Lange war ich unsichtbar - Ursula Buchfellner - E-Book

Lange war ich unsichtbar E-Book

Ursula Buchfellner

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Beschreibung

Vergeben heißt, sich selbst zu lieben.

Aufgewachsen inmitten von Armut und Gewalt, lernt Ursula Buchfellner schon früh ein Geheimnis: Wer sich »unsichtbar« macht, überlebt. Mit 16 Jahren ergreift sie die Chance, dem Elend zu entfliehen: Sie wird Deutschlands jüngstes Playmate und macht als Model weltweit Karriere. Doch erst als sie bereit ist, sich mit denen zu versöhnen, die sie so tief verletzt haben, kann sie Heilung finden und ein neues Leben beginnen. In diesem Buch erzählt eine beeindruckende Frau von dem enormen Potenzial der Vergebung.

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Seitenzahl: 309

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Ursula BuchfellnerDaniel Oliver Bachmann

Lange war ich unsichtbar

Wie Versöhnung mein Leben rettete

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1. AuflageOriginalausgabe© 2015 Kailash Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHLektorat: Anne NordmannFotos im Bildteil hier und hier: © Peter Weissbrich/PlayboyAlle anderen Fotos: © privatTrotz intensiver Recherche konnten die Bildrechte nicht in allen Fällen zweifelsfrei geklärt werden. Bei berechtigten Ansprüchen werden Rechteinhaber gebeten, sich an den Verlag zu wenden.Umschlaggestaltung und Layout: ki 36 Editorial Design, München, Sabine Krohberger, unter Verwendung eines privaten Fotos der AutorinSatz: Fotosatz Amann, MemmingenISBN 978-3-641-15717-3www.kailash-verlag.de

»And I wish I was at home.«Paddy’s Lamentation by Niamh Ni Chavva

Liebe Mama, lieber Papa,

euch möchte ich von ganzem Herzen danken. Ihr habt mich auf schonungslose Weise mit Armut, Gewalt, Sucht, Opfer- und Täterenergien konfrontiert. Dadurch lernte ich Bescheidenheit, Mitgefühl und Unabhängigkeit. Ich lernte, dass Gewalt immer angestaute Energien sind, die aus unverheilten Verletzungen entstehen. Als ich begriff, dass auch ihr Opfer eurer Umstände seid, lernte ich die wertvollste aller Lektionen:

Versöhnung.

Inhaltsverzeichnis

Unsichtbar

Die besseren Leute

Hunger

Knock-out

Die Seelenschänder

Unser tägliches Brot gib uns heute

Auszug

Der Verehrer

Begegnung im Biergarten

Würden Sie jetzt bitte den Bademantel ablegen, Fräulein Buchfellner?

Wendepunkt

Im Scheinwerferlicht

Hölle der Lust

Auf nach Amerika!

Die Geschichte von Rolf und Schnuppi

In Israel

Le club échangiste

Das große »Nein!«

Das Fest

Der Kreis schließt sich

Danksagung

Bildteil

Unsichtbar

Ein Mann ist entbehrlich, ein Kind nicht.

Juliette Gréco

Als mir klar wird, wo ich mich befinde, während ich mich dem Haus nähere, befällt mich eine vertraute Unruhe, die sich auf meinen ganzen Körper ausweitet. Befehl vom Kopf an die Beine: Bleibt stehen! Dreht um! Lauft weg!

Über mir zerstreuen sich Sonnenstrahlen in den Blättern der wenigen Bäume, die vom Wald meiner Kindheit noch übrig sind, und lassen Lichtstreifen auf dem Asphalt tanzen. Frauenholzsiedlung hieß das damals, seit Herzog Wilhelm V. im Jahr 1600 die Einsiedelei »Zu unserer lieben Frau« errichtet hatte. Nein, nichts ist hier, wie es einmal war, und auch ich bin eine andere. Früher hätte ich den Atem angehalten, mein unschlagbarer Trick, um unsichtbar zu werden. Nicht atmen, so lange wie möglich, und danach nur ganz flach, praktisch regungslos. Die Brust darf sich kaum heben, kaum senken, und selbst der schärfste Beobachter entdeckt keine Bewegung am Bauch. Wer das hinkriegt, wird von seiner Umgebung nicht länger wahrgenommen, das habe ich herausgefunden, als ich erst ein paar Jahre alt war. Von der Welt ignoriert zu werden, unsichtbar zu sein – wie schön ist das. Niemand kann das Unsichtbare beschimpfen. Niemand kann es schlagen.

