Konfession: katholisch - Christian Hennecke - E-Book
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Konfession: katholisch E-Book

Christian Hennecke

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Beschreibung

Ein Blick in die Tradition und die Gebräuche des Katholizismus

Christian Hennecke liebt seinen katholischen Glauben und kann sich keinen anderen vorstellen – trotz allen Versagens in der Geschichte. In diesem Buch beschreibt er theologisch und praktisch, was genau »katholisch«, ist und liefert damit ein solides Basiswissen. Wie in allen Konfessionen trifft man bei der Betrachtung des katholischen Glaubens auf Geschichten, auf Traditionen und Gebräuche. Von diesen erzählt der Autor – als begeisterter Liebhaber – und nimmt den Leser mit auf eine Reise in seine lebendige, bunte und erfahrungsreiche Gemeinschaft.

  • - Solides Basiswissen zum Katholischen Glauben
  • - Von einem begeisterten und leidenschaftlichen Theologen

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Christian Hennecke

KONFESSION:

katholisch

Eine Liebeserklärung

Gütersloher Verlagshaus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2016 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: © Jiri Hera – Fotolia.com

ISBN 978-3-641-19850-3V002

www.gtvh.de

INHALT

Einleitung

KAPITEL 1

Biblische Ouvertüren

I – GRUNDLINIEN DER GESCHICHTE GOTTES MIT SEINEM VOLK

Die Botschaft der Bibel lesen lernen

1. Genesis

2. Die Erbsünde

3. Der Gott der neuen Anfänge

4. Exodus

5. Im Exil sein

II – MIT CHRISTUS SEIN

1. Emmaus und die Folgen

2. Das Geheimnis von Tod und Leben

3. Söhne und Töchter des einen Vaters

4. Lebensspender Geist

5. Der Geist und das Werden der Kirche

Nachbemerkung

KAPITEL II

Katholische Kompositionen

1. Messe feiern

2. Maria

3. Über Päpste, Bischöfe, Hierarchien und Sakramente

4. Der Geist und die Heiligen

5. Wie wird man katholischer Christ?

6. Und wie man Christ bleibt

7. Ein Zugang zur Beichte und zum Ablass?

8. Die Gemeinschaft der Heiligen

9. Fronleichnam, Prozessionen und Wallfahrten

10. Von Karneval und Aschenkreuz, vom Fasten bis Ostern

11. Die Vielfalt des Segens

Nachklang

Literaturempfehlungen

EINLEITUNG

Katholisch oder evangelisch? Das ist keine Alternative für uns Katholiken. Es geht gar nicht (mehr) um Konkurrenz, es geht nicht um kontroverse Profilierung. Jenseits komplexer theologischer Fragen geht es heute um das gemeinsame Zeugnis und zugleich um die Wertschätzung der jeweiligen Tradition mit ihrem Reichtum an unterschiedlichen Weisen der Frömmigkeit, der gottesdienstlichen Feiern, der Lebenspraxis. Denn in einer Welt, die – mindestens in Europa – nicht mehr volkskirchlich geprägt ist, geht es eben darum, das Evangelium gemeinsam zu bezeugen, gemeinsam Christus ins Licht zu rücken und so Menschen Orientierung zu geben, die in einer Zeit der Umbrüche wie zu allen Zeiten nach Sinn suchen – sich aber vielleicht gar nicht mehr an eine Kirche binden.

Christsein gibt es nicht abstrakt. Wer über das akademische und intellektuelle Interesse hinaus sich für den Gott der Christen interessiert, der stößt dabei immer zuerst auf Menschen, auf Zeugen, auf Gemeinschaften. Und die haben immer ein konkretes Gesicht, eine konkrete Geschichte, eine besondere Erfahrung. Und wenn man sich hineinfindet in diese Gemeinschaft, in diesen Weg, dann wird in dieser besonderen und speziellen Erfahrung das ganze Evangelium lebendig. Und deswegen geht es doch um ein besonderes Profil. Katholisch ist anders als evangelisch ist anders als orthodox und freikirchlich. Wie keine Familie der anderen gleicht, so ist es auch mit den Konfessionen: Man trifft auf Geschichten, auf Traditionen und Gebräuche – manches ist ungewohnt neu, manches rätselhaft, geheimnisvoll oder merkwürdig. Und doch, wer sich tiefer damit beschäftigt, entdeckt dann auch den zuerst verborgenen Sinn – und trifft auf das Evangelium, auf Christus, um den es eigentlich immer geht.

Und wenn es sich dann auch noch um lebendige, bunte, erfahrungsreiche Gemeinschaften handelt, dann wird hier erlebbar, dass Christus heute lebendig ist, dass Sein Geist wirkt, dass Er mit uns Menschen auf Wegen des Heils ist – trotz Krieg und Terrorismus überall.

