», versicherte Gawain eifrig.

«Nicht nur versuchen – tun!», fuhr Merlin ihn an. «Wie hat sie ausgesehen, Derfel, dieses Mädchen mit dem seltsamen Namen Cywyllog?»

«Klein», sagte ich, «mollig, schwarze Haare.»

«Bis jetzt ist es uns gelungen, die Suche auf jedes Mädchen in Britannien zu reduzieren, das unter zwanzig ist. Könntest du ein bisschen deutlicher werden? Wie alt müsste das Kind inzwischen sein?»

«Sechs», antwortete ich. «Und wenn ich mich recht erinnere, hatte er rötliche Haare.»

«Und das Mädchen?»

Ich schüttelte den Kopf. «Nicht hässlich, aber auch nicht weiter bemerkenswert.»

«Alle jungen Mädchen sind bemerkenswert», korrigierte Merlin mich von oben herab, «vor allen die mit dem Namen Cywyllog. Geh sie suchen, Gawain!»

«Warum wollt Ihr sie unbedingt finden?», fragte ich Merlin.

«Stecke ich meine Nase in deine Angelegenheiten?», fragte Merlin zurück. «Komme ich zu dir und stelle dir törichte Fragen über Speere und Schilde? Belästige ich dich ununterbrochen mit idiotischen Erkundigungen nach der Art, wie du Recht sprichst? Kümmere ich mich um deine Ernte? Kurz gesagt, bin ich dir jemals lästig gefallen, indem ich mich in dein Leben eingemischt habe, Derfel?»

«Nein, Lord.»

«Also zügle bitte deine Neugier hinsichtlich des meinen. Es ist der Spitzmaus nicht gegeben, das Verhalten des Adlers zu verstehen. Und jetzt iss Käse, Derfel!»

Nimue wollte nichts essen. Sie brütete düster vor sich hin, verärgert über die Art, wie Merlin ihre Feststellung abgetan hatte, dass Arthur der wahre Herrscher in Dumnonia sei. Merlin hatte sie ignoriert und es vorgezogen, Gawain zu hänseln. Mordred erwähnte er nicht noch einmal und wollte auch nicht über das reden, was er in Mai Dun plante; nur als er mich zum Außentor des Palastes begleitete, wo Issa immer noch auf mich wartete, sprach er schließlich von den Kleinodien. Der schwarze Stab des Druiden klopfte aufs Steinpflaster, als wir den Hof überquerten, auf dem die Menschenmenge gesehen hatte, wie die Erscheinungen kamen und gingen. «Weißt du», sagte Merlin, «ich brauche Menschen, denn wenn die Götter gerufen werden sollen, ist sehr viel zu tun, und Nimue und ich können das unmöglich allein schaffen. Wir brauchen etwa hundert Mann, vielleicht sogar mehr!»

«Wozu?»

«Das wirst du schon sehen. Magst du Gawain?»

«Er scheint recht willig zu sein.»

«O ja, willig ist er; aber ist das so bewundernswert? Hunde sind willig. Er erinnert mich an Arthur, als der noch jung war. All dieser Eifer, Gutes zu tun.» Er lachte.

«Lord», sagte ich, auf eine Erklärung hoffend, «was wird in Mai Dun geschehen?»

«Wir werden natürlich die Götter rufen. Das ist ein kompliziertes Verfahren, und ich kann nur beten, dass ich es richtig mache. Natürlich fürchte ich, dass es nicht klappt. Nimue ist, wie du wohl schon gemerkt haben wirst, der Meinung, dass ich alles falsch mache, aber wir werden sehen, wir werden sehen.» Ein paar Schritte legte er schweigend zurück. «Doch wenn wir es richtig machen, Derfel, wenn wir es richtig machen – welch eines Anblicks werden wir da teilhaftig! Götter, die in all ihrer Macht erscheinen! Manawydan, der nackt und herrlich aus dem Meer geschritten kommt. Taranis, der den Himmel mit Blitzen teilt. Bel, der Feuer vom Himmel regnen lässt, und Don, die mit ihrem Feuerspeer die Wolken durchschneidet. Das müsste den Christen einen gehörigen Schrecken einjagen, was?» Vor Freude legte er ein paar ungeschickte Tanzschritte aufs Pflaster. «In ihre schwarzen Roben werden die Bischöfe pissen, was?»