Ein Sonnenstrahl, der es durch die Blätter schafft, streift mit seiner Wärme meine Haut. Ich trage Hosen, die ich mir bis zu den Knien hochgekrempelt habe, dazu ein einfaches T-Shirt. Die Leute sagen, du bist so schön wie früher. Sie sagen, man sieht dir dein Alter überhaupt nicht an. Mag sein, dass ich dem Mädchen von damals ähnle, dem Mädchen, nach dem sich alle umgeschaut haben, ohne dass es selbst davon Notiz genommen hätte. Mag sein, dass ein halbes Jahrhundert und ein paar Jahre dazu äußerlich recht spurenfrei an mir vorübergegangen sind. Innerlich aber nicht. Da spüre ich, wie die Zeit auf mir lastet. Ich habe mich auf diesen Weg gemacht, um einen anderen Weg zu beenden. Ich möchte eine Mission erfüllen, die schwierig ist. Ich möchte mich mit meinen Eltern versöhnen. Ich will meiner Mutter und meinem Vater sagen können, dass ich sie von reinem Herzen liebe. Ich will sie in den Arm nehmen und in ihren Armen liegen. Lange habe ich mich auf diesen Tag vorbereitet, deshalb bleibe ich nicht stehen, drehe ich mich nicht um, laufe ich nicht davon. Meine Beine ignorieren den Fluchtimpuls aus dem Kopf. Ich beschleunige meine Schritte. Es sind alte Pfade, auf denen ich unterwegs bin. Die Frauenholzsiedlung liegt im Hasenbergl, einem Vorort von München, weit draußen vor der Stadt, der nach dem Krieg für lange Jahre als Münchens ungeliebtes Armenhaus, als Glasscherbenviertel und Barackenviertel verspottet wurde. Dort hausten die Schmuddelleute, mit acht Kindern, zehn Kindern, manchmal vierzehn oder sechzehn, in zwei Zimmern ohne Strom und ohne Wasser. Von dort komme ich, und dorthin will ich zurück. Ich will in die Vergangenheit reisen und will gleichzeitig Zukunft schaffen. Auf einmal liegt das Haus, in dem meine Mutter lebt, vor mir. Ich schaue nicht nach rechts, nicht nach links, ich sehe nur die Tür. Wird sie aufgehen? Wird sie verschlossen bleiben? So oft ist das die Frage, die entscheidet, wie unser Leben weiter verläuft. In meinem gingen viele Türen auf, andere dagegen blieben für immer zu. Doch das ist jetzt nicht wichtig. Entscheidend ist nur, wie es sich mit dieser Tür verhält. Ich lege einen Finger auf den Klingelknopf und drücke. Tief im Haus höre ich es läuten. Dann warte ich. Und warte.

***

Es war im Jahr 1961, als meine Mutter eine Tür öffnete, die sie lieber nicht geöffnet hätte. Sie hatte ein verhaltenes Pochen gehört, wie von einem Menschen, der es kaum wagt, seine Hand zu heben. Klingeln gab es in unserer Barackensiedlung nicht, die waren hier nicht nötig. Jeder kannte jeden, alle waren gleich arm, es war das Reich der lauten Stimmen. Wer etwas wollte, schrie es in die Welt. Verhaltenes Pochen an der Tür bedeutete Fremdes, und Fremdes war ein anderes Wort für Probleme. Probleme aber hatte meine Mutter schon genug. Ihr erstes Kind war erst seit einem Jahr auf der Welt, und nun war sie wieder schwanger, dabei war ein weiteres Kind das Letzte, was sie wollte. Es sollte ein Siebenmonats-Frühchen werden, die Schwangerschaft war schon jetzt sehr anstrengend. Widerwillig öffnete sie die Tür und stand einer fremden Frau gegenüber. Die trug einen braunen, an mehreren Stellen geflickten Rock und eine Bluse mit durchgescheuerten Nähten. Ihre Schuhe waren abgetragen, ihr Gesicht zeigte diese Müdigkeit von Frauen, die selbst im Schlaf keine Erholung mehr finden. Ein Kind, auch nicht älter als ein paar Monate, klammerte sich ängstlich an sie. Die Frau öffnete seine Finger, die sich in die Bluse verkrallt hatten, und streckte es meiner Mutter entgegen.

»Das ist der Sohn Ihres Mannes«, sagte sie.

Man darf keine Türen öffnen, wenn es klopft. Man darf überhaupt keine Türen öffnen, durch geöffnete Türen ist noch nie etwas Gutes gekommen. Meine Mutter hatte sich darüber hinweggesetzt, und deshalb standen sich jetzt diese zwei Frauen gegenüber, beide mit einem Kind auf dem Arm und mit Verzweiflung im Herzen.