Ich bin katholisch, und ich kann es mir nicht anders vorstellen. Ich liebe den katholischen Weg – trotz allen Versagens in der Geschichte. Na klar, ich bin von Kindheit an durch diese »Version« christlichen Lebens geprägt – und das verdanke ich meinen Eltern. Aber das reicht ja nicht. Irgendwann musste und durfte ich selbst entdecken, was mir vorher vorgelebt wurde. Und ich entdeckte immer mehr den Reichtum meiner Tradition, der spezifischen Gebräuche und katholischen »Spezialitäten«. Genau daran möchte ich Anteil geben. Ich möchte theologisch und praktisch beschreiben, wie »katholisch« ist und geht. Natürlich aus der Sicht eines Liebhabers – aber wie jeder Liebhaber möchte ich begeistert erzählen. Als Liebhaber möchte ich aber auch versuchen, verständlich zu machen, was mich begeistert.

Seit mehr als 30 Jahren entdecke ich meinen katholischen Glauben immer wieder neu. Und mir wird deutlich, dass die verschiedenen katholischen Traditionen wie Facetten eines Diamanten sind, durch die ich Christus gefunden habe und immer wieder neu finde. Das möchte ich erzählen und reflektieren. Aber je mehr ich meinen Glauben entdeckte und schätzte, meine Kirche neu verstehen lernte und in allem Versagen liebe und ihre Kraft und Stärke entdeckt habe, desto mehr habe ich auch den Reichtum anderer Konfessionen entdeckt. In jeder Konfession, in jeder Kirche habe ich dann, wenn es um die Wurzeln der Glaubensüberzeugungen ging, eine tiefe Nähe und Verbundenheit erlebt. Und das war wechselseitig: Meine evangelischen Brüder und Schwestern bereichern mich auf dem gemeinsamen Weg, wie es auch Methodisten, Freikirchler und Pfingstler tun. Freundschaft ist entstanden – Geschwisterlichkeit in Christus.

Auch für sie ist dieses Buch. Denn ich möchte ja nicht erzählen, warum Katholiken richtig – und sie falschliegen – nein: Ich möchte von Traditionen des Evangeliums erzählen, die sie auch bereichern können, so wie ich von ihnen bereichert worden bin.

Deswegen habe ich diese Überlegungen ganz katholisch angelegt. Katholisch sein, das hängt mit Papst, Messe und Maria zusammen. Da spielen Gerüche und Farben eine wichtige Rolle, und natürlich die Hierarchie. Da spielen Heilige einen wichtigen Part. Da muss von Ablass und Beichte die Rede sein, und da muss auch von einer langen Lerngeschichte berichtet werden, vom Scheitern und der Erkenntnis.

Alles ist im Wandel. Auch meine Kirche. Verwunderlich ist das nicht. In jeder Generation muss ja das Evangelium neu verkündet werden – und dann ändert sich auch die Kirche. Katholisch gesprochen: ecclesia semper reformanda. Die Kirche ist in einem ständigen Verpuppungsprozess. Das würde man vielleicht nicht von uns Katholen denken. Oft denkt man ja, dass die katholische Kirche sich gar nicht bewegt. Dass alles konservativ an der Zeit vorbei geht. Aber vielleicht stimmt das gar nicht so? Vielleicht sind andere viel hierarchischer und vergangenheitsverliebter? Natürlich gibt es einen spezifischen katholischen Modus, Veränderung zu erleben und zu denken. Vielleicht kann auch dieser Versuch einer Liebeserklärung diesen katholischen Weg in ein neues Licht rücken.

Ich würde mich freuen, wenn viele Leserinnen und Leser mit Offenheit und kritischer Solidarität meinen Versuch begleiten.

Christian Hennecke

Hildesheim, im Herbst 2016

KAPITEL 1

Biblische Ouvertüren

I – GRUNDLINIEN DER GESCHICHTE GOTTES MIT SEINEM VOLK

Katholisch sein gründet in der Schrift und in der Erkenntnisgeschichte, die durch die Jahrhunderte daraus wächst. Natürlich ist – wie bei allen christlichen Konfessionen – die richtunggebende Orientierung unseres Glaubens die Geschichte Gottes mit den Menschen, wie sie im Alten Testament beschrieben wird und dann – mit dem Kommen Jesu Christi – zu ihrer Fülle kommt.

Und wenn ich also meinen katholischen Glauben erklären und entfalten möchte, dann tue ich das als Liebhaber der Heiligen Schrift. Deswegen möchte ich am Anfang dieses Buches einige Linien und Anknüpfungen wagen. Es sind ganz bestimmt nicht alle – aber eine Auswahl von Akzenten, die für das Werden meines katholischen Glaubens zentral und bedeutsam sind.