«Aber Ihr seid Eurer Sache nicht gewiss», warf ich, um eine Erklärung heischend, ängstlich ein.

«Sei nicht albern, Derfel! Warum verlangst du immer Gewissheit von mir? Ich kann nur das Ritual ausführen und hoffen, dass ich es richtig mache! Du hast heute Abend doch etwas gesehen, nicht wahr? Hat dich das denn nicht überzeugt?»

Ich zögerte, fragte mich, ob all das, was ich gesehen hatte, nicht doch ein Trick gewesen war. Mit welchem Trick aber konnte man die Haut eines Mädchens im Dunkeln zum Leuchten bringen? «Und werden die Götter gegen die Sachsen kämpfen?», wollte ich wissen.

«Deswegen rufen wir sie ja zu uns, Derfel», erklärte mir Merlin geduldig. «Wir wollen Britannien so wiederherstellen, wie es in den alten Zeiten war, bevor Sachsen und Christen kamen und es in den Dreck zogen.» Er blieb am Tor stehen und starrte auf die dunkle Landschaft hinaus. «Ich liebe Britannien», sagte er, und seine Stimme klang urplötzlich bedrückt. «Ich liebe diese Insel so sehr! Sie ist etwas ganz Besonderes.» Er legte mir die Hand auf die Schulter. «Lancelot hat dein Haus niedergebrannt. Und wo lebst du jetzt?»

«Ich werde mir ein Haus bauen müssen», sagte ich und dachte dabei, dass ich es bestimmt nicht auf den Ruinen von Ermids Halle errichten würde, wo meine kleine Dian gestorben war.

«Dun Caric steht leer», sagte Merlin. «Ich werde es dir zur Verfügung stellen – allerdings nur unter der Bedingung, dass ich, wenn mein Werk getan ist und die Götter wieder bei uns sind, zu dir kommen und in deinem Haus sterben darf.»

«Ihr dürft kommen und dort leben, Lord», widersprach ich.

«Ich will dort sterben, Derfel, sterben! Ich bin alt. Ich habe nur noch eine Aufgabe zu erfüllen, und das werde ich in Mai Dun versuchen.» Seine Hand lag immer noch auf meiner Schulter. «Meinst du, ich kenne das Risiko nicht, das ich eingehe?»

Plötzlich spürte ich die Furcht in ihm. «Welches Risiko, Lord?», fragte ich hilflos.

Der Schrei der Eule drang aus dem Dunkel, und Merlin lauschte mit geneigtem Kopf auf einen zweiten Schrei, aber es kam keiner. «Mein Leben lang», sagte er nach einer Weile, «habe ich versucht, die Götter nach Britannien zurückzuholen, und nun habe ich die Mittel dazu, aber ich weiß nicht, ob es funktionieren wird. Oder ob ich der richtige Mann bin, um die Riten zu zelebrieren. Oder ob ich es überhaupt noch erlebe.» Seine Finger krampften sich um meine Schulter. «Geh, Derfel», sagte er. «Geh. Ich muss schlafen, denn morgen muss ich gen Süden ziehen. Aber komm zu Samhain nach Durnovaria. Komm und sei Zeuge der Götter.»

«Ich werde dort sein, Lord.»

Er lächelte und wandte sich ab. Benommen kehrte ich zum Caer zurück, von Hoffnung erfüllt und von Furcht geplagt, und fragte mich, wohin die Magie uns nun führen werde, ob sie uns überhaupt irgendwohin führen konnte außer zu den Sachsen, die im Frühling kommen würden. Denn wenn Merlin die Götter nicht zu rufen vermochte, war Britannien endgültig dem Untergang geweiht.