»Ich brauche Geld, ich muss dem Jungen Essen kaufen.«

Das Wort »Geld« brachte meine Mutter in die Gegenwart zurück. Für einen Augenblick war sie in die Vergangenheit abgeschweift, die kaum vorüber und trotzdem schon mit dem Grauschleier des Vergessens behaftet war. Zwei knappe Jahre war es her, dass sie diesen unverschämt gut aussehenden Mann kennengelernt hatte, einen Straßenbahnkontrolleur der Linie 13. Die fuhr zwar raus aus der Stadt, schaffte es aber nicht bis ins Hasenbergl. Meiner Mutter, die dort wohnte, war das egal, von nun an fuhr sie ständig Straßenbahn und musste auch nie ein Ticket lösen, denn das war die Masche meines Vaters. So manches junge Mädchen erlag seinem Charme, andere aber fühlten sich von ihm belästigt und beschwerten sich. Und nicht lange nachdem meine Eltern geheiratet hatten und meine Mutter mit dem zweiten Kind schwanger war, hatte die Straßenbahngesellschaft meinen Vater entlassen. Daher fiel meiner Mutter die Antwort nicht schwer.

»Geld haben wir keines«, sagte sie.

Sie zweifelte keinen Augenblick an den Worten der fremden Frau. Womöglich war diese auch mit der Linie 13 gefahren und von meinem Vater umsonst mitgenommen worden – wobei es ein »umsonst« eben nicht gibt, so will es das Gesetz des Lebens. Vielleicht hatten sie sich aber auch woanders kennengelernt; dort, wo er nach der Arbeit trinken ging, um zu vergessen, was er niemals vergessen konnte, nämlich seine eigene Kindheit. In den billigen Kneipen am nördlichen Stadtrand von München endeten die Abende oft im Suff, im Streit oder in den Armen fremder Mädchen, denen der Hunger nach dem Leben aus den Augen schien.

Niemand weiß, wer sie gewesen ist, auch mein Vater nicht. Spätere Nachforschungen endeten im Nirgendwo. Den Satz, den meine Mutter an diesem Tag zu ihr sagte, »Geld haben wir keines«, akzeptierte sie klaglos, wahrscheinlich hatte sie mit nichts anderem gerechnet. Doch die Last, die sie trug, musste sie wenigstens einmal für wertvolle Minuten mit der Frau teilen, die mit dem Vater ihres Kindes verheiratet war. Das hatte sie getan, nun ging sie mit ihm weg, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Meine Mutter schloss die Tür und weinte diese Art von Tränen, die gar nicht mehr aus den Augen treten. Das Frühchen lag unter ihrem Herzen und schon bald darauf ich. Hätte es eine Möglichkeit gegeben, uns loszuwerden, ohne sich der ewigen Verdammnis preiszugeben, wäre ihr die Entscheidung nicht schwergefallen.

Die besseren Leute

Wut ist ein nützliches Gefühl, wenn es darum geht zu überleben.

Beatrice Mtetwa

Wie stark mag die Tür sein, die mich von meiner Mutter trennt? Fünf Zentimeter, acht Zentimeter? Ein einfaches Schloss ziert sie, keine Herausforderung für jemand, der es darauf anlegt. Doch eine Tür ist immer mehr als nur ein Stück Stahl, Kunststoff oder Holz. Sie ist die Antwort auf die Frage, lasse ich einen Menschen zu mir oder sperre ich ihn aus. Während meine Mutter im Haus noch mit einer Entscheidung ringt, sehe ich mich um. Nein, das Hasenbergl gehört auch heute nicht zu den angesagten Vierteln Münchens. Es ist weder Schwabing noch Haidhausen, aber es ist auch nicht mehr das Getto früherer Zeiten. Der Euro-Industriepark liegt um die Ecke, dort gibt es Industrie, Großhandelsketten, Abholmärkte: Arbeit, Verkauf und Konsum an einem Ort, wo die Menschen noch vor zwei Generationen Hunger litten. Die Baracken von damals gibt es nicht mehr. Sie wurden in einer groß angelegten Übung der Münchner Feuerwehr Ende der Sechzigerjahre abgefackelt, als man beschloss, im Elendsviertel Häuser in »Schlichtbauweise« zu errichten, die zwar noch immer keine Heizung hatten, aber wenigstens aus Stein und Zement bestanden und nicht länger aus Holz. Heute stehen zwischen Dülferstraße und Aschenbrennerstraße die Häuserblocks dicht an dicht. Der soziale Wohnungsbau der Siebzigerjahre mit spärlichen Grünflächen und vielen Schildern, was alles verboten ist, will die Vergangenheit vergessen lassen. Bei mir funktioniert das nicht. Es ist, als ob ich ein dreifaches Bild sehe: Die Holzbaracken, die Steinhäuser und die Wohnblocks legen sich wie Schichten übereinander.

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