Andere Konfessionen würden vielleicht andere Schwerpunkte setzen und sich anders eingründen in die Schrift – dieselbe Heilige Schrift. Das ist ja das Spannende, dass hier eine Vielfalt ans Licht kommt, die dazu führt, dass das Lernen voneinander immer wichtiger wird. Aus jeder Schwerpunktsetzung wächst ja eine bestimmte Erfahrung, es wachsen neue Einsichten und eine neue kirchliche Kultur – in jeder Generation führt sich das weiter fort. Und in jeder Generation rücken auch auf neue Weise uralte Geschichten ins Licht – werden gegenwärtig und prägen den weiteren Weg des Glaubens

Wenn ich also hier einige biblische Grundlinien wähle, dann deswegen, weil sich hier Horizonte auftun, die später deutlich machen können, wie und warum sich die katholische Tradition so entwickelt hat. Faszinierend bleibt für mich, dass die Heilige Schrift hier wirklich die unhintergehbare Grundurkunde meines Glaubens ist – und gleichzeitig immer topaktuell bestimmte Erfahrungen der Gegenwart beleuchtet und deutet.

Die Botschaft der Bibel lesen lernen

Eine erste katholische Vorbemerkung

Eine kleine katholische Vorbemerkung braucht es aber doch. Es geht hier nicht um eine fachwissenschaftliche Betrachtung der Heiligen Schrift – es geht um mehr: Die Bibel ist nicht zuerst ein Objekt der wissenschaftlichen Forschung, sie ist vor allem ein Lebensbuch. Sie bezeugt Erfahrungen, die Menschen mit dem lebendigen Gott, mit Jahweh, mit Jesus Christus, gemacht haben, und schaut mit einem solchen erfahrungsgeprägten Herzen wach auf die Welt, auf die Geschichte.

Und im gemeinsamen Lesen und Wiederlesen dieser Geschichte, im Hören und Wiederhören dieser Zeugnisse spielen sich neue Erfahrungen zu, und hört das Volk Gottes neu die Stimme dieses Gottes selbst.

Das ist etwas anderes als biblische Exegese, denn die versucht ja mit allen Mitteln der Wissenschaft zu ergründen, wer wohl diesen Text geschrieben hat, was ihn auszeichnet, welche Botschaften und Theologien er hat. Das ist zweifellos ein wichtiges Unternehmen, das hohe wissenschaftliche Kompetenz braucht. Aber dann wären wir mittendrin in wissenschaftlichen Disputen, die uns hier nur begrenzt weiterführen können. Es geht aber auch nicht um Fundamentalismus. Auch hier ist der Text der Ausgangspunkt: Er wird wortwörtlich genommen – und das soll dann die Botschaft sein. Und im Zweifelsfall ist dann die Erde in sieben Tagen geschaffen worden. Aber das ist nicht mein Weg, nicht der »katholische« Weg.

Hier wollen wir aufmerksam in die Botschaft des Textes hineinhören, mit den vielen anderen, die schon hineingehört haben – mit der Kirche also, jener »Bewegung«, die – so denke ich – Gott selbst angezettelt hat und immer weiterführt: Er möchte alle Menschen sammeln in einer Gemeinschaft der Liebe, die niemanden ausschließt, die jede Religion und Lebenswirklichkeit zu ihrer Vollendung führt und die »die Fülle des Lebens« für jeden und jede ermöglicht. Das – so würde ich sagen – ist eine »katholische« Lesart des Textes. Es geht im Hören auf die Heilige Schrift immer darum, die Erfahrungen mit Gott und das Nachdenken und Nachspüren dieser Erfahrungen für das eigene Leben, für das Leben der Gemeinschaft fruchtbar zu machen. Wir sind dabei nicht die Ersten und nicht die Letzten, und natürlich ist unser Erkennen und Entdecken nur partiell. Aber das macht ja die Kirche aus (in allen verschiedenen Kirchengestalten): Sie ist eine Lerngemeinschaft im gemeinsamen Hören und Nachdenken, unterstützt vom Forschen kompetenter Experten. Und so kann ich dann auch immer mehr verstehen, worum es in der Geschichte Gottes mit den Menschen geht, wie sie die Bibel durch alle Wirrungen und Irrungen (das ist ja immer die Menschheitsgeschichte) verstehen hilft. Es wird klar: Wir haben es zu tun mit einer Heilsgeschichte: Es geht immer nur und immer wieder darum, dass wir Menschen für uns selbst und miteinander leben können, im großen von Gott geschenkten Frieden ... Aber dazu gleich.

1. Genesis

Das Nachdenken über das Werden dieser Welt und der Geschichte

In vielen evangelischen Kirchen heißt das erste Buch der Heiligen Schrift »Erstes Buch Moses« und gibt gewissermaßen den Autor an, den man hier vermutet hat (wenigstens zu einer bestimmten Zeit). In der katholischen Version heißt dieses Buch »Genesis« und will also ein Thema angeben: die Anfänge, das Werden, der Ursprung. Und das gefällt mir ganz gut. Denn gerade die Schöpfungsgeschichten, die in diesem Buch beschrieben werden, aber auch die Geschichten von Kain und Abel, die Arche Noah, der Turmbau zu Babel und schließlich auch der Weg des Abraham – sie alle beschreiben ja die »Fundamente« einer Geschichte Gottes mit den Menschen, gewissermaßen ihren »genetischen Code«. Denn es stimmt ja: Will man die Gegenwart verstehen, muss man den Anfang der jeweiligen Geschichte verstehen, und der reicht meist weit zurück – so weit, dass man dem historisch kaum nachkommen kann.