 

Wie ein zur Ruhe kommender Teich, der aufgewühlt worden war, bis er dunkel und trübe wurde, breitete sich wieder Frieden in Britannien aus. Lancelot hatte sich aus Angst vor Arthurs Rache in Venta verkrochen. Mordred, unser rechtmäßiger König, kam nach Lindinis, wo man ihm alle Ehren erwies, ihn aber von Speerkämpfern bewachen ließ. Guinevere weilte in Ynys Wydryn unter Morgans harten Blicken, während Sansum, Morgans Gemahl, in den Gästeräumen von Emrys, dem Bischof von Durnovaria, gefangen saß. Die Sachsen zogen sich hinter ihre Grenzen zurück, aber sobald die Ernte auf beiden Seiten eingebracht worden war, würden Sachsen wie Briten Raubzüge im jeweiligen Feindesland unternehmen. Sagramor, Arthurs numidischer Befehlshaber, bewachte die sächsische Grenze, während Culhwch, Arthurs Cousin und jetzt wieder einer seiner Kriegsführer, von unserer Festung bei Dunum aus Lancelots belgische Grenze beobachtete. König Cuneglas von Powys, unser Verbündeter, hatte hundert Speerkämpfer unter Arthurs Befehl zurückgelassen, bevor er in sein Königreich zurückkehrte. Auf dem Rückweg begegnete er Prinzessin Ceinwyn, seiner Schwester, die sich auf dem Heimweg nach Dumnonia befand. Obwohl sie geschworen hatte, sich niemals zu vermählen, war Ceinwyn meine Frau, so wie ich ihr Mann war. Sie kam im Frühherbst mit unseren beiden Töchtern, und ich muss gestehen, dass ich erst richtig glücklich sein konnte, als sie wieder bei mir war. Ich ritt ihr auf der Straße südlich von Glevum entgegen und hielt sie lange in den Armen, denn es hatte Momente gegeben, da dachte ich, dass ich sie niemals wiedersehen würde. Sie war eine Schönheit, meine Ceinwyn, eine goldhaarige Prinzessin, die früher einmal, vor langer Zeit, mit Arthur verlobt gewesen war; nachdem er jedoch auf die geplante Heirat verzichtet hatte, um mit Guinevere zusammen zu sein, war Ceinwyns Hand einigen anderen großen Fürsten versprochen worden, doch sie und ich, wir waren zusammen davongelaufen, und ich muss sagen, dass wir beide recht daran getan hatten.

Wir hatten jetzt ein neues Haus in Dun Caric, nicht sehr weit nördlich von Caer Cadarn. Dun Caric bedeutet «Hügel am hübschen Bach», und es war ein treffender Name, denn es war ein hübsches Fleckchen Erde, wo wir, wie ich meinte, glücklich werden konnten. Die Halle auf der Hügelkuppe war aus Eiche gebaut, mit einem Dach aus Roggenstroh, und hatte ein Dutzend Nebengebäude sowie eine heruntergekommene Holzpalisade. Die Leute, die das kleine Dorf am Fuß des Hügels bewohnten, waren überzeugt, dass es in der Halle spukte, denn Merlin hatte Balise, einem uralten Druiden, erlaubt, dort seinen Lebensabend zu verbringen, doch meine Speerkämpfer hatten die Nester und das Ungeziefer nach draußen geräumt und alle rituellen Gegenstände, die Balise gehört hatten, hinausgeschafft. Die Kessel, Dreifüße und anderen Dinge, die von Wert waren, hatten sich trotz ihrer Angst vor der alten Halle zweifellos die Dorfbewohner geholt, sodass wir nur noch die Schlangenhäute, alten Knochen und eingetrockneten Vogelleichen loswerden mussten, die alle dick mit Spinnweben überzogen waren. Viele Knochen stammten von Menschen, ganze Berge gab es davon, die wir überall verteilt begruben, damit die Seelen der Toten sie nicht wieder zusammenfügen und uns später heimsuchen konnten.