So sind diese Geschichten, die man unter vielen Gesichtspunkten reflektieren kann, zunächst einmal Geschichten über den Anfang. Aber nicht einfach nur gut erfundene Geschichten, sondern sie wollen die Erfahrungen des Volkes Gottes, der Sammlungsbewegung Gottes, reflektieren und den Glauben dieses Volkes zum Ausdruck bringen. Und wenn dann irgendwann in dieser Geschichte Gläubige versuchten, dem »richtunggebenden Code« der Schöpfung auf die Spur zu kommen, dann taten sie dies in diesen großartigen Geschichten der Schöpfung. Sie erzählten einen Anfang, der weitergilt, der in ihrem Leben spürbar war, der wie ein Wasserzeichen alles durchzieht. Es ist der Versuch, die »Logik«, die Grundstruktur des Gefüges zu entdecken.

Die Logik der Schöpfung

Logik ist da übrigens ein gutes Wortspiel. Denn die Schrift beginnt ja damit, dass Gott aus dem Chaos den Kosmos schafft – durch sein Wort. Hier taucht ein erstes Mal diese merkwürdige Erfahrung mit dem göttlichen Sprechen auf. Wenn er spricht, dann geschieht etwas. Und das »Wort«, das er spricht, schafft Wirklichkeit. Später wird dann – im Neuen Testament – von Jesus Christus gesagt, dass er der »Logos« selbst in Person, das lebendige »Wort« Gottes ist.

Was sagt das über die Schöpfung, so wie wir sie verstehen? Ich erinnere mich an einen beeindruckenden Besuch im Field-Museum von Chicago, und der großartigen Ausstellung über die Evolution, die ich besuchen konnte. Eine spannende Geschichte voller Katastrophen und Neuaufbrüchen und Entwicklungen, die Jahrmillionen dauerten. Unglaublich wirkt dies alles – und vor allem diese Wiederholung von Aufbrüchen, Hochzeiten und Abbrüchen. Und all das scheint in einer Weise chaotisch und zufällig zu sein, dass es wie ein skurriles Wunder wirkt, wenn sich an einem bestimmten Punkt der Geschichte die Säugetiere durchsetzen konnten. Und noch merkwürdiger mutet es an, wenn dann – nach langer Zeit – Primaten zu ihrem Bewusstsein gelangen, was in archäologisch bezeugten Beerdigungsriten zum Ausdruck kommt.

Der Mensch, ein Zufall? Die Evolution, ein chaotischer Entwicklungsprozess, in dessen unabschließbarem Verlauf auch der Mensch eine vorübergehende Episode ist? Natürlich wussten die Autoren der »Genesis« nichts von all dem, und doch lebten sie in den Wirren der Natur und der Geschichte genauso wie wir. Das Ganze schien und scheint völlig undurchschaubar.

Aber die Schöpfungsgeschichte, die sie in Worte fassten, hat schon in den ersten Sätzen eine klare Botschaft: Das alles ist kein chaotischer Prozess, sondern bewusstes Handeln eines Gottes, der die Welt und alles in ihr geschaffen hat und in eine Ordnung bringt, die voller Leben ist. Und er erschafft mit seinem Wort – in seiner ihm eigenen Logik – auch den Menschen.

Dieser Mensch ist von vornherein als Wesen in Beziehung geschaffen, als Mann und Frau – und nur gemeinsam und in Beziehung sind sie Gottes Abbild. Gleich auf dieser ersten Seite der Schrift, in der Schöpfungsgeschichte, finden sich also eine Fülle von wichtigen Grunderfahrungen und Grundüberzeugungen, die noch einmal genauer in Augenschein zu nehmen sind:

Gott spricht: Gott ist keine stumme und neutrale Macht, ein »Etwas«, sondern eine personale Wirklichkeit, die sich in Beziehung setzt. Gott ist kreativ, er will das Leben – das Ziel seines Handelns ist nicht der Tod, sondern eine Vielfalt lebendiger Wesen. Und Gottes Sprechen ist machtvoll: Denn wenn er spricht, dann geschieht auch, was er sagt.

Gott will das Leben und schafft gutes Leben: Gott schaut auf das, was er mit seinem Wort erschaffen hat – und alles war sehr gut. So wiederholt der Schöpfungsbericht immer wieder. Das war den Autoren wichtig, denn es war auch ihre Erfahrung mit dem lebendigen Gott. Inmitten des Chaos der Geschichte, inmitten von Terror und Kriegen, Verrat und menschlicher Schwäche, inmitten schrecklicher Naturkatastrophen wurde immer wieder deutlich: Es liegt nicht an Gott. Er ist der Gute, der Gutes schafft. Der »Code« der Schöpfung und der »Code« des Menschen sind gewachsen aus Gottes Güte, tragen diese Güte in sich. Und wenn dann in der Schöpfungsgeschichte Gott den Menschen den Auftrag gibt, die Erde zu behüten, dann geht es um nichts anderes als darum, diese Güte weiterzutragen – sie einzuprägen in alle Lebensvollzüge.

Gott schenkt eine Ordnung: Der Schöpfungsbericht ordnet das Werden dieser Welt in sieben Tagen. Und diese sieben Tage haben ja einen unglaublichen Einfluss gehabt auf unsere Kultur. Sie geben noch heute dem Leben Rhythmus und Ordnung. Und das Überraschende ist, dass die Vollendung des kreativen Handelns Gottes die Ruhe ist: Am siebten Tag vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte. Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte. Das ist die Entstehungsgeschichte von Himmel und Erde, als sie erschaffen wurden. (Gen 2,1f.). Wenn die Juden den Sabbat begehen und Christen den Sonntag feiern, dann ist das dieser tiefen Einsicht zu verdanken, die gewissermaßen in das Grundgefüge der Schöpfung hineingelegt ist.

Gott ist Beziehung: Dabei ist Gott kein »Einzelner«, er ist nicht einfach männlich oder weiblich – aber in seinem kreativen Handeln macht er deutlich, dass er wesentlich Beziehung ist. Kein Einzelner, keine Einzelne ist sein Abbild, keine Statue und Figur, sondern Abbild Gottes ist der lebendige Mensch, präziser: sind die Menschen in ihrer geschlechtlichen Vielfalt und in ihrer Zuordnung zueinander. Das wird noch einmal deutlich in der zweiten Schöpfungsgeschichte (Gen 2, 4b-25). Hier schafft Gott einen Garten, in dem dann der Mensch geschaffen wird. Und nur die Beziehung zu einem anderen Menschen bringt den Menschen vollkommen zu sich selbst. Einswerden, verbunden sein – das bildet Gottes Wirklichkeit am tiefsten ab.

Alle Generationen der Menschen tragen eine tiefe Sehnsucht in sich: die Sehnsucht nach Ordnung und Geborgenheit, nach Gemeinschaft und Verbundenheit, nach Eigenständigkeit und Beziehung zugleich. Die Schöpfungsgeschichte bestätigt diese Wirklichkeit, die wir in uns wissen: Ja – das ist in uns hineingelegt als Menschen, das sind wir zutiefst – und immer dann, wenn wir kreativ sind, wenn Leben in uns wächst, wenn Beziehungen wachsen können, ereignet sich unser tiefstes Sein. Ja – und all das sagt etwas aus über den, der hinter all dem steht: Das ist kein kühler Machthaber und Weltenschöpfer, nicht ein Projekterfinder, nicht eine anonyme Macht, die man nicht fassen könnte – sondern schier das Gegenteil. Jemand, der Gemeinschaft ist und der Beziehung sucht; jemand, der das Gute will und es wirkt; jemand, der Lebensraum schafft und sich an der Vielfalt erfreut; jemand, der Beziehung will und ermöglicht – und der eine Welt geschaffen hat und im Leben hält; jemand, der dem Menschen so sehr vertraut, dass er ihm sein ganzes Werk anvertraut. Und wenn dann dieser Gott den Menschen auffordert, sich zu vermehren, dann wird das Vertrauen immer noch größer. Denn er ist der Schöpfer, der seine Geschöpfe zu Mitschöpfern macht.

So wird also klar, was eigentlich in den Schöpfungsgeschichten der Schrift gesagt werden will. Es geht nicht um die sieben Tage, es geht nicht um das Überspringen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, es geht auch nicht um einen fantasievollen Projektionsversuch, wie es wohl am Anfang von allem gewesen sein könnte. Es geht um etwas ganz anderes. Es geht um die Größe dieses Gottes, seine unfassbare Güte und sein unfassbares Vertrauen. Es geht um den Menschen, seine unendliche Würde und seine tiefste Bestimmung. Es geht um die Welt, in der alles Spuren von Gottes Güte trägt. Das soll am Anfang klar sein. Das ist gewissermaßen das Vorzeichen über allem, was folgt. Ich frage mich: Was für eine Erfahrung mit Gott haben wohl jene gemacht, die eine solche Geschichte an den Anfang stellten? Wie sehr nah müssen sie Gott gekommen sein? Oder besser: er ihnen. Und das mitten in einer Welt, die keineswegs so gütig ist, sondern so voller Leid und Unrecht, so voller Widersprüche und Sinnlosigkeit.

2. Die Erbsünde

Eine geniale Deutung des Lebens

Nein, die Welt ist nicht »gut«, das Leben ist nicht »gerecht« – das wussten auch die Autoren der Schöpfungsgeschichte. Sie erlebten das wie wir, sie erlebten die Katastrophen, den Terror, die Kriege – sie waren nicht naiv. Aber, so fragten sie sich, wie kam dann das Böse in die Welt? Wir glauben mit ihnen: Es gibt in Gott nichts Böses. Er ist der Liebende par excellance. Gott ist nur Liebe. Und also? Ist der Mensch dann böse? Nein, denn er ist ja Gottes Abbild: Der Mensch ist also gut – aber offensichtlich so tief verletzt, dass er am Bösen mitwirkt. Und die Schöpfung ist gut – aber irgendwie immer wieder in das Chaos mit einbezogen ... Wie kann das sein?