Arthur hatte mir Dutzende von jungen Männern geschickt, die ich zu tüchtigen Kriegern ausbilden sollte, und so lehrte ich sie den ganzen Herbst hindurch den Umgang mit Schwert und Schild, und einmal die Woche besuchte ich, eher als Pflichtübung denn zum Vergnügen, Guinevere im nahen Ynys Wydryn. Ich brachte ihr Lebensmittel und, als es kälter wurde, einen dicken Umhang aus Bärenfell. Manchmal nahm ich auch ihren Sohn Gwydre mit, aber sie fühlte sich nicht so recht wohl in seiner Gegenwart. Seine Erzählungen vom Angeln im Bach von Dun Caric oder von der Jagd in den Wäldern langweilten sie. Früher war sie selbst gern auf die Jagd gegangen, doch da ihr dieses Vergnügen nicht mehr erlaubt war, beschränkten sich ihre Leibesübungen auf lange Spaziergänge auf dem Gelände des Heiligtums. Ihre Schönheit verblasste nicht, im Gegenteil – das Elend verlieh ihren großen Augen eine Leuchtkraft, die sie zuvor nicht besessen hatten. Aber sie würde nie zugeben, dass sie traurig war, denn dazu war sie viel zu stolz. Ich allerdings merkte durchaus, dass sie ziemlich unglücklich war. Morgan reizte sie, belästigte sie mit ihren christlichen Predigten und beschuldigte sie ständig, die scharlachrote Hure Babylon zu sein. Guinevere ertrug das geduldig und beschwerte sich mir gegenüber im frühen Herbst, als die Nächte länger wurden und der erste Nachtfrost die Senken weiß färbte, nur darüber, dass ihre Gemächer nicht warm genug seien. Arthur änderte das, indem er befahl, Guinevere so viel Brennholz zu geben, wie sie es wünschte. Er liebte sie immer noch, ertrug es aber nur schwer, wenn ich ihren Namen erwähnte. Was dagegen Guinevere betraf, so wusste ich nicht, wen sie liebte. Sie fragte mich immer wieder nach Arthur, erwähnte Lancelot aber mit keinem Wort.

Arthur war ebenfalls ein Gefangener, aber seiner eigenen Qualen. Sein Heim, falls er denn eines hatte, war der Königspalast von Durnovaria, aber er zog es vor, in Dumnonia herumzureisen, von einer Festung zur anderen zu ziehen und uns alle auf den Krieg gegen die Sachsen vorzubereiten, der im neuen Jahr mit Sicherheit kommen würde. Nur einen Ort gab es, an dem er sich häufiger aufhielt als an allen anderen, und das war bei uns in Dun Caric. Wir sahen ihn von unserer Hügelhalle aus kommen, und wenn seine Reiter gleich darauf durch den Bach stoben, ertönte der Ruf eines Horns. Gwydre, sein Sohn, lief ihm dann immer entgegen, und Arthur beugte sich von Llamreis Rücken hinunter und zog den Knaben zu sich herauf, bevor er auf unser Tor zusprengte. Gwydre, ja allen Kindern gegenüber zeigte er große Zärtlichkeit, den Erwachsenen gegenüber wahrte er eine kühle Zurückhaltung. Den alten Arthur, den Mann der fröhlichen Begeisterung, gab es nicht mehr. Nur Ceinwyn ließ er in seine Seele blicken und führte, wenn er nach Dun Caric kam, stundenlange Gespräche mit ihr. Sie sprachen von Guinevere, von wem sonst. «Er liebt sie immer noch», berichtete mir Ceinwyn.

«Er sollte wieder heiraten», sagte ich.

«Wie kann er das?», fragte sie mich. «Er denkt doch nur an sie.»

«Was rätst du ihm?»

«Dass er ihr verzeihen soll, natürlich. Ich glaube kaum, dass sie noch einmal Dummheiten machen wird, und wenn sie die Frau ist, die ihn glücklich macht, sollte er seinen Stolz schlucken und sie zu sich zurückholen.»

«Dazu ist er viel zu stolz.»

«Offensichtlich», bestätigte sie missbilligend. Sie legte Rocken und Spindel hin. «Ich glaube fast, dass er zuvor Lancelot töten muss. Das würde ihn glücklich machen.»

Genau das versuchte Arthur in jenem Herbst. Er führte einen unerwarteten Angriff auf Venta, Lancelots Hauptstadt. Lancelot erhielt jedoch Kenntnis von dem Angriff und floh zu Cerdic, seinem Beschützer. Dabei nahm er Amhar und Loholt mit, Arthurs Söhne von seiner irischen Geliebten Ailleann. Die Zwillinge hatten Arthur nie verziehen, dass sie Bastarde waren, und sich mit seinen Feinden zusammengetan. Arthur konnte Lancelot nicht finden, brachte dafür aber reiche Beute in Gestalt von Getreide mit, das dringend gebraucht wurde, weil der Aufstand im Sommer natürlich unsere Ernte beeinträchtigt hatte.

Mitte des Herbstes, zwei Wochen vor Samhain und kurz nach seinem Überfall auf Venta, kam Arthur wieder nach Dun Caric. Er war noch magerer geworden, und sein Gesicht wirkte noch hohlwangiger. Er war nie ein Mann gewesen, der anderen Angst machte, jetzt aber wurde er so zurückhaltend, dass niemand mehr wusste, was er dachte, und diese Zurückhaltung verlieh ihm eine geheimnisvolle Aura, während die Trauer in seiner Seele ihm eine gewisse Härte verlieh. Er war nie aufbrausend gewesen, jetzt aber fuhr er bei der geringsten Provokation sofort auf. Dabei richtete sich sein Zorn vor allem gegen ihn selbst, da er sich für einen Versager hielt. Seine beiden ältesten Söhne hatten ihn verlassen, seine Ehe war in die Brüche gegangen, und Dumnonia hatte ebenfalls versagt. Er hatte geglaubt, ein perfektes Königreich schaffen zu können, einen Hort der Gerechtigkeit, der Sicherheit und des Friedens, aber die Christen hatten das Schlachten vorgezogen. Er machte sich Vorwürfe, weil er nicht vorhergesehen hatte, was kommen würde, und nun, während der Ruhe nach dem Sturm, zweifelte er an seinem eigenen visionären Traum. «Wir müssen uns auf die kleinen Dinge beschränken, Derfel», sagte er mir an jenem Tag.

Es war ein herrlicher Herbsttag. Da der Himmel mit Wölkchen betupft war, jagten Sonnenflecken über die gelbbraune Landschaft dahin, die sich westlich von uns erstreckte. Arthur suchte ausnahmsweise nicht Ceinwyns Gesellschaft, sondern führte mich zu einem Grasflecken unmittelbar außerhalb von Dun Carics geflickter Palisade, um von dort aus düster zu dem Tor hinüberzustarren, der am Horizont aufragte: zu Ynys Wydryn, wo Guinevere weilte. «Die kleinen Dinge?», fragte ich ihn.

«Den Sieg über die Sachsen, selbstverständlich.» Er verzog das Gesicht, denn natürlich wusste er, dass ein Sieg über die Sachsen bestimmt nicht zu den kleinen Dingen zählte. «Sie weigern sich, mit uns zu verhandeln. Wenn ich Unterhändler schicke, werden sie sie töten. Das haben sie mir letzte Woche erklärt.»

«Sie?», fragte ich ihn.

«Sie», bestätigte er grimmig und meinte damit sowohl Cerdic als auch Aelle. Normalerweise gingen sich die beiden Sachsenkönige gegenseitig an die Gurgel, eine Tatsache, die wir durch gezielte Bestechung förderten; jetzt aber hatten sie anscheinend die Lektion, die Arthur den britannischen Königreichen so gründlich erteilt hatte, ebenfalls gelernt: die Lektion, dass der Sieg nur in der Einigkeit liegt. Die beiden Sachsenherrscher vereinten ihre Streitkräfte, um Dumnonia zu vernichten, und ihr Entschluss, keine Unterhändler zu empfangen, war sowohl ein Zeichen für ihre Entschlossenheit wie auch eine Maßnahme zum Selbstschutz. Arthurs Boten brachten womöglich Bestechungsgelder, die ihre Häuptlinge schwach werden ließen, und alle Unterhändler, so aufrichtig sie auch Frieden suchten, dienen zugleich als Spione beim Feind. Cerdic und Aelle wollten kein Risiko eingehen. Sie hatten sich vorgenommen, ihre Streitigkeiten beizulegen und sich zusammenzutun, um uns zu vernichten.

«Ich hatte gehofft, die Seuche würde sie schwächen», sagte ich.