Auch hier spielt eine Grunderfahrung unseres Lebens die wichtigste Rolle: Wir selbst erfahren uns als Menschen nie nur als gut, immer wieder wird uns deutlich, dass wir auch destruktiv, böse sind, obwohl wir es gar nicht wollen. Das schreibt Paulus schon fast verzweifelt (Röm 7, 15): Denn ich begreife mein Handeln nicht: Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse.

Wir alle kennen die Geschichte von Adam und Eva. Wir alle kennen die Geschichte von einer ganz merkwürdigen Verwirrung der Zustände: dass nämlich mitten im Paradiesgarten, den Gott den Menschen geschenkt hat, eine Schlange auftaucht und mit ihren Fragen und hintergründigen Lockungen Eva und auch Adam dazu verführt, ihre Freiheit zu missbrauchen. Und als sie die Frucht des verbotenen Baumes essen, bricht das Beziehungsgefüge der Freiheit und Liebe Schritt für Schritt zusammen: Die Freude Adams an Eva weicht der Scham, die Nähe Gottes zu den Menschen wird zur Bedrohung – das Gleichgewicht der guten Schöpfung zerbricht, so dass in dieser kurzen Erzählung von Genesis 3 plötzlich die Wirklichkeit unserer Welt einbricht. Die Ambivalenz der Beziehung zwischen Sehnsucht und Zerbrechlichkeit. Die Geschichte der Schuld und der Beschuldigungen, die Geschichte des machtvollen Geschlechterverhältnisses, die Widerständigkeit des Lebens – all das ist plötzlich da. Unbegreiflich. Wo doch alles gut war.

Die genialen Autoren erzählen diese Geschichte, weil sie eben von drei Dingen überzeugt sind: von der Güte Gottes und der Güte der Schöpfung und des Menschen, von der unentwirrbaren und tagtäglich erfahrbaren Zerrüttung der Verhältnisse und von der Unbegreiflichkeit dieser Wirklichkeit: Diese Geschichte erzählt, aber sie erklärt in keiner Weise, wie es dazu gekommen ist. Sie verweist in eine bestimmte Antwortrichtung, die für unseren Glauben zentral wichtig ist – und mit der das Drama seinen Anfang nimmt.

Als der gute Gott den guten Menschen und die gute Welt schuf, da wollte er kein Marionettenspiel, keine Maschine, keine Puppen – er wollte, dass seine Schöpfung und vor allem die Menschen seine Liebe abbilden, in ihrer Gemeinschaft und in ihrem Miteinander seine Liebe widerspiegeln. Das bedeutet aber auch, dass sie dann frei sind, nicht gezwungen etwas zu tun. Frei sein zu lieben – wie Gott. Aber eben darin liegt, und das wissen alle Menschen, auch ein Risiko. Denn man kann diese Freiheit auch für eigene Zwecke – natürlich immer nur für gute! – instrumentalisieren. Genau das ist passiert. Genau in diese Falle sind wir, so sagen die Autoren der Genesis, gelaufen ... und tun das mit wachsendem Erfolg. Wir rechtfertigen unser Handeln, weil es ja nur »Gutes« will, unterschätzen aber, dass wir eigentlich nicht wissen, was wirklich gut und nur gut ist ...

Und so setzt sich das Drama fort. Kaum haben Adam und Eva Kinder, bringt Kain den Abel um, Kriege entstehen, Machtspiele beginnen, Größenwahn siegt – man denke an den Turmbau zu Babel. Und auf einmal sind wir in der Wirklichkeit unserer Gegenwart, und finden uns, persönlich wie gesellschaftlich, eingewoben in ein Netz geprägter Geschichten, aus der wir selbst kaum rauskommen können.

In der katholischen Tradition hat sich – ausgehend von dieser biblischen Annäherung, wie sie die Autoren der Genesis mutig und tiefgründig wagten – eine »Lehre« ausgebildet, die diese Wirklichkeit sehr genial, wie ich finde, beschreibt. Natürlich ist es mit dieser Weiterentwicklung der Gedanken so wie mit allem theologischen Nachdenken. Man kann es missbrauchen, zum Machtinstrument machen, das Menschen zu »armen kleinen und verlorenen Sünderlein« abstempelt – aber es geht ja auch anders.

Wir sprechen von der Erbsünde. Gemeint ist etwas, was sich psychologisch wie entwicklungsgeschichtlich in jedem Menschen und in jeder Gesellschaft zeigt, und woran wir alle immer Anteil haben, passiv wie auch aktiv. Eine fatale Gefangenheitsgeschichte.

Wo immer Leben neu beginnt, wo immer neue Anfänge gewagt werden, stellt man schon nach kurzer Zeit fest, dass dieses »Neue« doch eingeprägt ist in ein Netz von Geschichten der Vergangenheit, aus denen wir uns einfach nicht ausklinken können.

Ein Kind wird geboren, schaut mit neuen Augen in eine völlig neue Welt – und doch ist es eingebunden in die Erfahrungen der Eltern. Ein Kind arrangiert sich damit, dass seine Mutter alleinerziehend, sein Vater Alkoholiker ist – und dennoch wird es geprägt und ist geprägt. Und das geht manchmal über mehrere Generationen so. Wer mag, kann dies in so vielen Geschichten nachlesen.

Und was ist mit dem Hass von Völkern aufeinander? Wenn man dann feststellt, dass dieser Hass vor Hunderten von Jahren angelegt und entstanden ist – wie kommt es, dass dann heute Menschen immer noch auf diesem Hintergrund geprägt sind? Wie kommt es, dass trotz der Sehnsucht nach Frieden Hass und Gewalt wachsen – und Menschen traumwandlerisch den Weg der Gewalt gehen?

Die Rede von der Erbsünde macht eines deutlich: Wir finden uns immer schon wieder als Menschen, die in einem immer schon gebrochenen und weiter zerbrechlichen Lebenszusammenhang stehen, wir sind immer auch irgendwie »Opfer«, haben gar nicht die Chance eines echten Anfangs, weil wir von außen wie von innen Prägungen ausgesetzt sind, die wir gewissermaßen »erben«: ein folgenreiches soziales wie persönliches Erbe. Denn wir stecken da drin ... und beginnen selbst, dieses Erbe zu übernehmen. So sehr wir nichts dafür können, so sehr handeln wir aus diesem Erbe heraus, auch ganz bewusst. Dieser Zusammenhang ist unübersehbar vielfältig, und ganz unabhängig davon, wie bewusst uns das alles ist, sind wir in einer Geschichte verstrickt, die alles andere als heilbringend ist. Sie setzt Verletzungen fort. Und so geht es immer weiter.

Eine sehr realistische Einschätzung einer ausweglosen Situation. Kein Heil in Sicht. Und selbst wenn wir versuchen würden, »besser« zu werden, dann gilt auch für uns: Wahrscheinlich sind wir uns der Tiefe unserer Unheilsprägungen nie ganz bewusst. Und so sehr wir also uns entschuldigen könnten, weil ja diese Prägungen unser Handeln gewissermaßen »ohne unser Mitwirken« bestimmten – so sehr sind wir sehr aktiv Handelnde und setzen diese Geschichte fort mit Handlungen, die in anderen wieder Unheil auslösen. Wir nehmen gewissermaßen unser Erbe an und führen es weiter ....

Die Geschichten der Bibel bezeugen diesen Zusammenhang eindeutig – und im 1. Petrusbrief, im Neuen Testament, wird dafür eine treffende Formulierung gefunden, die mich sehr beeindruckt: …von den Vätern ererbte sinnlose Lebensweise.

Wie können wir neu frei werden? Gibt es eine »Herauslösung« aus diesem Zusammenhang? Das ist eine zentrale Grundfrage der Menschen, die diese Eingebundenheit in eine Unheilsgeschichte verspüren – und zugleich ihre Sehnsucht nach einer neuen Welt.

3. Der Gott der neuen Anfänge

Am Ende der Paradiesgeschichte geschieht etwas Erstaunliches. Einerseits gibt es kein Zurück mehr. Die Verhältnisse sind verwirrt. Und so ist das Paradies verloren. Aber Gott hilft Adam und Eva. Er bekleidet sie mit Fellen, er schützt sie gewissermaßen – und sie müssen jetzt in das Leben gehen. Gott bleibt an ihrer Seite, in der ausweglosen Situation, die in eine ungewisse und leidvolle Zukunft der Menschheit führt. Er ist immer irgendwie nah. Und er wirkt irgendwie auch verzweifelt. So zerrissen wie die Menschen wirkt Gott auch. Sie sind ja seine Geschöpfe, und er hatte ihnen die Freiheit geschenkt, wie er zu lieben. Nun haben sie die Freiheit missbraucht, und die Geschichte beginnt mit einer ständigen Steigerung des Unheils. Aber Gott kann von seiner Schöpfung nicht lassen. Er steht zu ihr. Kurzzeitig verliert er die Geduld, als er die große Flut macht und bis auf Noah und seine Familie fast alles vernichtet. Aber genau das will er eigentlich nicht – und seitdem ist der Regenbogen das große Zeichen dafür, dass Gott den Menschen niemals verlässt und aufgibt.

Und so wird Gott der Gott der neuen Anfänge. In der Verwirrtheit und Boshaftigkeit menschlicher Geschichte, im Stehen zur Güte der Schöpfung und des Menschen, versucht Gott immer wieder neue Anfänge. Neue Anfänge mit Menschen. Exemplarisch wird dies immer wieder erzählt. Und es macht etwas deutlich, was für meinen und unseren katholischen Glauben zentral wird.

Die Genesis erzählt die Geschichte von Abram. Inzwischen ist er ein alter Mann und hat eine unfruchtbare Frau. Die Geschichte der Menschheit ist weitergegangen. Nichts ist besser geworden. Eher deutet die Schrift an, dass es so etwas wie einen schleichenden Niedergang gibt. Waren Menschen früher uralt, so sterben sie jetzt eher ... das Leben nimmt ab.

In dieser Situation geschieht ein Anruf Gottes. Gott spricht zu Abram. Allein schon das macht wieder Staunen. Mitten in ein gelebtes Leben hinein, mit seinen Höhen und Tiefen, mit seinen Erfolgen und Enttäuschungen, und vor allem mit seiner Unfruchtbarkeit, bricht Gott gewissermaßen in dieses gelebte Leben ein:

Der Herr sprach zu Abram. Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen. Da zog Abram weg, wie der Herr ihm gesagt hatte (Gen 12, 1-4).

Das nennt man ja wohl Berufung, und es ist eine Sensation. Denn was hier geschieht, das sagt eine Menge über Gott aus. Er hat sich gewissermaßen festgelegt. Er möchte mit Menschen und durch Menschen ermöglichen, dass es eine gute Zukunft für alle Menschen gibt. Und deswegen spricht er Menschen wie Abram an. Ganz persönlich fordert er – und das ist das Zweite – einen Menschen heraus, sich ganz auf Gott einzulassen und mit ihm in eine Zukunft zu gehen, die ebenso ungeahnt wie unwahrscheinlich wirkt.

Zuerst und vor allem beginnt hier eine neue Perspektive der Geschichte. Gott will das Heil der Menschen wirken, und er will dies mit Hilfe von Menschen tun. Dieser Abram aber bringt gar nicht die Voraussetzungen dafür mit: Er ist schon alt, und Kinder kann er nicht bekommen. Umso überraschender, was Gott verspricht. Über seinem Leben steht eine ungeheure Verheißung. Lässt Abram sich darauf ein, alles zu verlassen, was ihm bekannt ist, und sich auf Gott allein zu stützen, dann verheißt ihm Gott Fruchtbarkeit – weit über sein Leben hinaus. Er wird zu einem Volk werden, zu einem großen Volk. Und zugleich verheißt Gott dem Abram ein neues Land, eine Heimat, die Er für dieses Volk schafft – aber das Abram nicht kennt.

Aber damit nicht genug. Dieses neue große Volk in diesem neuen Land ist nicht nur eine persönliche Verheißung für Abram, gewissermaßen der Preis für seine Leidenschaft für Gott – es geht Gott um viel mehr. Es geht Gott um alle Menschen. Geht Abram mit, dann beginnt hier eine Heilsgeschichte, die nach vorne offen ist. Gott möchte gar nicht zurück, er möchte nach vorn. Und er sucht und beruft Menschen, die mit ihm gehen, die sich auf ihn einlassen, ihm vertrauen über jedes vernünftige und ausrechenbare Maß hinaus. Und Gott sucht diese Menschen, damit Er alle retten kann.

In dieser kleinen und persönlichen Geschichte des Abram, die dann erzählt wird, geht es nicht darum, eine historische Geschichte zu erzählen. Das kann wohl kaum geklärt werden. Nein, es geht wieder um Gott und den Menschen, es geht um seine Güte und um das Heil des Menschen.

Und es zeigt sich eine »Logik«, die sich dann im Verlauf der Geschichte, bis hinein in unsere Tage, immer wiederholen wird. Gott ist der Liebende, der eine Leidenschaft für alle Menschen hat, sie sammeln will und unter seinem Segen verbindet. Die göttliche Leidenschaft für alle Menschen ist Hintergrund für das, was man »katholische Kirche« nennt. Denn gemeint ist nichts anderes als jene »alles umfassende« (das meint das griechische Wort »katholon«) Sammlungsbewegung Gottes – und diese Sammlungsbewegung Gottes nennt man griechisch »ekklesia« – die Heraus- und Zusammengerufenen.

Keine Sorge: Hier will kein verrückter Katholik belegen, dass die katholische Kirche schon in die Zeiten des Abram zurückreicht, und von einer römisch-katholischen Tradition kann hier überhaupt noch nicht die Rede sein. Aber in Abram wird deutlich, was seit dem Ende des Paradieses Gott unablässig bewegt: wie nämlich die Menschen neu in die liebende Gemeinschaft mit Gott hineintreten können.

Schauen wir noch einmal genauer hin, um zu verstehen, wie Gott das bewirken will: Er spricht einen Menschen an, der sicher nie an eine solche Rolle gedacht hat, wie Gott sie ihm jetzt zugedenkt. Dieser Mensch, der dann mit seiner ganzen Familie sich auf den Weg macht, vertraut dieser Stimme. Das ist schon ein Wunder – er kennt ihn doch kaum. In der Logik Gottes nennt man diese positive Antwort »Glauben«, und es wird schon hier deutlich, dass es ein Vertrauen in eine Beziehung ist.

Gott aber ruft